Livereview: Gotthard - QL
8. Dezember 2005, Hallenstadion Zürich
By Rockslave
Selbstverständlich ist es zwar nicht, aber es war mindestens abzusehen, dass Gotthard einmal als Headliner im Hallenstadion aufspielen würden. Nach D.J.Bobo und Gölä war es auch langsam an der Zeit, dass nach Krokus 1982 wieder einer Schweizer Rockband diese Ehre zukommt. Mit dem neuen und wiederum erfolgreichen Album "Lipservice" (Nr. 2 der CH-Jahres Album-Charts!), das im Frühsommer erschienen ist, bewiesen die Tessiner Rocker, dass sie es wirklich noch drauf haben. Guckte man im Foyer aber aus erhöhtem Standort auf die Leute runter, war eindeutig auszumachen, wie stark sich Gotthard inzwischen dem Massenpublikum angenähert haben. Die Wirkung der gemässigteren Werke der letzten paar Jahre hatte sogar dazu geführt, dass nun einzelne Kuttenträger mit Aufnähern an diesem Anlass regelrecht zu Exoten verkamen, denn alles zwischen Grosi und Enkel war nach Zürich gepilgert. Alles? Nun..., in der Boulevard-Presse wurde offenbar wagemutig der "Sold out"-Slogan verbreitet, was aber bei genauerem Hinsehen ziemlich rasch als kapitale Zeitungsente entlarvt werden konnte. Dennoch fand sich eine soweit opulente Besucherschar (nach offiziellen Angaben zwischen 9000 und 9'500 Leute) im neuen Hallenstadion ein, um Gotthard live zu erleben. Als Anheizer fungierten in Zürich die Bieler Fun-Punker QL, was angesichts des geilen Supports in zum Beispiel Deutschland, nämlich die norwegischen Glam-Rocker Wig Wam, glatt einer Enttäuschung gleich kam. Anyway..., mögen wir es QL an dieser Stelle dennoch aufrichtig gönnen, da sie diesen Auftritt an diesem Ort wohl kaum (wenn überhaupt) wiederholen können werden. Gotthard nutzten ihr Konzert übrigens gleich dazu, um davon eine weitere DVD aufzunehmen, was man ihnen natürlich nicht verdenken konnte.

QL
Sie wussten um den besonderen Auftritt, stellten sich offenbar gut darauf ein und genossen ihn verständlicherweise aus vollen Zügen. Die Spass-Punker begannen allerdings früher als gedacht, sodass die Fotographen (zu denen auch meine Wenigkeit gehörte) neue Anweisungen bekamen, wie lange Bilder gemacht werden durften. Auf der Bühne ging es derweil frisch und fröhlich zu und her. Das Publikum reagierte zuerst noch etwas zögerlich, wachte dann aber zunehmend auf. Geboten wurde im Wesentlichen "Verpunkte Volksmusik", also Covers wie Pepe Lienhard's Hit "Swiss lady" oder Heimatliches der Sorte "De Köbu, de Chrigu u dr Sepp", "S'Vogulisi" oder "Ewigi Liebi". Dazu gab es noch ein unterhaltendes Tanzspiel mit dem Publikum zum "Burebüebli" ("mal ufe, mal abe, mal links, mal rechts, mal...) - Unter dem Strich alles nett und mit ordentlich Pepp serviert, aber der Bringer waren QL nicht wirklich. Vielen gefiel diese gepflegte Langeweile jedoch ganz gut und somit war dem überwiegenden Teil (inklusive der Band, die sich mehrmals für den Auftritt bedankte) Genüge getan. Nicht mehr und nicht weniger!

