Livereview: Europe - Dirty Thrills

27. November 2015, Pratteln – Z7
By Rockslave
Ursprünglich sah es nach einer intensiven Woche für The Vintage Caravan im Z7 aus, denn die jungen Retro-Isländer waren ursprünglich, das heisst nach dem Support-Gig für Avatarium drei Tage zuvor, nun auch heute Abend als Anheizer für Europe angekündigt gewesen. Letztlich standen dann jedoch die Blues-Rocker Dirty Thrills, ein Quartett aus London, auf der Matte. Ich fand es eigentlich schade und gebe zu, dass ich viel lieber das lärmige Trio aus Álftanes gesehen und gehört hätte. Nichtsdestotrotz lag der Fokus aber auf den einstigen schwedischen Rock-Superstars, die unlängst mit «War Of Kings» eines ihrer besten Alben abgeliefert haben und aktuell zu den besten Live-Bands im ganzen Musikzirkus gezählt werden können. Dazu kommt eine altersbedingte Gelassenheit, welche Europe abgeklärter denn je zeigt und ohne Starallüren nach wie vor das machen lässt, woran Joey Tempest (v), John Norum (g), Mic Michaeli (keyb), John Levén (b) und Ian Haugland (d) am meisten Freude haben, nämlich geile Mucke zu performen. Dies taten sie freilich nicht zum ersten Mal im Z7, und die persönliche Erinnerung an die früheren Konzerte liess erahnen, dass es heute Abend einmal mehr zu einem Rock-Happening der Spitzenklasse gereichen würde…, skål to Europe!

Dirty Thrills

Das ist halt immer so eine Sache mit Bands, um die ein gewisser Hype gemacht wird oder entsteht. In der Regel spricht man da von eher jungen Bands, die meist ein sackstarkes Debüt-Album am Start haben. Danach folgt die Phase der Bestätigung und / oder Zementierung des Rufes, bis dann das berühmtberüchtigte „make it or break it“-Album nicht immer, aber oft über Gedeih oder Verderben der Karriere entscheidet. Dirty Thrills, erst Ende 2012 aus der Taufe gehoben, geben auf der offiziellen Homepage zu Protokoll, dass sie Ambitionen und das Ziel vor Augen haben, die Rock-Szene mit Drive wieder zurück zu dessen glorreichen Zeiten zu führen. Als Vergleich werden dabei Queens Of The Stone Age, Black Keys und Rival Sons genannt. Dazu kommen Vibes von Led Zeppelin Ikone Robert Plant, die man Frontmann Louis James zuschreibt. Letzteres hat tatsächlich was und auch die Musik trägt einiges davon in sich, einfach moderner arrangiert. Des Weiteren gebärdeten sich vor allem Jack Fawdry (g) und Aaron Plows (b) von der ersten Sekunde an wie von der Tarantel gestochen. Trotz der ganzen Energie, die mit vollem Einsatz versprüht wurde, sprang der Funke nicht nur bei mir nicht wirklich über. Da nützte es auch nichts, dass sich Sänger Louis jeweils ziemlich in die Riemen legte und sich so manchmal gar auf der Linie von Justin Hawkins (The Darkness) befand. Das war dann auch der Punkt, wo die Mucke von Dirty Thrills definitiv kippte und aufgrund von fehlenden Hooks schlicht und einfach langweilig wurde. Die Performance als Solche war allerdings schon erste Sahne, doch sie berührte mich und offenbar auch viele der Z7-Besucher nicht. Der eher verhaltene Applaus war dessen Ausdruck genug. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass Dirty Thrills eine weitaus bessere Festival-, denn eine Hallen-Band abgeben würden. Wie auch immer…, heute Abend wurde man während gut 40 Minuten sicherlich gut unterhalten, aber das Gelbe vom Ei wars definitiv nicht…, Hype hin oder her!

