Auch die diesjährige Ausgabe des Greenfieldfestivals stand ganz im
Zeichen des germanischen Wettergottes Thor. Bereits am Mittwoch
verschwand das Gelände ein erstes Mal im Wasser und ich nutzte
meinen Aufenthalt nur dazu, mir einen ersten Eindruck vom Gelände zu
verschaffen, da musikalisch noch nichts wirklich meinen Nerv traf.
Nebst vier Tagen lautester Gitarrenmusik, war auch die dritte Bühne
eine markante Änderung des Greenfieldfestivals 2016. Trotz lauter
Kritik im Vorfeld, was meist das Line-Up betraf, konnten die
Organisatoren mit 100‘000 Besuchern bereits am Samstag einen neuen
Publikumsrekord bekannt geben. Trotz immer wieder heftigem Regen,
der das Gelände in eine braune Schlammlandschaft verwandelte,
feierten Rock- und Metalfans ihre Helden in bester Laune ab.
Bullet For My Valentine
Laut, hart und dreckig ging es zu und her, als die Herren von Bullet
For My Valentine die Bühne betraten. Mit ihrem Doublebass-getränkten
energischen Metal trafen die Waliser klar den Geschmack des
Publikums. Bereits zu Beginn des Konzerts konnten Massen an Fans
ausgemacht werden, die bis in die hintersten Reihen zum Sound
mittanzten. Mit ihrem letzten Album „Venom“, das im August 2015
veröffentlicht wurde, setzten sie einen weiteren Meilenstein in
ihrer bisher erfolgreichen Karriere. Das Album erreichte Platz 1 in
den CH-Album Charts, was den vielen Fans auch anzumerken war.
Matthew Tuck, Sänger und Gitarrist der Band war der Spass auch
sichtlich anzumerken, denn die Spielfreude des Vierers war enorm.
B.F.M.V. machten definitiv ganz schön viel Krach! Ihre Musik liess
die Massen vor der Bühne wild zappeln und die Mähnen schwingen.
Dropkick Murphys Die Bostoner Folk-Punker von
Dropkick Murphys gaben sich erneut die Ehre, das Publikum von der
Hauptbühne aus zu bespassen. Zu Beginn wollte dies allerdings noch
nicht so recht gelingen. Die Leute
sind
zwar in Scharen vor der Bühne eingetroffen aber der gewisse Funke
wollte einfach nicht so richtig überspringen. Mit der Zeit gelang es
der Truppe aber schliesslich doch, die Meute mit ihren Hits zum
Tanzen zu bringen. Songs wie „Johnny, I Hardly Knew Ya“ oder „Rose
Tattoo“ erzeugten auch in den hintersten Reihen einen gewissen
Bewegungsdrang. Sänger Al Barr suchte stets den Kontakt zum Publikum
und liess es sich nicht nehmen, einige der Songs mit einer Anekdote
zum aktuellen Weltgeschehen im Vorfeld anzukündigen. Als der letzte
Klang des Dudelsacks verstummte, waren die meisten Augen nur noch
auf die Dänen von Volbeat gerichtet, die als Headliner des Abends
gesetzt waren.
Volbeat Die Crew um Michael Poulsen betrat
pünktlich um 23:30 Uhr die Hauptbühne, die sogenannte Jungfrau
Stage. Motörheads „Born To Raise Hell“ krachte als Intro aus den
Boxentürmen und ein riesiges Banner, das Totenschädel im Elvislook
zeigt, dekorierte die ganze Bühne. Der Vorhang fiel schliesslich und
gab die beeindruckende Bühne frei, die bereit war für die Fans Feuer
zu speien. Mit „Devil’s Bleeding Crown“ fiel der Startschuss für ein
Rock’n’Roll-Metal-Hard Rock-Konzertabend
der Extraklasse. Volbeat waren in sichtlich guter Spiellaune und
plauderten gerne mit dem Publikum. Allerdings war der Auftritt des
Quartetts für meinen Geschmack etwas harzig, ja schon fast etwas
langweilig. Die Bühnenshow mit viel Licht, Feuer und Videoeffekten
konnte sich zwar sehen lassen, die Musik und auf die kommt es ja in
Wirklichkeit an, blieb irgendwo dazwischen hängen. Die Probanden
wirkten allesamt müde und besonders Poulsen schien schon merklich
bessere Tage gehabt zu haben. Auffällig war aber dennoch, wie gerade
viele jüngere Fans, auch schon bei den neuen Songs extrem textsicher
waren, obwohl das Album „Seal The Deal & Let’s Boogie“ am Tag des
Auftritts gerade mal fünf Tage alt war. Hardcore Fans eben! Zum Ende
hin war ich mir dann auch nicht mehr ganz sicher, ob ich nun Volbeat
oder The BossHoss gehört habe aber dem breiten Publikum war dies
ganz egal und sie tanzten und sangen frenetisch mit bis zum Schluss.
