Livereview: Europe - China
17. Mai 2012, Wetzikon (ZH) - Eishalle
By Rockslave (rsl) & Tinu (tin) - All Pics by Rockslave
Es gibt wohl kaum eine andere Rock-Band, die in den 80ern mehrere Hits hatte, Millionen von Platten verkaufte und heute immer noch, notabene in der Ur-Formation von damals, aktiv ist! Und dies seit der Reunion von 2004 mit wieder stetig anwachsendem Erfolg. Die Schweden haben zwar ihre Hairspray-Zeiten längst abgelegt, aber wer sie in der jüngeren Vergangenheit mal live hat erleben können, stellte fest, dass sie es immer noch mächtig drauf haben und sich neue Songs bestens neben den älteren Klassikern behaupten können. Dazu kommt, dass die Jungs keine Starallüren kennen und die ganze Chose wohl auch deshalb glaubwürdig rüber kommt. Das neuste Album «Bag Of Bones» ist das vierte seit «Start From The Dark» und geht abermals gut ins Ohr.

Im Rahmen des 12. Pubfestivals in der Wetzikoner Eishalle konnten Europe als Headliner zur Biker-Night verpflichtet werden. Den Support bestritten die Schweizer Rocker China, die mit dem letzten, guten Longplayer «Light Up The Dark» nach 15 Jahren wieder auf sich aufmerksam machten. Am heutigen Abend fand überdies die gelungene Feuertaufe für den neuen Bassisten Dänu Grossenbacher statt, der nun anstelle von Ex-Killer Tieftöner Brian T. Kofmehl in die dicken Saiten haut. (rsl)

China

Die Kulisse mit unzähligen Bars und Getränkeständen bot dem Betrachter vor und auf der Bühne ein spezielles Bild und passte natürlich bestens zu den beiden Bands, die heute Abend mit harter Mucke den gut besuchten Tempel zu rocken gedachten. Bevor es jedoch soweit war, fuhr noch der Corso des ansässigen MC-Clubs "The Pirates" lautstark ins Outdoor-Gelände herein. China waren anschliessend nicht erst gerade wieder live zu sehen, sondern hatten mittlerweile wieder einige Konzerte seit dem Release der neuen Platte absolviert. Das bedeutete aber natürlich auch, dass man je nachdem wieder in den Genuss von alten Classics der Währung «In The Middle Of The Night», «Sign In The Sky» oder «All I Do Is Wait» kommen konnte. Den Anfang machte allerdings der Titeltrack der aktuellen Langrille, gefolgt «Dead Lights» (ab «Sign In The Sky», 1989). Sänger Eric St. Michaels, mittlerweile sichtlich ergraut und mit der Ausstrahlung eines gewissen George Clooney legte sich von Anfang ordentlich ins Zeug. Flankiert wurde er zum einen von den Youngstern Mack Schildknecht (g) und Neuzugang Dänu Grossenbacher, Schlagzeuger Billy La Pietra sowie natürlich Mainman Claudio Matteo. Zusammen boten sie einen angeregten Set, der das Publikum zumindest mal "aufzuwecken" vermochte und das Stimmungs-Barometer wenigstens etwas ansteigen liess. Mit fünf Songs lag der Fokus auf dem neuen Material, das sich auf jeden Fall frisch anhörte und mit «Girl On My Screen» einen veritablen Hit-Rocker am Start hatte. Warum man dann aber das CCR-Cover «Proud Mary» als Akustik-Version spielte, verstand ich nicht wirklich. Nichtsdestotrotz folgte unmittelbar darauf eben «In The Middle Of The Night», dass immer noch spürbar den Spirit der 80er verströmte. Davor, also vor der stolzen Mary, stützten China mit der schönen Halbballade «Gates Of Heaven» die These, dass nur Rockbands solche Songs hervor bringen können. Untermalt wurde der töfte Auftritt von relativ üppigem Licht, womit dieser auch von der Optik her punktete. Meine Wenigkeit wartete derweil auf das persönliche Highlight «All I Do Is Wait» und der geile Smasher verfehlte seine Wirkung zum Schluss hin nicht. Der ansteckende Groove dieses Hammer-Songs liess meinen Kopf schön im Takt kreisen und auch die Airguitar kam zu ihrem verdienten Einsatz. So und nicht anders muss das sein und trotz des insgesamt zu reservierten Publikums hinterliessen China nach rund 45 Minuten auch ohne «Sign In The Sky» einen durchaus positiven Eindruck. (rsl)

Setliste: «Light Up In The Dark» - «Dead Lights» - «Lonely Rider» - «Crazy Like You» - «Trapped In The City» - «Rock City» - «Gates Of Heaven» - «Proud Mary» - In The Middle Of The Night» - «Girl On My Screen» - «All I Do Is Wait».

