Livereview: Greenfield Festival 2016

08. - 11 Juni 2016, Flugplatz - Interlaken BE
Text by Oliver H. / Patricia L. / Pics by Yvan Jost

Auch die diesjährige Ausgabe des Greenfieldfestivals stand ganz im Zeichen des germanischen Wettergottes Thor. Bereits am Mittwoch verschwand das Gelände ein erstes Mal im Wasser und ich nutzte meinen Aufenthalt nur dazu, mir einen ersten Eindruck vom Gelände zu verschaffen, da musikalisch noch nichts wirklich meinen Nerv traf. Nebst vier Tagen lautester Gitarrenmusik, war auch die dritte Bühne eine markante Änderung des Greenfieldfestivals 2016. Trotz lauter Kritik im Vorfeld, was meist das Line-Up betraf, konnten die Organisatoren mit 100‘000 Besuchern bereits am Samstag einen neuen Publikumsrekord bekannt geben. Trotz immer wieder heftigem Regen, der das Gelände in eine braune Schlammlandschaft verwandelte, feierten Rock- und Metalfans ihre Helden in bester Laune ab.

Bullet For My Valentine
Laut, hart und dreckig ging es zu und her, als die Herren von Bullet For My Valentine die Bühne betraten. Mit ihrem Doublebass-getränkten energischen Metal trafen die Waliser klar den Geschmack des Publikums. Bereits zu Beginn des Konzerts konnten Massen an Fans ausgemacht werden, die bis in die hintersten Reihen zum Sound mittanzten. Mit ihrem letzten Album „Venom“, das im August 2015 veröffentlicht wurde, setzten sie einen weiteren Meilenstein in ihrer bisher erfolgreichen Karriere. Das Album erreichte Platz 1 in den CH-Album Charts, was den vielen Fans auch anzumerken war. Matthew Tuck, Sänger und Gitarrist der Band war der Spass auch sichtlich anzumerken, denn die Spielfreude des Vierers war enorm. B.F.M.V. machten definitiv ganz schön viel Krach! Ihre Musik liess die Massen vor der Bühne wild zappeln und die Mähnen schwingen.

Dropkick Murphys
Die Bostoner Folk-Punker von Dropkick Murphys gaben sich erneut die Ehre, das Publikum von der Hauptbühne aus zu bespassen. Zu Beginn wollte dies allerdings noch nicht so recht gelingen. Die Leute sind zwar in Scharen vor der Bühne eingetroffen aber der gewisse Funke wollte einfach nicht so richtig überspringen. Mit der Zeit gelang es der Truppe aber schliesslich doch, die Meute mit ihren Hits zum Tanzen zu bringen. Songs wie „Johnny, I Hardly Knew Ya“ oder „Rose Tattoo“ erzeugten auch in den hintersten Reihen einen gewissen Bewegungsdrang. Sänger Al Barr suchte stets den Kontakt zum Publikum und liess es sich nicht nehmen, einige der Songs mit einer Anekdote zum aktuellen Weltgeschehen im Vorfeld anzukündigen. Als der letzte Klang des Dudelsacks verstummte, waren die meisten Augen nur noch auf die Dänen von Volbeat gerichtet, die als Headliner des Abends gesetzt waren.


Volbeat
Die Crew um Michael Poulsen betrat pünktlich um 23:30 Uhr die Hauptbühne, die sogenannte Jungfrau Stage. Motörheads „Born To Raise Hell“ krachte als Intro aus den Boxentürmen und ein riesiges Banner, das Totenschädel im Elvislook zeigt, dekorierte die ganze Bühne. Der Vorhang fiel schliesslich und gab die beeindruckende Bühne frei, die bereit war für die Fans Feuer zu speien. Mit „Devil’s Bleeding Crown“ fiel der Startschuss für ein Rock’n’Roll-Metal-Hard Rock-Konzertabend der Extraklasse. Volbeat waren in sichtlich guter Spiellaune und plauderten gerne mit dem Publikum. Allerdings war der Auftritt des Quartetts für meinen Geschmack etwas harzig, ja schon fast etwas langweilig. Die Bühnenshow mit viel Licht, Feuer und Videoeffekten konnte sich zwar sehen lassen, die Musik und auf die kommt es ja in Wirklichkeit an, blieb irgendwo dazwischen hängen. Die Probanden wirkten allesamt müde und besonders Poulsen schien schon merklich bessere Tage gehabt zu haben. Auffällig war aber dennoch, wie gerade viele jüngere Fans, auch schon bei den neuen Songs extrem textsicher waren, obwohl das Album „Seal The Deal & Let’s Boogie“ am Tag des Auftritts gerade mal fünf Tage alt war. Hardcore Fans eben! Zum Ende hin war ich mir dann auch nicht mehr ganz sicher, ob ich nun Volbeat oder The BossHoss gehört habe aber dem breiten Publikum war dies ganz egal und sie tanzten und sangen frenetisch mit bis zum Schluss.