Setliste: «Born To Raise Hell (Motörhead)» «The Devil’s Bleeding
Crown» «Heaven Nor Hell / A Warrior's Call / I Only Want To Be With
You» «Sad Man’s Tongue» «Lola Montez» «Hallelujah Goat» «The
Lonesome Rider» «For Evigt» «The Gates Of Babylon» «Dead But Rising»
«16 Dollars» «Goodbye Forever» «Fallen» «Doc Holliday» «Still
Counting» «Black Rose» «Seal The Deal» «The Mirror And The Ripper»
Amon Amarth
Der dritte Tag stand ganz im Zeichen der Wikinger von Amon Amarth.
Die Nordmänner um Sänger und Mastermind Johan Hegg legten zur
Primetime so richtig heftig los. Fette Riffs und dröhnende Drums
fegten über das matschige Gelände. Amon Amarth, die übrigens zum
ersten Mal am Greenfield Festival auftraten, brachte die Verzögerung
im Vorfeld (durch die Fun-Punker von NOFX verursacht) in arge
Zeitnot - schnell musste noch ein kurzer Linecheck gemacht werden,
während dem das Publikum gespannt und ungeduldig wartete. Auch wenn
die wechselnden Backdrops als einziges Showelement etwas
enttäuschend waren, machten dies die Schweden mit ihrem beherzten
Auftritt locker wett. Bereits beim zweiten Song setzte sich eine
grosse Schar von Fans in den inzwischen etwas eingetrockneten
Schlamm und begann wie verrückt zu rudern. Mit seiner sehr
sympathischen und authentischen Art hatte Johan Hegg seine
Wikinger-Jünger ausnahmslos in der Hand. Die wilden Mosh- und
Circlepits forderten alsdann auch ein erstes Opfer, welches von der
Sanität aus der Menge getragen werden musste.
Billy
Talent Lange nichts mehr gehört von den Kanadiern um
Benjamin Kowalewicz. Ihre mitreissenden Melodien und der derbe
Gesang des letzten Albums, liegen nun doch schon eine ganze Weile
zurück. Ziemlich erstaunt darüber, die Herren im diesjährigen
Line-Up anzutreffen, musste ich deshalb ein Ohr riskieren. Die Pause
scheint den Herren von Billy Talent sichtlich gut getan zu haben.
Energiegeladen feuerten sie eine Hit-Bombe nach der anderen ab.
„Devil In A Midnight Mass“ und „This Suffering“ zwei Songs, welche
man eigentlich als Zugabe erwartet hätte, brachte die Stimmung
bereits am Anfang zum Überkochen. Gerade die alten Songs vermochten
ausnahmslos zu begeistern. Ältere sowie jüngere Anhänger der
Rock-Kombo hüpften und tanzten auf dem Flugplatzgelände sich die
Seele aus dem Leib.
Zahllose Crowdsurfer brachten die Security vom ersten bis zum
letzten Ton ziemlich ins Schwitzen. Ein weinender weiblicher Fan,
der von den Fanmassen fast erdrückt wurde, weigerte sich vehement,
von den Securities in den Fotograben gezogen zu werden. „Devil On My
Shoulder“ widmete die Band Lemmy und 25.000 Menschen sangen den
Chorus mit - Gänsehaut pur. Dasselbe Spiel wiederholte sich nochmals
beim Überhit „Fallen Leaves“. Anderthalb Stunden rockten die Fans
mit Billy Talent und der meterhoch aufgewirbelte Staub lag noch
immer in der Luft, als die Bühne schon längstens verlassen und der
letzte Ton verstummt war.
