Leicht erschrocken nahm ich zur Kenntnis, dass der Hardcore
Superstar-Gig von der grossen Bühne auf das Mini-Z7 verschoben
wurde. Lag es daran, dass in Zürich an diesem Abend Slayer und
Anthrax auftrumpften, oder an der ansonst sehr grossen Konkurrenz,
welche sich momentan förmlich die Bühne unter dem Arsch wegreisst?
Es ist verdammt viel los in diesem Herbst und irgendwie werde ich
das Gefühl nicht los, dass den Fans Jahr für Jahr ein noch dichteres
Programm vor die Nase geknallt wird. Wer soll das alles bezahlen?
Selbst ich musste mich schweren Herzens vom Besuch einiger Gigs
(UFO, Stratovarius) verabschieden, weil dieser Konzert-Overkill
einfach nicht mehr zu bewältigen ist. Anyway, wohin die Reise führen
wird, werden wir in den kommenden Monaten und Jahren sehen. Dass
dabei eine der aktuell geilsten Live-Bands darunter zu leiden hat,
nämlich die Schweden von Hardcore Superstar, ist für mich
unverständlich. Wie sollte die Bühnenpower auf der Mini-Stage Platz
haben? Kann sich Sänger Jocke überhaupt auf der Bühne entfalten?
Zumindest musste Tourmanager Rikk die vorderste Reihe warnen, dass
der HCSS-Shouter in seiner Bühnenaction nicht zu bremsen ist und
dadurch besondere Obacht gewährt werden müsse…
Chase The Ace Bevor aber die Schweden auf die
Bühne gingen, stand mit Chase The Ace eine Band auf der Stage, die
mich schlicht und ergreifend umgehauen hat. Speziell Roi Vito Peleg, das
Energiebündel am Mikrofon, trieb die noch wenigen Besucher an
und hatte sichtlich Freude. Ja, es
standen
vier Jungs auf der Bühne, welche nach Originalton von Roi die
Passion des Rocks fühlten und damit das Publikum anheizen wollten.
«Living our dream. If you enjoy it, please support us and buy a CD
or a T-Shirt» Und wie wir das Konzert genossen. Der
Thunderhead-artige Sound mit einer gehörigen Portion Sleaze- und
Hardrock, der seine Wurzeln klar aus United Kingdom bezog,
hinterliess sichtlich Spuren. Dies lag nicht nur an den packenden
Songs, sondern speziell an den Entertainerqualitäten des singenden
Gitarristen. Dabei scheute sich der lockige Sprücheklopfer nicht,
auf eine sympathische Art das Publikum anzustacheln, oder mal kurz
von der Bühne zu sprinten, um auf dem Bartresen seine Solos zu
spielen. Das neue Album «Hell Yeah!» wurde vorgestellt, obschon es
erst am 20. November 2015 das Licht der Welt erblicken wird. Was
sich hier wie ein Kampfschrei anhört, würde auf der Bühne als
solcher Dargeboten. Meine Herren! Angeblich spielten die Jungs schon
viermal in der Schweiz. Der nächste Gig soll im Februar 2016 sein
und ich rate euch, wenn ihr auf geile Rock-Mucke steht, einen Sänger
der völlig am Rad dreht und coole Sprüchen sehen und hören wollt,
solltet ihr euch das nächste Konzert nicht entgehen lassen.
Setliste: «The Cat Is On The Loose» - «The Stalker» -
«Fortunate Sun» - «Bad Seed» - «Raise Your Glass» - «Hell Yeah!» -
«California».
