Die amerikanischen Prog Metal Matadores traten ja letztes Jahr im
Juni im Rahmen der "Z7 Summer Nights" in der Schweiz auf. Da ich
anfangs des Monats bereits am Sweden Rock Festival zum Handkuss kam,
liess ich diese CH-Sause aus. Mit dem aktuellen Album «Distance Over
Time» (2019) beschreiten Dream Theater den Pfad der Tugend wieder,
zum Glück! Das Vorgänger-Epos «The Astonishing» (2016) zeichnete
sich bekanntlich mehr durch belanglose Länge als kompositorische
Finesse aus. Man musste fast schon befürchten, dass Dream Theater
die Luft ausgeht, aber das passierte, wie inzwischen überzeugend
widerlegt, nicht. Mag ja sein, dass nicht wenige Musikfans auch die
ruhigere Seite der Amis mögen, doch mitunter passt es auch mir
eindeutig mehr, wenn die Stilbezeichnung "Progressive Metal" auch
entsprechend zelebriert wird. Im Februar 2017 wurde an gleicher
Stelle das 25-jährige Albumjubiläum des Backkatalog-Klassikers
«Images And Words» begangen, und heuer war entsprechend «Metropolis
Pt.2: Scenes From A Memory» an der Reihe, das auch schon über zwei
Dekaden alt ist und, ergänzt mit ein paar neuen Songs, ebenso
komplett durchgespielt wurde!
Dream Theater
Die Samsung Hall mit einem Fassungsvermögen von 5'000 Fans ist im
Raum Zürich, nach dem Hallenstadion, die grösste Eventhalle.
Aufgrund des Vorverkaufes, respektive den heute rund 2'000
gekommenen Besuchern hätte die Halle 622 (in Oerlikon) längstens
dafür ausgereicht. Bezüglich der Akustik war die Wahl der so nicht
mal halb gefüllten Location in Dübendorf dennoch die richtige
Entscheidung. Da sich das Stehplatz-Publikum mindestens zu Beginn
vornehmlich im Bereich rechts von der Mitte versammelte, erhielt man
so den vermeintlichen Eindruck, dass mehr Leute da sind. Wer sich
dann allerdings mehr nach links bewegte, fand plötzlich viel Platz
um sich herum. Dort war dann auch meine Wenigkeit nach dem Tipp
eines Kollegen anzutreffen. Der heutige Abend versprach einiges, und
die eingefleischten Anhänger der Band freuten sich sichtlich darauf.
Dass das Konzert von einer Pause unterbrochen wird, war zum Voraus
nicht bekannt, konnte aber aufgrund der Affiche des heutigen Abends
nachvollzogen werden. Bevor die knapp achtzig Minuten von
«Metropolis Pt.2: …» jedoch in Angriff genommen wurden, setzte
erstmal «Untethered Angel» als Konzert- wie Album-Opener von
«Distance Over Time» den ersten musikalischen Markstein. Der
optische Blickfang auf der Bühne hingegen war, nebst dem gemäss dem
Cover der neuen Platte skullbehangenen Mic-Ständer von Frontmann
James LaBrie, wiederum das mönströse Schlagzeug von Trommler Mike
Mangini. Tasten-Gott Jordan Rudess
hatte
derweil wieder seine "Wagenburg" in Stellung gebracht und für
Saitenzauberer John Petrucci, der schon eine Weile einen stattlichen
Bart im Gesicht hängen hat, musste bloss wieder seine Box am
Bühnenrand stehen haben, um seine Lieblingsstellung beim Spielen
einneh-men zu können, vor allem beim Solieren. Bassist John Myung
brauchte derweil nur sein Instrument und ein paar wenige
Quadratmeter Platz, um sich voll entfalten zu können.
