Livereview: Grave Digger - Mystic Prophecy - Victorius

27. Januar 2017, Pratteln – Z7
By Rockslave
Wer dachte, dass es im neuen Jahr vielleicht etwas ruhiger in Sachen Konzerte zu und her gehen würde, irrt gewaltig, denn was schon nur wieder im Januar über Schweizer Bühnen fegte, ist beachtlich. Stilistisch ebenso, wenn man hierzu zum Beispiel Threshold (Progressive Metal), Tyketto (Hardrock) oder HammerFall (True Metal) erwähnen will, die der Schweiz ihren Besuch schon abgestattet haben und die erstgenannte Band im Dezember nochmals aufkreuzen wird. In diesen Reigen der nennenswerten Aufzählungen gehörte auch das feine Metal-Package dieses Abends. Die deutsche Metal-Ikone Grave Digger brachte dabei vor genau zwei Wochen ihre neue Scheibe «Healed By Metal» an den Start und wird auf der aktuellen Tour begleitet von Mystic Prophecy, wo ja „unsere“ Joey Roxx seit einer Weile den Tieftöner bedient. Deren neuer, respektive neunter Dreher heisst «War Brigade» und sorgte für mehr als nur positives Feedback in der Szene. Dritte im Bunde sind die Youngsters Victorius aus Leipzig, und auf die war ich echt gespannt, denn die bisherigen zwei Auftritte, denen ich beiwohnte, hatten klar Luft nach oben. Die Antwort aus dem Studio trägt derweil den Titel «Heart Of The Phoenix».

Victorius

Wie der Einleitung zu entnehmen ist, haben somit alle Bands dieses Tour-Packages kürzlich neues Material veröffentlicht und waren somit natürlich sehr erpicht darauf, ihren Fans einiges davon live vorzustellen. Dass der Sound und Stil von Victorius, den zum Beispiel Edguy, wenn man von einer „jüngeren Band“ sprechen will, vor über zwei Dekaden sehr erfolgreich losgetreten haben, mitunter wieder voll angesagt ist, zeigt auch die Rückkehr der Altmeister HammerFall, die unlängst erneut für eine volle Hütte im Z7 sorgten. Die ostdeutsche Truppe um David Bassin (v), Dirk Scharsich (g), Steven Lawrenz (g), Andreas Dockhorn (b) und Rustam Guseinov (d) wurde jedoch erst 2004 gegründet und hat neben vier full lenght Alben schon einige „past members“ aufzuweisen. Vor allem der Posten hinter den Kesseln verschliss bisher nicht weniger als vier Drummer! Mit dem aktuellen Line-Up scheinen sich aber nun die richtigen fünf Musiker gefunden zu haben. Zum einen wird das durch das bärenstarke neue Album «Heart Of The Phoenix» unterstrichen, und zum anderen wirken die Jungs auf der Bühne deutlich gereift. Das sah und hörte man auch heute Abend. Meine bisherige Skepsis verflog, je länger die Band vor ihrem fetten Backdrop abrockte. Frontmann David überzeugte dabei mit tollem Gesang und Entertainer-Qualitäten. Des Weiteren stach mir vor allem das kongeniale Axt-Duo mit Dirk und Steven ins Auge und Ohr. Dabei wurden natürlich Erinnerungen an Dirk Sauer und Jens Ludwig von Edguy geweckt. Trotz der agilen Performance war das für einen Freitagabend eher spärlich aufmarschierte Publikum einmal mehr ziemlich träge, und so konnte im Rahmen der ersten halben Stunde leider keine überbordende Stimmung erzeugt werden. Nichtsdestotrotz hinterliessen Victorius einen gefestigten Eindruck, und obwohl ich mir nicht endlos True und Power Metal aus dieser Ecke um die Lauscher haue, gehören meine persönlichen Vorbehalte ab sofort der Vergangenheit an.

