Gewünscht hatten sich
dies sehr viele Schweizer Fans und das schon jahrelang, aber wenn man
dazu, ohne jetzt konkret Namen zu nennen, das eine oder andere
Statement zu diesem Thema in der Vergangenheit recherchiert, dann kann
heuer tatsächlich von grassierender Altersmilde gesprochen werden. Was
also viele Leute nur zu träumen wagten, wurde jetzt tatsächlich wahr!
Die grossen drei Namen der Schweizer Hardrock-Szene, nämlich Gotthard,
Krokus und Shakra, zum ersten Mal gemeinsam auf der gleichen Bühne,
respektive dem gleichen Event! Um dem Ganzen den richtigen Anstrich zu
verpassen, bot sich zum einen das 25-jährige Album-Jubiläum von
Gotthard an, und Krokus (mit «Big Rocks», 2017) wie Shakra (mit «High
Noon», 2016) haben aktuelles Material am Start. Was liegt also näher,
dieses berühmte Rock-Dreigestirn der Schweizer Szene auf diese Weise zu
würdigen?! Mit gegen 8‘000 Fans in Bern (!) und tags darauf 5‘000 in
Dübendorf konnten beide Anlässe den Status «sold out» vermelden. Die
einzigen zwei Konzerte in diesem Rahmen und wohl für immer fanden somit
regen Anklang, und vor allem in Bern präsentierte sich die Ausgangslage
kultiger denn je.
Shakra
Den Anfang machten die Emmentaler Hardrocker von Shakra, und da man
ihnen, trotz halbem Heimspiel, leider nur eine halbe Stunde Spielzeit
zugestand, musste ein Killer-Set her! Dass dabei, respektive unter
dieser Umständen, das letztjährige neue Studioalbum «High Noon»
erwartungsgemäss im Vordergrund stand, war anzunehmen. So wählte der
Fünfer «Hello» als Opener, der bereits zum Mitsingen anregte. Dieser
Schwung übertrug sich dann gleich auch auf «Raise Your Hands», wo der
nächste Earcatcher auf fruchtbaren Boden stiess. Die Band agierte
frisch, und vor allem Bassist Dominik Pfister legte ein agiles Posing
hin, wie ich es so von ihm eigentlich noch nie gesehen hatte. Derweil
sorgten auch die beiden Gitarristen Thomas Muster und Thom Blunier für
die bewährten fetten Riffs wie flinke Soli. Last but not least liess Rhythm-Machine
Roger Tanner ebenso nichts anbrennen und lieferte satte Beats, wie man
das ja von ihm gewohnt ist. Die Stimmung in der zu dieser Zeit schon
sehr gut gefüllten Location entwickelte sich gut, aber kaum war die
Betriebstemperatur auf und vor der Bühne erreicht, waren die
unverschämt kurzen dreissig Minuten viel zu früh vorüber! Das war unter
dem Strich wirklich ärgerlich, denn für diesen wohl einmaligen Moment
in der Karriere von Shakra wären mindestens 45 Support-Minuten mehr als
nur verdient gewesen. Nichtsdestotrotz machten Shakra aber klar das
Beste draus, haderten nicht mit dem Schicksal, und so rockten Frontmann
Mark Fox und seine Jungs die Expohalle schon zu Beginn in Grund und
Boden. Bitte mehr davon!
Setliste: «Hello» - «Raise Your Hands» - «High Noon» - «Life Is Now» -
«Ashes to Ashes» - «Rising High».
Krokus
Ein Schelm wer Böses denkt, von wegen, dass Krokus vor Gotthard auf die
Bühne mussten, aber allfällige Wogen wurden schon im Vorfeld geglättet,
da beide Headliner etwa mit der gleichen Spielzeit ins Rennen geschickt
wurden. Zudem sickerte noch was von einem „Special“ durch, was darauf
hinzielte, dass Gotthard und Krokus wohl gemeinsam musizieren werden.
