Nachdem ein Konzert der Deutschen letztes Jahr ins Wasser
gefallen ist, konnte man umso gespannter sein, ob’s denn diesmal
etwas wird. Der dritte März im Jahre 2012 war das
Entscheidungsdatum, die Halle proppenvoll mit vielen Besuchern von
unserem nördlichen grossen Bruder, allgemein angeheiterte Stimmung
inklusive einem Merchandise-Stand mit T-Shirts einer Band, die gar
nicht spielte – so weit, so teilweise fragwürdig. Es versprach, ein
Abend mit allen möglichen Emotionen zu werden. So kam es dann auch,
dass zu allererst der charismatische Sänger von Eisbrecher, Alexander
Wesselsky, die Bühne betrat und die Zuhörerschaft begrüsste. Nachdem
er einige Worte über die Vorgruppe verlor und sie liebevoll die ‚Lollies’
nannte (wobei er ebensolche Süssigkeiten verteilte), kündigte er
Lord Of The Lost an: Sie seien düster, extrem und gut im Bett –
woher auch immer er das wusste.
Lord Of The Lost
Nachdem sich Alex unter allgemeinem Gelächter, Geklatsche und
Gepfeife von der Bühne verschwand, wurden ebenjene von Lord Of The
Lost geentert. Man hörte es am Gekreische der Groupies an: Hier kam
eine Band, die sehr viel wert auf ihr Äusseres legte – was sich auch
bestätigte, denn das taten sie, allerdings auf eine doch ziemlich
amüsante
Weise. Alle Bandmitglieder waren sehr tuntenhaft-klischeegruftig
bemalt (von ‚schminken’ mochte man beim besten Willen nicht reden)
und kleideten sich ebenfalls dem Klischee entsprechend. Als
‚musikalische’ Darbietung kredenzten die Lollies eine Mischung aus
Dark Metal, leicht gegrowltem wie geschrieenem Gesang sowie einigen
Synthie-Einspielern. Quasi Deathstars für Arme. Das Ego des
‚Sängers’ war dermassen angeschwollen, dass er es nicht lassen
konnte, sich mit gequälter Miene sein T-Shirt runterzureissen – muss
wohl ein Fabrikat sein, das irgendwie kratzt oder juckt. Dasselbe
mag für die Unterwäsche gelten (wobei hier Mutmassungen über
mangelnde Körperhygiene durchaus ihre Berechtigung hatten), denn
immer wieder rutschte die Hose beinahe auf Halbmast und präsentierte
dem Publikum die Po-Ritze des guten Herrn. Muss ja auch mal gelüftet
werden, ist schon klar. Die absolute Krönung dieses, ähem, Auftritts
war eine 1:1-Adaption des, man glaube es oder nicht, ‚Hits von Lady
Gaga namens „Bad Romance“, welches auch ohne jegliche Schamesröte so
angekündigt wurde. Überhaupt kannte man keine Zurückhaltung, das
Wort ‚Sex’ wurde sehr viele Male verwendet. Nun, wenn man sonst nur
im Mittelmass schwimmt (wenn überhaupt), muss man ja irgendwie auf
sich aufmerksam machen, und es gilt eben immer noch: sex sells.
Eisbrecher
Es blieb ein Rätsel, weshalb eine Band wie Eisbrecher eine solche
Vorgruppe sich und dem Publikum antaten. Gerüchten, wonach dies für
die Kontrastierung zwischen den Bands sorgen sollte, darf Glauben
geschenkt werden, zumal es mehrheitlich offensichtlich gewesen ist.
Nun aber war es an der Zeit für die Deutschen um Alexander Wesselsky
und Jochen Seibert, auch bekannt als Noel Pix, den Eisbrecher auf
Kurs zu bringen. Dafür legten Sie dann auch gleich mit „Exzess
Express“ los, und man merkte allen Bandmitgliedern an, dass sie
Spass daran hatten, auf der Bühne zu stehen und das Publikum zu
unterhalten. Schlag auf Schlag ging es auch mit „Willkommen im
Nichts“, „Angst“ und dem aktuellen Video-Hit „Verrückt“ weiter.
Zwischendurch begeisterte Alexander als Entertainer mit gewitzten
Ansagen und spontanen Reaktionen, etwa auf den Zwischenruf eines
offensichtlich angeheiterten Fans, dass Alexander ein ‚alter Sack’
sei (dies auf die Bemerkung ebenjenes hin, dass er langsam alt
werde). Ganz trocken kam da nur „du könntest aus Deutschland sein,
so unfreundlich, wie du bist“, was für allgemeine Erheiterung
sorgte. Die Set-Liste umfasste viele Klassiker, unter anderem auch
„Vergissmeinnicht“, „Schwarze Witwe“, „Heilig“ oder „Kann denn Liebe
Sünde sein“, zwischendurch kamen immer wieder Show-Einlagen zum
Einsatz, etwa eine Improvisation von Alexander und Jürgen auf
Akustik-Gitarren, ein Jodler-Liedchen (was manchen selbsternannten
Schweizer vor Neid erblassen lassen dürfte), eine Hissung der
Schweizerfahne oder ein Song mit 4 Drummern, ähnlich der Blue Man
Group. Gegen Ende wurde sogar ein alter Klassiker aus Megaherz-Tagen
gespielt, „Miststück“ der Titel, in die Länge gezogen und mit
Publikums-Aufforderung, den Titel zu schreien, und zwar nach
Geschlechtern getrennt. Echt interessant, wer sich auch mittels
T-Shirt gerne zum Miststück ernannte. Es war trotz einer gewissen
Erwartungshaltung überraschend, dass ein solcher Song noch gespielt
wurde – jedoch hätte es ebenso „Beiss mich“ oder „Ruf mich an“
getan. Anyway, es wurden seitens der Eisbrecher-Diskographie trotz
Kreuzung aller Schaffensperioden viele Lieder nicht gespielt, die es
ebenso verdient gehabt hätten, allen voran „Herzdieb“, aber auch
„Tanz mit mir“ vom aktuellen Longplayer oder auch „Eiszeit“. Aber
auch so war der Abend mehr als nur gerettet, Eisbrecher hatten ihrem
Ruf als Band und Entertainer gleichermassen Ehre gemacht und
hinterliessen glückliche Gesichter in den späten Samstag-Abend nach
knapp 2 Stunden Musik, Unterhaltung und Witz.
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