Setliste: «Hero» - «Under Burning Skies» - «Empire Of The Dragonking» - «Blood Alliance» - «End Of The Rainbow» - «Lake Of Hope» - «Metalheart».

Mystic Prophecy
Musik, respektive der jeweils persönliche “taste of music” ist bekanntlich vielfältig, und wenn da die jeweiligen Die-Hard Fans ihren Lieblingen huldigen, heisst das noch lange nicht, dass dies mitunter auch auf meine Wenigkeit zutreffen muss. Obwohl in den ersten fünf Jahren der Bandgeschichte ab 2000 ein gewisser Gus G. (Firewind, Ozzy Osbourne) in die Saiten griff, findet sich in meiner privaten Tonträgersammlung bis heute kein einziges der mittlerweile neun full lenght Alben von Mystic Prophecy! Woran das liegen mag?! Ein rückblickender Streifzug durch die Spotify-Welt offenbart vor allem zwei Dinge. Einerseits sind die Songs überwiegend temporeich wie somit geprägt von fast durchgehendem Doublebass-Drumming und andererseits ist Roberto Dimitri Liapakis zwar kein schlechter Sänger, aber es gibt Bessere, respektive da wäre er dann wieder, der eingangs erwähnte „personal taste of music“. Fakt ist aber auch, dass die Band nach dem Abgang von Gus nicht mehr zulegen konnte und sich somit keine grösseren Erfolge erzielen liessen. Lassen wir nun aber die Vergangenheit abrupt ruhen und wenden wir uns der Gegenwart zu. Wenn ich mir den Opener «Follow The Blind» vom aktuellen Album «War Brigade» anhöre, dann ist vorerst kein Unterschied zu früher auszumachen. Der groovige Opener «Savage Souls» vom gleichnamigen Album aus dem Jahre 2006 nahm mich jedoch in Sekundenschnelle in Beschlag! Vor allem das aktive Gitarren-Duo mit Markus Pohl (Ex-Symphorce) und Laki Ragazas lieferte amtlich ab und Bassistin Joey Roxx brachte sich ebenso agil ein. Den gleichen „Aha“-Effekt erzeugte anschliessend «The Cruzifix» als erster neuer Song, der durch das gedrosselte Tempo umgehend mehr Heaviness erzeugte. Spätestens beim ebenso geilen Midtempo-Abschädler «Killhammer» (Titelsong der 2013er Langrille) musste ich mich ernsthaft fragen, wieso ich diese Truppe bisher konsequent ignoriert habe. «Evil Empires» als typischer Speedster vermochte jedoch durch Tempiwechsel und grandioser Gitarrenarbeit genauso zu fesseln wie der halbballadeske Anstrich von «To Hell And Back» meine Miene laufend weiter erhellte. Je länger das Konzert dauerte, desto mehr entfernte sich das frühere zu dröge Geballer aus meinem Gedächtnis und machte Platz für mehr Abwechslung wie Power! Warum man dann ganz zum Schluss allerdings den Black Sabbath Classic «Paranoid» einem eigenen Song vorzog, erschloss sich mir nicht. Unter dem Strich blieb aber bezüglich Mystic Prophecy Anno 2017 ein überaus positives Fazit übrig und «War Brigade» wird ziemlich sicher seinen nun verdienten Platz in meinem Regal erhalten.

Setliste: «Savage Souls» - «The Cruzifix» - «Killhammer» - «Evil Empires» - «To Hell And Back» - «Metal Brigade» - «Burning Out» - «Ravenlord» - «War Panzer» - «Paranoid».

