«Do It Yourself» ist das Motto der Stunde in der (rockenden)
Musikszene. Auf ein Label warten, dass einem die Arbeit abnimmt
scheint passé zu sein, auf jeden Fall, wenn man sich die Schweizer
Melodic Metal Institution Gonoreas anschaut. Im Alleingang liess man
«Plead Not Guilty» Anfang diesen Jahres auf die helvetischen Mosher
losgelassen, momentan tingelt man straff organisiert durch die
nationale Clublandschaft und zu allem hin ist nun auch noch ein
waschechtes Live-Dokument der Aargauer in der Mache. Aufgezeichnet
wurde das noch nicht veröffentlichte Stück am 30.08. im Wohlener
Casino. Und um die Sause nicht im kleinen Rahmen feiern zu müssen
lud man sich gleich noch einen ganzen Reigen anderer Combos ein wie
etwa die Thrash-Veteranen Drifter, die truen Emerald, die TBC-Rocker
von The Vibes, die transnationale Vereinigung Hangman's Nooze wie
auch Radwaste, die noch blutjunge Band von Gonoreas-Basser Daniel
Jerosch. Bevor der metallische Reigen aber zum Headbangen vor leider
nicht allzu vielen Leuten aufspielen konnten gabs für die früh
Anwesenden gekühltes Blondes aufs Haus. Das darf man ruhig Fan-Nähe
nennen.
Radwaste
Im warsten Sinne des Wortes «Vorhang auf!» hiess es zum ersten Mal
an diesem flauen, sommerlichen Samstagabend um 18.35 Uhr, nachdem
das Gratisbier schon weggezischt war. Letztes Jahr erst gegründet,
hängen Radwaste noch als unbeschriebenes Blatt an der Metal-Eiche,
so dass auch meine Wenigkeit einzig die Soundfiles auf der Bandpage
zur Orientierungshilfe heranziehen konnte. Anhand dieses Gigs kann
man den vier Jungspunden, ohne sich gross aus dem Fenster lehnen zu
müssen, die besten Aussichten für die Zukunft bescheinigen. Wirkte
man in den ersten Minuten auf der wohl ungewohnt grossen Bühne noch
etwas verloren, konnte man die ca. 40 mehrheitlich jungen Leute ohne
Weiteres mitreissen. Angeführt von Daniel Jerosch als Sänger/Klampfer,
der wie schon erwähnt bei Gonoreas für die tiefen Töne zuständig ist
und somit das «Auf-der-Bühne-Stehen» schon wie aus dem FF kennt,
schmiss man den Kopf zu Thrashern wie «Operation: False Freedom»
oder «Strike The Match» auf und ab (v.a. Basser Fabian Treier) und
sich selber in klassische Metalposen. Und wenn man dazu noch
beweist, dass man Humor hat, so ist einem die Sympathie des
Publikums mehr als gut gesinnt. Die Thrash-Version von Manni Matters
«Arabisch» regt zumindest zum Schmunzeln an und leitet perfekt in
die zweite Gratisbier-Runde über.
Hangman's Nooze
Metallische Globarisierungsergebnisse: Die Grenzen fallen, auch die
der Schweiz. Zumindest, wenn es um die Besetzung neuer Bands geht.
Bestes Beispiel dafür die noch taufrischen Hangman's Nooze, die
zweite Truppe dieses Abends, welche mit einem
deutsch-österreichisch-schweizerisch-ungarischen Potpurri aufwarten
konnte. Deren Fans hatten den Weg nach Wohlen wohl trotz Navi-Gerät
und Karte nicht gefunden, denn nur wenige Nasen standen während des
etwas unkoordinierten Gigs vor der Bühne herum. Etwas zu rau und roh
schmettert man räudige Rock-Tracks wie «Burn» oder «Cannonball Fire»
aus den Hüften. Gitarrero Zoltan Daraban (Ex-Inishmore) zeigt sich
dabei in Posing wie Riffing souverän wie immer, doch sein dünner
Gitarrensound ist bei weitem nicht das Mass aller Dinge, wobei
dieser sowieso unter den zu lauten Vocals zeitweise zu verschwinden
droht, die Mr. Andy Pichler (optisch eine Mischung aus Marc Storace
und Neil Young) mit gesegnetem, wenn auch manchmal noch nicht ganz
im Zaum zu haltendem Singorgan intoniert. Joey Roxx, gekleidet in
klassisches Glam-Outfit (und meines Wissens nicht verwandt mit
unserm Scheffe) und Schlagwerker Hans Gebhart liefern derweil einen
musikalisch unauffälligen aber souveränen Job ab. Und auch wenn am
Sound noch etwas geschliffen werden muss, Optik wie Gehabe stimmt,
sodass einem die Combo schon leid tun kann, wenn auf ihre
Motivierungsversuche im feuchtfröhlichen Bikerrocker «Beer Song»
keine Reaktion zu vermelden ist. Noch etwas Schleiffarbeit und
ausgefeilteres Songwritting, dann wird das mit der Mischung aus
straighten Riffsongs und an die 80's angelehnten Stadionrock
sicherlich etwas.
