Livereview: Hardcore Superstar - Michael Monroe - Chase The Ace

27. Oktober 2015, Pratteln – Mini-Z7
By Tinu
Leicht erschrocken nahm ich zur Kenntnis, dass der Hardcore Superstar-Gig von der grossen Bühne auf das Mini-Z7 verschoben wurde. Lag es daran, dass in Zürich an diesem Abend Slayer und Anthrax auftrumpften, oder an der ansonst sehr grossen Konkurrenz, welche sich momentan förmlich die Bühne unter dem Arsch wegreisst? Es ist verdammt viel los in diesem Herbst und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass den Fans Jahr für Jahr ein noch dichteres Programm vor die Nase geknallt wird. Wer soll das alles bezahlen? Selbst ich musste mich schweren Herzens vom Besuch einiger Gigs (UFO, Stratovarius) verabschieden, weil dieser Konzert-Overkill einfach nicht mehr zu bewältigen ist. Anyway, wohin die Reise führen wird, werden wir in den kommenden Monaten und Jahren sehen. Dass dabei eine der aktuell geilsten Live-Bands darunter zu leiden hat, nämlich die Schweden von Hardcore Superstar, ist für mich unverständlich. Wie sollte die Bühnenpower auf der Mini-Stage Platz haben? Kann sich Sänger Jocke überhaupt auf der Bühne entfalten? Zumindest musste Tourmanager Rikk die vorderste Reihe warnen, dass der HCSS-Shouter in seiner Bühnenaction nicht zu bremsen ist und dadurch besondere Obacht gewährt werden müsse…

Chase The Ace
Bevor aber die Schweden auf die Bühne gingen, stand mit Chase The Ace eine Band auf der Stage, die mich schlicht und ergreifend umgehauen hat. Speziell Roi Vito Peleg, das Energiebündel am Mikrofon, trieb die noch wenigen Besucher an und hatte sichtlich Freude. Ja, es standen vier Jungs auf der Bühne, welche nach Originalton von Roi die Passion des Rocks fühlten und damit das Publikum anheizen wollten. «Living our dream. If you enjoy it, please support us and buy a CD or a T-Shirt» Und wie wir das Konzert genossen. Der Thunderhead-artige Sound mit einer gehörigen Portion Sleaze- und Hardrock, der seine Wurzeln klar aus United Kingdom bezog, hinterliess sichtlich Spuren. Dies lag nicht nur an den packenden Songs, sondern speziell an den Entertainerqualitäten des singenden Gitarristen. Dabei scheute sich der lockige Sprücheklopfer nicht, auf eine sympathische Art das Publikum anzustacheln, oder mal kurz von der Bühne zu sprinten, um auf dem Bartresen seine Solos zu spielen. Das neue Album «Hell Yeah!» wurde vorgestellt, obschon es erst am 20. November 2015 das Licht der Welt erblicken wird. Was sich hier wie ein Kampfschrei anhört, würde auf der Bühne als solcher Dargeboten. Meine Herren! Angeblich spielten die Jungs schon viermal in der Schweiz. Der nächste Gig soll im Februar 2016 sein und ich rate euch, wenn ihr auf geile Rock-Mucke steht, einen Sänger der völlig am Rad dreht und coole Sprüchen sehen und hören wollt, solltet ihr euch das nächste Konzert nicht entgehen lassen.

Setliste: «The Cat Is On The Loose» - «The Stalker» - «Fortunate Sun» - «Bad Seed» - «Raise Your Glass» - «Hell Yeah!» - «California».


