Livereview: Heathen - Contorsion
05. Mai 2010, Aarau - Kiff
By Kissi (kis) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave
Ein Blick in unsere Konzertagenda zeigt: Konzerttechnisch sind wir Schweizer Headbanger gesegnet. Keine Woche, in der nicht ein internationaler Act eine Bühne beackert, sei es ein umjubelter Newcomer im kleinen Club, Kultformationen im Szenelokal oder schwergewichtige Nummern in Hallen, Stadien oder Festivals. Sogar grosse Namen wie Saxon, Slayer, Motörhead, Metallica oder Iron Maiden machen regelmässig Halt bei uns und manch einer fragt sich nach dem drölfzigsten Mal, ob er dafür überhaupt noch Geld ausgeben soll. Ganz anders verhält sich die Sache mit Heathen. Die legendären, melodiösen Thrasher um Griffbrettheide Lee Altus (ansonsten auch zusammen mit Gary Holt bei Exodus als Klampfenduo unterwegs) sind nämlich alles andere als fleissige Konzertgeber. Seit Jahren, bzw. Jahrzehnten nicht mehr auf helvetischem Boden gespielt, zögerte der Fünfer die Sache noch weiter hinaus, als die für März geplante Tournee in den Mai verlegt wurde. Umso mehr schmerzte dies, da Heathen Anfang des Jahres mit «Evolution Of Chaos» ein alle Erwartungen überflügelndes Comeback-Werk vorlegten, dessen Songs nur darauf warteten, mit voller Wucht live auf die Heiden-Fanschaft nieder zu prasseln. (kis)

Contorsion

Bevor es jedoch soweit war, stand aber noch einheimisches Geriffe auf dem Programm. Zwar 2004 gegründet, enterten die Aargauer um den röhrenden Marc Toretti (u.a. Bloody Horseface, Ex-Lunatica) erst 2007 die Schweizer Bühnen und können in der Zwischenzeit mit Support-Slots für Cataract, Gurd oder One Man Army And The Undead Quartet schon Einiges vorzeigen. Mit Orchester und unheilvollem Gebrabbel von George W. Bush leitete das Quintett seinen Gig im Aarauer Kiff ein. Während die Gitarrenfraktion, vielleicht auch wegen des ziemlich dürren, dünnen Sounds, zu Beginn noch etwas verhalten wirkte, übernahm Toretti bangend sogleich die Führung. Melodien schienen den Seetalern dabei weniger wichtig als wuchtige Riffs zu sein, was live noch besser funktionierte als auf dem dieses Jahr erschienenen Debüt «Solace Through Lies». Während der Sound zu «Drown Me», «The Contract» oder «Audit Terror» nicht wirklich einen Fortschritt machte (zu lautes Drum, zu leise Gitarren), tauten sowohl das Publikum als auch Klampfer Sime Freiburghaus langsam auf und übertönten so auch die eine oder andere Unstimmigkeit bei den Übergängen. Mit «Thrash Metal Domination» brachte man schliesslich noch eine echte Thrash-Hymne zum Mitsingen und schaffte so einen gelungenen, versöhnlich stimmenden Abschluss einer soundtechnisch sonst eher mageren, performancemässig aber souveränen Show. (kis)

Setliste: «Insane» - «Highway To The Doom» - «Witchhunt» - «Drowning» - «The Contract» - «Audit Terror» - «Cold Blooded» - «Thrash Metal Domination».

Heathen
Diese amerikanische Thrash-Ikone wird der zweiten Welle des so genannten Bay Area Thrash zugerechnet und trägt im Wesentlichen die Züge von Gründer/Gitarrist Lee Altus, den man womöglich eher als Mitglied von Exodus kennt und Sänger David White, dessen Anfänge mit Heathen nun genau 25 Jahre zurück liegen. Die letzt genannte Band gehört hingegen, wie zum Beispiel Testament oder Death Angel ebenso, entsprechend zu den Thrashern der ersten Stunde. Die Geschichte von Heathen, die seit der Gründung von 1984 bis hin zum brandneuen Album «The Evolution Of Chaos» insgesamt nur vier Alben raus gebracht haben, geht einher mit einigen Lineup-Wechseln im Verlauf der Jahre. Bei der Recherche tauchten dann plötzlich Namen wie unter anderem Ira Black (g) oder Thaen Rasmussen (g) auf, die ja beide, nebst in einigen anderen Combos, auch mal in Lohn und Brot von Geoff Thorpe's Vicious Rumors standen. Das Debüt-Album «Breaking The Silence» von 1987 verkaufte sich dank dem ausgekoppelten Cover «Set Me Free» der unvergessenen The Sweet und entsprechendem Airplay bei MTV nicht weniger als 100'000 Mal! 1991, mit dem zweiten Album «Victims Of Deception, ging man als Support von Sepultura auf Tour. Bedingt durch den Unfalltod des damaligen Bassisten Randy Laire kam dann Sand ins Getriebe und es sollte einige Jahre dauern, bis die heutige Formation dem Namen Heathen wieder richtig Leben einhauchen konnte.

Die nicht wenigen Besucher des Kiffs deuteten unmissverständlich an, dass es selbst in der kleinen Schweiz einige Fans gibt, die sich diesen Auftritt um keinen Preis der Welt hätten entgehen lassen wollen. Und so enterten die nicht mehr ganz so jungen Musiker die Bühne und zündeten sogleich ein Thrash-Feuerwerk der Extraklasse, das sich gewaschen hatte. Man merkte den Klassenunterschied zu Contorsion nicht in eklatanter Art und Weise, aber dennoch deutlich. Der Druck, der auf der Bühne erzeugt und in die Menge geschleudert wurde, war immens! Auf den stilistischen Spuren und Pfaden von Exodus spielten sich die nicht mehr ganz so taufrischen Jungs in einen wahren Rausch und lieferten dem teils pogenden Mob eine exzellente Show ab. So und nicht anders muss zeitgemässer Thrash mit ruhmreicher Vergangenheit vorgetragen werden! Wenn man dann auch noch superbes, neues Material in Form des hoch gelobten «The Evolution Of Chaos» Albums mit im Gepäck hat, kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen. Dieser Meinung waren am Schluss ziemlich oder fast alle Besucher, die diesen heftigen 90 Minuten nur Positives abgewinnen konnten. Vor allem die tolle Abstimmung aller Musiker untereinander und die daraus resultierende, kompakte Soundwalze liessen keinen Stein auf dem anderen..., einfach genial! Wer indes meinte, das thrashiges Geknüppel nicht hochstehend sein kann, wurde heute Abend klar eines Besseren belehrt! Thrash 'til death!! (rsl)

Setliste: «Intro» - «Dying Season» - «Control By Chaos» - Fade Away» - «Mercy Is No Virtue» - «Goblin's Blade» - «Opiate Of The Masses» - «Arrows Of Agony» - «Bloodkult» - «Death By Hanging» -- «Open The Grave/Into» - «Hypnotized».