The Vibes
National noch eher unbekannt, im Dreieck Zofingen, Aarau, Olten aber
doch nicht ohne Name rocken The Vibes schon seit einigen Jahren
durch die Clubs, dabei den Spirit des guten alten Rock'n'Roll der
70er wieder aufleben lassend. Eigentlich bekannt für ihren von Hammond-Sounds geschwängerten Stil bekannt, packte man heute die
Rotzrock-Seite aus und verzichtete komplett auf Tasten. Dafür
schnallte sich Basser Matlock die Mundharmonika um den Mund, deren
Wirkung leider auch wieder durch den eher mässigen, soll heissen
undurchsichtigen Sound geschmälert wurde. Gitarrero Mojo und bis
anhin auch Leadsänger der Truppe überliess seinem Bruder Matlock
dabei auch vermehrt das Mikro. Fans indes konnte das Trio nicht
wirklich mobilisieren, sodass noch weniger als bei Hangman's Nooze
ihr Köpfe kreisen lassen. Die TBC-Rocker jedoch lassen sich davon
nicht irritieren, sondern geben vor allem in Sachen Performance
alles, sodass ihre Show, wenn auch für ihre Verhältnisse äusserst
brachial, Spielfreude und Professionalität vermittelt. So hätte man
wohl die eine oder andere Kopie ihrer letzten Scheibe «Whiskey, Sex
& Rock'n'Roll» an den Mann bringen können, wären nur einige da
gewesen. Scheiss drauf, einen echten Rocker kratzt das nicht und so
rattert man trotz leerer Halle das Casino mit «Fatten The Cattle»
und «Ride Your Horse Down» straight und energiegeladen wie eh und je
runter, wobei die psychedelische Tasten-Version schon mehr Reiz zu
versprühen vermag.
Emerald
Leder statt Jeans, schwarz statt verwaschen blau und true statt
kickass: Vom Rock'n'Roll direkt in die Fantasy-Welt des
traditionellen Metals führten Emerald. Das Quintett um Ivo Julmi,
dessen Stimmlage zehn Mal höher liegt als seine Körpergrösse, konnte
in der Vergangenheit schon auf einigen Bühnen im In- und Ausland
überzeugen konnten, konnten zwar mit ihrem professionell
inszenierten (Intro, selbstgemachte,
glühende Smaragd-Lichter und
das schon erwähnte Outfit) Auftritt beeindrucken, hielten mit der
Agilität und Spielfreude der Vibes jedoch nicht mit. Dafür glänzte
man mit dem klarsten und epischsten Sound des bisherigen Abends, der
quasi Voraussetzung für Hymnen aus Stahl («Hymn Of Steel») wie «Hard
To Be True» oder «Forces Of Steel» darstellt, da diese sonst wohl
wenig funktionieren würden. Locken kann man mit diesem Stil deutlich
mehr Leute und so finden sich doch wieder gut zwei Dutzend
Headbanger ein, die zwar nicht regelrecht abfeiern, den
Düdingern aber gebührenden Tribut zollen. Emerald machen dies
hingegen jemand anderem, nämlich Edguy, deren «Vainglory Opera» sie
makellos zum Besten geben. Wegen der schon reichlich
fortgeschrittenen Zeit (mind. eine halbe Stunde hinter dem Zeitplan)
streicht man zwei Songs und so kann die vielleicht trueste Band der
Schweiz nur einen Bruchteil ihrer Diskographie, welche doch schon
drei Scheiben umfasst und mit «Hymns To Steel» letztes Jahr ihren
bisherigen Höhepunkt erlebte, zum besten geben konnten. Gerade dies
wäre aber ein Grund gewesen, in der verbleibenden Zeit körperlich
etwas mehr Gas zu geben.
Gonoreas
Wie man knackigen Power/Melodic Metal mit einer noch knackigeren
Live-Performance zustande bringt, das zeigten nach Emerald Gonoreas,
die Gastgeber des Abends. Für ihre DVD-Produktion hatten sich die
Aargauer nämlich nicht lumpen lassen, von was in Sachen Lightshow
schon die Aufwärmer profitieren konnten. Gonoreas jedoch
kombinierten das Licht noch mit einer Bühne, die manche
internationale Band gerne ihr Eigen nennen würde. Zwei Treppen
führten neben den Kesseln von Jonas Lotar zu Podesten, auf welchen
sich zuerst Gitarrenelfe Miriam Zehnder und Doppelrocker Jerosch in
Szene warfen, dann aber immer wieder wechselnd in Beschlag genommen
wurden. Davor rocken die beiden Köpfe der Truppe, Fronter Gilberto
Meléndez und Saitenflitzer Damir Eskic mit Hummeln im Hintern über
die Bühne, stehen keine Sekunde still (was das Photographieren nicht
gerade begünstigt) und können
damit mächtig Power ausstrahlen. Nicht
unschuldig daran ist sicher auch das Publikum, welches mit etwas
etwa 60 Personen das grösste des Abends darstellte und euphorisch
feiernd auch das enthusiastischste war. So fiel es Gilberto alles
andere als schwer, die Anwesenden zum Mitfeiern zu bringen.