Michael Monroe
Auch wenn Chase The Ace einen völligen Hammer-Gig ablieferten, was man von den meisten Supports-Shows der letzten Zeiten leider nicht berichten kann, packte Michael Monroe dann noch eine Schippe oben drauf! Der ehemalige Hanoi Rocks- und Demolition 23 Shouter ist trotz seines Alters (53 Jahre) noch immer ein absoluter Derwisch auf der Bühne. Ein David Lee Roth bietet das heute nicht mehr… Michael hingegen rannte, er hüpfte, er tanzte, er spramg hoch und setzte sich sogleich im Spagat auf den Boden und benetzte schon nach den ersten drei Songs den Bühnenboden mit seinem Schweiss. Führte er sich ab und zu mit seinem schwarzen Fächer Frischluft zu, hatte dies schon fast was Glamouröses, aber auch Tuntiges. Der blondierte Finne, hätte er mal Dreiwettertaft als Haarspray verwendet, würde die Frisur auch nach den ersten drei Songs noch halten, kennt keine Pausen. Spielte seine Band ein Solo, verschwendete er seine Zeit nicht damit, gelangweilt rum zu stehen. Auch dann animiert er die Fans oder poste wie eine Diva mit einem seiner Musiker. Matti Fagerholm, so der bürgerliche Name von Michael, ist ein Relikt aus den 80er-Jahren. Eines, das mit seinem Outfit und dem sleazigen Styling die Musiklandschaft spaltet und eines, bei dem du nie weisst, springt er dich nun aus Freude oder Überdrehtheit an. Mister Monroe präsentierte seine rote Lederjacke mit Stolz, wirbelte mit seinem Mikrofonständer gefährlich auf der Bühne herum, spielte auf seinem metallicroten Saxophon und wirbelte das Kabel seines Mikrofons gefährlich um seinen Hals. Die punkigen, sleazigen und rockigen Songs stammen aus seiner Solo-Zeit, von Hanoi Rocks, Demolition 23 oder Creedence Clearwater Revival. Dabei wurde er von erfahrenen Musikern unterstützt (zum Beispiel Sami Yaffa, ehemals Hanoi Rocks), welche diesen MM-Sound mit völliger Hingabe zelebrieren, aber Michael immer seinen Raum lassen, in dem er sich entfalten kann. Pausen gönnte sich der Fünfer kaum. Da spielte man lieber gleich den folgenden Track an, um möglichst viele Lieder spielen zu können. Dabei sind «Up Around The Bend» und «Dead, Jail, Or Rock' n Roll» die ganz grossen Momente in denen sich das Duracell-Häschen auf Speed, Michael Monroe, völlig verausgabte. Mit grossem Applaus wurde die Truppe verabschiedet und es sollte mit dem Teufel zugehen, sieht man Michael Monroe nicht schon bald wieder in der Schweiz. Völlig verschwitzt fragte mich Mister Monroe nach der Show: «Do you liked the concert?» «Michael I love it, but you're so a crazy man on stage!» Mit einem breiten Lächeln und völlig zufrieden mit dieser Antwort verschwindet Michael im Backstageraum, nicht ohne dabei vier Mal die Laufrichtung zu ändern, weil der Gute völlig verstrahlt seine Garderobe aufsuchte…

Setliste: «'78» - «This Ain't No Love Song» - «Old King's Road» - «Trick Of The Wrist» - «Oriental Beat (Hanoi Rocks)» - «L.E.S.» - «Man With No Eyes» - «R.L.F.» - «Goin' Down With The Ship» - «Hammersmith Palais (Hanoi Rocks)» - «Got Blood?» - «Tragedy (Hanoi Rocks)» - «Malibu Beach Nightmare (Hanoi Rocks)» - «Up Around The Bend (CCR)» - «Dead, Jail, Or Rock' n Roll» - «Nothing's Alright (Demolition 23)» - «I Wanna Be Loved».


