Livereview: Flying Colors - John Wesley Band

12.10.2014 Pratteln - Z7
By Rockslave
 
Wer der Meinung ist, dass Supergroups ein Produkt der Neuzeit sind, irrt, denn früher war es eigentlich genau umgekehrt zu heute. Das heisst, dass die jeweiligen Musiker nach der Auflösung der Band als Solokünstler oder Mitglied einer anderen Truppe weitere Erfolge feiern konnten. Die erste Gruppe, die dieser Bezeichnung würdig war, hiess Cream und bestand aus Gitarren-Legende Eric Clapton, Bass-Ikone Jack Bruce (R.I.P.) und Drum-Meister Ginger Baker. Ähnlich und im etwa gleichen Zeitraum war die Situation bei den Small Faces, respektive den Faces, aus denen ein gewisser Rod Stewart und Ron Wood hervor gingen.

Jahrzehnte später ist es nun mehr eine Mischung aus Zeitvertreib, Spass und je nachdem auch etwas Kalkül, um durch das Zusammenbringen bekannter Namen etwas Neues zu erschaffen, sprich mehr Kohle generieren zu können. Diese Rechnung ging aber nicht immer auf, oder ist, wie im Fall von David Coverdale (Whitesnake, Ex-Deep Purple) und Jimmy Page (Led Zeppelin ) nur von kurzer Dauer. Bei Flying Colors läuft das womöglich anders, sprich ergiebiger. 2012 gegründet und nun mit dem zweiten Album «Second Nature» am Start, meint es die Truppe offenbar ziemlich ernst, denn der heutige Auftritt wurde für eine Live-DVD komplett aufgenommen!

John Wesley Band

Bevor der Allstar-Reigen um das Doppelgespann Morse sowie die Herren Portnoy, LaRue und McPherson die Bühne betraten, spielte mit John Wesley die Live-Verstärkung von Porcupine Tree um Mastermind Steven Wilson auf. Eigentlich lief das Ganze als Support von Flying Colors für insgesamt nur sieben Europa-Konzerte unter der Flagge der John Wesley Band, zu der neben Ian Medhurst (v/g) und Mark Prator (d/perc) auch noch Cynic-Bassist Sean Malone gehörte. Wer nun sogleich ein Progressiv-Feuerwerk erwartete, musste sich allerdings noch etwas auf den Headliner gedulden. Obwohl John und seine Kumpels technisch absolut nichts anbrennen liessen, stammten die eigenen Songs fast ausschliesslich vom in diesem Frühling erschienenen Album «Disconnect» und waren mitunter eher etwas für „stillere Wasser“. Der Opener und Titeltrack beinhaltete dennoch das eine oder andere Schrammel-Riff und das Zusammenspiel mit Ian Medhurst klang soweit ganz stimmig. «Take What You Need» oder «Any Old Saint» brachten in der Tat weitere lautere Passagen hervor und hörten sich ganz ok an. Letzterer Song enthielt ein längeres Solo von Wesley und dauerte proggerecht rund acht Minuten.

Augenfällig war vor allem Bassist Sean, der zwischendurch auf einem so genannten „Chapman-Stick“ spielte. Dieses spezielle und eigentümliche Instrument erinnerte oberflächlich, also von den Bünden her, etwas an eine Sitar einfach ohne den bauchigen Klangkörper. Die Töne, die diesem ungewöhnlichen Teil entlockt werden konnten, klangen dabei sehr warm und wenn ich mich nicht täusche, spielt Nick Beggs (Ex-Kajagoogoo, Steven Wilson) zeitweilen auch auf so einem Ding. «Gets You Everytime» beschloss die ersten 45 Konzertminuten des Abends mit durchaus rockigen Guitar-Tunes und einem weiteren ausgedehnterem Solo von Mr. Wesley. Während mich persönlich diese Performance insgesamt nicht sonderlich ansprach, befanden sich unter den eher älteren Zuschauern (huch, zu denen gehöre ich ja auch!) genügend Proggies und Freaks, die dieser Musik mehr als ich abgewinnen konnten. Interessant war überdies noch die Tatsache, dass John Wesley und Mike Portnoy schon bald wieder, und dann zusammen mit Bigelf, gemeinsam auf der (Mini-Z7) Bühne auftreten würden. Der Schlussapplaus fiel schliesslich überaus wohlwollend wie verdient aus, aber meine Wenigkeit war froh, als diese Darbietung sein Ende gefunden hatte.

Setliste (Reihenfolge ohne Gewähr!): «Disconnect» - «Pretty Lives» - «Take What You Need» - «Mary Will» - «Once A Warrior» - «How Goes The War» - «Any Old Saint» - «Gets You Everytime».