Bevor es dazu kam, wurde natürlich der offizielle Konzert-Part
bestritten. Die wesentliche Frage, die sich nicht nur mir stellte, war,
welche Songs denn nun definitiv auf der Setliste gelandet waren. Chris
von Rohr liess ja zuletzt beim Kurzinterview im Schweizer Fernsehen in
der Sendung „10 vor 10“ verlauten, dass maximal drei Covers gespielt
werden und der Rest sich aus zahlreich vorhandenen Krokus-Standards und
Klassikern zusammen setzt. So weit so gut, dies war also mal die Ansage
von „Dö Röhr“. Als das Licht in der mittlerweile vollen Halle mit rund
8‘000 Besuchern ausging und natürlich «Long Stick Goes Boom» das Set
standesgemäss eröffnete, sah die Welt noch gut aus. Da die mengenmässig
überaus zahlreich vorhandene Fotographen-Meute, inklusive meiner
Wenigkeit, überraschend die Erlaubnis erhielt, die ersten vier Songs
(sonst sind es ja normalerweise deren drei) fotographieren zu dürfen,
verbrachte man so mehr als eine Viertelstunde im Foto-Pit. In diesem
Zeitraum ist das persönliche Konzerterlebnis jeweilen etwas
eingeschränkt, da die dürftigen Lichtverhältnisse, bis auf die
Feuersäulen zu Beginn, zu unentwegt emsigem Treiben nach guten Fotos
führten. Was ich jedoch umgehend wahr nahm, war untrüglich der „erste“
Cover-Song, nämlich «Jumpin‘ Jack Flash» von den Rolling Stones. Dieser
Klassiker ist ja mitunter auch auf «Big Rocks», dem kürzlich
erschienenen Cover-Album, zu finden. Streng genommen war allerdings
bereits «American Woman» zuvor ein Cover, der aber bekanntermassen
nicht als solcher aufgefasst wird. Besser gefiel danach der Oldie
«Winning Man», und es war nicht zu übersehen und -hören, dass die Jungs
heiss auf diesen Gig waren. Vor allem das Gitarren-Trio von
Arb/Kohler/Meyer haute voll rein und erwies sich als überaus
spielfreudig, während Marc geschickte Gesangslinien wählte, die seine
Performance bis am Schluss aufrecht hielten. Derweil hatte auch das
Gespann von Rohr/Mezzodi sichtlich Spass an den Reaktionen der Fans.
Da nachher der Auszug der Knipser-Karavane mit Gang zum aussenstehenden
Kabäuschen und anschliessender Abgabe der Kameras zu erfolgen hatte,
ging «Hellraiser» in der Zeit für mich leider flöten, und so sah ich
mir den Rest ab «Fire» aus den hinteren Regionen der Halle an, da ich
auf 21.30 Uhr ja wieder draussen sein musste, um die…, na Ihr wisst
schon. Somit fiel mein Fazit zum Auftritt von Storace & Co., obwohl
die Stimmung sehr gut, wenn auch nicht ekstatisch war, auf den ersten
Moment eher durchwachsen aus. Was vor der Ära der Smartphones und dem
ganzen Internet-Gedöns nicht möglich war, lässt sich in der Neuzeit
schon kurze Zeit später nachprüfen, denn es wird ja mittlerweile fast
alles gefilmt und umgehend ins Netz gestellt. Nach der Konsultation
einiger Videos, die klanglich jedoch selten bis gar nie überzeugen,
musste ich mein Erst-Urteil umgehend revidieren und kam zum Schluss,
dass dies eine absolut vollgeile Hammer-Sause war, die allerdings
eindeutig unter den unsäglichen Cover-Songs litt. Vor allem was «Rock
And Roll (Rock)» von Gary Glitter, nota bene nicht mal auf «Big Rocks» vertreten, hier
zu suchen hat, wissen nur die Geier! Die Kinderschänder-Taten von Gary
sind das eine, aber warum man an so einem geschichtsträchtigen Anlass
nicht hingeht und dafür zum Beispiel «Bad Boys, Rag Dolls», «Natural
Blonde» oder eine schmissige Version von «Shot Of Love» stattdessen
rein nimmt, erschliesst sich mir nicht. Das Fehlen von «Bedside Radio»,
eigentlich ein No-Go, liess erahnen, dass da nach dem offiziellen Set
von Gotthard noch was folgen musste, und so kam es dann auch! Für den
im Sommer anstehenden Gig am BYH!!!-Festival in Balingen (D) müssen die
Jungs dann aber noch eine gehörige Schippe drauf legen, und da reicht
dann «Headhunter» alleine bei Weitem nicht aus. Bern rockte jedoch,
nicht zuletzt wegen ausverkauftem Haus, mehr als ordentlich. Auffällig
war hierbei das durchschnittlich eher gehobene Alter der
Konzertbesucher, wovon nicht wenige wohl staunten, welche Energie noch
in Krokus steckt. Was im August 2008 in unmittelbarer Nähe, das heisst
im „Stade de Suisse“, zelebriert wurde (erster Reunion-Gig im
Ur-Lineup), bleibt allerdings unerreicht. Und nun war ich gespannt, was
Gotthard dieser grundsätzlich kernigen Vorlage im Rahmen ihrer
«Silver»-Tour entgegen zu setzen vermochten.
