Die diesjährige Ausgabe des Greenfieldfestivals stand musikalisch
wie wettertechnisch unter einem guten Stern. Zum ersten Mal in der
Geschichte des Festivals fiel kein Regentropfen vom Himmel. Das
einzige Wasser, das in Strömen floss, war das aus den Duschen auf
dem Festivalgelände. Bereits am Donnerstagabend hatten etliche
Besucher ihren natürlichen Teint gegen knallrote Haut eingetauscht.
Musikalisch gesehen waren dieses Jahr eher die „kleinen“ Bands ganz
gross und die Headliner konnten ihrem Ruf nicht wirklich gerecht
werden. Zumindest war es so aus meiner Sicht. Trotz aller Kritik am
Line-Up, was die Wiederholungen an Bands betrifft, konnten die
Organisatoren mit den Besucherzahlen zufrieden sein. Auch das
Publikum, das altersmässig von schulpflichtig bis Rentenalter alles
abdeckt, hat über die drei Tage ihre Idole in bester Manier
abgefeiert.
Kreator
Die Thrash-Götter der Achtzigerjahre standen am frühen
Donnerstagabend auf dem Programm. Mastermind Mille Petrozza,
Gitarrist und Sänger von Kreator brachte mit seiner Truppe die
Interlakner Luft zum Brennen. Ihre messerscharfen Gitarrenriffs
peitschten aus den Boxentürmen und ihre Beats waren so rasant, dass
manch einer sich beim Heandbangen einen steifen Hals zuzog.
Allerdings wollten sich nicht allzu viele Zuschauer dem Gespann aus
Essen hingeben und die Reihen vor der Hauptbühne wollen sich nicht
füllen. Dabei taten Kreator genau das, was sie über all die Jahre im
Geschäft gehalten hat. Besonders ihr neustes Werk „Gods Of Violence“
hat der Truppe wieder Leben eingehaucht. So knüppelten sich Kreator
mit teutonischem Arbeitseifer durch ihr Set. Es gab
Doppelpauken-Donnerwetter, Gitarren-Geprügel und Tempobolzereien von
der allerbesten Sorte, und untermalt wurde diese Szenerie mit
Papierschlangenkanonen und unsäglich viel Feuer, das bei der
Helligkeit die zu dem Zeitpunkt noch herrschte, leider kläglich
unterging. Trotzdem wehten viele Mähnen im Wind und Petrozzas
Teufelsstimme vermochte doch zumindest die anwesenden Zuschauer zu
begeistern.
Five
Finger Death Punch Was danach folgte, war schon im
Vorfeld in den Gesichtern der eher jüngeren Generation abzulesen.
Ein roter Handabdruck im Gesicht war der Hinweis darauf, dass die
US-Modern-Metaller von Five Finger Death Punch sich an diesem Abend
die Ehre geben werden. Das Geschrei war besonders in den vorderen
Reihen zu vernehmen als der US-Fünfer ihre energetisch aggressive
Show startete. Gleich zu Beginn zeigte Bassist Chris Kael mehrmals
Publikum und Presse seinen Mittelfinger, womit er die Stimmung noch
mehr anheizte. Schon nach vier Songs und einem musikalisch harten
Einstieg in das Konzert schob Frontmann Ivan Moody eine Showeinlage
ein, indem er sich mit einem Fan im Circle-Pit prügeln wollte.
Sowieso gab es zwischen den Tracks immer wieder Pausen, die zu
leichten Irritationen führten. Über den ganzen Gig gesehen, kamen
aber ruhige und melodiösere Momente, humorvolle Einlagen und
Entertainment auch nicht zu kurz. Moody unterstrich einmal mehr
seine Frontmann-Qualitäten, mal als wilder Testosteron-Protz mit
geballten Fäusten und mal als nachdenklicher Melancholiker, der
voller Inbrunst düstere Gesangslinien intoniert. Hoffen wir, dass er
der Truppe auch nach den neuesten Gerüchten doch erhalten bleibt,
denn er hat zumindest die Fans am Greenfield-Festival in Ektase
versetzt.
Epica
Auf Epica war ich ziemlich gespannt, da besonders Frontfrau Simone
Simons stimmlich immer wieder Grund zu Diskussionen bietet. Epica
zeigten allerdings an diesem Abend eine tolle Show. Wundervolle,
kräftige Melodien und einige wilde Feuer- und Lichteffekte. Zwar
sang Simons auch an diesem Abend nicht immer ganz souverän, aber die
„Fehler“ wurden von Publikum überhört oder ganz einfach verziehen.