Klatschen, Mitsingen und Bangen ging von alleine, was bei Songs wie
«Breaking The Chains», «Hope» (beide vom aktuellen und superben «Plead
Not Guilty») oder «Freedom» (vom Vorgänger «Outbreak») auch nicht
verwundert. Die Bühne wackelt, die Köpfe davor auch, was will man
mehr? Gut, ein wenig mehr Leute hätten die läppischen 15.- Eintritt
schon berappen können, doch letzlich lassen sich Gonoreas davon
nicht im Geringsten irritieren, haben sichtlich ihren Spass und
können das durchwegs hohe Niveau ihrer Darbietung mit Hits wie «Love
To Rock» oder «Bang Your Head» noch steigern, sodass Gonoreas mit
diesem Gig eine Garantie dafür ablegen konnten, dass ihre kommende
DVD keine Sekunden Langweile oder Mittelmass dokumentieren wird.
Drifter
Sie sind Kult, haben Erfahrung und geben live alles, können daneben
noch mit echten Thrash-Perlen aufwarten. Drifter waren und sind
(zumindest meines Erachtens) eine der besten Metalbands der Schweiz.
Dennoch muss auch ich eingestehen, dass nach dem Auftritt von
Gonoreas die Sause im Casino eigentlich gelaufen war. Nicht nur,
dass die Mehrheit wirklich nur wegen den Gastgebern nach Wohlen
getingelt war, sondern auch die gottlose Zeit um 00.50 Uhr führte
wohl dazu, dass die Halle bis auf zwei, drei wackere Thrasher
leergefegt war, als «Burning Circles» das Set eröffnete. Dabei
erwischte man auch nicht gerade einen Glanzstart, konkreter, man
versemmelte, wohl infolge akustischer Schwierigkeiten, den Anfang
des Songs und geriet für ein paar Takte ins rhythmische Schlingern.
Bei «Strontium Dog» und dem knapp ein Jahr alten Track «The Eagle»
war dann aber wieder alles im Lot und die Show, wie man sie von
Drifter erwartet, nahm ihren Lauf: Der bangende Dreier Marcon/Szabo/Naef
sorgen für Thightness, Peter Wolff spielt sich, auch wenn nicht
immer gut hörbar, die Finger blutig und Mr. Tommy Lion schreit sich
theatralisch wie immer die Seele aus dem Leib. Die drei, vier
Hartgesottenen vor der Bühne, darunter auch der Rezensent, bangen
sich dazu die Birne wirr, doch schon nach «The Elder» scheinen sich
technische Probleme einzustellen. Ivano Marcon trottet einige Male
sichtlich angepisst zu seinem Verstärker, kann seinen Sound
zeitweise auch wieder herstellen, doch das Problem wird bis
zum Ende
nicht behoben sein. Bis dahin beisst man aber tapfer durch,
überbrückt Ausfälle mit spontanen Einlagen wie einem Drum-Solo und
lässt die leere Halle wenigstens noch mit Krachern wie «Banners On
The Battlefield» oder «Highlander» erzittern. Dazu kredenzte man
einen weiteren neuen Song, nämlich «The Clown». Da sich der Zustand
von Marcons Klampfe aber weiter verschlechterte, so blieb Drifter
letztendlich nichts anderes mehr übrig, als die letzten drei Songs
ihres Gigs («So Much Blood», «We Can't Be Beaten» & «Reality Turns
To Dust» - schnief!) sausen zu lassen. Dass einem in diesem Moment
das abgenutzte Sprichwort «Glück im Unglück» einfiel, nämlich dass
diese Bredouillen von lediglich ein paar Nasen mitverfolgt werden
konnten, machte die Sache nicht wirklich besser, was sich auch in
der Stimmung der Band nach dem Gig spiegelte. Pannen, Pech und
einige Patzer in der Organisation verliehen dem ganzen Abend in
Wohlen und vor allem dem Gig von Drifter ein unwürdiges Ende. Und
wenn man dann noch vom Basser Szabo selbstlos nach Hause gefahren
wird, dann tun einem die Thrash-Dinos doppelt leid (danke nochmal,
Gabor!).
Pannen, Pech und einige Patzer in der Organisation verliehen dem
ganzen Abend in Wohlen und vor allem dem Gig von Drifter ein
unwürdiges Ende. Dennoch muss festgehalten werden, dass die ganze
Casino-Sache doch ein Beispiel dafür war, wie viele Schweizer
Truppen das Potential haben würden, in höheren Ligen mitzuspielen,
würde nur das Glück einmal auf sie herabregnen. Gerade Gonoreas
hätten kein Problem, in der Champions League um den Metalpokal zu
rocken.
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