Setliste: «Long Stick Goes Boom» - «American Woman» - «Jumpin' Jack
Flash» - «Winning Man» - «Hellraiser» - «Fire» - «Rock And Roll» -
«Tokyo Nights» - «Rockin' In The Free World» - «Heatstrokes» - «Easy
Rocker» - «Rock'n'Roll Tonight» - «Hoodoo Woman».
Gotthard
Mit rund zehn Minuten Verspätung auf die offizielle Marschtabelle ging
es kurz vor 22.00 Uhr los mit dem Intro zum Album-Opener des neuen
Longplayers mit dem passenden Titel «Silver». Das Motto der Scheibe,
das natürlich an das 25-jährige Jubiläum geknüpft war, wurde auch beim
kultigen Bühnenbild umgesetzt. Eingetaucht in massig blaues Licht und
Trockeneisnebel stand vorne vor dem Drum «SILVER» in grossen Buchstaben, während
auf einem Teil der Stage-Amps eine Art Aufsätze mit dem Effekt von
scheinbar „flüssigem Silber“ ein tolles Bild abgaben. «Silver River»
und «Electrified» sorgten darauf gleich von Anfang für volle Power, und
trotz der zuvor bei Krokus beschriebenen Situation der Wahrnehmung vor
Ort fand ich die Kompaktheit einfach nur grossartig. Mit Covers von
Deep Purple habe ich ja so meine liebe Mühe, wobei «Hush» ja eigentlich
kein eigener Song der Briten ist, sondern von Joe South stammt, um das
Thema rund um den neuen Krokus-Longplayer noch ein vorvorletztes Mal
anzusprechen. Deshalb erwähne ich jetzt bewusst den (schon immer)
schmissig vorgetragenen Purple Mitsing-Klassiker, der seine Wirkung
auch heute Abend nicht verfehlte. «Stay With Me» als letzter neuer Song
unterstrich darauf, wie stark das aktuelle Material ist. Mit dem
mittlerweile schon dritten Release der Ära Nic Maeder präsentierte sich
der Leadsänger vollends gefestigt und führte dem Berner Publikum seine
insgesamt zwar immer noch bescheidenen, aber stetig besser werdenden
Deutschkenntnisse vor. Gleiches galt für die Stimmung, die in der
vollen Halle prächtig gedeihte, bis der Schwung mit nicht weniger als
vier (!) Balladen hintereinander jäh abgebremst wurde. Hier hätten
wohl, wie tags darauf in Zürich, wo «Let It Be» ausgelassen wurde, drei
ausgereicht. Einigen Konzertgängern schien dieser Break zu viel des
Guten zu sein, da sich draussen doch ein paar Leute, also mitten im
Konzert, nicht etwa um ihr leibliches Wohl kümmerten, sondern sich
tatsächlich vom Acker machten! Drinnen merkte man davon natürlich
nichts, und weil ich mich nach «Heaven», wie die anderen Foto-Pit
KollegenInnen, für das anstehende „Encore“-Special wieder vor dem
„Kamera-Ausgabeort“ einfinden musste, verpasste ich zu meinem grossen
Ärger das persönliche musikalische Highlight des Abends, nämlich
«Firedance»! Das tat wirklich weh und nervte mich echt!
