Wer der Meinung ist, dass Supergroups ein Produkt der
Neuzeit sind, irrt, denn früher war es eigentlich genau umgekehrt zu
heute. Das heisst, dass die jeweiligen Musiker nach der Auflösung
der Band als Solokünstler oder Mitglied einer anderen Truppe weitere
Erfolge feiern konnten. Die erste Gruppe, die dieser Bezeichnung
würdig war, hiess Cream und bestand aus Gitarren-Legende Eric
Clapton, Bass-Ikone Jack Bruce (R.I.P.) und Drum-Meister Ginger
Baker. Ähnlich und im etwa gleichen Zeitraum war die Situation bei
den Small Faces, respektive den Faces, aus denen ein gewisser Rod
Stewart und Ron Wood hervor gingen.
Jahrzehnte
später ist es nun mehr eine Mischung aus Zeitvertreib, Spass und je
nachdem auch etwas Kalkül, um durch das Zusammenbringen bekannter
Namen etwas Neues zu erschaffen, sprich mehr Kohle generieren zu
können. Diese Rechnung ging aber nicht immer auf, oder ist, wie im
Fall von David Coverdale (Whitesnake, Ex-Deep Purple) und Jimmy Page
(Led Zeppelin ) nur von kurzer Dauer. Bei Flying Colors läuft das
womöglich anders, sprich ergiebiger. 2012 gegründet und nun mit dem
zweiten Album «Second Nature» am Start, meint es die Truppe offenbar
ziemlich ernst, denn der heutige Auftritt wurde für eine Live-DVD
komplett aufgenommen!
John Wesley Band Bevor der Allstar-Reigen um das
Doppelgespann Morse sowie die Herren Portnoy, LaRue und McPherson
die Bühne betraten, spielte mit John Wesley die Live-Verstärkung von
Porcupine Tree um Mastermind Steven Wilson auf. Eigentlich lief das
Ganze als Support von Flying Colors für insgesamt nur sieben
Europa-Konzerte unter der Flagge der John Wesley Band, zu der neben
Ian Medhurst (v/g) und Mark Prator (d/perc) auch noch Cynic-Bassist
Sean Malone gehörte. Wer nun sogleich ein Progressiv-Feuerwerk
erwartete, musste sich allerdings noch etwas auf den Headliner
gedulden. Obwohl John und seine Kumpels technisch absolut nichts
anbrennen liessen, stammten die eigenen Songs fast ausschliesslich
vom in diesem Frühling erschienenen Album «Disconnect» und waren
mitunter eher etwas für „stillere Wasser“. Der Opener und Titeltrack
beinhaltete dennoch das eine oder andere Schrammel-Riff und das
Zusammenspiel mit Ian Medhurst klang soweit ganz stimmig. «Take What
You Need» oder «Any Old Saint» brachten in der Tat weitere lautere
Passagen hervor und hörten sich ganz ok an. Letzterer Song enthielt
ein längeres Solo von Wesley und dauerte proggerecht rund acht
Minuten.
Augenfällig war vor allem Bassist Sean, der zwischendurch auf einem
so genannten „Chapman-Stick“ spielte. Dieses spezielle und
eigentümliche Instrument erinnerte oberflächlich, also von den
Bünden her, etwas an eine Sitar einfach ohne den bauchigen
Klangkörper. Die Töne, die diesem ungewöhnlichen Teil entlockt
werden konnten, klangen dabei sehr warm und wenn ich mich nicht
täusche, spielt Nick Beggs (Ex-Kajagoogoo, Steven Wilson) zeitweilen
auch auf so einem Ding. «Gets You Everytime» beschloss die ersten 45
Konzertminuten des Abends mit durchaus rockigen Guitar-Tunes und
einem weiteren ausgedehnterem Solo von Mr. Wesley. Während mich
persönlich diese Performance insgesamt nicht sonderlich ansprach,
befanden sich unter den eher älteren Zuschauern (huch, zu denen
gehöre ich ja auch!) genügend Proggies und Freaks, die dieser Musik
mehr als ich abgewinnen konnten. Interessant war überdies noch die
Tatsache, dass John Wesley und Mike Portnoy schon bald wieder, und
dann zusammen mit Bigelf, gemeinsam auf der (Mini-Z7) Bühne
auftreten würden. Der Schlussapplaus fiel schliesslich überaus
wohlwollend wie verdient aus, aber meine Wenigkeit war froh, als
diese Darbietung sein Ende gefunden hatte.
Setliste
(Reihenfolge ohne Gewähr!): «Disconnect» - «Pretty Lives» - «Take
What You Need» - «Mary Will» - «Once A Warrior» - «How Goes The War»
- «Any Old Saint» - «Gets You Everytime».