Hardcore Superstar
Was sollte nun folgen? Nach dieser packenden und wirklich verrückten Performance? Genau, das Sahnehäubchen. Machte sich das Gefühl breit, dass man die Präsentation von Michael nicht mehr toppen könne, so wurde man vom HCSS-Shouter eines Besseren belehrt. Auch ohne Spagatsprünge rockte der Schwede die Bühne und schien ruhe- wie rastlos zugleich. Jocke tanzte, hüpfte, poste, bangte und verteilte Küsschen ohne Ende. Die zahlreichen weiblichen Fans dankten es dem schwarzhaarigen Sänger und schmolzen dahin. Die Befürchtung, dass das Mini-Z7 zu klein sein würde, entpuppte sich heute Abend als Trugschluss. Auch wenn eine grössere Stage sicherlich nicht hinderlich gewesen wäre, aber ich habe noch nie eine dermassen agile Show von Hardcore Superstar gesehen. Es war wie der berühmte Schlag ins Gesicht. HAMMER! Dass Jocke ausserdem zu einem Sprung ansetzte und dabei fast im Schlagzeug landete, war nur einer der unzähligen Situationskomiken an diesem Abend. Schlagzeuger Adde quittierte dies mit einem breiten Grinsen und verdrosch sein Arbeitswerkzeug mit einer unglaublichen Power. Der Gute erinnerte dabei immer wieder an Tommy Lee (Mötley Crüe). Gitarrist Vic solierte, riffte sich gekonnt durch den Set und man sah es ihm an, wie auch Bassist Martin, dass der Spass an diesem Abend gross geschrieben wurde. Dieser Fun-Faktor übertrug sich von der ersten Sekunde ins Publikum und so entwickelte sich eine sagenumwobene Partynacht. Und dies nicht nur weil Jocke plötzlich auf den Schuhen von Martin stand und dieser sich nicht mehr von der Stelle rühren konnte. «Make some fucking noise! We're back in Switzerland!»

Die Backingvocals kamen von der kompletten Band und brachten den Liedern einen richtig geilen Strassencharakter ein. Mit der akustischen Version von «Standin' On The Verge» (nur Gitarre und Gesang) entwickelte sich ein packender Gänsehautmoment im Mini-Z7. Alleine die gesangliche Leistung von Jocke stellte fast jeden Rock-Shouter in die Ecke. Diese Vibrationen in der Stimme, gepaart mit einer unglaublichen Dramatik und Feinfühligkeit, suchen in der heutigen Zeit Ihresgleichen und kann nur noch mit den alten Helden verglichen werden. «Have you a good time, Switzerland?» Was für eine Frage, die Frauenwelt lag der Band zu Füssen und die Männerwelt rockte sich den Schädel ab. HCSS verliessen nach «Don't Mean Shit» die Bühne, um dann aber noch für fünf Zugaben zurück zu kommen. Und die hatten es wahrlich in sich!!! Zuerst röchelte sich Jocke mit einem unter die Haut gehenden Schweinegesang durch «Hateful». «I can't fucking hear you!» Die letzten Reserven wurden gefordert! «That's the last call for everything!» Mit «Last Call For Alcohol», dem Überhit «We Don't Celebrate Sundays» («Next song is about a day we all hat!») und «Above The Law» («Give me a little finger! Fuck the law») folgte ein Dreiergespann, welches den Rest von Band und Publikum abforderte. Dass bei «Above The Law» einmal mehr das Schlagzeug vom Roadie abgebaut wird, hat sich mittlerweile als typischer Gag etabliert. HCSS überliessen nichts dem Zufall, verausgabten sich völlig, ob nun 20 oder 20'000 Fans in der Halle stehen und vollbrachten einen Gig, der an Intensivität nicht zu überbieten war. Die Schweden haben definitiv das Potenzial, in ein paar Jahren zu den ganz Grossen zu gehören!

Setliste: «Sadistic Girl» - «Guestlist» - «Touch The Sky» - «Medicate Me» - «Bully» - «Wild Boys» - «Dreamin' In A Casket» - «Into Debauchery» - «Standin' On The Verge (Acoustic)» - «Don't Mean Shit» -- «Hateful» - «Moonshine» - «Last Call For Alcohol» - «We Don't Celebrate Sundays» - «Above The Law».