Wer früher, wie ich alternder Rock-Fan und Metalhead, nebst
auf Bands der Sorte Deep Purple, Rainbow, Whitesnake, Gillan,
Alcatrazz oder Black Sabbath mitunter eben auch voll auf die Michael
Schenker Group, kurz MSG, abgefahren ist, kommt um einen der
brillanten Sänger dieser Zeit nicht herum: Graham Bonnet! Da sich
zur Blütezeit leider nie die Gelegenheit ergab, diese prägnante
Gesangsstimme einmal live zu hören und den Mann zu sehen, dauerte es
tatsächlich bis 2016, um diese Durststrecke zu beenden. Da trat die
Graham Bonnet Band nämlich am „Sweden Rock Festival“ auf. Im Jahr
darauf zierte Graham die Sängerriege am BYH!!!-Festival in Balingen
(D) bei Michael Schenker Fest (neben Gary Barden und Robin McAuley),
und weil aller guten Dinge drei sind, war die GBB nun als Headliner
auch bei uns in der Schweiz zu Gast. Dass dies dann noch so zu sagen
vor meiner Haustüre stattfand, war natürlich der Burner. Überhaupt
mausert sich die „Musigburg“ in Aarburg langsam aber sicher zu einer
kultigen Konzert-Location in der Nähe, die dem vorherigen
„Moonwalker“-Club zusehends den Rang abläuft. Als Support traten
Guido Stoecker’s Bodyguerra auf.
Guido Stoecker’s Bodyguerra
Als ich das hinten an der Wand aufgehängte Banner sah, gab es von
meiner Seite her nur ein müdes Achselzucken, denn vom guten Guido und
seiner Truppe hatte ich bisher noch nie was gehört. Was auch erst in
der Nachlese vertieft werden kann, ist der auf dieser Tour
mitwirkende Frontmann Ian Parry (Elegy, Consortium Project), den ich
nicht erkannt hatte! Sachen gibt’s, aber so war es nun mal.
Gegenüber früheren Jahren hat sich das Line-Up offenbar geändert.
Nebst Ian, der mal einen Vorgänger namens Daniel Seebass hatte,
besteht die aktuelle Rhythm-Section aus Bassist Sascha Oeing und
Drummer Benjamin Koevener. Geboten wurde „Hardrock vom Feinsten“,
wie mal einer deutschen Wochenzeitung zu entnehmen war. Das stimmte
grundsätzlich und nebst den unbestrittenen technischen Fähigkeiten
vermittelte vor allem Mr. Perry die Performance eines Profis, der
schon lange auf der Bühne steht. Hätte ich das trotz der Bekanntgabe
des Namens bei der Bandvorstellung gecheckt, wer da wirklich vor mir
performte, wäre meine Kritik womöglich noch ein Quäntchen härter
ausgefallen. Die Darbietung von Guido und seinen Jungs war
insgesamt, sprich handwerklich, in Ordnung, konnte mich aber zu
keinem Zeitpunkt abholen. Ich persönlich fand den Auftritt
strunzlangweilig, da sich alles mehr oder weniger im gleichen Range
befand und es keine Ausreisser nach oben gab. Mir fehlten, wie oft,
prägnante Hooks und griffige Refrains. Das Fazit nach solchen Gigs
ist immer das Gleiche, nämlich dass nach dem Verstummen des letzten Tons
nichts hängen bleibt. Trotz allem war die Stimmung soweit in Ordnung
und die Ausstrahlung durchaus positiv. Für meine Wenigkeit nach bald
einmal vierzig Jahren, wo ich Konzerte besuche, klebte unter dem Strich
jedoch viel zu wenig Fleisch am Knochen!