Das Problem dabei war, dass die zehn Minuten Verpätung vom Beginn weg
und noch weitere Minütchen hinten raus dafür sorgten, dass wir
eigentlich etwas zu früh wieder im Pit zurück waren und es deshalb noch
etwas dauerte, ehe das „Event-Goodie“ seinen Auftakt nahm. Dafür kam
man in den Genuss eines kurzen Drum-Solos von Dani Löble (Helloween),
der den immer noch krankheitsbedingt abwesenden Hena Habegger optimal
vertrat. Mehr noch, denn der etatmässige Drummer der Kürbisköpfe
entpuppte sich als wahre Rampensau und peitschte das Publikum
profimässig auf. Der fliessende Übergang zu «Lift U Up» hielt den guten
Stimmungspegel deshalb konstant oben, und mit so einem Smasher kann man
nur gewinnen. Nach etwa knapp 85 Minuten, also unwesentlich längerer
Spielzeit als Krokus, gingen Gotthard vorerst mal von der Bühne runter.
Die weiteren paar Leute, die sich ebenso vom Acker machten,
verpassten so quasi das Highlight des Abends, nämlich das
Schlussbouquet, bei dem Gotthard und Krokus zum allerersten Mal
gemeinsam auf der Bühne standen. Für den Beginn der Jam-Session zum
Beatles-Klassiker «Come Together» erschienen zunächst Marc Storace und
Mandy Meyer als erste Guests. Das kam schon mal nicht schlecht daher,
was in erster Linie am kultigen Original liegt und des Weiteren hatten
Gotthard diesen Song ja schon auf dem Album «Dial Hard» (1993)
überzeugend interpretiert. Und dann kam er, der bisher fehlende
(Krokus-) Song mit der passenden Textzeile: „The show is over, you got
to go home again…“ – «Bedside Radio»! Bis auf Dani Löble (für ihn
setzte sich wieder Flavio Mezzodi hinter das Arbeitsgerät) musizierten
hierzu also die grossen zwei Schweizer Rockbands in trauter Seligkeit
zusammen. Ein wahrlich spezieller Moment der Schweizer Musikgeschichte,
bei dem der unvergessene Steve Lee (R.I.P.) in den Herzen seiner Fans
tausendfach mit dabei war. Das Sahnehäubchen mit dem bekanntlich von
Bob Dylan geschriebenen, aber seit je her von der Manfred Mann’s Earth
Band unantastbar interpretierten Rausschmeisser «Quinn The Eskimo (The
Mighty Quinn)» folgte auf dem Fuss und mobilisierte die Massen ein
letztes Mal, und dies ziemlich lautstark! Ebenso edel geriet das
Schlussbild mit Feuerregen von oben und „Millionen“ von
Silber-Schnipseln wie dünnen langen Streifen aus zwei Rohrkanonen.
Fazit: Die Show als solche erfüllte die Erwartungen des
Durchschnitts-Konzertbesuchers ganz sicher, und Bern war im Gegensatz
zu Dübendorf, wo einerseits keinerlei Feuereffekte (!) geduldet und
andererseits die Headliner-Sets um je einen Song gekürzt wurden, klar
die bessere Wahl! Dafür durfte Mark Fox in der Samsung Hall noch
mitsingen. Auf jeden Fall konnte man dieses Package nicht besser
schnüren, aber vor allem die spielzeitmässig eingebremsten Shakra und
die unter dem Strich zu dürftige Setliste von Krokus hinterliessen bei
mir persönlich ein paar Stirnrunzeln. Gotthard (mit Krokus als „Special
Guest“) werden bald noch Lausanne zweimal rocken und beide Bands werden
zudem an einigen Festivals vertreten sein. In der Heimat gemeinsam bei
„Rock im Ring“ in Hinwil und am „Sweden Rock Festival“ in Sölvesborg
(Gotthard) sowie beim BYH!!!-Festival in Balingen (Krokus). Die Sause
zusammen mit Shakra dürfte hingegen einmalig bleiben. Wohl also allen,
die dabei waren!
Setliste: «Intro» - «Silver River» - «Electrified» - «Hush» - «Stay
With Me» - «Mountain Mama» - «Remember It's Me» - «Feel What I Feel» -
«Sister Moon» - «What You Get» - «One Life, One Soul» - «Let It Be» -
«Angel» - «Heaven» - «Firedance» - «Top Of The World» - «Drum Solo Dani
Löble» - «Lift U Up» - «Anytime Anywhere» -- «Come Together (with Marc
and Mandy from Krokus on Stage)» - «Bedside Radio (with Krokus on
Stage)» - «Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn) (with Krokus on Stage)».
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