Michael Monroe
Auch wenn Chase The Ace einen völligen Hammer-Gig ablieferten, was
man von den meisten Supports-Shows der letzten Zeiten leider nicht
berichten kann, packte Michael Monroe dann noch eine Schippe
oben drauf! Der ehemalige Hanoi Rocks- und Demolition 23 Shouter ist
trotz seines Alters (53 Jahre) noch immer ein absoluter Derwisch
auf der Bühne. Ein David Lee Roth bietet das heute nicht mehr… Michael hingegen
rannte, er hüpfte, er tanzte, er spramg hoch und setzte sich sogleich
im Spagat auf den Boden und benetzte schon nach den ersten drei Songs
den Bühnenboden mit seinem Schweiss. Führte er sich ab und zu mit
seinem schwarzen Fächer Frischluft zu, hatte dies schon fast was
Glamouröses, aber auch Tuntiges. Der blondierte Finne, hätte er mal
Dreiwettertaft als Haarspray verwendet, würde die Frisur auch nach
den ersten drei Songs noch halten, kennt keine Pausen. Spielte seine
Band ein Solo, verschwendete er seine Zeit nicht damit, gelangweilt
rum zu stehen. Auch dann animiert er die Fans oder poste wie eine Diva
mit einem seiner Musiker. Matti Fagerholm, so der bürgerliche Name
von Michael, ist ein Relikt aus den 80er-Jahren. Eines, das mit
seinem Outfit und dem sleazigen Styling die Musiklandschaft spaltet
und eines, bei dem du nie weisst, springt er dich nun aus Freude
oder Überdrehtheit an. Mister Monroe präsentierte seine rote
Lederjacke mit Stolz, wirbelte mit seinem
Mikrofonständer
gefährlich auf der Bühne herum, spielte auf seinem metallicroten Saxophon
und wirbelte das Kabel seines Mikrofons gefährlich um seinen Hals.
Die punkigen, sleazigen und rockigen Songs stammen aus seiner
Solo-Zeit, von Hanoi Rocks, Demolition 23 oder Creedence Clearwater
Revival. Dabei wurde er von erfahrenen Musikern unterstützt (zum
Beispiel Sami Yaffa, ehemals Hanoi Rocks), welche diesen MM-Sound
mit völliger Hingabe zelebrieren, aber Michael immer seinen Raum
lassen, in dem er sich entfalten kann. Pausen gönnte sich der Fünfer
kaum. Da spielte man lieber gleich den folgenden Track an, um
möglichst viele Lieder spielen zu können. Dabei sind «Up Around The
Bend» und «Dead, Jail, Or Rock' n Roll» die ganz grossen Momente in
denen sich das Duracell-Häschen auf Speed, Michael Monroe, völlig
verausgabte. Mit grossem Applaus wurde die Truppe verabschiedet und
es sollte mit dem Teufel zugehen, sieht man Michael Monroe nicht
schon bald wieder in der Schweiz. Völlig verschwitzt fragte mich
Mister Monroe nach der Show: «Do you liked the concert?» «Michael I
love it, but you're so a crazy man on stage!» Mit einem breiten
Lächeln und völlig zufrieden mit dieser Antwort verschwindet Michael
im Backstageraum, nicht ohne dabei vier Mal die Laufrichtung zu
ändern, weil der Gute völlig verstrahlt seine Garderobe aufsuchte…
Setliste: «'78» - «This Ain't No Love Song» - «Old
King's Road» - «Trick Of The Wrist» - «Oriental Beat (Hanoi Rocks)» -
«L.E.S.» - «Man With No Eyes» - «R.L.F.» - «Goin' Down With The Ship» -
«Hammersmith Palais (Hanoi Rocks)» - «Got Blood?» - «Tragedy (Hanoi
Rocks)» - «Malibu Beach Nightmare (Hanoi Rocks)» - «Up Around The Bend
(CCR)» - «Dead, Jail, Or Rock' n Roll» - «Nothing's Alright
(Demolition 23)» - «I Wanna Be Loved».
Hardcore
Superstar Was sollte nun folgen? Nach dieser packenden
und wirklich verrückten Performance? Genau, das Sahnehäubchen.
