Es gibt ja viele viele Bands, die sich ganz oder teilweise am
musikalischen Vermächtnis der grössten und auch umstrittensten
deutschen Rockband aller Zeiten, den Böhsen Onkelz, orientieren.
Auch die Jungs aus Brixen im schönen Tirol rocken schnörkellos und
hart ganz im Stile ihrer Vorbilder. Im August dieses Jahres spielten
sie einen Secret Gig auf dem heiligen Acker von Wacken. Das war für
mich der erste Kontakt mit den Tirolern. Ich hatte keine grossen
Erwartungen, aber ich wurde infiziert. Das Zelt platzte aus allen
Nähten und die Jungs rockten alle Zweifel in Grund und Boden.
Philipp, Jonas, Jochen und Christian sind für mich ohne Zweifel die
verdienten Enkelz der Onkelz. Auf ihrer „Hart am Wind“-Tour lassen
sie wieder viele Halle erbeben und werden sich garantiert einen noch
grösseren Fankreis erspielen. Unterstützt von den Assi-Rockern 9mm
und den Jungspunden von Reach Us Endorphine könnte das ein wirklich
rockiger Start in die Kalenderwoche 46 sein.
Reach Us Endorphine
Das Ganze könnte auch unter dem Motto „Nacht der kurzen oder keinen
Haaren“ stehen. Ich als Langhaar-Träger fühlte mich ziemlich allein
gelassen. Punkt 20 Uhr wurde es finster, und die Jünglinge von Reach
Us Endorphine kamen auf die Bühne. Vom ersten Akkord an gaben sie
sich Mühe: Musikalisch sind sie irgendwo in der
Metalcore-Ecke mit
Thrash-Einflüssen anzusiedeln. Aber das Ganze ist einfach schon
zigmal dagewesen, nichts Neues also, der Spirit fehlte einfach. Es
wirkte einfach so ein bisschen nach Übungsraum. Auch beim
Stageacting waren sie nicht wirklich die Beweglichsten. Klar, die
Instrumente wurden sicher gespielt, gerade der Bass konnte auch
wirklich drücken. Beim Gesang gab es eigentlich auch keine Klagen,
das mehrheitliche Gebrülle wurde einfach ermüdend und etwas
eintönig. Der Sänger versuchte dauernd, die spärlichen Zuschauer vor
der Bühne aus zu animieren, aber es waren nur Wenige, die sich
mitreissen liessen. Es kam zwar zu einem kleinen Moshpit und zum
Schluss sogar zu einem Circle Pit. Dem Soundgewand nach merkte man,
dass sicherlich Bullet For My Valentine zu ihren Vorbildern zählen,
was die Band dann auch mit einer Coverversion der eben Genannten
bestätigte. Also, in meinen Augen hätte es diese Vorband nicht
unbedingt gebraucht. Noch ein bisschen üben und feilen, dann könnte
es auch mehr reissen.
Rock Rotten’s 9mm Assi Rock’n’Roll
Rock Rotten’s Solotruppe ist hier am Start. Optisch hatte man das
Gefühl, dass die Bretter nachgeben müssten, als die Schwergewichte
die Bühne betraten. Aber trotz der relativ grossen Leibesfülle der
Herren Rock Rotten und Leadgitarrist Ritchie legte der Vierer einen
richtig amtlichen Kickstart hin. Es wurden keine Gefangenen gemacht,
ihr Sound bestand aus einer Mixtur aus Heavy Rock, Kick
Ass-Rock’n’Roll mit einer guten Punkattitüde. Keine Mätzchen,
einfach volle Kanne auf die Zwölf gehauen. Als sie dann noch den
Song „Dick und durstig“ von den Böhsen Onkelz anstimmten, hatten sie
das Z7 in ihren Pranken, daraus liessen sie es nie mehr los, bis die
Hallenbeleuchtung anging. Die Zuschauer sangen den Onkelz-Klassiker
lauthals mit. Rock forderte im Mitsing-Part dazu auf die 100dB-Marke
zu knacken, und man brachte es mühelos auf 102.8dB. Die Stimmung
stieg von Song zu Song näher an den Siedepunkt. Auf der Bühne
machten sie ihrem Ruf alle Ehre, es wurde Bier und Vodka getrunken.
Als es um das Vorstellen der einzelnen Bandmembers ging, fiel mir
erstmal die Kinnlade runter. Das Tier, genannt Bommel, hinter den
Drums, der so richtig fette, rohe Beats rausjagte, ist gerade mal 17
Lenze alt. Mit 15 ist er als Küken zu den Rockern gestossen. Als
dann Ritchie an seiner Gitarre zum Solo ansetzte, kam Staunen Teil
2. Trotz der doch etwas an Wurstwaren erinnernden Finger holte er
ein super klares Solo aus seinem Instrument raus. Die Finger flitzen
über den Gitarrenhals und gaben alles. Der Maestro hatte das ewige
Dauergrinsen dabei, man merkte bei allen der Band, dass sie lieben
und leben, was
sie machen. Das ist deutscher Assi-Rock’n’Roll, wie
er nicht besser und authentischer dargeboten werden kann. Zum Finale
wurden dann die Uralt-Trinklieder der Marke „Mein Vater war ein
Wandersmann“ aus der Schublade geholt und, wie konnte es anders
sein, die Halle sang und tobte mit. Die Jungs waren textlich sicher
meist in den fröhlichen und bierseligen Songs zuhause, aber dass sie
auch ganz anders können, bewiesen sie auf der neuen CD „Quo Vadis“
mit dem Lied „Sternenkind“ sehr eindrücklich. Der Track geht einem
unter die Haut, denn er ist aus dem Blickwinkel von Eltern
geschrieben, deren Kind ermordet wurde. Das ist ein wirklich
heftiges Teil. Nach meinem Geschmack war der Vierer aus Hanau der
Gewinner des Abends. Rock Rotten und seine Mannen hatten die
Zuschauer perfekt angeheizt für den Headliner aus dem Südtirol.
