Am 29. September trat im Dynamo wohl die eigenartigste Band
Deutschlands, die Gruppe Eisregen, auf. Man kann unterschiedliche
Meinungen haben, was deren Musik angeht, aber es ist bestimmt nicht
zu verneinen, dass der Frontmann und Schöpfer der Band, Michael
Roth, seine eigene Vision davon hat, wie die schwere Musik sein
muss! In diesem Jahr veröffentlichte die Gruppe schon das zwölfte
Album mit dem Titel «Fleischfilm». Es wäre jedoch falsch zu sagen,
dass die Veranstaltung nur mit dem Auftritt von Eisregen interessant
gewesen ist. Auch andere Bands haben durch ihre Individualität
geglänzt. Vor Eisregen spielten Calico und Hellvetica aus der
Schweiz und die Debauchery aus Deutschland. Der Event glich also
schon fast einem Minifestival.
Calico Die
Veranstaltung begann um halb acht mit Calico, die eine
piratengeladene Atmosphäre generierten. Sie selbst beschreiben ihre
Musik als Piratenmetal und pflegen dementsprechend auch ihr
Bühnenoutfit. Sie trugen Piratenkostüme vom Feinsten. Besonders gut
gefiel mir der Haken anstelle der Hand bei Sänger Philipp Wyssen. Er
hakte damit eine Bierdose an, was ich sehr originell finde! Eine
nicht weniger markante Gestalt und Zierde des Abends war die
bezaubernde Piratin -Geigerin Janine Wild. Das Bühnenoutfit
überstrahlte aber die Musik der Gruppe keineswegs. Die Partien des
Schlagzeugers waren sehr erfreulich. Yves Locher bediente gleich
zwei Basedrums einwandfrei und gab dem grundlegenden Melodic-Death
alle Ehre. Dennoch beruht das musikalische Dasein der Band nicht nur
auf Melodic-Death, sondern beinhaltet auch Folk- und
Power-Metal-Elemente. Das Publikum war motiviert, sich reihenweise
in die Fantasieboote zu setzen und zu der Musik zu rudern, die doch
gute 40 Minuten durch den Saal donnerte.
Hellvetica
Auch die weitere Schweizerband Hellvetica erfreuten mich. Die Band
veröffentlichte in diesem Jahr das Album «Against The Odds». Sie
begannen ihren Auftritt mit einem Intro im Sinne der Nachapokalypse
und hat dem Publikum direkt den Neuen Song, eine
Mitteltempo-Komposition, «Bitchslap» vorgestellt. Sofort wurde klar,
dass die Musik von Hellvetica, im Vergleich zu vielen anderen
Thrashmetallern, nicht im letzten Jahrhundert spielt, sondern im 21.
Jahrhundert angekommen ist. Ja, die Musik der Gruppe ist in vieler
Hinsicht Old-School, aber sicher noch mehr mit
Blast-Beat-Schlagzeugpartien untermauert, hat „dickflüssige“
Gitarrenpartien und dabei sehr vielfältigen Gesang von Roman
Wettstein, der mal etwas in der Harsh-Manier ausschreit, mal den
Text spricht, wie es im Hard-Core-Genre üblich ist. Das Konzert war
ein voller musikalischer Genuss bei dem man sich nicht einfach unter
gewöhnlichen Riffs herumtreiben konnte. Im Übrigen besteht die Band
aus sehr charismatischen Teilnehmern. Besonders prägten sich mir der
technisch sehr phrasierte Gitarrenspieler Fedi Salazar und die
Bassistin Sonja Traussnig ein. Viele Bewunderer der Gruppe kamen, um
die Musiker an diesem Abend zu unterstützen. So spielten sie die
erfolgreichsten Kompositionen vom neuen Album sowie die schon von
Fans gefeierten Songs «Forever Revolution» und «You Rise and Fall».
Insgesamt spielten sie 40 Minuten.
Debauchery
Die nächste Band begann um 21.45. Allerdings war der Aufbau der
Bühneninfrastruktur schon sehr unterhaltsam. Die Bühne wurde
allmählich mit verstümmelten, entkleideten, weiblichen Körpern
ausgefüllt. Wer die Band schon live gesehen hat, weiss, dass es sich
hierbei um die berühmten Kleiderpuppen von Debauchery handelt. Sie
verschluckten die ganze Bühnenfläche, so dass für die Band selber
nur ganz wenig Platz blieb. Allerdings besteht die Band auch nur aus
drei Musiker, welche sich sehr harmonisch ins Bühnenbild einfügten.
Waren es einmal mehr Musiker in der Band, besteht die Band heute nur
noch aus Frontmann und Ideeninspirator Thomas Gurrath, Bassist und
der Schlagzeuger. Für das Death-n-Roll-Genre ist allerdings ein
solch minimalistische Besetzung höchst angesagt! Thomas platzierte
sich hinter dem mit Schädel beschmückten Mikrofon. In letzter Zeit
wurde der Requisitenbestand der Band ganz deutlich ergänzt. Thomas
hatte einen prächtigen, detailüberzierten Lederanzug an und sein
Gesicht schien ein Kunstblutbad genossen zu haben. In etwa genauso
interessant sahen auch der Bassist und der Schlagzeuger aus. Die
Band spielte 50 Minuten lang. Die Länge des Auftritts war so
vorgesehen und galt als Fortsetzung von der «Debauchery Murdermarker
Tour 2017», die bis zum Ende dieses Jahres gehen wird. Debauchery
spielten mechanistisch und sachverständig während den 50 Minuten.
Die Fans wirkten ganz zufrieden.
Eisregen
Schon nach 23:00 Uhr war auf der Bühne alles für den Headliner
Eisregen fertig. Unter den mystischen Tönen und Klängen des Intros
erschien eine riesige Figur – Frontsänger Michale Roth. Er klammerte
sich quasi an den dichten Schleier des künstlichen Rauchs, die Hände
in die Seiten gespreizt. Ungeachtet der späten Stunde und dessen,
dass das Publikum vom Auftritt der vorangehenden Band
augenscheinlich ermüdet war, wurden es nicht weniger Leute im Saal.
Eisregen hat auch viele Fans angezogen. Ungeachtet aller
Hindernissen, die der Gruppe im heimischem Deutschland in den Weg
gelegt wurden, schreiben Eisregen weiterhin gefühlstiefe,
philosophische Texte, die als grausam anerkannt wurde. Im Großen und
Ganzen verdient die Gruppe dadurch Respekt, dass sie Songs auf
Deutsch schreiben. Hin und wieder wagte sich Michael Roth an Clean
Vocals heran, mühte, nein quälte sich damit aber fast schon ab.
Dafür klang seine klassisch „krähende“ Stimme sehr überzeugend.
Zwischen den Liedern machte die Gruppe ziemlich lange Pausen, in
denen der Sänger sich erholen konnte. Die Set-Liste bestand im
Wesentlichen aus neuen Liedern, die es auf das neue Album der Band
geschafft hatten. Die Gruppe war in guter Form – vielfältig, gut
organisiert und mit frisch klingendem Sound. Es war der letzte
Auftritt ihrer Album-Tournee und ich wünsche mir, dass sie weiterhin
solch gute Werke schaffen werden!
Set-liste: „Gott der
Panzer“; „Panzerschokolade“; „Scharlachrotes Kleid“; „Drei Mütter“;
„Hauch des Todes“; „1000 tote Nutten“; „N8Verzehr“; „Fleischbrand“;
„Blutkreis“; „Todestag“; „Menschenfresser“; „Blutgeil“;
„Eisenkreuzkrieger“; „Medley“; „Elektrohexe“.
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