Machte sich das Gefühl breit, dass man die Präsentation von Michael
nicht mehr toppen könne, so wurde man vom HCSS-Shouter eines
Besseren belehrt. Auch ohne Spagatsprünge rockte der Schwede die
Bühne und schien ruhe- wie rastlos zugleich. Jocke tanzte, hüpfte, poste,
bangte und verteilte Küsschen ohne Ende. Die zahlreichen weiblichen
Fans dankten es dem schwarzhaarigen Sänger und schmolzen dahin. Die
Befürchtung, dass das Mini-Z7 zu
klein sein würde, entpuppte sich heute Abend als Trugschluss. Auch wenn eine
grössere Stage sicherlich nicht hinderlich gewesen wäre, aber ich
habe noch nie eine dermassen agile Show von Hardcore Superstar
gesehen. Es war wie der berühmte Schlag ins Gesicht. HAMMER! Dass
Jocke ausserdem zu einem Sprung ansetzte und dabei fast im Schlagzeug
landete, war nur einer der unzähligen Situationskomiken an diesem
Abend. Schlagzeuger Adde quittierte dies mit einem breiten Grinsen
und verdrosch sein Arbeitswerkzeug mit einer unglaublichen Power.
Der Gute erinnerte dabei immer wieder an Tommy Lee (Mötley Crüe).
Gitarrist Vic solierte, riffte sich gekonnt durch den Set und man
sah es ihm an, wie auch Bassist Martin, dass der Spass an diesem Abend
gross geschrieben wurde. Dieser Fun-Faktor übertrug sich von der
ersten Sekunde ins Publikum und so entwickelte sich eine
sagenumwobene Partynacht. Und dies nicht nur weil Jocke plötzlich
auf den Schuhen von Martin stand und dieser sich nicht mehr von der
Stelle rühren konnte. «Make some fucking noise! We're back in
Switzerland!»
Die
Backingvocals kamen von der kompletten Band und brachten den Liedern
einen richtig geilen Strassencharakter ein. Mit der akustischen
Version von «Standin' On The Verge» (nur Gitarre und Gesang)
entwickelte sich ein packender Gänsehautmoment im Mini-Z7.
Alleine die gesangliche Leistung von Jocke stellte fast jeden
Rock-Shouter in die Ecke. Diese Vibrationen in der Stimme, gepaart
mit einer unglaublichen Dramatik und Feinfühligkeit, suchen in der
heutigen Zeit Ihresgleichen und kann nur noch mit den alten Helden
verglichen werden. «Have you a good time, Switzerland?» Was für eine
Frage, die Frauenwelt lag der Band zu Füssen und die Männerwelt
rockte sich den Schädel ab. HCSS verliessen nach «Don't Mean Shit» die
Bühne, um dann aber noch für fünf Zugaben zurück zu kommen. Und die
hatten es wahrlich in sich!!! Zuerst röchelte sich Jocke mit einem unter die Haut
gehenden Schweinegesang durch «Hateful». «I can't fucking hear
you!» Die letzten Reserven wurden gefordert! «That's the last call
for everything!» Mit «Last Call For Alcohol», dem Überhit «We Don't
Celebrate Sundays» («Next song is about a day we all hat!») und
«Above The Law» («Give me a little finger! Fuck the law») folgte ein
Dreiergespann, welches den Rest von Band und Publikum abforderte. Dass
bei «Above The Law» einmal mehr das Schlagzeug vom Roadie abgebaut
wird, hat sich mittlerweile als typischer Gag etabliert. HCSS
überliessen nichts dem Zufall, verausgabten sich völlig, ob nun 20
oder 20'000 Fans in der Halle stehen und vollbrachten einen Gig, der
an Intensivität nicht zu überbieten war. Die Schweden haben
definitiv das Potenzial, in ein paar Jahren zu den ganz Grossen zu
gehören!
Setliste: «Sadistic Girl» -
«Guestlist» - «Touch The Sky» - «Medicate Me» - «Bully» - «Wild Boys» -
«Dreamin' In A Casket» - «Into Debauchery» - «Standin' On The Verge
(Acoustic)» - «Don't Mean Shit» -- «Hateful» - «Moonshine» - «Last Call
For Alcohol» - «We Don't Celebrate Sundays» - «Above The Law».
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