Wer hat an der Uhr gedreht? Sind es wirklich schon 25 Jahre
(oder mehr), seit uns Kai Hansen mit Gamma Ray (und 30 Jahre mit
seinen Schreien zu «Victim Of Fate») das Leben versüsst hat? Der
Godfather des melodischen Speed Metals mit viel Party-Charakter
feiert Jubiläum. Eines, das sich sehen und hören lassen darf. Der
sympathische Hanseate hat mit Helloween und Gamma Ray die Szene
nachhaltig beeinflusst. Sei es in Europa oder speziell heute in
Südamerika und Japan, Kai wird verehrt und vergöttert. Greift der
singende Gitarrist noch bei Iron Savior (früher) und Unisonic
(heute) in die Saiten, weiss der geneigte Hörer, dass es sich um
Qualität handelt. Zur Feier ging das Quartett neu als Quintett auf
Konzertreise, dazu später mehr, und spielte von jedem Studioalbum
mindestens einen Song. Mit Ausnahme von «Land Of The Free 2». Somit
garantierten uns Gamma Ray, dass ein ausgeklügelter Querschnitt
präsentiert wurde. Unterstützt wurden die Jungs von den
Hoffnungsträgern von Serious Black und den Engländern Neonfly.
Neonfly
Der Fünfer aus London startete den Abend. Was sich zuerst wie eine
Frauenstimme anhörte, entpuppte sich als Willy Norton. Der Sänger
von Neonfly war bemüht, die Fans auf seine Seite zu bringen und
geschmückt mit Federn an seinem rechten Arm schien er auch bereit zu
sein, für die Anwesenden zu fliegen. Die technischen Finessen hörte
man sofort heraus, aber was den Songs fehlte, war der Catchy-Hit. Ein
Song, der sofort in den Ohren kleben bleibt und den Zuhörer zur
Verzweiflung bringt, weil man da einfach mitsingen muss. Auch wenn
die Doublebass Drum hämmerte, die Lieder klangen zu ungestüm, als
wollte die Truppe zu viel in einen Track verpacken. Ein Problem, das
die meisten der jungen Bands haben. Es klang alles ganz nett und die
Combo schien den kaum vorhandenen Platz bestens zu nutzen, aber der
Applaus der Anwesenden verstummte sehr schnell. Auch das wirklich
famose Gitarrensolo konnte keinen positiven Effekt erzielen. Schade,
aber hörte man ein paar Minuten später Gamma Ray, wurde sofort klar,
wo der Unterschied liegt. Kai versteht es mit einem Riff, einer
Melodie und einem Refrain alle zu begeistern. Davon sind Neonfly,
trotz aller technischen Fähigkeiten, noch ein gutes Stück davon entfernt.
Serious Black Die Band um den
ehemaligen Tad Morose-Sänger Urban Breed konnte nun die Lorbeeren
einsammeln, welche sie sich als Support von HammerFall verdienten.
Serious Black wurden von den Besuchern des Z7 sehr herzlich begrüsst
und dies wurde entsprechend ausgenutzt. Man sah Urban an, dass er ein
erfahrener Shouter ist, der mit seiner Stimme umzugehen weiss. Er
ist ständig in Bewegung und singt dabei sehr gut. Von der ersten
Sekunde bekam der Abend bei Serious Black einen bedeutend
professionelleren Anstrich. Auch aus dem Grund, weil die Songs mehr
auf den Punkt gespielt wurden. Logisch tendieren die Jungs immer
wieder in eine verspieltere, leicht progressivere Richtung. Dies
aber nie zu Lasten des Songs. Dabei trumpften die beiden Gitarristen
gross auf und das Solo von «Trail Of Murder» wurde von den Fans
mitgesungen. Der Applaus war der Truppe sicher und so ging es mit
dem gefühlvollen Part von «Older And Wiser» weiter. Serious Black
wissen, wie man mit Melodie, Härte, Geschwindigkeit und Emotionen
umzugehen hat und dank der perfekten Stimme von
Urban
konnte sich Bassist Mario Lochert genüsslich dem Applaus der Fans
hingeben. Hier wird auch klar, dass die solistischen Darbietungen
die Songs begleiten und nicht zerlegen. Gekonnt wurden die Melodien
der Tracks von der Gitarrenfront aufgenommen und als Einleitung in
die Solos gestreut. Die Fans wärmten sich auf und Mister Breed hatte
das Publikum gut im Griff. Warum allerdings «I Was Made For Lovin'
You» (Kiss) und «Rock You Like A Hurricane» (Scorpions) als kleine
Zwischenparts eingebaut wurden, weiss nur die Band. Die Jungs hatten
trotzdem ihren Spass auf der Bühne und die Gitarrenfront drückte
sich spasseshalber gegenseitig auf die Saiten. Am Schluss der knapp 45
Minuten liessen sich die Jungs zu Recht feiern. Ob Serious Black nun
die Musikwelt revolutionieren oder sie eine Truppe sind, welche es
in anderer Form zuhauf gibt, muss jeder für sich selber
entscheiden. Den Anwesenden gefiel es auf jeden Fall und dies ist eine klare
Antwort.
