Das Jahr 2018 war ja gewiss nicht arm an Konzerten und Fans
aller Genres kamen somit voll auf ihre Kosten. Die Fraktion der
Schweizer Melodic Hardrock Freaks bekam nun quasi als Sahnehäubchen
noch einen Nachschlag der Extraklasse obendrauf spendiert. Eine der
mittlerweile doch zahlreichen Bastionen in dieser Stilecke sind
H.E.A.T, und auch wenn das aktuelle Langeisen «Into The Great
Unknown» (2017) für geteilte Meinungen sorgte, ist die Dichte der
bis hierhin vorhandenen Hammer-Songs gross genug, um auf der Bühne
jederzeit kraftvoll zurückschlagen zu können. Die Energie, die die
Schweden um ihren quirligen und nimmermüden Sänger Erik Grönwall
frei zu setzen vermögen, ist beispiellos. Mit dabei auf der Tour
waren zu meiner persönlichen Freude die Finnen von One Desire, die
vor dem heiss erwarteten neuen Album im nächsten Jahr immer noch von
ihrem brillanten Debüt-Werk zehren können und dies schon beim
diesjährigen "ICE ROCK"-Festival unter Beweis stellten. Die dritte
Band im Bunde waren Shiraz Lane, die eigentlich fast alles besitzen,
um durchstarten zu können. Ob und wie sie das auf der Bühne umsetzen
konnten, steht in den folgenden Zeilen.
Shiraz Lane
Wenn jeweils drei Bands an einem Abend spielen, und das geht ja
schon einige Jahre so, muss man rechtzeitig aufkreuzen, um alles mit
zu kriegen. Dass dies bei Weitem nicht alle Leute beherzigen, zeigte
sich am um diese Zeit einmal mehr sehr dürftigen Aufmarsch an
Publikum. Nichtsdestotrotz stiegen die Finnen aus Vantaa pünktlich
um 19:30 Uhr auf die Bühne und legten los. Schon nur von der Optik
her deuteten die Jungs an, dass sie sehr überzeugt sind von dem, was
sie machen. Die Mädels in der ersten Reihe waren somit von Beginn
weg aufgeregt wie am Schmachten, und kaum liess Frontmann Hannes
Kett seine schneidige Gesangsstimme erklingen, die markant an Robert
Fleischmann (Vinnie Vincent Invasion) oder Dave King (Ex-Fastway,
Ex-Katmandu) erinnerte, spitzte der Rezensent seine Ohren noch im
Fotograben stehend. Danach mischte ich mich unter die Leute und
verfolgte den weiteren Verlauf des Auftrittes der ersten
Support-Band des Abends. Das Gebotene war unbestreitbar auf einem
hohen Level und klang zeitweise nach den alten Mötley Crüe und die
öffentlich verkündeten Roots von Guns n' Roses, Aerosmith und Skid
Row waren ebenso auszumachen. Das Problem des insgesamt gut
40-minütigen Auftrittes lag letztlich aber am Songwriting der
Nordländer.
Obwohl
alles sehr professionell dargeboten wurde und vor allem Bassist Joel
Alex Rockstar-Appeal ohne Ende versprühte, kickten die Songs
zumindest auf der Bühne nicht wirklich. Auf den Studioalben,
respektive vor der heimischen Anlage, entfalten sich zum Beispiel
die funkigen, bluesigen und fluffigen Parts weitaus besser.
Vielleicht lag es an den ausgewählten Songs, da sechs der sieben
neue Kreationen waren. Heute Abend fehlten einfach griffige
Melody-Lines mit Wieder-haken Qualitäten. Ein einzelner echter
Hit-Song hätte ausgereicht, um die Gesamtbilanz positiv
aufzupolieren. Dennoch verstanden es Shiraz Lane bestens, die Fans
abzuholen und interaktiv einzubinden. Man stelle sich nur mal vor,
was diese Band während dem Aufbruch der 80er und mit entsprechend
besserem Material hätte reissen können. Auf längere Sicht nützt es
so aber nichts, das Lob von Kollegen einzuheimsen und zum Beispiel
schon mal in Wacken gespielt zu haben. Ich mag vielleicht falsch
liegen, aber wir werden ja sehen, was die kommenden Jahre für diese
Truppe noch bringen werden. Meine (Live-) Skepsis bleibt vorerst
bestehen. Ab Konserve sieht es mit fortwährendem Anhören der beiden
bisherigen full lenght Alben «For Crying Out Loud» (2016) und
«Carnival Days» (2018) allerdings zunehmend anders aus.
Setliste: «Carnival Days» - «The Crown» - «Tidal Wave» - «Mental
Slavery» - «Reincarnation» - «Harder To Breathe» - «People Like Us».
