Livereview: Gonoreas - Comaniac - Underskin - The Burden Remains

16. Oktober 2015, Zürich – Komplex 457 (CD-Taufe)
By Rockslave
Nach dem ganzen Aufwand im Studio gehört dies eigentlich stets zum Höhepunkt einer Band, sprich wenn das neue Album entweder gerade erst neu erschienen ist oder dies gar am gleichen Tag wie die CD-Taufe stattfindet. Bei Gonoreas und ihrem mittlerweile fünften Langeisen «Destructive Ways» war es allerdings so, dass der offizielle Release erst am 06. November 2015 war. Somit konnten die Fans die neue CD bereits einige Zeit früher beim Merchandise-Stand krallen. Dazu musste man aber am heutigen Abend im Komplex 457 in Zürich mit dabei sein. Somit verliess die Aargauer Band quasi ihre gewohnte Umgebung, denn die letzte CD-Taufe zu «The Mask of Shame» fand bekanntlich im Badener „Nordportal“ statt. Für den heutigen Abend lud der Headliner drei Gastbands als Support ein, zu denen ursprünglich auch Excruciation gehörten. Die Zürcher Doomster sagten jedoch kurzfristig ab, wurden aber durch The Burden Remains würdig ersetzt. Die jungen Aarauer Thrasher von Comaniac durften eigentlich fast etwas als Geheimtipp gewertet werden und die Verpflichtung von Underskin als nicht ultraharte Band überraschte auf dem Papier wie danach auch positiv auf der Bühne!

The Burden Remains

Die junge Band aus dem Kanton Freiburg verschreibt sich seit der Gründung vor über eine Dekade einer interessanten Stilrichtung im Metal-Genre: Progressive Thrash Metal. Während dieses Etikett international vor allem auf die inzwischen immer stärker verbleichenden Nevermore oder auch Communic aus Norwegen zutrifft, gibt es der Heimat hierzu höchstens Coroner zu nennen, die es jedoch eine Spur düsterer angehen. Unser Christoph „El Muerte“ Noth fungiert schon einige Zeit als Produzent und ist auch im Bereich der Arrangements für seine Schützlinge tätig. Ich sah die Band aus Wünnewil (FR) freilich das erste Mal überhaupt und hatte bisher trotz den regelmässigen Einträgen im Metal Factory Poll kaum bis gar nicht Notiz von Tommy Schweizer (v/b), Thomas Jenny (g/v), Philippe Aebischer (g/v) und Silvan Mangold (d) genommen. Deshalb wurde ich heute Abend durch die äussert agile Performance und die technische Versiertheit überrascht. Vor allem Leadsänger und Bassist Tommy legte sich enorm ins Zeug und verwandelte sich einen elektrisierenden Unruhepol auf der Bühne. Auch wenn der Sound mitunter etwas sperrig wirkte, so kamen doch viele der Riffs tonnenschwer bis thrashig flink daher und konnten klar punkten. Auch wenn sich vor der Bühne im vergleichsweise grossen Komplex noch nicht so viele Leute tummelten, zeigten deren Reaktion und Zustimmung deutlich, dass man von diesen 35 Minuten Musik echt angetan war. Die ersten vier Songs stammten vom aktuellen Album «Fragments» (2014), gefolgt von je einem Track von den 2012er «The Bikini Blues-Sessions» («A Martyr’s Lament») und dem bärenstarken wie riffgewaltigen full lenght Debüt «A Downfall Of Man» (2013, «Ashes From The Skies»). Das neue Material ist spürbar progressiver ausgefallen, was etwas auf die Kosten der Eingängigkeit geht. Nichtsdestotrotz empfahlen sich The Burden Remains, die 2013 in ihrem Heimatkanton auch schon für Megadeth eröffneten, für weitere musikalische Grosstaten. Interessant ist zudem die Tatsache, dass die aktuelle Scheibe nur als Vinyl oder Download erhältlich ist!

