Europe beehrten die Schweiz nochmals auf ihrer «Walk The
Earth»-Tour und gastierten in Zürich. Da, wo die Schweden vor mehr
als 31 Jahren (31. Januar 1987) das Hallenstadion noch locker füllten
und sich vor dem ersten Klang einem Bombardement von Plüschtieren
und Rosen ausgesetzt sahen. Was folgte, war eine "Reinigung" der
Stage, bevor Sänger Joey Tempest, damals noch mit einer flotten
Dauerwelle gesegnet, und seine Jungs allen zeigten, dass sie zu den
besten Live-Bands der Welt gehören. Noch heute ist die Stage die
Wohlfühl-Oase und Europe beweisen noch immer, dass sie bedeutend
härter erklingen können, als mit dem Millionen-Hit «The Final
Countdown».
Die Engländer von King King
spielten im Vorprogramm. Sorry, aber von ihnen hörte ich nur gerade
den ersten Song, und dann verschwand ich zur Audienz bei Joey.
Augen- und Ohrenzeugen sprachen nach dem Königs-Gig von einer
Truppe, die zwar ganz okay war, aber kaum was bewegen konnte.
Europe zeigen mittlerweile zwei Gesichter. Das eine ist das, welches sich die
meisten Besucher an diesem Montagabend wünschten. Jenes mit den Hits
von «The Final Countdown» und «Out Of This World» und das andere mit
der bedeutend erdigeren und rockigeren Ausrichtung der letzten
Studioscheiben. Auf der einen Seite standen die Ladys mit ihren
mittlerweile erwachsenen Töchtern, die sich an den Hits erfreuten
und auf der anderen Seite die Europe-Fans, die Songs der Sorte «Rock
The Night» ebenso abfeierten wie «Pictures» oder «War Of Kings». Das
Quintett ist eine reinrassige Rock-Truppe, auch wenn der
Keyboard-Teppich noch immer an ihren Schuhen klebt. Aber wenn man
genau hinhört, weiss man auch, dass alleine das Gitarrensolo bei
«The Final Countdown» eine wahre Offenbarung ist. Verantwortlich
dafür, der sehr introvertiert wirkende John Norum, der sich meist nicht
viel bewegt, dafür Klänge aus seinem Instrument zauberte, die allen
ein breites und anerkennendes Lächeln ins Gesicht zauberten. Es ist
und bleibt traumhaft, wenn das Instrumental «Vasastan» erklingt,
oder sich John bei «The Siege», «Last Look At Eden», «Firebox» oder
«Scream Of Anger» austobt. Immer wieder ein Highlight ist das
schnelle «Hole In My Pocket».
Namensvetter
John Levén verrichtete an den vier dicken Saiten einen souveränen
Job. Aber auch der Bassist steht eher im Hintergrund und überlässt
das Feld dem Alleinherrscher auf der Bühne. Der Mann mit dem
sagenumwobenen weissen Mikrofon-Ständer – Joey Tempest. Der Shouter
ist einer der grössten Entertainer im Musikbusiness. Wenn der
55-jährige über die Bühne wirbelt, benötigt er Platz. Mit breitem
Grinsen und akzentfreiem Schwyzerdütsch begeisterte er das Zürcher
Publikum. Er animierte ohne Pausen, warf sein Mikrofon in die Höhe,
um es sicher wieder zu fangen und beschenkte einen jungen Fan in der
ersten Reihe mit einem Plektrum. Stimmlich ist der Schwede eine
Bank, trifft jeden Ton und weiss genau, wann der Zeitpunkt reif ist
für das Mitsingspiel. Auch wenn das Publikum in Pratteln vor knapp
elf Monaten um einiges euphorischer reagierte, es schien den Sänger
nicht zu beeindrucken. Joey trieb unentwegt an und bedankte sich
immer wieder beim Publikum für die Unterstützung in den letzten,
fast vierzig Jahren. "Hallo Züri! Ah das isch dr Wahnsinn!", grinste der
Nordländer und hatte sichtlich Freude am Gig. Die Jungs gehen
unbeirrt ihren Weg und sind sich dessen bewusst, dass sie eigentlich
Songs aus "nur" drei Alben spielen müssten, um den Mob zum
kollektiven Ausrasten zu bringen. Aber! Die Herren stehen zu dem, was
sie komponierten. Die letzten Alben «Bag Of Bones», «War Of Kings»
und «Walk The Earth» sind der Weg, welchen Europe gehen wollen und
weiterhin gehen werden, und davon lassen sie sich keinen Millimeter
abbringen.
Mit Ian Haugland am Schlagzeug, der sich vom Publikum nach seinem
solistischen Ausflug feiern liess (sorry, lieber einen Song mehr
spielen, dafür das Drumsolo weglassen!) und Keyboarder Mic Michaeli wird
eine Truppe komplettiert, die sich seit der Reunion (2003) wieder zu
einer Einheit zusammengefunden hat. Hier steht eine Band auf der
Bühne, welche diesen Namen noch zu recht tragen darf. Egos sind hier
völlig fehl am Platz. Man überlässt Joey den Raum, den er benötigt,
um zu wissen, dass die Truppe ohne die eigene Leistung
auseinander fallen würde. Spielt man Lieder wie «Scream Of Anger»,
«GTO» oder «Superstitious», verbindet man die alten mit den neueren
Europe, ohne dass dem Publikum auffällt, dass die Jungs damals schon
mit «Superstitious» zeigten, welche Rockwurzeln unter
ihren Fingernägeln klebten. Die Schweden boten erneut eine absolut
geile Vorstellung, auch wenn die Anwesenden bei den neueren Tracks
verhaltener reagierten. Der einzige Wermutstropfen im Komplex war
einmal mehr der "bescheidene" Sound. Ansonsten war es ein Konzert,
das ich mit vielen positiven Erinnerungen verliess!
Setliste:
«Walk The Earth», «The Siege», «Rock The Night», «Hole In My
Pocket», «Prelude (Intro)», «Last Look At Eden», «Pictures»,
«Firebox», «Ready Or Not», «Turn To Dust», «Sign Of The Times»,
«Vasastan», «GTO», «Carrie», «Nothin’ To Ya», «Drum Solo Ian
Haugland», «Scream Of Anger», «War Of Kings», «Superstitious» -
«Cherokee», «The Final Countdown»
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