One Desire
Ich gebe es offen zu, dass ich am heutigen Abend gemütsmässig
eigentlich nur wegen One Desire anwesend sein wollte! Das soll jetzt
nicht als Seitenhieb gegen den Headliner verstanden werden, aber es
gibt einfach Combos, die genau das bringen, was mich schon beim
ersten Kontakt mit deren Musik flasht und nachher nie mehr loslassen
wird. Bei One Desire sind das vorneweg natürlich die Smashers «Hurt»
und «Apologize». Dessen ansteckende Melody-Lines fressen sich wie
ein Virus in die Hirnwindungen und sorgen dort umgehend für das
Auslösen chemischer Prozesse. Dies geht einher mit Glücksgefühlen
und dem spürbaren Drang, die prägnanten Refrains lauthals nachsingen
zu wollen. Dass dies nicht jeden Hardrock-Fan gleichermassen
berührt, liegt dabei ebenso auf der Hand. Ich für meinen Teil setze
aktuell sehr grosse Hoffnungen in diese Band und darum, wie man
untenstehend der Setliste entnehmen kann, ging das Ding gleich von
null auf hundert los. Was danach folgte, war Kür und Pflicht
zugleich, nämlich das Zelebrieren des fast vollständigen
Debüt-Albums. Nicht weniger als acht der zehn der regulären Songs
zeigten anschliessend unmissverständlich auf, wo der Bartli
(Deutsch: Bartel) den Most holt. Im Gegensatz zu Shiraz Lane vorher
vermochten One Desire mit jedem Song doppelt zu punkten, und wenn
man bedenkt, dass «Straight Through The Heart» und «Do You Believe»
gar ausgelassen wurden, ist der Unterschied schlicht eklatant.
Handwerklich sind freilich keine Unterschiede auszumachen, aber die
Technik alleine reicht meist nicht aus, um das gleiche Resultat zu
generieren und gekonntes Posing ebenso wenig.
Was
bei André Linman (v/g), Jimmy Westerlund (g/v), Jonas Kuhlberg (b/v)
und Ossi Sivula (d) mitunter den Unterschied ausmacht, sind die für
diesen Sound unabdingbaren Backing Vocals, die, wenn sie so kommen
wie sie müssen, eben das Gelbe vom Ei sind. Dazu kommt noch ein
entscheidender Faktor mehr, denn in der Stilecke des melodischen
Hardrocks sind mehrheitlich dezent eingesetzte Keyboards wie
Synthies Pflicht, und wenn hierzu mindestens ein live spielender
Gastmusiker aufgeboten wird, gehts nicht mehr besser. Des Weiteren
entlockte Gitarrist Jimmy seiner Klampfe einige megaflinke Soli und
riffte kongenial mit Frontmann André zusammen. Der Sound hierbei war
ganz ordentlich abgemischt, was aber letztlich immer eine Frage des
Standortes ist. Da ich mich schön in der Mitte platzierte, klang es
fülliger als irgendwo auf der Seite, und da jeder einzelne performte
Song über einprägsame Melodien verfügte, war der gut 50-minütige
Auftritt von One Desire, zumindest für meine Begriffe, nahezu
perfekt. Optisch untermalt wurde das Ganze einmal mehr durch fettes
Hauslicht der Marke Z7. Mit «Buried Alive» wurde schliesslich ein
rasanter Rausschmeisser gewählt, der locker auf dem Niveau der
Pretty Maids lag, und man darf nun wirklich gespannt sein, was die
Finnen im nächsten Jahr mit ihrem zweiten Album am Start haben
werden. Die Zeichen stehen hier eindeutig auf "Sturm", was eh gut zu
Frontmann Andrè passt, der ja bekanntlich mal in einer Combo namens
"Sturm & Drang" unterwegs war. 2019 könnte somit das Jahr der
Nordländer werden und den Genre-Fans womöglich das Album des Jahres
bescheren!
Setliste: «Hurt» - «Turn Back Time» - «Apologize»
- «This Is Where the Heartbreak Begins» - «Love Injection» -
«Falling Apart» - «Whenever I'm Dreaming» - «Buried Alive».
H.E.A.T
Sofern eine verächtliche Gleichgültigkeit von mir Besitz ergriffen
hätte, wäre ich an dieser Stelle bereits auf dem Heimweg gewesen und
der Livebericht hier zu Ende. Das lag durchaus im Bereich des
Möglichen, denn H.E.A.T habe ich in den letzten Jahren mittlerweile
doch ein paar Mal live gesehen, inklusive am "Sweden Rock"-Festival.