Setliste: «…And I Beheld The Strings» - «Among The Shards» - «Keep To The Script» - «A Martyr’s Lament» - «Ashes From The Skies».


Underskin
Nach dem energetischen Opener standen nun im Vergleich deutlich weichere, aber immer noch rockige Töne auf dem Speisezettel. Mich nahm nun echt wunder, ob die zweifellos talentierte Band aus Zürich mit ihrem Material vor diesem (Metal-) Publikum bestehen würde! Um es gleich vorweg zu nehmen…, sie tat es, wenn auch nicht flächendeckend. Frontfrau Andrina schaffte es aber, dass ihre Performance zwischen lieblich und rockend dennoch etwas hergab. Als zusätzlicher kleiner Bonus sorgte die Herkunft der Band, die somit lokal so zu sagen ein Heimspiel verbuchen konnte. Der Album-Opener «Spit On You» hörte sich dann schon mal ganz ordentlich an und litt höchstens darunter, dass der Sound, sprich die Lautstärke eher bescheiden ausfiel und dadurch einiges an Druck fehlte. Etwas, das auf der starken Debüt-CD durchaus vorzufinden ist. Dennoch legten sich Underskin voll ins Zeug rein und spielten einen Grossteil der Songs vom neuen Album «Collective Confusion». Gitarrist Roman Walker wirkte dabei optisch etwas älter als der Rest der Band, dürfte es auch sein und gab alles, was der halt bescheidene Mix an diesem Abend hergab. Die Rhythm-Section mit Chris Blum (g), Roy Sonderegger (b) und Andrea Tinner (d) präsentierte sich derweil recht tight, litt aber insgesamt ebenso am zu mageren Sound im Komplex. Zudem hatte ich das Gefühl, dass sich die Musiker auf der für ihre Verhältnisse grossen Bühne fast etwas verloren. Dieser Umstand machte auch vor der stimmgewaltigen Frontfrau nicht Halt, aber Andrinas Bewegungsradius war eh überschaubar und zentral ausgerichtet. Dort spielte sie locker ihr Können aus und verlieh dem kompositorisch überzeugend dargebotenen Alternative Rock stets die treffende Note. Der Range zwischen tiefer Stimmlage, cleanem Gesang und kräftigen Obertönen wurde zu jeder Zeit mit professioneller Leichtigkeit zelebriert. Das bemerkte das zu diesem Zeitpunkt noch nicht so zahlreiche Publikum mit zunehmender Dauer des Konzertes und spendierte hierzu den absolut verdienten Applaus. Wohlweislich wurden die beiden an sich schönen Balladen «Loner» und «Fallen» an diesem metallisch ausgerichteten Abend nicht gespielt. Dadurch entging man allerdings einer weiteren Gesangs-Facette von Andrina, die, zusammen mit ihren Jungs, Underskin zu einer Schweizer Band der Oberklasse vereint, der noch eine rosige Zukunft in Aussicht steht. Beim letzten Song konnte ich mir dann ob der titelmässigen Ehrung meines Alter-Egos ein herzhaftes Schmunzeln nicht verkneifen.

Setliste: «Spit On You» - «Don’t Try» - «Lies For Sex» - «She Did It Right» - «Hit Me Like A Man» - «Starving Animal» - «Thunderhead» - «Heal Me» - «Slave».