Setliste: «Devil In A Midnight
Mass» «This Suffering» «This Is How It Goes» «Louder Than The DJ»
«Rusted From The Rain» « Saint Veronika» «Kingdom Of Zod» «Prisoners
Of Today» «Surrender» «River Below» «Surprise Surprise» «Afraid Of
Heights» «Runnin‘ Across The Tracks» «Devil On My Shoulder» «Red
Flag» «Try Honesty» «Fallen Leaves» «Viking Death March»
Saltatio Mortis Die Mittelalter Helden von
Saltatio Mortis hatten leider ein eher kurzes Zeitfenster für ihren
Auftritt. Die Band feiert zurzeit mit ihrem Album „Zirkus Zeitgeist“
weitreichende Erfolge. Feuer, Dudelsäcke und Schalmeien beherrschten
die kleinere Bühne am Ende des Festivalgeländes, die aber von vielen
Besuchern belagert wurde. Deutsche Texte, die lauthals mitgesungen
wurden reihten sich ein in die Dämmerung, die langsam aber sicher
die Nacht ankündete. Je dunkler es wurde, um so imposanter waren die
Feuersäulen, die zur Musik aus der Bühne in den Nachthimmel
schossen. Highlights waren mit Sicherheit die kurze Trockenperiode
während des Konzerts und Saltatio Mortis Klassiker wie „Früher war
alles besser“ oder „Eulenspiegel“.
Nightwish
Der Staub von Billy Talent lag nun wieder ordentlich auf dem Boden
und abgesehen von ein paar Fans war der Platz vor der Bühne doch
ziemlich leer geworden. Nightwish waren für viele sicher nicht der
Headliner, den sie sich zum Abschluss des Tages gewünscht hatten
oder sie hatten nach dem schweisstreibenden Gig im Vorfeld einfach
eine Stärkung nötig. Als die Stimme von Richard Dawkins ertönte und
die Band mit „Shudder Before The Beautiful“ in ihr Set startete,
hatten sich die Ränge auf alle Fälle wieder recht gut gefüllt und
sogar im hinteren Teil des Geländes sahen sich die allmählich müden
Festivalbesucher die Show einfach im Sitzen an. Dank der
bombastischen Bühnenshow mit Feuerwerk, Dampf- und Feuersäulen,
digitalem Banner und ausgeklügeltem Lichtkonzept kam so manch müder
Geist wieder zum Erwachen. Zugegeben auch meiner. Ich wollte bei
Nightwish nur mal kurz reinhören aber es fesselte mich und ich blieb
bis zum Schluss. Überraschenderweise war die Band für mich DER
Headliner des Greenfield Festivals 2016 obwohl die Setliste für
Frontfrau Floor Jansen nicht ganz ideal zusammengestellt worden war.
Bei „Storytimes“ und „I Want My Tears Back“ aus der Anette
Olzon-Zeit und dem Hit „Nemo“ rutschten ihr die Töne einige Male ab
und sie musste sich zwischendurch räuspern. Hingegen glänzte sie mit
dem zu ihrem persönlich erkorenen Favoriten „Ghost Love Score“. Auch
die gekürzte Version von „The Greatest Show On Earth“ sorgte für
Gänsehautmomente, bis mit einem grossen Knall alles in sich
zusammenfiel. Wow! Was für ein Musikmoment!
Setliste:
«Shudder Before The Beautiful» «Yours Is A Empty Hope» «Storytimes»
«My Walden» «Élan» «Weak Fantasy» «Sahara» «I Want My Tears Back»
«Nemo» «Ghost Love Score» «Last Ride Of The Day» «The Greatest Show
On Earth»
Trivium Die Crew aus dem „Sunshine State“
Florida hatte an der diesjährigen Ausgabe ein wenig die Arschkarte
gezogen. Ihr Gig wurde um satte zwei Stunden vorverschoben und diese
sehr kurzfristige Planänderung schien auch vielen Fans entgangen zu
sein. So standen zum Auftakt kaum mehr Personen als noch zu vor bei
Breakdown Of Sanity auf dem Platz. Dem Quartett um Matt Heafy war
dies allerdings nicht anzumerken. Passend zur Umwelt, hüllte sich
auch die Bühne in Dunkelheit und
mitten
am Nachmittag fuhr Trivium aus der Hölle direkt auf die
Jungfrau-Stage. „Strife“ eröffnete eher harmlos das Set, wogegen mit
der zweiten Nummer „Rain“, das Konzert an Wetter und Stimmung der
Fans angepasst wurde. Die härteren, zumeist älteren Tracks schlugen
massiv ein und machten mit Sicherheit einigen Metallern Lust auf
eine Nackenmassage am Folgetag. Die Bühne in tiefblauschwarz gehüllt
und mit den weissen Hornschädeln als Eyecatcher, war für
ehrfürchtige Atmosphäre gesorgt. Das Bühnenbild verschmolz passend
mit dem Festivalareal und für nicht Anwesende war anhand der Bilder
nicht mehr zu erkennen, ob es nun drei Uhr nachmittags oder bereits
neun Uhr abends war. Heafy & Co. liessen sich die Laune jedenfalls
nicht verderben und gaben alles. „Down From The Sky“ oder „In Waves“
sorgten für reichlich Metal-Attitüde im sonst eher Kuhglocken
erfahrenen Interlaken. Ihr satter Sound dröhnte zum Glück bis auf
das Campinggelände und so dürfte doch noch manch einer überrascht
vom Sessel hochgesprungen sein und sich in Richtung Festivalgelände
aufgemacht haben. Denn tatsächlich strömten immer mehr Leute herbei,
die sich die Show von Trivium nicht entgehen lassen wollten. Dass
die Schweizer Nationalmannschaft gleichzeitig ihr erstes Spiel der
EM bestritt, schien hier auf dem Platz überhaupt kein Thema zu sein.
