Es gibt wohl kaum eine andere Rock-Band, die in den 80ern mehrere
Hits hatte, Millionen von Platten verkaufte und heute immer noch,
notabene in der Ur-Formation von damals, aktiv ist! Und dies seit
der Reunion von 2004 mit wieder stetig anwachsendem Erfolg. Die
Schweden haben zwar ihre Hairspray-Zeiten längst abgelegt, aber wer
sie in der jüngeren Vergangenheit mal live hat erleben können,
stellte fest, dass sie es immer noch mächtig drauf haben und sich
neue Songs bestens neben den älteren Klassikern behaupten können.
Dazu kommt, dass die Jungs keine Starallüren kennen und die ganze
Chose wohl auch deshalb glaubwürdig rüber kommt. Das neuste Album «Bag
Of Bones» ist das vierte seit «Start From The Dark» und geht
abermals gut ins Ohr.
Im Rahmen des 12. Pubfestivals in der
Wetzikoner Eishalle konnten Europe als Headliner zur Biker-Night
verpflichtet werden. Den Support bestritten die Schweizer Rocker
China, die mit dem letzten, guten Longplayer «Light Up The Dark»
nach 15 Jahren wieder auf sich aufmerksam machten. Am heutigen Abend
fand überdies die gelungene Feuertaufe für den neuen Bassisten Dänu
Grossenbacher statt, der nun anstelle von Ex-Killer Tieftöner Brian
T. Kofmehl in die dicken Saiten haut. (rsl)
China
Die Kulisse mit unzähligen Bars und Getränkeständen bot dem
Betrachter vor und auf der Bühne ein spezielles Bild und passte
natürlich bestens zu den beiden Bands, die heute Abend mit harter
Mucke den gut besuchten Tempel zu rocken gedachten. Bevor es jedoch
soweit war, fuhr noch der Corso des ansässigen MC-Clubs "The Pirates"
lautstark ins Outdoor-Gelände herein. China waren anschliessend
nicht erst gerade wieder live zu sehen, sondern hatten mittlerweile
wieder einige Konzerte seit dem Release der neuen Platte absolviert.
Das bedeutete aber natürlich auch, dass man je nachdem wieder in den
Genuss von alten Classics der Währung «In The Middle Of The Night»,
«Sign In The Sky» oder «All I Do Is Wait» kommen konnte. Den Anfang
machte allerdings der Titeltrack der aktuellen Langrille, gefolgt «Dead
Lights» (ab «Sign In The Sky», 1989). Sänger Eric St. Michaels,
mittlerweile sichtlich ergraut und mit der Ausstrahlung eines
gewissen George Clooney legte sich von Anfang ordentlich ins Zeug.
Flankiert wurde er zum einen von den Youngstern Mack Schildknecht
(g) und Neuzugang Dänu Grossenbacher, Schlagzeuger Billy La Pietra
sowie natürlich Mainman Claudio Matteo. Zusammen boten sie einen
angeregten Set, der das Publikum zumindest mal "aufzuwecken"
vermochte und das Stimmungs-Barometer wenigstens etwas ansteigen
liess. Mit fünf Songs lag der Fokus auf dem neuen Material, das sich
auf jeden Fall frisch anhörte und mit «Girl On My
Screen» einen
veritablen Hit-Rocker am Start hatte. Warum man dann aber das CCR-Cover «Proud Mary» als Akustik-Version spielte, verstand ich
nicht wirklich. Nichtsdestotrotz folgte unmittelbar darauf eben «In
The Middle Of The Night», dass immer noch spürbar den Spirit der
80er verströmte. Davor, also vor der stolzen Mary, stützten China
mit der schönen Halbballade «Gates Of Heaven» die These, dass nur
Rockbands solche Songs hervor bringen können. Untermalt wurde der
töfte Auftritt von relativ üppigem Licht, womit dieser auch von der
Optik her punktete. Meine Wenigkeit wartete derweil auf das
persönliche Highlight «All I Do Is Wait» und der geile Smasher
verfehlte seine Wirkung zum Schluss hin nicht. Der ansteckende
Groove dieses Hammer-Songs liess meinen Kopf schön im Takt kreisen
und auch die Airguitar kam zu ihrem verdienten Einsatz. So und nicht
anders muss das sein und trotz des insgesamt zu reservierten
Publikums hinterliessen China nach rund 45 Minuten auch ohne «Sign
In The Sky» einen durchaus positiven Eindruck. (rsl)
Setliste: «Light Up In The Dark» - «Dead Lights» - «Lonely Rider» -
«Crazy Like You» - «Trapped In The City» - «Rock City» - «Gates Of
Heaven» - «Proud Mary» - In The Middle Of The Night» - «Girl On My
Screen» - «All I Do Is Wait».