Europe
Sänger Joey Tempest, Gitarrist John Norum, Bassist John Levén, Keyboarder Mic Michaeli und Schlagzeuger Ian Haugland gelten noch immer als Band mit hochtoupierten Dauerwellenfrisuren, die den Dreiwetter-Taft-Test problemlos überstehen. Dass die Schweden aber eine astreine, hartrockende Truppe sind, wird dabei immer wieder vergessen. Nach dem sensationellen Erfolg von «The Final Countdown» hatten es die Jungs schwer wieder an diesen Erfolg anzuknüpfen. Das Quintett beurlaubte sich selber und feierte ein musikalisch härteres ausgerichtetes Comeback und läutete mit der «Start From The Dark»-Scheibe eine neue Ära ein. Drei Studioscheiben später gehören die Herren nach wie vor zum guten Ton eines Musikgourmets und mit der letzten Scheibe «Bag Of Bones» enterte man die Top 20 der Swiss Charts und belagerte den 18. Platz. Mit gleich drei neuen Tracks des Hitparaden erprobten Werkes startete der Fünfer seinen Auftritt in Wetzikon. War die Stimmung im Publikum zu Beginn noch etwas verhalten änderte sich dies mit «Superstitious» schlagartig. Von diesem Moment an, standen die Besucher wie eine Wand hinter der Band. Logischerweise, riefen die Mega-Hits «Carrie» (wie viele haben zu diesem Song ihre Unschuld verloren oder wurden (uneheliche) Kinder gezeugt?), «Rock The Night» und «The Final Countdown» die grössten Reaktionen hervor. Auch weil da doch viele in die Jahre gekommene weibliche Fans ihre «Früchte» der Jugend im Takt wippen liessen und sich dabei kreischend ins Jahr 1986 katapultierten. Es waren aber nicht nur die alten Kamellen, welche das Konzert zu einem wahren Siegeszug werden liessen, sondern auch neues Material wie «New Love In Town», das fetzige «Love Is Not The Enemy», «The Beast» oder auch der Titeltrack des vorletzten Albums «Last Look At Eden», oder Älteres wie «Seventh Sign» (was für ein Groover), «Let The Good Times Rock» und der einzige Vor-«Final Countdown»-Fetzer «Scream Of Anger».

Stimmlich entpuppte sich Joey als nach wie vor genialer Sänger, der mit seinem spitzbübischen Grinsen das Publikum dirigierte und die Frauenherzen schmelzen liess. Ein Fingerzeig, gefolgt von einem tiefen Blick und die Frauenwelt lag dem Schweden nicht nur zu Füssen, sondern auch in seinen Händen. Ein ähnlicher Beau ist Bassist John, der solide seinen Part absolvierte und dabei immer den Kontakt zum Publikum suchte, während Mister Norum einmal mehr in seine Welt aus Tönen eintauchte, sich dort talentiert und songdienlich austobte und musikalisch den Mittelpunkt der Truppe darstellte. Seine Leads sind allererste Sahne und gehören auf eine Stufe mit Gary Moore, John Sykes und… eben John Norum. Von hinten drückte Trommler Ian dem Ganzen seinen Stempel auf. Jeder Schlag war wie eine geparkte Faust ins Gesicht seines Gegenübers. Mit einer unglaublichen Präzision und Wucht donnerte er seine Beats und Rhythmen in die Eishalle und Keyboarder Mic verrichtete seinen nicht wegzudenkenden Part. Dass Joey nicht nur gut aussieht und perfekt singt, sondern auch ein agiler Frontmann und toller Entertainer ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. «Alles geili Sieche! What the hell is that?», fragte der Shouter das Publikum. Er hatte den Lacher auf seiner Seite und versuchte sich schon mal in Schwyzerdütsch. Nach «Rock The Night» verabschiedete sich Europe vom Publikum, um dann mit «Last Look At Eden» und «The Final Countdown» den Abend harmonisch ausklingen zu lassen. Als das Keyboardintro beim letzten Song erklang, gab es absolut kein Halten mehr in der Halle und alle, aber auch wirklich alle hüpften, klatschten oder sangen DIE Europe-Hymne mit. Verschwitzt, aber überglücklich verabschiedete sich die Band vom Publikum mit Mister Tempests Schlussrede: «What a night! Thank you so much. See you soon. BIS GLI!».

Dass dies kein leeres Versprechen ist, beweist die Band, in dem sie am 20. Oktober 2012 im Solothurner Kofmehl auftreten werden. Wer in Wetzikon nicht dabei war, muss unbedingt das Kofmehl belagern, denn an diesem sommerlichen Abend im Mai haben die Schweden auf eindrückliche Art und Weise unter Beweis gestellt, dass sie eine super geile Liveband sind, die nach wie vor hart rocken und von der ersten Sekunde an begeistern kann. (tin)

Setliste: «Riches To Rags» - «Not Supposed To Sing The Blues» - «Firebox» - «Superstitious» - «Scream Of Anger» - «No Stone Unturned» - «Demon Head» - «New Love In Town» - «Let The Good Times Rock» - «Seventh Sign» - «Love Is Not The Enemy» - «Girl From Lebanon» - «Carrie» - «Start From The Dark» - «The Beast» - «Rock The Night» - «Prelude/Last Look At Eden» - «The Final Countdown».