Setliste: «Rock’n’Roll» - «Reign» - «The Man» - «Feelin'» - «No Resolve» - «Shivers» - «Hourglass» - «Follow Me Home» - «Sigh».


Europe
Es soll ja immer noch einige Leute geben, die die Schweden nach wie vor auf den Mega-Hit «The Final Countdown» reduzieren. Dabei wird jedoch übersehen, das seit dem Relaunch von 2004 kein schlechtes Album veröffentlicht wurde und immer das gemacht wurde, wo man zu 100 Prozent dahinter stehen konnte. So begann der zweite Teil der Karriere eher düster mit modernem Einschlag, ging über kernigen Hardrock-Sound bis hin zu dem, was aktuell auf «War Of Kings» zu hören ist. Das mag dem einen oder anderen Fan stilistisch zu sprunghaft zu sein, aber die Mucke trug zu jeder Zeit den Stempel einer homogenen Truppe, die vor allem live nichts anbrennen liess und mit stolz geschwellter Brust die ganze Karriere in ihre Konzert packen kann. Und natürlich gehört da seit längerer Zeit die berühmte Hymne «The Final Countdown» als letzte Zugabe dazu. Darüber hinaus haben Europe 2013 am „Sweden Rock“-Festival als einer der Headliner auf der grossen Festival Stage eindrücklich bewiesen, dass sie nicht nur in mittelgrossen Venues stets geile Konzerte abliefern. Dass dies immer noch so ist, liegt mitunter am stabilen Line-Up, bei dem lediglich zwischen 1988 und 1992 Gitarrist John Norum durch Kee Marcello ersetzt wurde. Obwohl Letzterer einen Top-Job abgeliefert hatte, liegt die songwriterische Kraft wie geschlossene Performance in der Ur-Besetzung.

Diese wollten sich heute Abend einige Hundertschaften, wenn nicht gegen 1‘000 Leute nicht entgehen lassen. Der prächtige Titeltrack des neuen Albums eröffnete die musikalische Zeitreise, die sich über sieben Alben erstreckte und einmal mehr aufzeigte, wie gut die neuen und gleichzeitig zeitlos die alten Songs sind. Frontmann Joey Tempest agierte absolut souverän und war ständig in Bewegung. Obwohl das Album «Out Of This World» (1988) das erste der Ära mit Kee Marcello war, stehen davon immer noch vier Vertreter im Set drin. Das ist auch gut so, denn auf so einen Knaller wie «Superstitious» oder die Jahrhundert-Ballade «Carrie» kann man nicht verzichten. Zu meiner grossen Freude wurde auch «Seventh Sign» vom sträflich unterbewerteten Werk «Prisoners In Paradise» (1991) gespielt. Die Stimmung in der Halle war top und wurde lediglich durch das etwas fade Drum-Solo von Ian Haugland ausgebremst. Andererseits hatte man hierzu die Gelegenheit draussen etwas frische Luft schnappen zu gehen oder sich ein Getränk an der Bar zu holen. Mit dem ordentlich abgefeierten «Days Of Rock'n’Roll» ging der reguläre Set zu Ende und dann fehlte natürlich nur noch «The Final Countdown». Nächstes Jahr wird dieses wegweisende Album der Schweden dreissig Jahre alt (!) und es ist schwer davon auszugehen, dass dieses Jubiläum entsprechend abgehalten wird. Der Ort? Mit Sicherheit wird dies auf den Brettern, die die Welt bedeuten stattfinden und zusammen mit den Fans gefeiert.

Setliste: «War Of Kings» - «Hole in My Pocket» - «Superstitious» - «Wasted Time» - «Last Look At Eden» - «Carrie» - «The Second Day» - «Firebox» - «Sign Of the Times» - «Praise You» - «The Beast» - «Vasastan» - «Seventh Sign» - «Ready Or Not» - «Nothin' To Ya» - «Drum Solo mit William Tell Overture» - «Let The Good Times Rock» - «Rock The Night» - «Days Of Rock'n’Roll» -- «The Final Countdown».