Frei.Wild
Wenn man sich so im Publikum umschaute, bot sich einem das gleiche
Bild wie damals am Böhse Onkelz-Konzert an gleicher Stelle: viele
kahle Köpfe in Skin-Wear. Aber alles in allem blieb es den ganzen
Abend ruhig. Alle waren zum Feiern ihrer Idole angereist. Auch sehr
viele aus dem benachbarten Ausland waren anzutreffen. Das Z7 war
knapp zur Mitte hin gefüllt. Kaum waren 9mm fertig, gingen die
Sprechchöre los. Als das Backdrop hochgezogen wurde, hörte man nur
noch „Freiwild! Freiwild!“-Rufe. Um 22 Uhr wurden die Zuschauer dann
endlich erlöst und die Jungs aus Brixen traten aus dem Dunkel des
Backstage-Bereichs hervor. Sie langten gleich voll zu und rockten
das Haus. Am Anfang waren speziell die Gitarren nicht wirklich gut
gemischt, auch der Bass wirkte etwas schwammig. Aber an der
Spielfreude der Jungs änderte das nichts: Die Zuschauer in den
ersten zehn Reihen machten auch mit voller Begeisterung mit. Die
Songs wurden Zeile für Zeile mitgesungen. Gerade ältere Machwerke
wie zum Beispiel „Südtirol“ wurden aus dem Publikum lauter
wiedergegeben als von der Bühne. Aber nicht nur hart können die
Mannen, auch die ruhigeren Songs kamen ganz gut daher. Die wurden
von der Combo im Sitzen dargeboten. Der Sänger hatte laufend
Probleme mit seinem Mikro und dem Ohrstöpsel, aber für etwas hatte
man ja einen Roadie, den man in Bewegung setzen konnte. Frei.Wild
sind ja auf der Tour zum neuen Silberling „Hart am Wind“, und da
sind sie schon eine Weile auf Achse. Das merkte man ihnen langsam
aber sicher an. Die Stimmen haben gelitten, und auch optisch wirkten
sie ziemlich durch den Wind. Was aber sicher nicht nur an den Shows
liegen konnte, sondern auch an den Shows nach den Shows.
Im Z7 kam
auch nur in den ersten vielleicht zehn Reihen richtig Stimmung auf.
Im hinteren Bereich wurde einfach zugehört und genossen. Dafür war
das Pogo vorne ziemlich heftig, und manch einer wird sich heute die
blauen Flecken eincremen müssen. Zum Track „Schwarz und weiss“
wurden dann etwa 10 Fans auf die Bühne geholt. Die durften einen
Moment dort oben abfeiern, dann wurden sie vom Roadie ruhig aber
bestimmt darauf
hingewiesen, dass sie jetzt den Sprung über den
Fotograben machen sollten. Jeder/ Jede musste dem folge leisten. Bei
den etwas Beleibteren dort oben wurde es dann zum Kraftakt der Fans
unten, sie aufzufangen. Da die Band selber durstig war und wohl in
den Gesichtern der Fans sah, dass es denen genauso erging,
verteilten sie grosszügig Bier. Die Band spielte gekonnt und
aufeinander eingespielt. Sie kamen auch wirklich professionell
rüber, aber alles in allem war es nicht ihr bester Auftritt. Auf Wacken traten sie viel heftiger in die Ärsche. Vor dem Lied „Halt
deine Schnauze“ gab Sänger Philip ein klares Statement gegen
körperliche Gewalt ab, aber man dürfe ruhig verbal jemand mal
anschreien. Als nächstes kamen mal wieder die Stühle zum Einsatz und
sie intonierten den Song “Diesen Schuh zieh ich mir nicht an“.
Danach war es an der Zeit, den Fans das zu geben, was sie schon
lange forderten: Die Single vom aktuellen Album „Land der
Vollidioten“. Da kam nochmals ziemlich Stimmung auf. Nach einer
guten Stunde ging es in den Break, um kurz darauf in den Zugabenteil
zu starten. Ich dachte mir, ok, 2te Runde, auf geht’s. Was kam? Ein
Lied „Sieger stehen auf, da wo Verlierer liegen bleiben“ Dazu wurde
im Zuchauerraum eine amtliche Wall Of Death durchgezogen. Als der
letzte Akkord des Tracks gespielt war, wurden die Hallenlichter
eingeschaltet und es war Schicht im Schacht. Meiner Meinung nach
hätte da schon noch der eine oder andere Song Platz gehabt, doch es
war ein guter, wenn auch nicht absolut überzeugender Auftritt der
Sudtiroler gewesen.
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