Flying Colors
Kurz vor halb zehn Uhr war es dann soweit und der Auflauf der Stars konnte beginnen! Neben den „Dixie-Dregs“-Jungs Steve Morse (Deep Purple, Ex-Kansas) und Dave LaRue, begrüssten noch Neil Morse (Ex-Spocks Beard, Transatlantic), Mike Portnoy (Ex-Dream Theater, Transatlantic, The Winery Dogs, Bigelf, Ex-Adrenaline Mob, etc.) sowie der Frontmann Casey McPherson (Alpha Rev) das bereits erwartungsvolle Publikum. Für diejenigen, die es aus irgendeinem Grund noch nicht mitbekommen hatten, wurde zu Beginn nachinformiert, dass am heutigen Abend die Kameras und Mikrophone für eine Live-DVD mitlaufen und man deshalb ordentlich mitmachen solle. Die gut 1000 Leute quittierten den Aufruf prompt wie lautstark zugleich und somit stand der Prog-Rock Metal-Sause des Jahres nichts mehr im Weg. Dass dabei vermehrt Stücke des neuen Albums im Fokus stehen werden, war anzunehmen. Dass es schliesslich, um es vorweg zu nehmen, ganze acht wurden, zeigte auf, wie hoch der Stellenwert des aktuellen Songwritings ist. Den Anfang machte der Album-Opener «Open Up Your Eyes», der gleich mit über zwölf Minuten zu Buche schlug und bereits die ganze Palette dessen bot, was man als Prog-Fan liebt. Dazu gehörten natürlich ausgedehnte Instrumental-Parts, Melodien satt und zahlreiche Tempiwechsel. Herrlich darauf der satte Groover «Bombs Away», wo sich im Solo-Teil Steve Morse bestens in Szene konnte und „der andere Morse“ ebenso. Geradezu lieblich plätscherte die hitverdächtige (Piano-) Halbballade «The Fury Of My Love» daher und erinnerte stilistisch etwas an die älteren Electric Light Orchestra (ELO), zumindest bei den leiseren Parts. Und wenn schon der Bezug zu „alt“ gefallen ist, dann dürfen natürlich, wie bei «A Place in Your World», die alten Genesis nicht fehlen, die immer wieder mal mehr oder weniger durchschimmern. Der gute Mix in der Halle durfte dabei so erwartet werden und er enttäuschte nicht.

Das Einstreuen weiterer Songs vom selbstbetitelten Debüt (2012) zeigte dann auf, wie gut das alles zusammen passt und der immer lauter werdende Applaus bekundete den anwachsenden Zuspruch der Fans. Es war wirklich vor allem eine „Ohrweide“, dem hochkarätigen Quintett beim Musizieren zuzuhören. Die Kommentare von Wortführer Mike Portnoy hielten sich erfreulich in Grenzen und waren in Anbetracht der Aufnahme eher darauf ausgerichtet, dass die Stimmung im Z7 hochgehalten wurde. Dies gelang derweil mit dem folkig untermalten Lied «One Love Forever» bestens und auch die nächste Halbballade «Peaceful Harbor» stand einfach nur für grosses Kino. Ein Grund, warum Flying Colors bislang reüssieren, ist, dass die Musiker ihre (musikalischen) Egos allesamt hinten anstellen und wirklich als Band wahr genommen werden. Im Bereich der progressiven Musik muss aber dennoch dem, respektive den Individualisten der entsprechende Raum gewährt werden und genau dafür eignen sich eben lange Kompositionen, wie das «Cosmic Symphony» mit knapp zwölf Minuten auch eine ist. Mit geschlossenen Augen konnte man sich hierzu wunderbar ins Prog-Universum hinein gleiten lassen und einfach nur geniessen. Sollte einer dabei gar schläfrig geworden sein, holte ihn der Groover «Mask Machine» mit unverkennbaren Vibes von MUSE unvermittelt wieder in die Realität zurück. Das bedeutete gleichzeitig das vorläufige Ende des Konzertes, aber es war ja klar, dass sich die überaus gut gelaunte Band natürlich nochmals in Szene setzte und zur Freude ihrer Fans mit «Infinite Dreams» den opulenten 12-Minüter des Debüts als Zugabe auspackte. Nach gut 100 Minuten waren sich am Schluss alle einig, dass der Begriff „Supergroup“ bei Flying Colors ebenso berechtigt wie bei Transatlantic oder den von mir am Anfang erwähnten Cream ist. Bleibt zu hoffen, dass diese sehr harmonisch aufpielende Truppe weiterhin für kompositorische Höhenflüge wie menschliches Auskommen untereinander sorgen wird.

Setliste: «Open Up Your Eyes» - «Bombs Away» - «Kayla» - «Shoulda Coulda Woulda» - «The Fury Of My Love» - «A Place in Your World» - «Forever In A Daze» - «One Love Forever» - «Colder Months (Alpha Rev Cover)» - «Peaceful Harbor» - «The Storm» - «Cosmic Symphony» - «Mask Machine» -- «Infinite Fire».