Grave Digger
Zum ganz grossen Erfolg gereichte es Chris Boltendahl und seinen Jungs in heimischen Gefilden bisher nicht, aber was die deutschen Kult-Metaller bisher in der Summe und letztlich Konstanz seit 1980 abgeliefert haben, braucht sich hinter niemandem zu verstecken. Mit dem namentlichen „Wiederbeginn“ als Grave Digger ab 1991 wurden einige Genre-Alben für die Ewigkeit geschaffen, die sich einen Furz um den ganzen Grunge-Müll der 90er scherten. Ich als Spätberufener (better late than never, gell Martin Fust!) kam dann in den 2000ern definitiv auch auf den Geschmack, und allerspätestens seit «The Grave Digger» (2001) und «The Last Supper» (2005) sind sie nicht mehr aus dem metallischen Alltag weg zu denken. Wer sich zudem den Live-Hammer «25 To Live» aus dem gleichen Jahr (zum damaligen 25. Bandjubiläum) schon mal zu Gemüte geführt hat und sieht, wie die brasilianischen Fans in Sao Paulo total abdrehen, wird sich womöglich fragen, warum sich heute Abend nur gerade etwa 500 Nasen im Z7 „verlieren“. Doch auch so liess sich Heavy Metal in Reinkultur vorzüglich zelebrieren, und genau das taten Grave Digger dann auch. Die Tour zum neuen Album «Healed By Metal» hätte nicht besser benamst werden können…, „Geheilt durch Metal“…, wie geil ist das denn?! Ein (wie immer) gut gelaunter Chris Boltendahl, flankiert von seinen Bandmates Axel Ritt (g), Jens Becker (b), Stefan Arnold (d) und Marcus Kniep (keyb), performte Songs aus insgesamt zehn (!) Alben, wobei mit fünf Songs natürlich die neue Pladde im Vordergrund stand.

Beeindruckend war dabei der Umstand, dass zwischen dem Song «Witch Hunter» und dem voran gespielten «Lawbreaker» satte 32 Jahre (!!) dazwischen liegen. Eigentlich spielte es aber keine Rolle, aus welcher Zeit das Material stammte, da alles einen roten Faden besitzt und wunderbar ineinander überging. Auch wenn sich der gutmütige Frontmann anstrengen musste, entstand doch eine soweit gute Stimmung, die jedoch meilenweit hinter der erwähnten „Night in Sao Paolo“ abfiel. Nichtsdestotrotz lieferten Grave Digger einen beherzten Gig ab, der wiederum durch Axels Riffs und Licks glänzte. Der Reaper in Person von Meister Kniep kriegte nebst seinen gelegentlichen Einsätzen auch die Gelegenheit, sich solistisch zu betätigen. Ebenso nichts anbrennen liess die solide wie tighte Rhythmus-Maschine der Marke Becker und Arnold. Bei «Free Forever» konnte ich mich beim Eingangs-Riff und dem Refrain nicht zurück halten und musste aufgrund der Ähnlichkeit zu Saxon ein paar Mal laut «Solid Ball Of Rock» in die Halle brüllen. Weniger zum Brüllen war diesmal allerdings das Bühnenbild. Die hingestellten Statuen hätten besser zu „Star Wars“ gepasst, da sie mehr nach Yoda als Skull aussahen. Da sahen die aufgestellten Särge der letzten Tour viel geiler aus, seis drum. Nach der ersten Zugabe mit «Highland Farewell» bewies der obligate Schlusssong «Heavy Metal Breakdown», dass dieser vermeintlich ausgelutschte Bandklassiker wahres Hitpotenzial aufweist, und all die Schnarchnasen, die heute Abend fehlten, haben den optimalen Einstieg ins Wochenende fahrlässig in den Wind geschossen.

Setliste: «Healed By Metal» - «Lawbreaker» - «Witch Hunter» - «Killing Time» - «Ballad Of A Hangman» - «Season Of The Witch» - «Lionheart» - «Free Forever» - «Tattooed Rider» - «The Dark Of The Sun» - «Hallelujah» - «Morgane Le Fey» - «Excalibur» - «Rebellion (The Clans Are Marching) » -- «The Last Supper» - «Call For War » --- «Highland Farewell» - «Heavy Metal Breakdown».