In meinem Alter (52) braucht es für Konzerte, die an einem
Sonntag stattfinden, schon einen guten Grund, die häusliche
Komfortzone zu verlassen! Doch an diesem Abend hatten die Herren
Schenk und Ballauf in der ARD keinen Stich, denn mit Flotsam And
Jetsam kündigte sich eine amerikanische Thrash-Legende an, die
letztes Jahr mit ihrem aktuellen und selbstbetitelten Album eine
weitere Hammer-Scheibe raus gehauen hat. Während sich zum Beispiel
die Landskollegen von „The Big Four“ (Metallica, Slayer, Megadeth
und Anthrax) in der jüngeren Vergangenheit ebenso wie kommerziell
erfolgreich ins Zeug gelegt haben, backen die Flotsam-Jungs nach wie
vor deutlich kleinere Brötchen. Wo also die Grossen immer noch
locker Stadien füllen, müssen sich andere mit Locations wie dem Werk
21 im Zürcher Dynamo begnügen. Dass so eine Affiche aber deutlich
truer rüber kommt und man hier noch von echter Leidenschaft für die
Musik sprechen kann, lässt das Oberflächliche von Grossanlässen weit
hinter sich. So konnte man einen genialen Konzertabend mit zwei
Top-Supports (Dew-Scented und Izegrim) in kleinem Rahmen (circa 100
Leute) geniessen. Wer da war, weiss, wovon ich spreche.
Izegrim Der Bandname der niederländischen Death Metaller
mit der sympathischen Frontfrau Marloes Voskuil suggeriert bei
Nichtkenntnis der Truppe eher was aus der Black Metal Ecke. Obwohl
ich den Namen schon mehrfach gesehen wie gelesen habe, kannte ich
die Mucke von Izegrim bisher überhaupt nicht, und so liess ich mich
mal einfach überraschen. Nach den ersten Riffs und growligen Vocals,
die ins Werk 21 geschmettert wurden, war jedoch sofort klar, in
welche Richtung es geht. Vorne an der Bühne angekommen, sah ich dann
also die Frontlady mit ihren langen blonden Haaren und einer
abgrundbösen Gesangsstimme, die überhaupt nicht zu ihrem hübschen
Äusseren passen wollte. Kaum waren die Ansagen zu den Songs jeweils
durch, wurde klassisch weiter geknüppelt und dies auf hohem Niveau.
Dann und wann mischten sich auch mal thrashige und blackmetallische
Elemente in den Sound, aber der Hauptteil bestand natürlich aus
waschechtem Death Metal. Mit dabei hatte man unter anderem Songs vom
aktuellen Longplayer «The Ferryman's End», der letztes Jahr
erschienen ist. In der Frühphase der 1996 in Zutphen, Gelderland
(NL) gegründeten Combo stand mit Kristien Dros bis 2008 eine
Vollblut-Sängerin am Mikro. Ab 2004 übernahm Marloes den Bass ihrer
Vorgängerin Anita Borst und nach dem Rückzug von
Kristien
sah sich Gitarrist und Gründungsmitglied Jeroen Wechgelaer einer
neuen Situation an der Front gegenüber. Das aktuelle Line-Up, zu dem
noch Gitarrist Bart van Ginkel (seit 2005) und Drummer Ivo Maarhuis
(seit 2008) gehören, präsentierte sich als eingespielte Einheit, die
bald einmal für gute Stimmung und anerkennenden Applaus sorgte. Was
zudem auffiel, war der vergleichsweise gute Sound, den man an so
einem Ort wie dem Werk 21 nicht zwingend erwarten kann. Wenn auch
das Ganze von der Lautstärke her noch etwas mehr hätte vertragen
können, so erfreute einen die ziemlich differenziert abgemischte
Mucke. Das bewies an dieser Stelle einmal mehr, dass die Technik
grundsätzlich in fähige Hände gehört, was aber leider nicht immer so
ist. Nach guten vierzig und nicht nur etwa bloss dreissig Minuten
räumten Izegrim das Feld und waren kurz darauf am Merchstand
zugegen. Dabei zeigte sich die Band unkompliziert wie fannah
zugleich und stand geduldig für lockere persönliche Gespräche,
gemeinsame Fotos und dem Signieren von Tonträgern zur Verfügung.