Growl-Meister und Lead-Gitarrist Mark Jansen und seine Kehle bekamen
ebenfalls – und sehr zu meiner Freude – viel zu tun. Er und Simons
harmonierten ausgezeichnet zusammen. Keyboarder Coen Janssen war ab
und zu mit seinem tragbaren, gebogenen Spezial-Keyboard unterwegs
und sorgte ebenfalls für gute Unterhaltung. Nach einer Stunde war
der Auftritt der Niederländer auch schon wieder vorbei und auf der
Hauptbühne warteten noch die Schweden von In Flames auf ihren
Auftritt.
In
Flames Wer In Flames kennt, der weiss, dass sie ein
Garant für erstklassigen Melodic-Metal sind und sich eine Show der
Schweden jederzeit lohnt. So auch in diesem Jahr. Von Beginn an
zogen die Mannen um Anders Frieden das Publikum in ihren Bann.
Messerscharfe Riffs und knallharte Drums fegten über die zahlreichen
Köpfe der Zuschauer hinweg. Die Soundqualität war erstklassig, so
dass die Bässe den richtigen Druck im Bauchraum erzeugten. Ihr
Konzept, kerniger Metal trifft auf Harmonie und Schreihals, scheint
seit Jahren aufzugehen. Frieden stellte auch an diesem Abend seine
Qualitäten als Frontmann unerschütterlich unter Beweis.
Zwischenzeitlich wurde es noch kurz sentimental, als Frieden über
einen verstorbenen Freund berichtete, der viel zu früh von uns
gegangen ist. Auf Pyrotechnik wurde grossweitig verzichtet dafür war
die taktgenaue Lichtshow ein echter Augenschmaus. In Flames
veranschaulichen eindrucksvoll, wie grossartig es doch ist, wenn ein
Lichttechniker seinen Job als Kunsthandwerk versteht. Als erster
Headliner des Festivals haben sie eine wirklich tolle Show geboten,
die bestimmt einige Besucher glücklich zurückliess.
Equilibrium Die Epic-Metaller von Equilibrium standen am
Freitag im Vorabendprogramm. Dass sie doch hierzulande nicht mehr
gänzlich unbekannt sind, zeigten die Scharen, die zu ihrem Auftritt
auf der Mönchstage pilgerten. Kurz vor halb neun betraten Berthiaume
& Co. unter lauten Jubel die Bühne. Ein sichtlich gut gelaunter
Sänger, suchte sofort die Konversation mit dem Publikum. Der Erfolg
war ihnen sicher, als sie nach dem Opener die Schweiz als zweite
„Heimat“ bezeichneten und daraufhin
den selbigen Song zu Besten gaben. Der Fünfer wirkte professionell
und sehr relaxt bei ihrem Auftritt. Dies ist ein Hauptmerkmal, das
Equilibrium ausmacht (siehe Interview). Das Publikum tanzte und
feierte mit der Band ausgelassen mit und versuchte bis zum Schluss,
die geforderten Wünsche von Frontmann Robse bestmöglich zu erfüllen.
Nach nur einer Stunde, als die deutsche Maschinerie inkl. Publikum
richtig warm gelaufen war, war es leider schon wieder an der Zeit
ans Aufhören zu denken. Während des Outro’s liess sich die Band noch
richtig feiern, bevor sie schliesslich ganz in der Dunkelheit
verschwanden. Ein total überzeugender Auftritt aber leider viel zu
kurz für meinen Geschmack.
Powerwolf Am
Samstag war es dann an der Zeit für die einzig wahre Metal-Messe.
Unter Applaus stürmten Attila Dorn, Falk Maria Schlegel, Roel van
Helden sowie Charles und Matthew Greywolf auf die Bühne.
Standesgemäss sind ihre Gesichter wieder schwarz-weiss gehalten.
Auch im Publikum war ein Double der Gebrüder Greywolf anwesend. Los
legte die Truppe mit dem Hit „Blessed & Possessed“. Tempo, Energie
und Wucht waren die Zutaten der Truppe. Powerwolf bewiesen
eindrücklich, weshalb ihnen solche gute Live-Qualitäten nachgesagt
werden. Die Stimmung war ausgezeichnet und einzelne sangen von
Anfang bis Ende kräftig mit. Wenn es Orgel-Chef Falk Maria zu
langweilig wurde, schaute er immer wieder an der Bühnenfront vorbei
und animierte das Publikum zu weiteren Einsätzen. Auch Alpha-Wolf
Attila Dorn war in bester Laune und suchte immer wieder den Dialog
mit dem Publikum. Teilweise artete es wie schon bei anderen Bands
des Tages, in einen echten Klatsch-und Tratsch-Marathon aus. Dennoch
vermochten die Wölfe zu überzeugen und rangen dem Publikum sogar
einen Rückwärts-Circle-Pit ab. Als Zugabe servierten Powerwolf
schliesslich die Hymnen „Sanctified With Dynamite“ und „In The Name
Of God (Deus Vult)“. Damit ging dieser starke Live-Auftritt zu Ende.
