Selbstverständlich
ist es zwar nicht, aber es war mindestens abzusehen, dass Gotthard einmal als Headliner im
Hallenstadion aufspielen würden. Nach D.J.Bobo und Gölä war es auch langsam an der
Zeit, dass nach Krokus 1982 wieder einer Schweizer Rockband diese Ehre zukommt. Mit dem
neuen und wiederum erfolgreichen Album "Lipservice" (Nr. 2 der CH-Jahres
Album-Charts!), das im Frühsommer erschienen ist, bewiesen die Tessiner Rocker, dass sie
es wirklich noch drauf haben. Guckte man im Foyer aber aus erhöhtem Standort auf die
Leute runter, war eindeutig auszumachen, wie stark sich Gotthard inzwischen dem
Massenpublikum angenähert haben. Die Wirkung der gemässigteren Werke der letzten paar
Jahre hatte sogar dazu geführt, dass nun einzelne Kuttenträger mit Aufnähern an diesem
Anlass regelrecht zu Exoten verkamen, denn alles zwischen Grosi und Enkel war nach Zürich
gepilgert. Alles? Nun..., in der Boulevard-Presse wurde offenbar wagemutig der "Sold
out"-Slogan verbreitet, was aber bei genauerem Hinsehen ziemlich rasch als kapitale
Zeitungsente entlarvt werden konnte. Dennoch fand sich eine soweit opulente Besucherschar
(nach offiziellen Angaben zwischen 9000 und 9'500 Leute) im neuen Hallenstadion ein, um
Gotthard live zu erleben. Als Anheizer fungierten in Zürich die Bieler Fun-Punker QL, was
angesichts des geilen Supports in zum Beispiel Deutschland, nämlich die norwegischen
Glam-Rocker Wig Wam, glatt einer Enttäuschung gleich kam. Anyway..., mögen wir es QL an
dieser Stelle dennoch aufrichtig gönnen, da sie diesen Auftritt an diesem Ort wohl kaum
(wenn überhaupt) wiederholen können werden. Gotthard nutzten ihr Konzert übrigens
gleich dazu, um davon eine weitere DVD aufzunehmen, was man ihnen natürlich nicht
verdenken konnte.
QL
Sie wussten um den besonderen Auftritt, stellten sich offenbar gut darauf ein und genossen
ihn verständlicherweise aus vollen Zügen. Die Spass-Punker begannen allerdings früher
als gedacht, sodass die Fotographen (zu denen auch meine Wenigkeit gehörte) neue
Anweisungen bekamen, wie lange Bilder gemacht werden durften. Auf der Bühne ging es
derweil frisch und fröhlich zu und her. Das Publikum reagierte zuerst noch etwas
zögerlich, wachte dann aber zunehmend auf. Geboten wurde im Wesentlichen "Verpunkte
Volksmusik", also Covers wie Pepe Lienhard's Hit "Swiss lady" oder
Heimatliches der Sorte "De Köbu, de Chrigu u dr Sepp", "S'Vogulisi"
oder "Ewigi Liebi". Dazu gab es noch ein unterhaltendes Tanzspiel mit dem
Publikum zum "Burebüebli" ("mal ufe, mal abe, mal links, mal rechts,
mal...) - Unter dem Strich alles nett und mit ordentlich Pepp serviert, aber der Bringer
waren QL nicht wirklich. Vielen gefiel diese gepflegte Langeweile jedoch ganz gut und
somit war dem überwiegenden Teil (inklusive der Band, die sich mehrmals für den Auftritt
bedankte) Genüge getan. Nicht mehr und nicht weniger!
Gotthard
Einige, vor allem ältere Rockfans, werden sich vor dem Konzert wohl gefragt haben, was
denn jetzt auf sie zukommen werde. Mir persönlich gefiel ja die letzte Tour ausgesprochen
gut und darum war die Erwartung im Umfeld von "Lipservice" entsprechend gross.
