Ein erster, zunächst voreiliger Blick in die heimische
Tonträger-Sammlung fördert Ungeheuerliches zu Tage, denn Fates
Warning sind da nicht vertreten (!), dafür Engine von 1999 (u.a. mit
Ray Alder und Joey Vera), sowie die letztjährige Scheibe von John
Arch und Jim Matheos! Manchmal gebe ich mir zu solchen Situationen
echt selber zu denken, aber ich halte es damit gleich wie mit
Psychotic Waltz, Crimson Glory oder erst kürzlich House Of Lords.
Und das bedeutet, dass ich nebst den jeweiligen Livepremieren
gleichzeitig die Gelegenheit erhalte, vorhandene Lücken im Sortiment
ein weiteres Stückchen mehr zu schliessen! Was gibt es denn
Schöneres, als nach über 30 Jahren Fansein immer noch Kultiges
entdecken und schätzen lernen zu können?! So erging es mir auch am
heutigen Abend, denn ohne Fates Warning (nebst Dream Theater und
Rush) als Wegbereiter des Progressive Metals gäbe es die heutige
Vielfalt dieses Genres wohl eher nicht. Aber halt! Nach einem Blick
auf das Cover von «FWX», der letzten Studiorille von 2004, klingelte
es jetzt doch noch bei mir..., und tatsächlich..., im November 2004
rezensierte ich dieses Teil (Cardbox-Promo) höchstpersönlich und
zückte dafür einen blanken Zehner! Na also, doch nicht Hopfen und
Malz verloren, und darum war es meine verdammte Pflicht, meinen
Arsch nach Pratteln zu schwingen! Ich sollte mein Kommen nicht
bereuen und es war dabei für einmal gut, dass es keine Support-Band
gab.
Fates Warning
Er war ein ziemlich verschworener Haufen, der sich heute Abend nach
Pratteln aufgemacht hatte, um seinen Helden huldigen zu können. Das
letzte Happening an dieser Stelle fand laut der Tour-History auf der
offiziellen Bandpage im Frühling 1998 statt, während der erste
Auftritt auf Schweizer Boden noch drei Jahre vorher in Zürich
(zusammen mit Dream Theater) über die Bühne ging. Zu einigen
Festival-Auftritten in Europa in der jüngeren Vergangenheit gehörte
2010 natürlich auch die Aufwartung beim BYH!!!-Festival in Balingen.
Der Release des letzten Studio-Albums «FWX» war, wie oben schon
erwähnt, 2004 und liegt somit rund acht Jahre (!) zurück. Das letzte
Lebenszeichen in Bild und Ton war schliesslich die «Live in Athens»
DVD von 2005. Höchste Zeit also, dass sich Fates Warning auch wieder
mal in der Schweiz zeigten. In der Halle angekommen verriet der
Bühnenaufbau zunächst, dass es wohl keine Vorgruppe geben wird und
das sollte sich dann bewahrheiten. So mussten sich die etwa rund 200
Besucher (was für ein Armutszeugnis!) des Z7 bis um 21.00 Uhr
gedulden, die Füsse vertreten oder halt eine Sitzgelegenheit wahr
nehmen. Dann war es endlich soweit: Fates Warning are back in
Switzerland und das ohne jeglichen Firlefanz, ja nicht mal ein
Backdrop wurde gehisst! Das aktuelle Lineup besteht so seit 2007 und
da wären Ray Alder (v), Jim Matheos (g), Frank Aresti (g/v), Joey
Vera (b) und Bobby Jarzombek (d). Letztere zwei Musiker kennt man
natürlich auch von Armored Saint (Joey) und Halford (Bobby), um der
Einfachheit halber mal je eine der unzähligen weiteren Bands zu
nennen, denen die beiden Herren im Verlauf ihrer Karriere ihre
Dienste haben angedeihen lassen. Herrn Vera erkannte ich indes
sofort und fragte mich zuerst noch, was denn der jetzt hier macht?!
Na Bass spielen und das schon seit über fünfzehn Jahren du Dödel!
Soviel zu diesem Thema, aber man kann nicht alles permanent im Kopf
haben.
Nach dem Intro folgte «One» als Opener (hat selbstverständlich nix
mit Metallica gemein!) und setzte schon mal die erste Duftmarke ab
dem vorletzten Album «Disconnect» (2000). Ein satter Groover mit
Vibes von Dream Theater und bereits einprägsamen Vocal-Lines des
Herrn Alder. Darauf folgte «Life In Still Water», das sich hingegen
schwer nach den alten Queensr˙che anhörte! Schleppend hingegen
gebärdete sich ein erster Ausschnitt aus «A Pleasant Shade Of Gray»,
woraus der Part III zur Aufführung gelangte. Spätestens bei «Outside
Looking In» drang dann das progressive Element voll durch, was die
Reaktionen erwartungsgemäss dämpfte, aber nun stellte man staunend
wie anerkennend fest, wie gut die Jungs ihre Instrumente
beherrschen. Das die Amis es nicht verlernt haben auch gutes,
"neues" Material hervor zu bringen, bewies als Erstes «Heal Me» von
«FWX». Der Sound und das Licht waren top und das bekam getrageneren
Longrunners wie «Still Remains» optimal. Dazu sah man einerseits
wehende Matten und andererseits zu Salzsäulen erstarrte Fans, die
wohl mehr als einmal die Augen schlossen und sich halbwegs schon im
Prog-Himmel wähnten. Wie dem auch sei, Fates Warning versprühten die
gleiche Professionalität wie Dream Theater und liessen absolut
nichts anbrennen. «Another Perfect Day» könnte bei Altfans gewisse
Assoziationen zu Motörhead bewirkt haben, hatte damit aber nix am
Hut. Vielmehr wurden hier die Akustik-Parts des Originals
ausschliesslich mit Stromgitarren umgesetzt und wenn mal
Keyboard-Klänge zu vernehmen waren, dann kamen die vom Band. Die
Setliste deckte einige Alben ab, aber nicht alle. Insbesondere die
ersten drei wurden komplett ausgelassen, dafür gereichte es «Parallels»
(1991) zu vier Songs und «Inside Out» (1994) immerhin noch zu drei.
Der älteste, gespielte Song war «The Ivory Gate Of Dreams IV/Quietus»
und deckte fast ein Vierteljahrhundert ab. Eines der zahlreichen
Highlights war unter anderem «Point Of View», das sich schwer nach
den alten Iced Earth und frühen Queensr˙che anhörte und «Through
Different Eyes» manifestierte die einstige, stilistische Nähe zu
Iron Maiden. Als Zugabe gab
es mit «Eye To Eye» nur einen
Nachschlag, aber dieser brachte nochmals hervor, was Fates Warning
auch heute noch ausmacht. Jetzt bräuchte es noch ein gutes, neues
Album und dann stünde einem breiteren Interesse an dieser Kultcombo
nichts im Wege. Als nach rund 90 Minuten das Hallenlicht wieder
anging, gab es an sich nur zufriedene Gesichter, trotz dem
Ausbleiben eines Support-Acts.
Setliste: «Intro (Disconnected Part 1)» - «One» - «Life In Still
Water» - «A Pleasant Shade Of Gray (Part III)» - «Outside Looking
In» - «Down To The Wire» - «Heal Me» - «Still Remains» - «A Pleasant
Shade Of Gray (Part 3)» - «Another Perfect Day» - «The Ivory Gate Of
Dreams IV/Quietus» - «The Eleventh Hour» - «Point Of View» - «Through
Different Eyes» - «A Pleasant Shade Of Gray (Part XI)» - «Monument»
-- «Eye To Eye».
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