Setliste: «Born To Raise Hell (Motörhead)» «The Devil’s Bleeding Crown» «Heaven Nor Hell / A Warrior's Call / I Only Want To Be With You» «Sad Man’s Tongue» «Lola Montez» «Hallelujah Goat» «The Lonesome Rider» «For Evigt» «The Gates Of Babylon» «Dead But Rising» «16 Dollars» «Goodbye Forever» «Fallen» «Doc Holliday» «Still Counting» «Black Rose» «Seal The Deal» «The Mirror And The Ripper»




Amon Amarth
Der dritte Tag stand ganz im Zeichen der Wikinger von Amon Amarth. Die Nordmänner um Sänger und Mastermind Johan Hegg legten zur Primetime so richtig heftig los. Fette Riffs und dröhnende Drums fegten über das matschige Gelände. Amon Amarth, die übrigens zum ersten Mal am Greenfield Festival auftraten, brachte die Verzögerung im Vorfeld (durch die Fun-Punker von NOFX verursacht) in arge Zeitnot - schnell musste noch ein kurzer Linecheck gemacht werden, während dem das Publikum gespannt und ungeduldig wartete. Auch wenn die wechselnden Backdrops als einziges Showelement etwas enttäuschend waren, machten dies die Schweden mit ihrem beherzten Auftritt locker wett. Bereits beim zweiten Song setzte sich eine grosse Schar von Fans in den inzwischen etwas eingetrockneten Schlamm und begann wie verrückt zu rudern. Mit seiner sehr sympathischen und authentischen Art hatte Johan Hegg seine Wikinger-Jünger ausnahmslos in der Hand. Die wilden Mosh- und Circlepits forderten alsdann auch ein erstes Opfer, welches von der Sanität aus der Menge getragen werden musste.

Billy Talent
Lange nichts mehr gehört von den Kanadiern um Benjamin Kowalewicz. Ihre mitreissenden Melodien und der derbe Gesang des letzten Albums, liegen nun doch schon eine ganze Weile zurück. Ziemlich erstaunt darüber, die Herren im diesjährigen Line-Up anzutreffen, musste ich deshalb ein Ohr riskieren. Die Pause scheint den Herren von Billy Talent sichtlich gut getan zu haben. Energiegeladen feuerten sie eine Hit-Bombe nach der anderen ab. „Devil In A Midnight Mass“ und „This Suffering“ zwei Songs, welche man eigentlich als Zugabe erwartet hätte, brachte die Stimmung bereits am Anfang zum Überkochen. Gerade die alten Songs vermochten ausnahmslos zu begeistern. Ältere sowie jüngere Anhänger der Rock-Kombo hüpften und tanzten auf dem Flugplatzgelände sich die Seele aus dem Leib.

Zahllose Crowdsurfer brachten die Security vom ersten bis zum letzten Ton ziemlich ins Schwitzen. Ein weinender weiblicher Fan, der von den Fanmassen fast erdrückt wurde, weigerte sich vehement, von den Securities in den Fotograben gezogen zu werden. „Devil On My Shoulder“ widmete die Band Lemmy und 25.000 Menschen sangen den Chorus mit - Gänsehaut pur. Dasselbe Spiel wiederholte sich nochmals beim Überhit „Fallen Leaves“. Anderthalb Stunden rockten die Fans mit Billy Talent und der meterhoch aufgewirbelte Staub lag noch immer in der Luft, als die Bühne schon längstens verlassen und der letzte Ton verstummt war.