Good Riddance
Das Quartett von Good Riddance stand zu Beginn gar nicht auf meinem
Musikplan, doch als die Kalifornier aus Santa Cruz, kaum eine Minute
nach dem Schlussakkord der Schweizer Hard Rocker von Shakra die
Nachbarsbühne betraten, war ein weghören nicht mehr möglich. Laut
und schnell eroberten die Mannen um Russ Rankin die Eiger-Stage und
ich fühlte mich alsbald in meine Jugendjahre zurückversetzt. Das
Schlagzeug, zu Beginn viel zu dominant und von der Gitarre kaum
etwas hörbar, schafften sie die Kurve doch noch und die
Soundqualität lockte zur Mitte hin doch mehr BesucherInnen an, als
dass sie ihnen davonliefen. Bereits seit dreissig Jahren stehen Good
Riddance für unterhaltsamen Hardcore und auch wenn bereits ein wenig
in die Jahre gekommen, an Energie fehlte es den Herren nie. Die
Amerikaner überzeugten mit ihrem satten Melodic-Hardcore-Punk über
weite Strecken, bis sie sich gegen die Youngsters von Bring Me The
Horizon geschlagen geben mussten. Die etwas älteren Semester blieben
aber beharrlich vor der Bühne stehen und zappelten bis zum
Schlusston mit, während die jüngeren Zuschauer scharenweise zur
Mainstage tippelten.
Bring Me The Horizon
Tja, man mag über die Truppe aus Sheffield, England denken was man
will. Nicht immer ganz unumstritten in ihrem Auftreten und ihren
Auftritten aber am diesjährigen Greenfield-Festival haben BMTH auf
ganzer Länge überzeugt. Die Beats waren tief und setzten sich
unausweichlich in Bauch- und Beinregion fest. Wo zu Beginn
elektronische Samples als Einspieler dienten und den einen oder
anderen dazu veranlassten, die Bratwurst vorzuziehen, brachen
sogleich heftigste Gitarrengewitter über die Menge herein. Die
klassischen Break-Beats fegten wie gewaltige Wogen
über
die Köpfe der Leute hinweg und liess sie auf und ab springen. Oliver
Sykes zeigte sich in bester Laune und gab als einer von vielen,
Komplimente über den wunderschönen Standort des Festivals ab. Wo er
recht hat, hat er recht. Mit den Engländern schloss sich das
Programm des Festivals (zumindest für mich) mit einem hochwertigen
Act, der genau wusste, was das Publikum nach vier Tagen Regen,
Schlamm und Dreck noch braucht – den Song „Drown“ (ertrinken). Wie
passend!
Zum ersten Mal folgte nach der letzten Band in diesem
Jahr ein Abschlussritual. Die hölzerne Metalhand (Horns), die man in
der Nähe der Mönch- und Eiger Stage aufgebaut hatte, wurde zum
Schluss verbrannt. Aufgrund der Unwetter konnten sich die
Festivalbesucher zwar nicht wie geplant darauf verewigen, aber die
Idee kam trotzdem sehr gut an. Viele blieben noch länger um sich das
Spektakel aus der Nähe anzusehen oder auch nur, um vielleicht die
vollends durchnässten Klamotten ein wenig anzutrocknen. Jedenfalls
sah man das Feuer noch bis weit in die Nacht hinein und roch den
Rauch noch lange über dem Festivalgelände.
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