Gotthard
Einige, vor allem ältere Rockfans, werden sich vor dem Konzert wohl gefragt haben, was denn jetzt auf sie zukommen werde. Mir persönlich gefiel ja die letzte Tour ausgesprochen gut und darum war die Erwartung im Umfeld von "Lipservice" entsprechend gross. Bei der Pre-Release Show in Luzern (23.5.05) ging die Post ja bereits ordentlich wie vielversprechend ab und deshalb war die Ausgangslage auf dem Papier sicher gut. Zudem kamen Gotthard nach diversen Auftritten der Euro-Tour seit Oktober und den beiden kurz zuvor absolvierten Schweizer Konzerten in Bellinzona und Luzern entsprechend eingespielt und motiviert in Zürich an. Nach dem Intro mit einer bewegten Lippe (projiziert auf die grosse Leinwand in der Mitte über dem Schlagzeug) wurde als Opener "All we are", der erste Titel von "Lipservice" gewählt, der arschtight daher kam und voll in die Halle geblasen wurde. "Dream on" folgte auf dem Fuss und zeigte einen Steve Lee in Höchstform, da konnte man sich also noch auf was gefasst machen. Die fünf Musiker verloren sich optisch auf der grossen Bühne zwar ein wenig, da ausser den Verstärkern und dem Drum eigentlich nichts da stand, aber man merkte bald, dass die Musik ins Zentrum des Geschehens rückte. Dazu wurde gepost, dass sich die Balken bogen. "Hush", der alte Purple-Klassiker liess darauf das Publikum endgültig erwachen. "Mountain Mama" hielt die Stimmung oben, bis mit "Let it be" die erste Ballade des Abends für das entsprechende Meer an Feuerzeugen besorgt war. Auch "I wonder" als Halbballade war dazu bestens geeignet, wobei Steve Lee abermals aus dem Vollen schöpfte und eindrücklich bewies, was für ein Göttersänger er in der Tat ist. Nach "Said & done" mit massig AC/DC-Groove folgte die nächste Balladen-Doublette, die mit "One life, one soul" und "Nothing left it all" den zuvor gebeutelten Trommelfellen etwas Erholung verschaffte. Und es sollten ja noch weitere (sanftere Klänge) folgen... - Wie schon auf der letzten Tour, wurde während "Firedance" die Drum-Battle zwischen Steve Lee (spielte auf einem extra beim Mischpult hingestellten Drum) und Hena Habegger ausgetragen, die mich aber im Gegensatz zum letzten Mal nicht halb so gut dünkte, weil einfach der Überraschungseffekt fehlte. Das anwesende Publikum beklatschte die Einlage jedoch lautstark, womit das Ziel erreicht wurde. "Homerun" sorgte danach für weitere balladeske Momente, ehe "Mighty Quinn" die Stimmung ein weiteres Mal anzuheben vermochte. Dabei musste ich aber unweigerlich daran denken, dass an gleicher Stelle das Original von Manfred Mann's Earth Band halt schon noch eine ganze Ecke geiler klang, aber das ist Jahre her. "Heaven" beschloss nach einer ansprechenden Akustik- Version von "In the name" schliesslich (oder endlich!) den Reigen der Balladen und nach einem kurzen Piano-Solo stand die Halle beim Smasher "Lift u up" total Kopf! Der Schreiber dieser Zeilen, der diesen Song durch die tägliche Dauer-Rotation im Radio echt nicht mehr ertragen konnte, musste vorbehaltslos anerkennen, dass man hiermit einen genialen Live-Knaller in der Hinterhand hat, der klar am besten ankam, einfach klasse! Nachdem "Anytime anywhere" das Standard-Programm beendet und die Band sich ausgiebig von ihren Fans verabschiedet hatte, schien das Konzert gelaufen zu sein, zumal sich schon ein beträchtlicher Teil des Sitzplatz-Publikums in Richtung der Ausgänge bewegt hatte. Doch dann ging das Licht nochmals aus..., na sagen wir halb aus, denn aufgrund der DVD-Aufnahmen war es eigentlich während dem ganzen Konzert nie wirklich dunkel in der Halle..., und mit Led Zeppelin's Monument "Immigrant song" wurde glatt der härteste Track des Abends in einer fulminant vorgetragenen Version abgeliefert, der wohl nur als Bonus auf der DVD stehen wird, wenn überhaupt..., wetten?!! Dabei zeigte sich wieder einmal augenscheinlich, was einen zeitlosen Song ausmacht, den Steve, nicht unerwartet, absolut gänsehautmässig rüberbrachte. Fazit: Es war ohne Zweifel eine saugeile Rock-Show (vor allerdings klar nicht ausverkauftem Haus!), aber ich bekam am Schluss das Gefühl, vor allem wenn ich an die kultige Pre-Release Show in Luzern zurück denke, dass man hier in Zürich (wahrscheinlich wegen den DVD-Aufnahmen) ein wenig auf der Bremse gestanden hatte. Na mal schauen, wie die Aufnahmen aufbereitet werden.

Set-Liste: "All we are", "Dream on", "Hush", "Mountain Mama", "Let it be", "Top of the world", "I wonder", "Said & done", "Nothing left at all", "Sister moon", "The other side of me", "Firedance", "Homerun", "Mighty Quinn", "In the name" - (Acoustic), "Heaven", "Lift u up", "Anytime anywhere", "Immigrant song".