Great White gastierten wieder mal im Z7. Mit ziemlich gemischten
Gefühlen wanderte ich nach Pratteln. Nicht weil Neusänger Terry
Ilous eine schlechte Wahl ist, nein, denn mit seiner Stammcombo XYZ hat er
meine Jugendjahre versüsst, sondern weil ich mir Great White ohne
Jack Russell nicht vorstellen konnte.
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Pleasure Addiction
Bevor ich mir jedoch den weissen Hai genauer ansah, betraten die
schrillen Pleasure Addiction die Bühne. Ein Quartett, das sein Leben
dem Poser-Rock verschrieben hat. Die Jungs machten ihre Sache sehr
gut, versuchten das Publikum zum Mitklatschen und Mitsingen zu
animieren und trafen mit ihrem Sound in das Herz der Anwesenden.
Auch wenn der Sänger ab und an den falschen Song ansagte und der
Gitarrist das Solo bei der XYZ-Coverversion «Face Down In The Gutter»
total versemmelte, die Jungs machten Spass. So nahm man dem
Guitarplayer auch seine «spezielle» Art auf die Saiten einzudreschen
nicht krumm… Ein Hingucker war auch der Trommler, der sich mit einer
Krawatte auf die Bühne traute, aber eben, im Poser-Rock ist nun mal
alles erlaubt. Gute Vorstellungen einer mit Spass in den Backen
agierenden Truppe.
Shotgun Express
Das Bild änderte sich mit den Stuttgarter von Shotgun Express. Auch
wenn der Zuspruch der Fans bedeutend grösser war, konnte
einem die Bühnen-Präsentation von Sänger Diamond Flow zu viel werden. Seine
Verneigung vor Axl W. Rose in Ehren, aber muss dabei gleich die
komplette Show kopiert sein? Der rotzige Sleaze-Rock mit einer
netten Blues-Schlagseite dieser Vortruppe passte dennoch bestens zum
Headliner. Wenn Diamond Flow seinen Bassisten auf die Schulter nahm,
ihn spazieren trug, und Gitarrist Johnny Cobra, der mit seinem
Posing auf sich aufmerksam machte, zu seinem Solo ansetzte, gab es
zumindest in den vordersten Reihen kein Halten mehr. Für mich wirkte
das Ganze mit der Zeit zu monoton. Auch wenn Shotgun Express sicher
bei Guns n' Roses-Freunden offene Türen einrissen, gefiel mir
persönlich der Sound von Pleasure Addiction besser.
Great White
Nachdem Great White dieses Jahr schon mal in der Schweiz gastierten,
war ich gespannt, wie sich die Jungs um Gitarrist Mark Kendall im Z7
präsentieren würden. Im Vergleich zu früher spielten die Musiker
mehr kleine, aber feine Einspielungen vor einigen Songs und leiteten
so von einem Track zum anderen über. Dabei war für mich
Keyboarder/Gitarrist/Mundharmonika-Spieler Michael Lardie erneut die
zentrale Person. Wie in den frühen Jahren, stand der kleine Mann auf
der Bühne mit einem breiten und ansteckenden
Lächeln und schien der
musikalische Direktor der Band zu sein. Gitarrist und Solist Mark
Kendall trat mehr als auch schon in den Vordergrund und brillierte
mit seinem feinen und filigranen Spiel. Über das Trommeltier Audie
Desbrow, der einmal mehr mit einem unglaublichen Punch seine
Vorderleute antrieb, braucht man keine Worte zu verlieren und
Neubassist Scott Snyder fügte sich bestens ins Bandgefüge ein,
spielte songdienlich und sicher.
Tja, was aber bot Terry Ilous, beziehungs-weise seine eher höhere Stimmlage
im Vergleich zum bluesigen Organ von Jack Russell? Bei den ersten Songs
musste ich mich noch an die neue Stimme gewöhnen, aber was Mister
Ilous bei «Save Your Love» bot, war Gänsehaut pur. Mit welcher
Hingabe und mit welchem Gefühl der Shouter diese Ballade sang, war
einzigartig. Und zumindest ab diesem Zeitpunkt war für mich das Eis
gebrochen. Seine natürliche, schelmenhafte und packende Art das
Publikum mitzureissen, bleibt eh einzigartig und mit seinen grellen
Pfiffen, die an Saxons Biff erinnerten, weckte der Gestiker mit
«Desert Moon» das Z7. «Down On Your Knees» widmete der wie ein
spanisch/italienischer Sänger Aussehende allen anwesenden Frauen.
Dies, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Als Terry dann noch mit einem
Schweizer Fussballshirt die Bühne betrat, übrigens mit der Rückennummer 69
(!!!), gab es eh kein Halten mehr in der Halle.
Mister Ilous wusste, wie man das Publikum begeistern konnte. Mit «You
told me, you love the blues» oder «You're a great crowd, you know
that?» fesselte er die helvetischen Fans und servierte ihnen, was
sie wollten. Die Dankbarkeit schien kein Lippenbekenntnis zu sein,
sondern von Herzen kommend. So filmte der Beau bei «Mista Bone» mit
einem Handy eines Fans die Anwesenden im Z7 und versicherte ihnen,
dass dies schon bald auf YouTube zu sehen sein würde. «Hey, this is
a rock'n roll show!» Auch wenn die Setliste «nur» 13 Songs
beinhaltete, spielte das Quintett knapp 100 Minuten. Die Zeit
verging wie im Fluge und als nach dem letzten Song («Rock Me») des
offiziellen Sets die Band kurz die Bühne verliess, sah man nur in
glückliche und grinsende Gesichter.
«This is time for one more song» verkündete Terry. «Come on, your
part is; Oh REALLY? – Let's try it again! This is time for one more
song! – Oh really (Fans) – No!!! For two!» Mit «Can't Shake It» und
«Once Bitten Twice Shy» wurde die Show beendet und 15 Minuten danach
stand die komplette Band am Merchandise-Stand und signierte alles,
was ihnen unter die Nase gehalten wurde, um dann noch ein
abschliessendes Foto zu machen. Bei dieser Aktion wurde auch klar,
wer die treibende Kraft in dieser Band für solche Aktionen ist:
Mister Terry Ilous.
Es war ein äusserst unterhaltsamer Abend, bei dem Great White noch
stundenlang hätten spielen können. So darf man hoffen, dass die Amis
bald wieder in der Schweiz gastieren. Tragisch nur, das fast am
gleichen Abend Sänger Jack Russell ins Krankenhaus eingeliefert
werden musste, und die während der laufenden Amerika-Tour mit seinen Jack
Russell's Great White. Der Sänger musste mit einer Darminfektion
hospitalisiert werden.…
Setliste: «Desert Moon» - «Lady Red Light» - «Down On Your
Knees» - «(I've Got) Something For You» - «House Of Broken Love» -
«Save Your Love» - «Low Down» - «Blues» - «Mista Bone» - «Big Goodbye» -
«Rock Me» -- «Can't Shake It» - «Once Bitten Twice Shy».
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