Graham
Bonnet Band Nun wurde es aber interessant, denn es stand
der direkte Vergleich zu den noch relativ frischen Erinnerungen an
kürzlich miterlebte Auftritte an. Die Affiche, so einen Rock-Helden
der 80er nun hautnah in der Musigburg in Aarburg erleben zu können,
war vorneweg mal schon grandios. Ich erinnere mich noch sehr gut
daran, wie ich als Teenager nebst vielen anderen LPs, die besonders
um Weihnachten zahlreich unter dem Weihnachtsbaum lagen, irgendwann
mal auch die «Assault Attack» von MSG geschenkt erhielt. Das war
1982, und damals hätte ich mir doch niemals im Leben träumen lassen,
diesen Kult-Sänger, den ich speziell auch bei Rainbow schon
verehrte, eines Tages so nahe erleben zu dürfen. Tja folks, 36 Jahre
später fand dies nun tatsächlich statt, und bis es zum gemeinsamen
Foto und Unterschriften auf je einer LP der eben erwähnten beiden
Bands gereichte, lieferte Graham Bonnet, zusammen mit Kurt James
(g), Jimmy Waldo (Alcatrazz 1983 - 1987, keyb), Beth-Amy Heavenstone
(b/v) und Marc Benquechea (d) einen musikalischen Querschnitt durch seine
ganze Karriere hindurch. Dazu gehörten einige Songs aus der Zeit von
Alcatrazz, wo in den 80ern neben Jimmy ja auch ein gewisser Yngwie
J. Malmsteen auf Steve Vai folgte. Das waren noch Zeiten! Ebenso
nicht fehlen durfte der Klassiker «Stand In Line», als Mr. Bonnet
mit Flitzefinger Chris Impellitteri zusammenspannte. Obwohl die eine
oder andere private Audience-Aufnahme existiert, wo Grahams Stimme
nach seiner Rückkehr ins Musicbusiness leider ziemlich angeschlagen klang,
war der 70-jährige Brite heute Abend ziemlich gut drauf!
Zudem
wirkte er durch seine Schlankheit eh fit wie ein Turnschuh und
lieferte nach einer kurzen Anwärmphase für seine Stimmbänder quasi
einen Hit nach dem andern ab. Dies stand im krassen
Gegensatz
zur Support-Band, die auch nach drei Stunden des Rumturnens nichts
Zählbares auf der Haben-Seite gehabt hätte. Alcatrazz kannte ich
damals schon, aber deren Scheiben standen zu der Zeit nicht auf dem
Siegertreppchen meiner Gunst. Rainbow, MSG und Impellitteri sowie
in den 90ern Blackthorne verkörpern für mich das, was Graham Bonnet
besonders ausmacht. Meine Favoriten waren dann natürlich klar die
insgesamt (nur) drei gespielten MSG-Songs «Desert Song», «Samurai»
und «Assault Attack». Meine Fresse, was für Glücksgefühle, einfach
grossartig! Der Rainbow-Smasher «Since You Been Gone», im Original
von Russ Ballard, durfte letztlich ebenso keinesfalls fehlen und
Rainbow’s «Lost In Hollywood» spielt Master Blackmore trotz der
„Reunion“ von 2016 wohl nie mehr live. Unterstützt durch seine
professionelle Hintermannschaft versetzte die Graham Bonnet Band die
Musigburg in den Zustand einer Zeitmaschine, und man musste sich als
Altfan mehrmals in den Arsch kneifen, um sicher zu gehen, dass man
sich nicht in einem Traum befindet. Die gut 90-minütige wie
schweisstreibende Show (Graham war pitschnass!) ging am Ende gefühlt
viel zu schnell zu Ende, doch die ganze Band war kurz darauf
versammelt beim Merchstand und gab sich erfreulich fannah. In diesem
Sinne gerne wieder einmal in der Musigburg in Aarburg! Schön wars
Graham, wirklich toll!
Setliste: «Too Drunk Too Live (Cover
Alcatrazz)» - «All Night Long (Cover Rainbow)» - «Night Games
(Graham Bonnet)» - «California Air (Better Here Than There)» -
«Stand In Line (Cover Impellitteri)» - «S.O.S. (Graham Bonnet)» -
«Island In The Sun (Cover Alcatrazz)» - «Jet To Jet (Cover
Alcatrazz)» - «Desert Song (Cover MSG)» - «Into The Night» -
«Starcarr Lane (Cover Alcatrazz)» - «Samurai (Cover MSG)» -
«Goodnight And Goodbye (Cover Impellitteri)» - «Skyfire (Cover
Alcatrazz)» - «Since You Been Gone (Cover Russ Ballard)» - «Assault
Attack (Cover MSG)» - «Eyes Of The World (Cover Rainbow)» -
«Hiroshima Mon Amour (Cover Alcatrazz)» - «Lost In Hollywood (Cover
Rainbow)».
|
|