Comaniac
Nachdem The Burden Remains als erste Band des Abends bereits einen fetten Pflock eingeschlagen hatten, mussten die Wände nach der Alternative Rock Zwischenrunde mit Underskin wieder zum Wackeln gebracht werden. Wie konnte man das besser als mit den jungen Aarauer Thrashern von Comaniac tun?! Spätestens seit dem Release der bärenstarken Debüt-CD «Return To The Wasteland» pinkeln die Boys unablässig an die Wände der Übungsräume von Schweizer Kollegen wie Battalion oder Contorsion. Das, was auf dem Tonträger bereits überzeugen kann, wird mittlerweile mit der gleichen Brachialität auf die Bühne übertragen. Die Axtfront mit Fronter Jonas Schmid und Leadgitarrist Dominic Blum präsentiert sich immer eingespielter und kriegt von der Abteilung Rhythmus mit Bassist Raymond Weibel (der bekanntlich auch noch für Suborned in die dicken Saiten haut) und dem Solothurner (hell yeah!) Drummer Cédric Iseli stetst einen ordentlichen Tritt in den Arsch verpasst. Somit war alles gegeben, um die immerhin etwas angestiegene Anzahl Fans wieder aus der Lethargie heraus zu holen. «The Rake» fungierte als flinker Opener, dicht gefolgt vom Groover «Secret Seed». Soweit alles paletti und im grünen Bereich, aber auch hier machte sich der insgesamt viel zu leise und letztlich total drucklose Sound dem erwarteten Thrash-Orkan einen fetten Strich durch die Rechnung. Wer seine Lauschklappen allerdings nicht mit Ohropax versah, kriegte dennoch ordentlich Krach auf seine Trommelfelle spendiert. Comaniac liessen sich von diesen technischen Widrigkeiten so oder so zu keinem Zeitpunkt aus dem Konzept bringen und rotzten ihren Set in der gewohnt agilen Art herunter. Dabei offenbarte Jonas einmal mehr seine unbestrittenen Qualitäten als Frontmann und (Rhythmus-) Gitarrist. Die stimmlichen Ähnlichkeiten zum jungen James Hetfield sind, wie mitunter auch der Sound von Metallica zu «Kill 'Em All»-Zeiten, nicht von der Hand zu weisen. Da dies aber mit der nötigen Prise Eigenständigkeit und „genug Eiern“ versehen ist, gehören sämtliche Rip-Off Vorwürfe, sofern solche überhaupt von jemandem ins Feld geführt werden, klar und eindeutig ins musikalische Pfefferland gesetzt. So sorgte der töfte Album-Opener «1, 2, Rage» für die entsprechenden Reaktionen in den ersten Reihen des Komplex. Wie es sich gehört, wurden dabei zahlreiche Haarmatten im Windmühlenstil geschwungen, Fäuste in die Höhe gereckt und laufend Bierbecherinhalte vernichtet. Die Party war somit definitiv losgetreten und letztlich spielten Comaniac überraschend nur fünf Songs und brachten es so auf gerade mal etwa 25 Minuten Spielzeit. Da hätte also noch locker ein Song mehr in der Setliste auftauchen können. Doch auch so empfahl sich das lärmige Quartett für kommende Grosstaten und es bleibt schwer zu hoffen, dass die bisherige Erfolgsgeschichte aus dem Kanton Aargau erst in den Anfangszügen liegt und die künftigen Alben das erfreulich hohe Level halten können.

Setliste: «The Rake» - «Secret Seed» - «1, 2, Rage» - «Killing Tendency» - «Cut Throat».