Setliste: «White Walls» - «Deathstrip» - «Endless Desire» -
«Reclaim My Identity» - «The Legion» - «Insanity Is Freedom» -
«Celebratory Gunfire» - «Time To Run» - «Endless Strife».
Dew-Scented Wenn ich mir überlege, ob und wann
ich die deutschen Thrasher das letzte Mal gesehen habe, kommt mir
dazu als Gelegenheit nur das BYH!!!-Festival in Balingen (D) in den
Sinn. Die gezielte Suche im Netz bestätigt diese Vermutung und
tatsächlich spielten Dew-Scented am 17.07.2010 in der Messehalle
neben der Mainstage auf. Meine Wenigkeit war zwar dort, aber an
diesem Konzert nachweislich nicht zugegen, und so dürfte der heutige
Auftritt wohl tatsächlich der Erste überhaupt sein, den ich
miterleben durfte. Die einzige Konstante in dieser Band ist Sänger
und Frontmann Leif Jensen, der seit der Gründung 1992 für den besten
Wiedererkennungswert auf den full length Alben sorgt, die übrigens
bisher alle immer einen Titel tragen, der mit einem grossen „I“
beginnt! Schräg, aber wahr! Das heutige Line-Up besteht seit 2012
und neben Leif sind das Marvin Vriesde (g), Rory Hansen (g), Joost
Van Der Graaf (b) und Marc Dzierzon (d). Letzterer sorgte für
mächtiges Aufsehen im Werk 21, denn selten habe ich so ein
kraftvolles Drumspiel wie dasjenige von Marc gesehen, du heilige
Scheisse! Dieser unglaublich tight und laut aufspielende Typ
zerlegte sein Arbeitsgerät beinahe in seine Einzelteile, und zum
Glück war ich bei diesem Drumset kein reinkarniertes Cymbal! Zudem,
egal ob groovige oder schnelle Songs gespielt wurden, gab
dieser
aussergewöhnliche Musiker wirklich alles. Was sich hier nach einem
eventuellen Audio-Massaker anhört, war genau das Gegenteil! Der
Sound manifestierte sich noch besser und fetter als zuvor bei
Izegrim und die ganze Band agierte in bester Spiellaune. Dennoch
musste Leif, wie zuvor schon Marloes, das Publikum darauf aufmerksam
machen, dass die Party erst dann steige, wenn die erste Reihe enger
besetzt wird. Dieser Aufforderung wurde nachgekommen, und so
entwickelte sich dieses Konzert von Song zu Song immer besser. Die
Folge davon waren im Kollektiv kreisende Haarmatten. Derweil brüllte
sich Mr. Jensen vornehmlich fast die Lunge aus dem Leib. Das war
dann unter dem Strich der sonst höchstsoliden Vorstellung der Truppe
eine klitzekleine Beanstandung meinerseits, da mir die Mucke mit der
Zeit etwas zu eintönig wurde. Den berühmten Unterschied machte aber
letztlich der neue Mann hinter den Kesseln aus, der Dew-Scented
einen mörderischen Live-Sound bescherte. Dass dies so möglich wurde,
war dem begnadeten Mischer in der Person von Martin Furia zu
verdanken! Der Musiker, sprich Gitarrist, der sonst bei Bark, einer
belgischen Band, in die Saiten greift, ist auf der ganzen Tour mit
dabei. Was für ein Geschenk an alle Beteiligten!
Setliste:
«Declaration of Intent (Intro)» - «On A Collision Course» - «Turn To
Ash» - «Scars Of Creation» - «Affect Gravity» - «Cities Of The Dead»
- «Demon Seed» - «Never To Return» - «Storm Within» - «Ruptured
Perpetually» - «Thrown To The Lions».