Setliste: «Devil In A Midnight Mass» «This Suffering» «This Is How It Goes» «Louder Than The DJ» «Rusted From The Rain» « Saint Veronika» «Kingdom Of Zod» «Prisoners Of Today» «Surrender» «River Below» «Surprise Surprise» «Afraid Of Heights» «Runnin‘ Across The Tracks» «Devil On My Shoulder» «Red Flag» «Try Honesty» «Fallen Leaves» «Viking Death March»

Saltatio Mortis
Die Mittelalter Helden von Saltatio Mortis hatten leider ein eher kurzes Zeitfenster für ihren Auftritt. Die Band feiert zurzeit mit ihrem Album „Zirkus Zeitgeist“ weitreichende Erfolge. Feuer, Dudelsäcke und Schalmeien beherrschten die kleinere Bühne am Ende des Festivalgeländes, die aber von vielen Besuchern belagert wurde. Deutsche Texte, die lauthals mitgesungen wurden reihten sich ein in die Dämmerung, die langsam aber sicher die Nacht ankündete. Je dunkler es wurde, um so imposanter waren die Feuersäulen, die zur Musik aus der Bühne in den Nachthimmel schossen. Highlights waren mit Sicherheit die kurze Trockenperiode während des Konzerts und Saltatio Mortis Klassiker wie „Früher war alles besser“ oder „Eulenspiegel“.



Nightwish
Der Staub von Billy Talent lag nun wieder ordentlich auf dem Boden und abgesehen von ein paar Fans war der Platz vor der Bühne doch ziemlich leer geworden. Nightwish waren für viele sicher nicht der Headliner, den sie sich zum Abschluss des Tages gewünscht hatten oder sie hatten nach dem schweisstreibenden Gig im Vorfeld einfach eine Stärkung nötig. Als die Stimme von Richard Dawkins ertönte und die Band mit „Shudder Before The Beautiful“ in ihr Set startete, hatten sich die Ränge auf alle Fälle wieder recht gut gefüllt und sogar im hinteren Teil des Geländes sahen sich die allmählich müden Festivalbesucher die Show einfach im Sitzen an. Dank der bombastischen Bühnenshow mit Feuerwerk, Dampf- und Feuersäulen, digitalem Banner und ausgeklügeltem Lichtkonzept kam so manch müder Geist wieder zum Erwachen. Zugegeben auch meiner. Ich wollte bei Nightwish nur mal kurz reinhören aber es fesselte mich und ich blieb bis zum Schluss. Überraschenderweise war die Band für mich DER Headliner des Greenfield Festivals 2016 obwohl die Setliste für Frontfrau Floor Jansen nicht ganz ideal zusammengestellt worden war. Bei „Storytimes“ und „I Want My Tears Back“ aus der Anette Olzon-Zeit und dem Hit „Nemo“ rutschten ihr die Töne einige Male ab und sie musste sich zwischendurch räuspern. Hingegen glänzte sie mit dem zu ihrem persönlich erkorenen Favoriten „Ghost Love Score“. Auch die gekürzte Version von „The Greatest Show On Earth“ sorgte für Gänsehautmomente, bis mit einem grossen Knall alles in sich zusammenfiel. Wow! Was für ein Musikmoment!

Setliste: «Shudder Before The Beautiful» «Yours Is A Empty Hope» «Storytimes» «My Walden» «Élan» «Weak Fantasy» «Sahara» «I Want My Tears Back» «Nemo» «Ghost Love Score» «Last Ride Of The Day» «The Greatest Show On Earth»