Gamma Ray
Nach dem Joan Jett Song «Bad Reputation» stand sie nun auf der
Bühne..., die Band, auf die alle warteten und die ihr Bühnenjubiläum
feierte. Mastermind Kai Hansen, Gitarrist Henjo Richter, Bassist
Dirk Schlächter und Schlagzeuger Michael Ehré bauten die Emotionen
mit dem Intro «Welcome» richtig schön auf, um dann mit «Heaven Can
Wait» einen Siegeszug loszutreten, der es in sich hatte. Mit einer
fetten Lichtshow und «Last Before The Storm» sowie einer
ungebremsten Spielfreude trumpften die Jungs von der ersten Sekunde
gross auf und bahnten sich den Weg durch ihren Siegeszug. «Wir haben
eine Neuerung, aber die meisten werden dies eh schon gehört haben.
Wir haben einen neuen Sänger! Nein, ich bin nicht weg», verkündete
Mister Hansen, der in den letzten Jahren mit seiner einzigartigen
Stimme den Liedern von Gamma Ray klar den Stempel aufdrückte. Frank
Beck wird den Vierer zukünftig unterstützen und konnte mit seiner
Stimme punkten. Auch wenn man die Lieder mit der Voice von Herrn
Hansen kennt und liebt. Mister Beck vollbrachte einen tollen Job und
wechselte sich immer wieder mit Kai bei den Leadvocals ab.
Sicherlich muss man sich daran gewöhnen, dass die Tracks fortan stimmlich
anders klingen, aber die Hinzunahme von Frank hat viel Positives.
Kai wird somit wieder mehr zum Performer und kann dabei seine
Stimme, die in den letzten Jahren immer wieder angeschlagen klang,
schonen. «One With The World», das in der Urversion von Ralf
Scheppers (Primal Fear) eingesungen wurde, performte Frank sehr gut.
Auch wenn es logischerweise anders klang, aber der Titel
faszinierte. Die Besucher
honorierten
dies mit viel Applaus und Kai bedankte sich mit «…das klingt nach
Party! Wir haben einen passenden Song dazu, dann könnt ihr noch mehr
Party machen…» beim Publikum. Der Helloween-Kracher «I Want Out»
liess den Stimmungspegel in grosse Höhen aufsteigen. Die spitzen
Schreie, in der Urversion von Michael Kiske, schienen für Frank
(«Vor ein paar Jahren stand ich bei Gamma Ray noch in der ersten
Reihe und nun mit den Jungs zusammen auf der Bühne!») kein Problem
zu sein. Kai und seine Mannschaft spielten bei dieser Hymne noch
einen coolen Reggae-Part, bei dem sich Kai und Henjo mit einen feinen
Doppelsolo duellierten. Trotz der guten gesanglichen Performance (an
der Bühnentauglichkeit muss Frank allerdings noch arbeiten), steht nach wie vor
Kai im Mittelpunkt. Und dies wird sich auch nie ändern. Er hat die
meisten Songs geschrieben und diese mit seiner Stimme und seinem
Gitarrenstil nachhaltig geprägt. «Pratteln, ihr seid so geil, so
machen 25 Jahre Spass! Jetzt kommt ein weiterer Hit von Gamma Ray,
der wie alle anderen auch nie in den Charts war», und endlich
spielten die Jungs wieder «Valley Of The Kings». «Pratteln, ihr mögt
uns? Wir waren nie trendy, aber es scheint, dass ihr uns trotzdem
liebt?» Klar! Was auch sonst? Wenn eine Truppe mit dermassen vielen
Hits knapp zwei Stunden spielt, sich dabei die Freiheiten lässt, den
Rock'n'Roll zu zelebrieren und dabei immer wieder kleine Jams
einbaut, den muss man einfach lieben, auch weil Henjo noch immer
wie ein kleiner Junge grinst.