Bei der Pre-Release Show in Luzern (23.5.05) ging die Post ja bereits ordentlich wie
vielversprechend ab und deshalb war die Ausgangslage auf dem Papier sicher gut. Zudem
kamen Gotthard nach diversen Auftritten der Euro-Tour seit Oktober und den beiden kurz
zuvor absolvierten Schweizer Konzerten in Bellinzona und Luzern entsprechend
eingespielt und motiviert in Zürich an. Nach dem Intro mit einer bewegten Lippe
(projiziert auf die grosse Leinwand in der Mitte über dem Schlagzeug) wurde als Opener
"All we are", der erste Titel von "Lipservice" gewählt, der
arschtight daher kam und voll in die Halle geblasen wurde. "Dream on" folgte auf
dem Fuss und zeigte einen Steve Lee in Höchstform, da konnte man sich also noch auf was
gefasst machen. Die fünf Musiker verloren sich optisch auf der grossen Bühne zwar ein
wenig, da ausser den Verstärkern und dem Drum eigentlich nichts da stand, aber man merkte
bald, dass die Musik ins Zentrum des Geschehens rückte. Dazu wurde gepost, dass sich die
Balken bogen. "Hush", der alte Purple-Klassiker liess darauf das Publikum endgültig
erwachen. "Mountain Mama" hielt die Stimmung oben, bis mit "Let it be"
die erste Ballade des Abends für das entsprechende Meer an Feuerzeugen besorgt war. Auch "I
wonder" als Halbballade war dazu bestens geeignet, wobei Steve Lee abermals aus dem
Vollen schöpfte und eindrücklich bewies, was für ein Göttersänger er in der Tat ist.
Nach "Said & done" mit massig AC/DC-Groove folgte die nächste
Balladen-Doublette, die mit "One life, one soul" und "Nothing left it
all" den zuvor gebeutelten Trommelfellen etwas Erholung verschaffte. Und es sollten
ja noch weitere (sanftere Klänge) folgen... - Wie schon auf der letzten Tour, wurde
während "Firedance" die Drum-Battle zwischen Steve Lee (spielte auf einem extra
beim Mischpult hingestellten Drum) und Hena Habegger ausgetragen, die mich aber im
Gegensatz zum letzten Mal nicht halb so gut dünkte, weil einfach der Überraschungseffekt
fehlte. Das anwesende Publikum beklatschte die Einlage jedoch lautstark, womit das Ziel
erreicht wurde. "Homerun" sorgte danach für weitere balladeske Momente, ehe
"Mighty Quinn" die Stimmung ein weiteres Mal anzuheben vermochte. Dabei musste
ich aber unweigerlich daran denken, dass an gleicher Stelle das
Original von Manfred Mann's Earth Band halt schon noch eine ganze Ecke geiler klang, aber
das ist Jahre her. "Heaven" beschloss nach einer ansprechenden Akustik- Version
von "In the name" schliesslich (oder endlich!) den Reigen der Balladen und nach
einem kurzen Piano-Solo stand die Halle beim Smasher "Lift u up" total Kopf! Der
Schreiber dieser Zeilen, der diesen Song durch die tägliche Dauer-Rotation im Radio echt
nicht mehr ertragen konnte, musste vorbehaltslos anerkennen, dass man hiermit einen
genialen Live-Knaller in der Hinterhand hat, der klar am besten ankam, einfach klasse!
Nachdem "Anytime anywhere" das Standard-Programm beendet und die Band sich
ausgiebig von ihren Fans verabschiedet hatte, schien das Konzert gelaufen zu sein, zumal
sich schon ein beträchtlicher Teil des Sitzplatz-Publikums in Richtung der Ausgänge
bewegt hatte. Doch dann ging das Licht nochmals aus..., na sagen wir halb aus, denn
aufgrund der DVD-Aufnahmen war es eigentlich während dem ganzen Konzert nie wirklich
dunkel in der Halle..., und mit Led Zeppelin's Monument "Immigrant song" wurde
glatt der härteste Track des Abends in einer fulminant vorgetragenen Version abgeliefert,
der wohl nur als Bonus auf der DVD stehen wird, wenn überhaupt..., wetten?!! Dabei zeigte
sich wieder einmal augenscheinlich, was einen zeitlosen Song ausmacht, den Steve, nicht
unerwartet, absolut gänsehautmässig rüberbrachte. Fazit: Es war ohne Zweifel eine
saugeile Rock-Show (vor allerdings klar nicht ausverkauftem Haus!), aber ich bekam am
Schluss das Gefühl, vor allem wenn ich an die kultige Pre-Release Show in Luzern zurück
denke, dass man hier in Zürich (wahrscheinlich wegen den DVD-Aufnahmen) ein wenig auf der
Bremse gestanden hatte. Na mal schauen, wie die Aufnahmen aufbereitet werden.
Set-Liste: "All we are", "Dream on", "Hush", "Mountain
Mama", "Let it be", "Top of the world", "I wonder",
"Said & done", "Nothing left at all", "Sister moon",
"The other side of me", "Firedance", "Homerun", "Mighty
Quinn", "In the name" - (Acoustic), "Heaven", "Lift u
up", "Anytime anywhere", "Immigrant song".
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