Kalt und Regen, das war die Ausgangslage an diesem Montag im
Februar 2020. Die Kälte sollte aber zumindest drinnen im
Hallenstadion durch die 5FDP-Feuersäulen schnell entkräftet werden.
Erstaunlicherweise (vielleicht auch nur für mich?) war das
Hallenstadion sehr gut gefüllt. Der aufpeitschende Aggro-Metal mit
Melodien scheint den aktuellen Nerv der Jugendlichen voll zu
treffen. Genau dieses Spiel zwischen
"ich-spring-dir-gleich-an-die-Gurgel" und "wir-haben-uns-alle-lieb"
sind Gegensätze wie Tag und Nacht. Aber solche die, zusammen mit
vielen optischen Möglichkeiten, 5FDP einen würdigen Headliner-Status
verliehen.
Bad Wolves
Zuerst
standen jedoch die Amis von Bad Wolves auf der Bühne. Ambitioniert startete
der Fünfer um Sänger und Muskelpaket Tommy Vext. Dabei forderte der
Shouter eine "Wall Oft Death", überforderte einige der Besucher
damit und überraschte mit Balladen. Wie auch dem The Cranberries
Cover «Zombie». Die neue, moderne Härte, gepaart mit wilder,
ungezügelter Energie auf der Bühne, schien den jüngeren Fans viel
Freude zu bereiten. Die Bühnenpräsentation wurde speziell von der
Saiten-Font mit wehenden Haaren unterstrichen (oder auch bangenden
Kahlköpfen) und einem springenden und hüpfenden Shouter. Das Problem
bei einer solchen Band wird aber sein, dass zig andere Truppen
nur darauf warten, Bad Wolves abzulösen oder mit einem neuen Trend zu
beerben. Zwischen den Songs war es sehr ruhig, und kam keine
Animation von der Bühne, hätte man vermuten können, das Hallenstadion
wäre leer. Trotzdem, die Jungs traten sehr sympathisch auf,
verteilten Drum-Sticks, ernteten Applaus mit der Ansprache über
Freiheit wie Frieden und verschwanden so schnell, wie sie gekommen
waren. Ich sah zu viele dieser aufkommenden Super-Truppen, die dank
der Unterstützung eines grossen Headliners (im Falle von Bad Wolves
ist es der 5FDP-Gitarrist Zoltan) plötzlich gross auftrumpften und
man danach sehr schnell nichts mehr von ihnen hörte.
Megadeth Ja, ich bin ehrlich. Ich stand an diesem Abend
nur wegen einer Truppe im Hallenstadion. Ich denke Dave Mustaine und
sein Ensemble können auftreten mit wem sie wollen, meinen Support
haben sie. Der Bandleader, neu mit einem Bart und äusserst schlank,
dirigierte durch die kommenden sechzig Minuten. Dies souverän, mit einer
unglaublichen Leichtigkeit und einem beherzten Charisma. An seiner
Seite überzeugte
sein
langjähriger Weggefährte Dave Ellefson am Bass, der seine Parts mit
einem unheimlichen Druck ins Hallenstadion pumpte. Mit Kiko
Loureiro (Gitarren-Gott) begleitete Dave nicht nur ein
unglaublicher Virtuose, sondern auch ein Sympathiebolzen, wie er im
Buche steht. Stetig in Bewegung, mit einem breiten Grinsen auf den
Lippen und einem spitzbübischen Blick, der die Weibchen zum
Schmelzen brachte. Diese Drei wechselten immer wieder ihre
Positionen. Dabei stand Dave nicht nur in der Bühnenmitte am
Mikrofon, sondern war auch mal auf der linken oder rechten Seite
anzutreffen. Mister Mustaine hat es nicht nötig, sich stetig in den
Vordergrund zu spielen, sondern überlässt den Platz auch seinem
Namensvetter oder Kiko.
So wie bei «Conquer And Die!»,
welches mit einem flamenco-artigen Intro startete und bewies, welch
begnadeter Gitarrist der Brasilianer ist. Nicht zu vergessen,
Schlagzeuger Dirk Verbeuren, der sehr tight aufspielte und seinen
Vorderleuten einen Teppich zauberte, auf denen sich die Drei
austoben konnten. Die Mischung der Songauswahl hatte es in sich.
Einerseits wurden neue Tracks gespielt wie «Dystopia», «The Threat
Is Real» und das schon erwähnte «Conquer And Die!». Andererseits
wurden Überraschungen in Form von «Angry Again» und «Dread And The
Fugitive Mind» in die Playlist integriert und bekannte Hits, wie der
Opener «Hangar 18», «Sweating Bullets» sowie der Oberhammer «Trust»
(wie kann man einen eigentlich rockigen Song nur dermassen heavy
spielen?!). Am Set, auch wenn unzählige Must-Tracks nicht gespielt
wurden, gab es definitiv nichts zu rütteln!
"Thank you,
thank you, thank you", bedankte sich Dave immer wieder beim
Publikum, das dem Gitarristen fast aus den Händen frass. "How many
people have seen Megadeth before?", wollte der genesene Gitarrist wissen.