Unterstützt durch eine hinten hoch oben befestigte fette Videowand
und gutes Licht, das allerdings einmal mehr erst nach dem Verlassen
des Fotograbens richtig in Szene gesetzt wurde, nahm der erste Teil
der Show rasch Fahrt auf. Während die Instrumentalisten keine
Aufwärmphase benötigten und von Anfang an von null auf hundert
ablieferten, dauerte es hingegen ein Weilchen, bis die Stimmbänder
von James LaBrie auf Betriebstemperatur waren. Danach lief es wie am
Schnürchen, wobei mir das Ganze teilweise zu wenig Seele enthielt
und etwas zu routiniert runtergespult vorkam. Das Publikum, das
überwiegend aus Prog-Nerds oder zumindest Fans dieses Stils bestand,
antizipierte jedoch gut, und so entwickelte sich alsbald die
richtige Stimmung in der Halle. Im ersten Teil wurden mitunter vier
neue Tracks gespielt, darunter «Paralyzed», wo der Gitarrensound
schon fast düster, wie zu Zeiten von «Train Of Thought» daher kam
und man beim Solo wie insgesamt aber wieder Dream Theater pur
geniessen konnte. «Pale Blue Dot» als letzter Track vor der Pause
setzte da nahtlos an und liess die Prog-Gemeinde in Glückseligkeit
schwelgen. Auch wenn LaBrie gewisse Höhen nicht mit letzter
Konsequenz performte, zog dieser an diesem Konzert mit Sicherheit
einen guten Abend ein. Ich würde an dieser Stelle zu keiner Zeit und
aus welchem Grund auch immer einen allenfalls anderen Sänger hören
wollen. Und dann kam er eben, der stimmungskillende Unterbruch, der
höchs-tens als Pinkelpause Sinn machte. Nach rund zwanzig Minuten,
respektive einer gefühlten Ewigkeit ging das Licht in der Halle zum
zweiten Mal aus, und dann legten die Amis ihr fünftes Studioalbum am
Stück hin, fast achtzig Minuten Prog der Güteklasse eins. Die total
neun Szenen, die in zwei Acts unterteilt sind, boten alles, was das
Fanherz begehrt. Dream Theater gaben sich hierbei keine Blösse und
zeigten eindrücklich auf, warum sie zu den Grössten ihres Genres
zählen.
Bei all der faszinierenden Technik und dem grandiosen
Zusammenspiel fehlten hinten raus aber die wirklichen Hits der Marke
«Pull Me Under», «Take The Time» oder der Track «Metropolis –Part
1», die alle auf «Images And Words» zu finden sind. Hauptsache ist
aber, dass Dream Theater ihre Fanbase mit «Distance Over Time»
wieder beruhigen wie gleichzeitig begeistern konnten. 2022 wäre es
dann soweit, dass «Six Degrees Of Inner Turbulence» zwei Dekaden alt
ist. Ob man damit dann im gleichen Rahmen wie jetzt auf Tour gehen
wird, sprich in den Genuss des ganzen Doppelalbums käme, wird sich
zeigen. Bleibt zu hoffen, dass die Gerne-Ikonen noch eine Weile im
Zirkus mitmischen, denn von wegen "die Luft sei raus", wie zu Beginn
erörtert. Das kann nach dieser Tour locker verneint werden.
Setliste: Atlas (Instrumental Intro)» - «[Act 1:] Untethered Angel»
- «A Nightmare To Remember» - «Paralyzed» - «Barstool Warrior» - «In
The Presence Of Enemies, Part I» - «Pale Blue Dot» - (Pause 20 Min.)
» - «[Act 2] (Metropolis, Part 2: Scenes From A Memory): «Act I:
Scene One: Regression» - «Act I: Scene Two: I. Overture 1928» - «Act
I: Scene Two: II. Strange Déjà Vu» - «Act I: Scene Three: I. Through
My Words» - «Act I: Scene Three: II. Fatal Tragedy» - «Act I: Scene
Four: Beyond This Life» - «Act I: Scene Five: Through Her Eyes» -
«Act II: Scene Six: Home» - «Act II: Scene Seven: I. The Dance Of
Eternity» - «Act II: Scene Seven: II. One Last Time» - «Act II:
Scene Eight: The Spirit Carries On» - «Act II: Scene Nine: Finally
Free» -- «At Wit's End».
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