Flotsam And
Jetsam
Im vergangenen Frühherbst waren sie noch als Support von Destruction
im Z7 und nun sind die Amis als Headliner unterwegs. Meine damalige
stille Bitte, dass Flotsam And Jetsam doch bald wieder in der
Schweiz aufspielen mögen, wurde also erhört. Zum damaligen Zeitpunkt
war die neue selbstbetitelte Scheibe (VÖ: 09.12.2016) gar noch nicht
draussen, und darum stand die Tour heuer ganz im Zeichen der mehr
oder weniger ganzen Karriere der Band aus Phoenix. Das bestätigt
auch gleich der Blick zur untenstehenden Setliste, wo zwischen dem
Set- wie Album-Opener «Seventh Seal» und der abschliessenden Zugabe
«Doomsday For The Deceiver» exakt satte dreissig Jahre liegen! Eine
sehr lange Zeit für eine Band, der zwar der ganz grosse Exploit nie
gelang, aber erstens immer noch da ist und zweitens musikalisch nie
besser war als jetzt! Der harte Kern mit Sänger Eric A.K. und
Gitarrist Michael Gilbert sowie Bassist Michael Spencer, der Ende
der 80er nur kurz zum Line-Up gehörte, wurde ab 2014 mit Steve
Conley (g) und Jason Bittner (d) ergänzt. Passend zu dieser Phase
wurde die zweite Langrille «No Place For Disgrace» neu aufgenommen,
allerdings noch ohne Steve und Jason. Diese sind dann aber erstmals
auf der aktuellen Scheibe zu hören. Nach dem bereits sehr starken
Beginn des Konzertes mit Mucke der Neuzeit, pendelten die Songs
danach meist zwischen den Jahrzehnten hin und her. Dabei zeigte
sich, wie zeitlos die alten Schoten immer noch sind und wie geil
sich die neuen Songs daneben behaupten können. Vor allem «Life Is A
Mess» ist ein absoluter Killer-Song, wo mitunter Riffstrukturen von
Exodus durchschimmern.
Dazu
kann man eigentlich nicht nur regungslos dastehen, und auch auf die
Gefahr hin, dass meine lädierten Knochen im Nackenbereich noch mehr
anfangen zu knirschen, musste mindestens ein „Headbangen light“ her,
mo mercy! Danach gab es eh kein Halten mehr, und die Stimmung unter
den gut 100 Fans war auf dem Weg zum Siedepunkt. Selbst das Paar,
das mit coolen ABBA-Shirts ins Werk 21 kam, trug diese eher zur
Zierde, respektive bewies insgesamt einen ausgewogenen
Musikgeschmack, der so ja auch auf mich zutrifft. Wie zuvor schon
bei den Support-Bands war der Sound wiederum prächtig, wenn nicht
genial durch Mister Furia abgemischt. Obschon Drummer Jason
Bittner augenscheinlich nicht so heftig drauf haute wie zuvor
Kollege Dzierzon, so war sein Spiel ebenso druckvoll wie filigran
zugleich. Bei «Smoked Out» lieferten sich Michael und Steve ein
kurzes wie unterhaltsames Sechssaiter-Duell. Dabei wurde der Spass
an der Sache ersichtlich, und darum befand sich der Fünfer dann in
der richtigen Stimmung, um beim Song «Iron Maiden» keine
Cover-Version, sondern die eigene Ehrerbietung an die geschätzten
und stilistisch einflussnehmenden Kollegen zu zelebrieren! Hinten
raus ging es unter grossem Jubel zurück zu den Anfängen, sprich den
ersten beiden Kultalben, und nach einer furiosen Version von
«Doomsday For The Deceiver» ging ein unerwartet guter Sonntagabend,
nota bene locker ohne den sonst traditionellen „Tatort“ vor der
heimischen Glotze, formidabel zu Ende. Zum Glück kriegte ich hierzu
den Arsch hoch, denn hätte ich mir erzählen lassen müssen, was ich
verpasst habe, so wäre das unverzeihlich gewesen!
Setliste:
«Seventh Seal» - «Dreams Of Death» - «Hammerhead» - «Monkey Wrench»
- «Desecrator» - «Me» - «Life Is A Mess» - «She Took An Axe» - «Hard
On You» - «Smoked Out (incl. Solo battle)» - «Iron Maiden» - «No
Place For Disgrace» -- «I Live You Die» - «Doomsday For The
Deceiver».
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