«Pratteln, habt ihr Spass? Ich habe auch Spass, seit vier Wochen
jeden Abend mit den «real masters of confusion»», leitete Frank den
wohl autobiografischsten Song der Deutschen ein. «Master Of
Confusion» war dann einer von vielen Highlights an diesem Abend,
zündete aber noch eine Spur schneller mit seinem mitreissenden
Refrain. Vorher konnte Dirk ein fetziges Bass-Solo spielen und
Michael Ehré zeigen, dass er zu Recht einer der besten seines Faches
ist. Wo anderen mit unheimlich viel Technik reinhauen, nimmt Michael
die Fans auf eine Reise mit, die zum Mitklatschen animiert. Er
spielte sehr tight und dynamisch, verlor aber nie einen filigranen
Touch. «Die lauteste Ballade mit dem leisesten Titel» («The
Silence») wurde von Gamma Ray sehr mitreissend gespielt, wie auch das
schnelle «Dethrone Tyranny», welches aus der Mottenkiste entstaubt
wurde. Frank schien bei diesem Track völlig aus sich raus zu gehen, da
seine Schreie eine kleine Offenbarung waren. Und dann war es an der
Zeit, die Medleys einzuläuten. Zuerst wurde fast das komplette
«Rebellion In Dreamland» gespielt. Eine Nummer, die man genüsslich
konsumierte und betreffend der fantastischen Vermischung aus Härte
und Melodie mit der Zunge schnalzte. Die Breaks hatten es in sich und
wer hier nicht ehrfürchtig in die Knie geht, hat noch nie verstanden,
was einen guten und abwechslungsreichen Song ausmacht. Nahtlos
folgte kurz die Manowar-Huldigung «Heavy Metal Universe» (mit einem
breiten Grinsen versehen), auf welches schnell und hammerhart die
Helloween-Nummer «Ride The Sky» folgte. Abschliessend wurde
«Somewhere Out In Space» drangehängt, das mit einer ausgedehnter
Jam-Session beschlossen wurde. Schon hier war klar, dass dieser
Abend, auch wenn die Band als Solches vielleicht schon besser Gigs
spielte, zu den besten Konzerten in diesem Jahrzehnt gehörte.
Was noch folgte, waren die Zugaben «Heading For Tomorrow» und
«Avalon» als Medley und der Rausschmeisser «Send Me A Sign». Bei
«Heading» wurde schnell klar, dass «Avalon» mittlerweile den
Kultcharakter des Titelsongs des ersten Gamma Ray-Albums ein- und
überholte. «Dankeschön Pratteln», liess uns Kai wissen und stellte
kurz vor Schluss den Konzerts mit seinem Humor («…heavy weight
champion in raise the glas…» / «..don't forget the new sister… sorry
the new brother in the Gamma Ray camp…») die Band vor. Mit dem
Bewusstsein, einen extrem tollen Konzertabend in der Schweiz
verbracht zu haben. Gamma Ray in dieser Form sind kaum zu schlagen.
Spielintelligenz, grosse Hymnen (es war eine gebührende
Geburtstags-Setlist), tolle Musiker und viel Humor verbreiteten ein
ansteckendes Party-Feeling. Gamma Ray kamen, sahen und siegten auf
der ganzen Linie und man darf sich schon jetzt auf eine Fortsetzung
freuen.
Setliste: «Bad Reputation (Joan Jett –
Intro)» - «Welcome (Intro)» - «Heaven Can Wait» - «Last Before The
Storm» - «Fight» - «One With The World» - «I Want Out (Helloween – With
Reggae-Jam)» - «Valley Of The Kings» - «The Silence» - «Drum-Solo
Michael Ehré» - «Bass-Solo Dirk Schlächter» - «Induction (Intro)» -
«Dethrone Tyranny» - «Empathy» - «Master Of Confusion» - «Rebellion In
Dreamland / Heavy Metal Universe / Ride The Sky (Helloween) /
Somewhere Out In Space (With Extended Jam)» -- «Heading For Tomorrow
/ Avalon» - «Send Me A Sign».
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