Wer die Truppe zum ersten Mal sah, wusste zumindest nach diesem
Konzert, dass sie bis anhin etwas ganz Wichtiges in ihrem Leben
verpassten. Der singende Gitarrist sprach erstaunlich viel zum
Publikum und liess es wissen, dass er seit dem 16. Oktober 2019 von
seinem Arzt die befreiende Diagnose erhielt, dass er krebsfrei
sei. Der Dank in dieser schwierigen Zeit richtete sich nicht nur an
die Männer in Weiss, sondern auch an seine Familie
und seine Fans. Menschen, welche ihm zeigten, dass er den Krebs
besiegen wollte und somit zu kämpfen begann. "Thank you for your
inspiration and your support!" Interessant auch, dass Mister
Mustaine an diesem Abend verdammt gut sang, auch wenn seine Ansagen
von einer leicht krächzenden Stimme begleitet wurden.
Dem
gewohnten Abschlussdreier in Form von «Symphony Of Destruction»,
dem Überhit «Peace Sells» und dem verspielten «Holy Wars» war
nichts mehr hinzuzufügen. Ausser, dass Megadeth in meinen Augen der
würdigere Headliner gewesen wären. Denn alleine mit ihren
Videoscreens, den songunterstützenden Filmeinspiel-ungen und dieser
unglaublichen Performance waren Megadeth an diesem Abend schlicht eine Macht.
Okay, eine Macht wie immer! Am Schluss des Konzertes liess sich
der Vierer zu Recht feiern. Dave bedankte sich beim Publikum,
verteilte Plektren ohne Ende und verbeugte sich mit seinen
Bandkumpels vor den Anwesenden. Das sind Gigs, von denen ich noch meinen
Enkeln berichten werde und so ganz nebenbei, auch wenn Mister
Mustaine in den Medien oftmals als Persönlichkeit mit "speziellen"
Ansichten dargestellt wird. Ein Musiker, der dermassen viel in
seinem Leben erreicht und überstanden hat, dem muss man mit dem
entsprechenden Respekt gegenüber stehen. Es war ein GÖTTER-Gig, einer
GÖTTER-Band mit GÖTTER-Songs, die mit viel Hingabe, Leidenschaft und
Spielfreude vorgetragen wurden.
Setliste: «Prince Of
Darkness (Intro)», «Hangar 18», «The Threat Is Real», «Sweating
Bullets», «Dread And The Fugitive Mind», «Conquer And Die», «Trust»,
«Angry Again», «Dystopia», «Symphony Of Destruction», «Peace Sells»
- «Holy Wars… The Punishment Due», «Silent Scorn (Outro)» - «Shadow
Of Deth (Outro)»
Five Finger Death Punch
5FDP klotzten mit einer grossen Bühne, auf der ein Riesenschädel
über der Band schwebte, der mit Baseball-Schlägern flankiert wurde.
Da hatten wir sie wieder. Die Brutalität, die nur mit Gewalt ihr
Ende findet. Genauso hörte sich auch der Sound des Fünfers an.
Mechanisch, wie ein Panzerkommando mit ferngesteuerten, modernen,
gefühllosen Kampfmaschinen, die aber mit einem breiten
Grinsen
in den Krieg ziehen. Sänger Ivan Muudy dirigierte seine Gang, und dies
mit einem breiten und zufriedenen Lächeln. Man merkte der Truppe
nicht mehr an, dass sie vor noch nicht allzu langer Zeit einen
internen Kampf mit ihrem Sänger ausfochten, der darin gipfelte, dass
Tommy Vext für kurze Zeit den Part von Ivan übernahm. – Ein Schelm,
der denkt, dass aus diesem Grund Bad Wolves den Support-Slot für
diese Tour erhielten – Was auch immer die Hähne streiten liess, an
diesem Abend spürte man nichts mehr von (vergangenen) Streitigkeiten.
Der "Death Punch" schlug voll im Hallenstadion ein, wie ein
Blitzgewitter. Mit Pyros, reichlich Konfetti und Feuersäulen pumpten die Jungs
ihren brachialen Sound in die Menge. Dabei liessen sie sich aber
nicht davon abhalten, auf einem Sofa Platz zu nehmen, darauf
rum zu lümmeln und die akustischen Momente einzuleiten. "Who see us
for the very first time? Welcome to the family!", verkündete Ivan
mit stolzer Miene.
Die Mischung aus brutalen, klinischen
Parts und melodischen, fast verträumten Momenten trifft, wie schon
bei Bad Wolves, den Nerv der Jugendlichen. Was wird aber sein, wenn
diese Jugendlichen älter werden und die neue Generation auf andere
Sounds steht? Wird sich eine Truppe wie 5FDP so lange im Geschäft
behaupten können wie Megadeth, die seit mittlerweile fast vierzig Jahren
musizieren? In diesem Moment schien diese Frage kaum jemanden zu
interessieren. Vielmehr feierten sich Fans und Band gegenseitig ab
und vereinten sich. "One, two fuck you! Oh shit", das waren die
Animationssprüche, welche ihr Ziel nicht verfehlten. Immer wieder
bildeten sich kleine Mosh-Pits an unterschiedlichen Orten.
Vereinzelte Crowdsurfer segelten über die Köpfe der Besucher und
Ivan quittierte dies mit einem zufriedenen Kopfnicken. Ein optischer
Hingucker ist immer wieder Bassist Chris Kael, der mit seinem Bart
wie das Tier aus dem Sumpf aussieht. Es herrschte viel Bewegung auf der
Bühne, und wenn man den Reaktionen des Publikums nach urteilt, dann waren
5FDP der passende Headliner an diesem Abend. Für alle? Nein, denn
ein kleiner, unbeugsamer… Aber lassen wir das, dies ist eine andere
Geschichte…
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