Livereview: Eisregen - Debauchery - Hellvetica - Calico

29. September 2017, Dynamo - Zürich
By Natalia N.
Am 29. September trat im Dynamo wohl die eigenartigste Band Deutschlands, die Gruppe Eisregen, auf. Man kann unterschiedliche Meinungen haben, was deren Musik angeht, aber es ist bestimmt nicht zu verneinen, dass der Frontmann und Schöpfer der Band, Michael Roth, seine eigene Vision davon hat, wie die schwere Musik sein muss! In diesem Jahr veröffentlichte die Gruppe schon das zwölfte Album mit dem Titel «Fleischfilm». Es wäre jedoch falsch zu sagen, dass die Veranstaltung nur mit dem Auftritt von Eisregen interessant gewesen ist. Auch andere Bands haben durch ihre Individualität geglänzt. Vor Eisregen spielten Calico und Hellvetica aus der Schweiz und die Debauchery aus Deutschland. Der Event glich also schon fast einem Minifestival.

Calico

Die Veranstaltung begann um halb acht mit Calico, die eine piratengeladene Atmosphäre generierten. Sie selbst beschreiben ihre Musik als Piratenmetal und pflegen dementsprechend auch ihr Bühnenoutfit. Sie trugen Piratenkostüme vom Feinsten. Besonders gut gefiel mir der Haken anstelle der Hand bei Sänger Philipp Wyssen. Er hakte damit eine Bierdose an, was ich sehr originell finde! Eine nicht weniger markante Gestalt und Zierde des Abends war die bezaubernde Piratin -Geigerin Janine Wild. Das Bühnenoutfit überstrahlte aber die Musik der Gruppe keineswegs. Die Partien des Schlagzeugers waren sehr erfreulich. Yves Locher bediente gleich zwei Basedrums einwandfrei und gab dem grundlegenden Melodic-Death alle Ehre. Dennoch beruht das musikalische Dasein der Band nicht nur auf Melodic-Death, sondern beinhaltet auch Folk- und Power-Metal-Elemente. Das Publikum war motiviert, sich reihenweise in die Fantasieboote zu setzen und zu der Musik zu rudern, die doch gute 40 Minuten durch den Saal donnerte.

Hellvetica
Auch die weitere Schweizerband Hellvetica erfreuten mich. Die Band veröffentlichte in diesem Jahr das Album «Against The Odds». Sie begannen ihren Auftritt mit einem Intro im Sinne der Nachapokalypse und hat dem Publikum direkt den Neuen Song, eine Mitteltempo-Komposition, «Bitchslap» vorgestellt. Sofort wurde klar, dass die Musik von Hellvetica, im Vergleich zu vielen anderen Thrashmetallern, nicht im letzten Jahrhundert spielt, sondern im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ja, die Musik der Gruppe ist in vieler Hinsicht Old-School, aber sicher noch mehr mit Blast-Beat-Schlagzeugpartien untermauert, hat „dickflüssige“ Gitarrenpartien und dabei sehr vielfältigen Gesang von Roman Wettstein, der mal etwas in der Harsh-Manier ausschreit, mal den Text spricht, wie es im Hard-Core-Genre üblich ist. Das Konzert war ein voller musikalischer Genuss bei dem man sich nicht einfach unter gewöhnlichen Riffs herumtreiben konnte. Im Übrigen besteht die Band aus sehr charismatischen Teilnehmern. Besonders prägten sich mir der technisch sehr phrasierte Gitarrenspieler Fedi Salazar und die Bassistin Sonja Traussnig ein. Viele Bewunderer der Gruppe kamen, um die Musiker an diesem Abend zu unterstützen. So spielten sie die erfolgreichsten Kompositionen vom neuen Album sowie die schon von Fans gefeierten Songs «Forever Revolution» und «You Rise and Fall». Insgesamt spielten sie 40 Minuten.

Debauchery
Die nächste Band begann um 21.45. Allerdings war der Aufbau der Bühneninfrastruktur schon sehr unterhaltsam. Die Bühne wurde allmählich mit verstümmelten, entkleideten, weiblichen Körpern ausgefüllt. Wer die Band schon live gesehen hat, weiss, dass es sich hierbei um die berühmten Kleiderpuppen von Debauchery handelt. Sie verschluckten die ganze Bühnenfläche, so dass für die Band selber nur ganz wenig Platz blieb. Allerdings besteht die Band auch nur aus drei Musiker, welche sich sehr harmonisch ins Bühnenbild einfügten. Waren es einmal mehr Musiker in der Band, besteht die Band heute nur noch aus Frontmann und Ideeninspirator Thomas Gurrath, Bassist und der Schlagzeuger. Für das Death-n-Roll-Genre ist allerdings ein solch minimalistische Besetzung höchst angesagt! Thomas platzierte sich hinter dem mit Schädel beschmückten Mikrofon. In letzter Zeit wurde der Requisitenbestand der Band ganz deutlich ergänzt. Thomas hatte einen prächtigen, detailüberzierten Lederanzug an und sein Gesicht schien ein Kunstblutbad genossen zu haben. In etwa genauso interessant sahen auch der Bassist und der Schlagzeuger aus. Die Band spielte 50 Minuten lang. Die Länge des Auftritts war so vorgesehen und galt als Fortsetzung von der «Debauchery Murdermarker Tour 2017», die bis zum Ende dieses Jahres gehen wird. Debauchery spielten mechanistisch und sachverständig während den 50 Minuten. Die Fans wirkten ganz zufrieden.

Eisregen
Schon nach 23:00 Uhr war auf der Bühne alles für den Headliner Eisregen fertig. Unter den mystischen Tönen und Klängen des Intros erschien eine riesige Figur – Frontsänger Michale Roth. Er klammerte sich quasi an den dichten Schleier des künstlichen Rauchs, die Hände in die Seiten gespreizt. Ungeachtet der späten Stunde und dessen, dass das Publikum vom Auftritt der vorangehenden Band augenscheinlich ermüdet war, wurden es nicht weniger Leute im Saal. Eisregen hat auch viele Fans angezogen. Ungeachtet aller Hindernissen, die der Gruppe im heimischem Deutschland in den Weg gelegt wurden, schreiben Eisregen weiterhin gefühlstiefe, philosophische Texte, die als grausam anerkannt wurde. Im Großen und Ganzen verdient die Gruppe dadurch Respekt, dass sie Songs auf Deutsch schreiben. Hin und wieder wagte sich Michael Roth an Clean Vocals heran, mühte, nein quälte sich damit aber fast schon ab. Dafür klang seine klassisch „krähende“ Stimme sehr überzeugend. Zwischen den Liedern machte die Gruppe ziemlich lange Pausen, in denen der Sänger sich erholen konnte. Die Set-Liste bestand im Wesentlichen aus neuen Liedern, die es auf das neue Album der Band geschafft hatten. Die Gruppe war in guter Form – vielfältig, gut organisiert und mit frisch klingendem Sound. Es war der letzte Auftritt ihrer Album-Tournee und ich wünsche mir, dass sie weiterhin solch gute Werke schaffen werden!

Set-liste: „Gott der Panzer“; „Panzerschokolade“; „Scharlachrotes Kleid“; „Drei Mütter“; „Hauch des Todes“; „1000 tote Nutten“; „N8Verzehr“; „Fleischbrand“; „Blutkreis“; „Todestag“; „Menschenfresser“; „Blutgeil“; „Eisenkreuzkrieger“; „Medley“; „Elektrohexe“.