Europe
Sänger Joey Tempest, Gitarrist John Norum, Bassist John Levén,
Keyboarder Mic Michaeli und Schlagzeuger Ian Haugland gelten noch
immer als Band mit hochtoupierten Dauerwellenfrisuren, die den
Dreiwetter-Taft-Test problemlos überstehen. Dass die Schweden aber
eine astreine, hartrockende Truppe sind, wird dabei immer wieder
vergessen. Nach dem sensationellen Erfolg von «The Final Countdown»
hatten es die Jungs schwer wieder an diesen Erfolg anzuknüpfen. Das
Quintett beurlaubte sich selber und feierte ein musikalisch härteres
ausgerichtetes Comeback und läutete mit der «Start From The
Dark»-Scheibe eine neue Ära ein. Drei Studioscheiben später gehören
die Herren nach wie vor zum guten Ton eines Musikgourmets und mit
der letzten Scheibe «Bag Of Bones» enterte man die Top 20 der Swiss
Charts und belagerte den 18. Platz. Mit gleich drei neuen Tracks des
Hitparaden erprobten Werkes startete der Fünfer seinen Auftritt in
Wetzikon. War die Stimmung im Publikum zu Beginn noch etwas
verhalten änderte sich dies mit «Superstitious» schlagartig. Von
diesem Moment an, standen die Besucher wie eine Wand hinter der
Band. Logischerweise, riefen die Mega-Hits «Carrie» (wie viele haben
zu diesem Song ihre Unschuld verloren oder wurden (uneheliche)
Kinder gezeugt?), «Rock The Night» und «The Final Countdown» die
grössten Reaktionen hervor. Auch weil da doch viele in die Jahre
gekommene weibliche Fans ihre «Früchte» der Jugend im Takt wippen
liessen und sich dabei kreischend ins Jahr 1986
katapultierten. Es
waren aber nicht nur die alten Kamellen, welche das Konzert zu einem
wahren Siegeszug werden liessen, sondern auch neues Material wie
«New Love In Town», das fetzige «Love Is Not The Enemy», «The Beast»
oder auch der Titeltrack des vorletzten Albums «Last Look At Eden»,
oder Älteres wie «Seventh Sign» (was für ein Groover), «Let The Good
Times Rock» und der einzige Vor-«Final Countdown»-Fetzer «Scream Of
Anger».
Stimmlich entpuppte sich Joey als nach wie vor genialer Sänger, der
mit seinem spitzbübischen Grinsen das Publikum dirigierte und die
Frauenherzen schmelzen liess. Ein Fingerzeig, gefolgt von einem
tiefen Blick und die Frauenwelt lag dem Schweden nicht nur zu
Füssen, sondern auch in seinen Händen. Ein ähnlicher Beau ist
Bassist John, der solide seinen Part absolvierte und dabei immer den
Kontakt zum Publikum suchte, während Mister Norum einmal mehr in
seine Welt aus Tönen eintauchte, sich dort talentiert und
songdienlich austobte und musikalisch den Mittelpunkt der Truppe
darstellte. Seine Leads sind allererste Sahne und gehören auf eine
Stufe mit Gary Moore, John Sykes und… eben John Norum. Von hinten
drückte Trommler Ian dem Ganzen seinen Stempel auf. Jeder Schlag war
wie eine geparkte Faust ins Gesicht seines Gegenübers. Mit einer
unglaublichen Präzision und Wucht donnerte er seine Beats und
Rhythmen in die Eishalle und Keyboarder Mic verrichtete seinen nicht
wegzudenkenden Part. Dass Joey nicht nur gut aussieht und perfekt
singt, sondern auch ein agiler Frontmann und toller Entertainer ist,
sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. «Alles geili Sieche!
What the hell is that?», fragte der Shouter das Publikum. Er hatte
den Lacher auf seiner Seite und versuchte sich schon mal in
Schwyzerdütsch. Nach «Rock The Night» verabschiedete sich Europe vom
Publikum, um dann mit «Last Look At Eden» und «The Final Countdown»
den Abend harmonisch ausklingen zu lassen. Als das Keyboardintro
beim letzten Song erklang, gab es absolut kein Halten mehr in der
Halle und alle, aber auch wirklich alle hüpften, klatschten oder
sangen DIE Europe-Hymne mit. Verschwitzt, aber überglücklich
verabschiedete sich die Band vom Publikum mit Mister Tempests
Schlussrede: «What a night! Thank you so much. See you soon. BIS GLI!».
Dass dies kein leeres Versprechen ist, beweist die Band, in dem sie
am 20. Oktober 2012 im Solothurner Kofmehl auftreten werden. Wer in
Wetzikon nicht dabei war, muss unbedingt das Kofmehl belagern, denn
an diesem sommerlichen Abend im Mai haben die Schweden auf
eindrückliche Art und Weise unter Beweis gestellt, dass sie eine
super geile Liveband sind, die nach wie vor hart rocken und von der
ersten Sekunde an begeistern kann. (tin)
Setliste: «Riches To Rags» - «Not Supposed To Sing The Blues» - «Firebox»
- «Superstitious» - «Scream Of Anger» - «No Stone Unturned» - «Demon
Head» - «New Love In Town» - «Let The Good Times Rock» - «Seventh
Sign» - «Love Is Not The Enemy» - «Girl From Lebanon» - «Carrie» -
«Start From The Dark» - «The Beast» - «Rock The Night» -
«Prelude/Last Look At Eden» - «The Final Countdown».
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