Flying
Colors
Kurz vor halb zehn Uhr war es dann soweit und der Auflauf der Stars
konnte beginnen! Neben den „Dixie-Dregs“-Jungs Steve Morse (Deep
Purple, Ex-Kansas) und Dave LaRue, begrüssten noch Neil Morse
(Ex-Spocks Beard, Transatlantic), Mike Portnoy (Ex-Dream Theater,
Transatlantic, The Winery Dogs, Bigelf, Ex-Adrenaline Mob, etc.)
sowie der Frontmann Casey McPherson (Alpha Rev) das bereits
erwartungsvolle Publikum. Für diejenigen, die es aus irgendeinem
Grund noch nicht mitbekommen hatten, wurde zu Beginn nachinformiert,
dass am heutigen Abend die Kameras und Mikrophone für eine Live-DVD
mitlaufen und man deshalb ordentlich mitmachen solle. Die gut 1000
Leute quittierten den Aufruf prompt wie lautstark zugleich und somit
stand der Prog-Rock Metal-Sause des Jahres nichts mehr im Weg. Dass
dabei vermehrt Stücke des neuen Albums im Fokus stehen werden, war
anzunehmen. Dass es schliesslich, um es vorweg zu nehmen, ganze acht
wurden, zeigte auf, wie hoch der Stellenwert des aktuellen
Songwritings ist. Den Anfang machte der Album-Opener «Open Up Your
Eyes», der gleich mit über zwölf Minuten zu Buche schlug und bereits
die ganze Palette dessen bot, was man als Prog-Fan liebt. Dazu
gehörten natürlich ausgedehnte Instrumental-Parts, Melodien satt und
zahlreiche Tempiwechsel. Herrlich darauf der satte Groover «Bombs
Away», wo sich im Solo-Teil Steve Morse
bestens
in Szene konnte und „der andere Morse“ ebenso. Geradezu lieblich
plätscherte die hitverdächtige (Piano-) Halbballade «The Fury Of My
Love» daher und erinnerte stilistisch etwas an die älteren Electric
Light Orchestra (ELO), zumindest bei den leiseren Parts. Und wenn
schon der Bezug zu „alt“ gefallen ist, dann dürfen natürlich, wie
bei «A Place in Your World», die alten Genesis nicht fehlen, die
immer wieder mal mehr oder weniger durchschimmern. Der gute Mix in
der Halle durfte dabei so erwartet werden und er enttäuschte nicht.
Das Einstreuen weiterer Songs vom selbstbetitelten Debüt (2012)
zeigte dann auf, wie gut das alles zusammen passt und der immer
lauter werdende Applaus bekundete den anwachsenden Zuspruch der
Fans. Es war wirklich vor allem eine „Ohrweide“, dem hochkarätigen
Quintett beim Musizieren zuzuhören. Die Kommentare von Wortführer
Mike Portnoy hielten sich erfreulich in Grenzen und waren in
Anbetracht der Aufnahme eher darauf ausgerichtet, dass die Stimmung
im Z7 hochgehalten wurde. Dies gelang derweil mit dem folkig
untermalten Lied «One Love Forever» bestens und auch die nächste
Halbballade «Peaceful Harbor» stand einfach nur für grosses Kino.
Ein Grund, warum Flying Colors
bislang reüssieren, ist, dass die Musiker ihre (musikalischen) Egos
allesamt hinten anstellen und wirklich als Band wahr genommen
werden. Im Bereich der progressiven Musik muss aber dennoch dem,
respektive den Individualisten der entsprechende Raum gewährt werden
und genau dafür eignen sich eben lange Kompositionen, wie das
«Cosmic Symphony» mit knapp zwölf Minuten auch eine ist. Mit
geschlossenen Augen konnte man sich hierzu wunderbar ins
Prog-Universum hinein gleiten lassen und einfach nur geniessen.
Sollte einer dabei gar schläfrig geworden sein, holte ihn der
Groover «Mask Machine» mit unverkennbaren Vibes von MUSE
unvermittelt wieder in die Realität zurück. Das bedeutete
gleichzeitig das vorläufige Ende des Konzertes, aber es war ja klar,
dass sich die überaus gut gelaunte Band natürlich nochmals in Szene
setzte und zur Freude ihrer Fans mit «Infinite Dreams» den opulenten
12-Minüter des Debüts als Zugabe auspackte. Nach gut 100 Minuten
waren sich am Schluss alle einig, dass der Begriff „Supergroup“ bei
Flying Colors ebenso berechtigt wie bei Transatlantic oder den von
mir am Anfang erwähnten Cream ist. Bleibt zu hoffen, dass diese sehr
harmonisch aufpielende Truppe weiterhin für kompositorische
Höhenflüge wie menschliches Auskommen untereinander sorgen wird.
Setliste: «Open Up Your Eyes» - «Bombs Away» - «Kayla» -
«Shoulda Coulda Woulda» - «The Fury Of My Love» - «A Place in Your
World» - «Forever In A Daze» - «One Love Forever» - «Colder Months
(Alpha Rev Cover)» - «Peaceful Harbor» - «The Storm» - «Cosmic
Symphony» - «Mask Machine» -- «Infinite Fire».
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