Combichrist Die norwegisch-amerikanische Kombo war
für mich persönlich eine Neuentdeckung des Festivals. Eigentlich
wollte ich nur mal kurz „reinschnuppern“, um die Wartezeit zu
verkürzen… aber ich blieb. Die Mannen um Andy LaPlegua betraten die
Bühne und bretterten so dermassen los, dass ich mich nicht mehr
losreissen konnte. Die Setlist war ein Potpourri aus ihrem ganzen
Schaffen. Es ging mit einem donnernden Industrial-Metal-Gewitter los
und demonstrierte allen Anwesenden, dass Combichrist mit verstärktem
Gitarreneinsatz noch immer eine grossartige Live-Band sind. Die
neuen Titel zündeten live besser als auf der Platte, wie ich später
feststellen sollte und so wurden Songs wie „Exit Eternity“ und „My
Life My Rules“ zu echten Highlights.
Eluveitie
Die Folk-Metaller von Eluveitie starteten am Samstag gewaltig, um
zwischenzeitlich in den Fan-Massen abzusaufen. Chrigel Glanzmann und
Co., das sind ja mittlerweile neun Bandmitglieder, legten heftig los
und brachten die Zuschauer in Wallung. Schnell war klar, dass sie es
auch nach dem Split vom letzten Jahr noch draufhaben. Angewärmt und
eingetanzt, so präsentierte sich das Publikum der
Greenfieldlandschaft bis Elu’s Sängerin und Harfenfee das Mikro
immer öfter in die Hand nahm. Der Sound war keinesfalls schlecht
aber er bremste. Das Publikum kam aus dem Trott und bei den eher
ruhigen Titeln, wurde die bis dahin hitzige Stimmung derbe
abgekühlt. So zog es sich dann etwa eine halbe Stunde hin, was
etliche Besucher dazu veranlasste, die vorderen Ränge zu verlassen
und sich in den hinteren, den Essensbereich des Festivals zu
begeben. Ob für Eluveitie spürbar oder nicht, jedenfalls zogen sie
im letzten Drittel nochmals massiv an feuerten aus vollen Rohren.
Spätestens bei ihrem frühen Werk „Inis Mona“ wurden auch die
hinteren Reihen wieder wach und die Crowd sang aus vollen Kehlen.
Glanzmann schien zufrieden und dankte und dankte und das Publikum
schien ebenfalls versöhnt und liess sie unter „Zugabe-Rufen“
friedlich ziehen.
Breakdown
Of Sanity Die Berner Kombo, die sich leider noch dieses
Jahr definitiv von der Bühne verabschiedet, legte einen fulminanten
Gig hin. Hart, roh, deftig und absolut überzeugend. Grandiose Bässe,
die sich in die Bauchhöhle rammen, Gitarrenriffs, die sich in den
Schädel fräsen und Drumsalven, die knüppelhart durch die Oberländer
Landschaft dröhnen. Optisch unspektakulär, dafür soundtechnisch umso
mehr, legte sich Breakdown Of Sanity ins Zeug. Massenweise standen
Fans vor der eher kleinen Bühne und keiner von ihnen dachte auch nur
eine Sekunde daran, zu den Pop-Punkern von Blink 182 zu wechseln. Im
Gegenteil. Sie bildeten eine Wall Of Death und einen Circle-Pit nach
dem anderem und trotzten dem Mainstream und der Zeit, die natürlich
kontinuierlich gegen sie lief. Wer sich aber bis dato noch keine
musikalische Dröhnung geholt hatte, der konnte nach diesem
gelungenen Gig mit einem leichten Lächeln zu Bett gehen. Für mich
zumindest war dies das Schlussbukett der Greenfield-Ausgabe 2017.
Somit ging eine weitere Ausgabe des Festivals friedlich zu
Ende und einige feierten auch nach dem Abfackeln der „Burning Hand“
bis in die frühen Morgenstunden weiter. Blink 182 spielten wohl noch
ihre letzten Akkorde, als die ersten bereits mit Packen beschäftigt
waren. Eins kann man rückwirkend ganz klar sagen, dass die
„kleineren“ Bands, den „Grossen“ den Rang abgeknöpft und sich besser
denn je, einem breiten Publikum präsentiert haben. In der
Morgendämmerung lag dann Stille und nur Berge von Müll zeugten
davon, dass die letzten Tage Greenfield gewesen sein muss.
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