Trivium
Die Crew aus dem „Sunshine State“ Florida hatte an der diesjährigen Ausgabe ein wenig die Arschkarte gezogen. Ihr Gig wurde um satte zwei Stunden vorverschoben und diese sehr kurzfristige Planänderung schien auch vielen Fans entgangen zu sein. So standen zum Auftakt kaum mehr Personen als noch zu vor bei Breakdown Of Sanity auf dem Platz. Dem Quartett um Matt Heafy war dies allerdings nicht anzumerken. Passend zur Umwelt, hüllte sich auch die Bühne in Dunkelheit und mitten am Nachmittag fuhr Trivium aus der Hölle direkt auf die Jungfrau-Stage. „Strife“ eröffnete eher harmlos das Set, wogegen mit der zweiten Nummer „Rain“, das Konzert an Wetter und Stimmung der Fans angepasst wurde. Die härteren, zumeist älteren Tracks schlugen massiv ein und machten mit Sicherheit einigen Metallern Lust auf eine Nackenmassage am Folgetag. Die Bühne in tiefblauschwarz gehüllt und mit den weissen Hornschädeln als Eyecatcher, war für ehrfürchtige Atmosphäre gesorgt. Das Bühnenbild verschmolz passend mit dem Festivalareal und für nicht Anwesende war anhand der Bilder nicht mehr zu erkennen, ob es nun drei Uhr nachmittags oder bereits neun Uhr abends war. Heafy & Co. liessen sich die Laune jedenfalls nicht verderben und gaben alles. „Down From The Sky“ oder „In Waves“ sorgten für reichlich Metal-Attitüde im sonst eher Kuhglocken erfahrenen Interlaken. Ihr satter Sound dröhnte zum Glück bis auf das Campinggelände und so dürfte doch noch manch einer überrascht vom Sessel hochgesprungen sein und sich in Richtung Festivalgelände aufgemacht haben. Denn tatsächlich strömten immer mehr Leute herbei, die sich die Show von Trivium nicht entgehen lassen wollten. Dass die Schweizer Nationalmannschaft gleichzeitig ihr erstes Spiel der EM bestritt, schien hier auf dem Platz überhaupt kein Thema zu sein.

Good Riddance
Das Quartett von Good Riddance stand zu Beginn gar nicht auf meinem Musikplan, doch als die Kalifornier aus Santa Cruz, kaum eine Minute nach dem Schlussakkord der Schweizer Hard Rocker von Shakra die Nachbarsbühne betraten, war ein weghören nicht mehr möglich. Laut und schnell eroberten die Mannen um Russ Rankin die Eiger-Stage und ich fühlte mich alsbald in meine Jugendjahre zurückversetzt. Das Schlagzeug, zu Beginn viel zu dominant und von der Gitarre kaum etwas hörbar, schafften sie die Kurve doch noch und die Soundqualität lockte zur Mitte hin doch mehr BesucherInnen an, als dass sie ihnen davonliefen. Bereits seit dreissig Jahren stehen Good Riddance für unterhaltsamen Hardcore und auch wenn bereits ein wenig in die Jahre gekommen, an Energie fehlte es den Herren nie. Die Amerikaner überzeugten mit ihrem satten Melodic-Hardcore-Punk über weite Strecken, bis sie sich gegen die Youngsters von Bring Me The Horizon geschlagen geben mussten. Die etwas älteren Semester blieben aber beharrlich vor der Bühne stehen und zappelten bis zum Schlusston mit, während die jüngeren Zuschauer scharenweise zur Mainstage tippelten.

Bring Me The Horizon
Tja, man mag über die Truppe aus Sheffield, England denken was man will. Nicht immer ganz unumstritten in ihrem Auftreten und ihren Auftritten aber am diesjährigen Greenfield-Festival haben BMTH auf ganzer Länge überzeugt. Die Beats waren tief und setzten sich unausweichlich in Bauch- und Beinregion fest. Wo zu Beginn elektronische Samples als Einspieler dienten und den einen oder anderen dazu veranlassten, die Bratwurst vorzuziehen, brachen sogleich heftigste Gitarrengewitter über die Menge herein. Die klassischen Break-Beats fegten wie gewaltige Wogen über die Köpfe der Leute hinweg und liess sie auf und ab springen. Oliver Sykes zeigte sich in bester Laune und gab als einer von vielen, Komplimente über den wunderschönen Standort des Festivals ab. Wo er recht hat, hat er recht. Mit den Engländern schloss sich das Programm des Festivals (zumindest für mich) mit einem hochwertigen Act, der genau wusste, was das Publikum nach vier Tagen Regen, Schlamm und Dreck noch braucht – den Song „Drown“ (ertrinken). Wie passend!


Zum ersten Mal folgte nach der letzten Band in diesem Jahr ein Abschlussritual. Die hölzerne Metalhand (Horns), die man in der Nähe der Mönch- und Eiger Stage aufgebaut hatte, wurde zum Schluss verbrannt. Aufgrund der Unwetter konnten sich die Festivalbesucher zwar nicht wie geplant darauf verewigen, aber die Idee kam trotzdem sehr gut an. Viele blieben noch länger um sich das Spektakel aus der Nähe anzusehen oder auch nur, um vielleicht die vollends durchnässten Klamotten ein wenig anzutrocknen. Jedenfalls sah man das Feuer noch bis weit in die Nacht hinein und roch den Rauch noch lange über dem Festivalgelände.