Ein paar meiner fotographierenden Kollegen entfernen sich, je
nachdem, jeweils oft nach den ersten drei Songs vom Ort des
Geschehens, was aber verschiedene Gründe aufweisen kann. Dies heute
Abend auch zu tun, wäre jedoch, wie sich noch heraus stellen sollte,
ein ziemlich grober Fehler gewesen! Die Schweden haben sich in den
letzten Jahren nicht nur wegen ihren tollen Alben einen Namen
gemacht, sondern sind quasi die "Airbourne"-Version des Melodic
Rock! Ihre energetischen Shows sind, wie bei den Australiern, längst
zum Markenzeichen avanciert. Im Zentrum des Geschehens steht dabei
stets Tausendsassa, Zappelphilipp und Fotographen-Schreck Erik
Grönwall. Wenn der schlaksige Frontmann, meist mit einem fetten
Grinsen im Gesicht, auf die Bühne kommt, legt er, bildlich
gesprochen, den Schalter um und explodiert dabei fast. Auf der voran
gegangenen Tour zum 2014er Album «Tearing Down The Walls» wurde dies
damals mit dem Album-Opener «Point Of No Return» (inklusive dem
Intro) absolut perfekt umgesetzt! Besser kann man eine Show nicht
beginnen, und darum konnte hier «Bastard Of Society», ein neuer wie
gleichzeitig der erste Song des aktuellen Longplayers «Into The
Great Unknown», nicht paroli bieten. Dennoch vermochten die ersten
vier Songs, nota bene alle von unterschiedlichen Alben, die Lunte
der bevorstehenden Sound-Bombe locker in Brand zu setzen. Der
Ohrwurm «Emergency» markierte dabei den ersten von insgesamt sechs
Tracks ab «Tearing Down…», gefolgt von insgesamt fünf Vertretern ab
«Address The Nation».
Somit
landete «Into The Great…» mit nur drei Treffern auf dem
Bronze-Platz. Das ist in meinem Augen aussagekräftig genug, was die
Qualität des jüngsten Materials angeht. Nichtsdestotrotz liessen
H.E.A.T hier absolut nichts anbrennen und zeigten einmal mehr auf,
dass sich eigentlich nur die Kollegen von Eclipse auf Augenhöhe
befinden. Und obwohl natürlich die ganze Band immer am Rackern ist,
zieht natürlich Frontkasper Erik, als einer der hibbeligsten Sänger
der Szene, stets die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Der Typ ist
unablässig in Bewegung und dirigiert unangefochten das Geschehen auf
der Bühne. Er scheint wie unter Dauerstrom zu stehen, und es bleibt
dabei schwer zu hoffen, dass dies nicht aufgrund von künstlichen
Aufputschmitteln so ist. Während «Living On The Run» verspürte Mr.
Grönwall dann den Drang, sich unter die paar Hundertschaften im
vielleicht zu etwa einem Drittel gefüllten Z7 zu mischen und mächtig
Reibach zu veranstalten. Dem nicht genug, folgte zu «Beg Beg Beg»
die Eroberung der Hauptbar mittels Crowdsurfing und AC/DCs Classic
«Whole Lotta Rosie» als Intermezzo. Was für ein verrückter Kerl, der
sich mitunter auch noch eine Schweden-Fahne der ersten Reihe auslieh
und komplett in seinen Bund stopfte…, na ja. Ein Moment der Ruhe
kehrte erst mit der von Erik akustisch gespielten Ballade «Laughing
At Tomorrow» ein, die so fast noch besser als die Originalversion
rüber kam. Nach «There For You» vom Debüt wurden die Kanonen für die
Schlussoffensive geladen, und das waren letztlich, inklusiver zweier
Zugaben…, richtig geraten…, nur noch Songs von «Tearing…», dem
bisher klar besten Werk der Schweden. Hierzu kochte die Stimmung
nochmals richtig hoch, und für die Zukunft muss das Songwriting
qualitativ wieder anziehen, damit der andere Erik (Mårtensson) und
seine Jungs von Eclipse nicht davon ziehen. Solange die Live-Shows
von H.E.A.T aber noch auf diesem Niveau abgezogen werden, liegt
alles im grünen Bereich.
Setliste: «Bastard Of Society» -
«Breaking The Silence» - «Danger Road» - «Emergency» - «Shit City» -
«Downtown» - «In And Out Af Trouble» - «It's All About Tonight» -
«Living On The Run» - «Beg Beg Beg» - «Laughing At Tomorrow» -
«Redefined» - «There For You» - «Mannequin Show» - «Tearing Down The
Walls» -- «Point Of No Return» - «A Shot At Redemption».
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