Gonoreas
Pünktlich wie die Feuerwehr stieg der Headliner um 22.20 Uhr, also genau gemäss der vorhandenen Running-Order, auf die Bühne, wo es nach dem Intro gleich mit «Destructive Ways», dem Titeltrack des neuen Albums, los ging. Gonoreas waren nach der letzten Release-Sause im Badener „Nordportal“ (2013) diesmal nach Zürich gekommen, um die CD-Release Party für ihr fünftes Studioalbum zu zelebrieren. Diesem Aufruf folgte die seit Jahren treue Fanbase und noch einige mehr. Dennoch erwies sich die Grösse des Komplex bezüglich dem Interesse an den Aargauer als überdimensioniert. Diejenigen Leute, die aber den Weg nach Zürich gefunden hatten, waren bestens bei Laune und spätestens jetzt, nachdem Comaniac davor schon mal ordentlich vorgelegt hatten, ging die Party richtig los. Darauf gefreut hatten sich natürlich auch Chef-Indianer und Flitzfinger Damir Eskic, Fronthüne Leandro Pacheco, Bass-Derwisch Pat Rafaniello und Kesselmeister Stefan Hösli. Nicht fehlen durfte dabei auch die ehemalige Rhythmus-Gitarristin Larissa „Larry“ Ernst, die sich ebenso unter dem Publikum befand. Sie und der Rest der Komplex-Besucher sahen und hörten gleich das, was Gonoreas als Ganzes ausmacht: Tonnenschwere Riffs, schneidende Vocals, Mitsing-Parts, Tempiwechsel, pumpender Bass und tightes Drum-Spiel. Der Album-Opener «Rebellion Against The Obsessor» zeigte danach auf, dass sich die Aargauer Power Metaller auch im Speedbereich keine Blösse geben, aber auch hier durch Abwechslung glänzen. Das pure Gegenteil kam dann beim ordentlich zähen «Viking» zu tragen, das mit dem „Hu-Ha-Mitsingpart wohl auch den letzten Metalhead im Komplex zur in die Höhe gereckten Faust animierte. Während dem Solopart von Damir fehlte dann allerdings das, was „Larry“ früher an Rhythm-Power auf der Bühne abgeliefert hatte.


Derweil glänzte Leandro mit geilen Vocals, die oben weg beim an Brainstorm erinnernden «Parallel Universe» nicht selten Manowar-Shouter Eric Adams alle Ehre machten. Überhaupt präsentierten sich Gonoreas als schlagkräftige Truppe und gehören derzeit klar zur Schweizer Speerspitze in diesem Genre. Der Akt der Taufe wurde nach «Wizards», auch einem neuen Song, durch CD Taufpate V.O. Pulver (GurD, Poltergeist), begleitet von unserem Cheffe Roxx, vorgenommen. Die ganze Sache gestaltete sich dann eher kurz, dafür war die Sauerei durch den massig verspritzten Schaumwein vor und auf der Bühne nicht zu übersehen. Nachdem der mittels Taufe genässte und so zu sagen bemitleidenswerte Tonträger kurz durch die Luft in Richtung Publikum flog und dabei, zumindest so wie ich es mitbekommen hatte, hart auf dem Boden aufschlug, aber nicht lange dort verblieb, setzten Damir und seine Jungs zur zweiten Hälfte des regulären Sets an, dies mit dem Doppelschlag «Empire» und «Dark Triad». Wer sich die eigentlich erst am 06.11.2015 offiziell erhältliche CD bereits am Merchstand gekrallt und mitgezählt hatte, kam ohne das Intro auf acht neue Songs, ehe «The Mask Of Shame» vom gleichnamigen Vorgänger von 2013 folgte. Somit wurden bis auf die Akustik-Ballade «The Offering» alle lärmigen Tracks von «Destructive Ways» am heutigen Abend durchgespielt. Der Eindruck, der damit hinterlassen wurde, war einmal mehr überaus positiv und wurde nur durch den etwas dürftigen Fanaufmarsch und den eigentlich durchgehend ungenügenden und zu drucklosen Sound getrübt. Das lässt sich an anderer Stelle jedoch locker ausbügeln, und es wäre nun der tollen Truppe aufrichtig gegönnt, dass sich der Erfolg ab dem nächsten Jahr hoffentlich weiter manifestieren wird. Dazu bräuchte man unter anderem mal einen guten Euro-Tour Support-Slot bei einem zugkräftigen Headliner, um ihm dann jeden Abend mächtig in die Eier treten zu können!

Setliste: «Intro» - «Destructive Ways» - «Rebellion Against The Obsessor» - «Viking» - «Parallel Universe» - «When Nobody» - «Wizards» - «CD-Taufe mit V.O. Pulver & Roxx» - «Breaking The Chains» - «Breakout» - «The Kursk» -- «Serpents» - «Devil At The Crossroads».