Ein Blick in unsere Konzertagenda zeigt: Konzerttechnisch sind
wir Schweizer Headbanger gesegnet. Keine Woche, in der nicht ein
internationaler Act eine Bühne beackert, sei es ein umjubelter
Newcomer im kleinen Club, Kultformationen im Szenelokal oder
schwergewichtige Nummern in Hallen, Stadien oder Festivals. Sogar
grosse Namen wie Saxon, Slayer, Motörhead, Metallica oder Iron
Maiden machen regelmässig Halt bei uns und manch einer fragt sich
nach dem drölfzigsten Mal, ob er dafür überhaupt noch Geld ausgeben
soll. Ganz anders verhält sich die Sache mit Heathen. Die
legendären, melodiösen Thrasher um Griffbrettheide Lee Altus
(ansonsten auch zusammen mit Gary Holt bei Exodus als Klampfenduo
unterwegs) sind nämlich alles andere als fleissige Konzertgeber.
Seit Jahren, bzw. Jahrzehnten nicht mehr auf helvetischem Boden
gespielt, zögerte der Fünfer die Sache noch weiter hinaus, als die
für März geplante Tournee in den Mai verlegt wurde. Umso mehr
schmerzte dies, da Heathen Anfang des Jahres mit «Evolution Of
Chaos» ein alle Erwartungen überflügelndes Comeback-Werk vorlegten,
dessen Songs nur darauf warteten, mit voller Wucht live auf die
Heiden-Fanschaft nieder zu prasseln. (kis)
Contorsion
Bevor es jedoch soweit war, stand aber noch einheimisches Geriffe
auf dem Programm. Zwar 2004 gegründet, enterten die Aargauer um den
röhrenden Marc Toretti (u.a. Bloody Horseface, Ex-Lunatica) erst
2007 die Schweizer Bühnen und können in der
Zwischenzeit mit Support-Slots für Cataract, Gurd oder One Man Army And The Undead
Quartet schon Einiges vorzeigen. Mit Orchester und unheilvollem
Gebrabbel von George W. Bush leitete das Quintett seinen Gig im
Aarauer Kiff ein. Während die Gitarrenfraktion, vielleicht auch
wegen des ziemlich dürren, dünnen Sounds, zu Beginn noch etwas
verhalten wirkte, übernahm Toretti bangend sogleich die Führung.
Melodien schienen den Seetalern dabei weniger wichtig als wuchtige
Riffs zu sein, was live noch besser funktionierte als auf dem dieses
Jahr erschienenen Debüt «Solace Through Lies». Während der Sound zu
«Drown Me», «The Contract» oder «Audit Terror» nicht wirklich einen
Fortschritt machte (zu lautes Drum, zu leise Gitarren), tauten
sowohl das Publikum als auch Klampfer Sime Freiburghaus langsam auf
und übertönten so auch die eine oder andere Unstimmigkeit bei den
Übergängen. Mit «Thrash Metal Domination» brachte man schliesslich
noch eine echte Thrash-Hymne zum Mitsingen und schaffte so einen
gelungenen, versöhnlich stimmenden Abschluss einer soundtechnisch
sonst eher mageren, performancemässig aber souveränen Show. (kis)
Setliste: «Insane» - «Highway To The Doom» - «Witchhunt» - «Drowning»
- «The Contract» - «Audit Terror» - «Cold Blooded» - «Thrash Metal
Domination».
Heathen
Diese amerikanische Thrash-Ikone wird der zweiten Welle des so
genannten Bay Area Thrash zugerechnet und trägt im Wesentlichen die
Züge von Gründer/Gitarrist Lee Altus, den man womöglich eher als
Mitglied von Exodus kennt und Sänger David White, dessen Anfänge mit
Heathen nun genau 25 Jahre zurück liegen. Die letzt genannte Band
gehört hingegen, wie zum Beispiel Testament oder Death Angel ebenso,
entsprechend zu den Thrashern der ersten Stunde. Die Geschichte von
Heathen, die seit der Gründung von 1984 bis hin zum brandneuen Album
«The Evolution Of Chaos» insgesamt nur vier Alben raus gebracht
haben, geht einher mit einigen Lineup-Wechseln im Verlauf der Jahre.
Bei der Recherche tauchten dann plötzlich Namen wie unter anderem
Ira Black (g) oder Thaen Rasmussen (g) auf, die ja beide, nebst in
einigen anderen Combos, auch mal in Lohn und Brot von Geoff Thorpe's
Vicious Rumors standen. Das Debüt-Album «Breaking The Silence» von
1987 verkaufte sich dank dem ausgekoppelten Cover «Set Me Free» der
unvergessenen The Sweet und entsprechendem Airplay bei MTV nicht
weniger als
100'000 Mal! 1991, mit dem zweiten Album «Victims Of
Deception, ging man als Support von Sepultura auf Tour. Bedingt
durch den Unfalltod des damaligen Bassisten Randy Laire kam dann
Sand ins Getriebe und es sollte einige Jahre dauern, bis die heutige
Formation dem Namen Heathen wieder richtig Leben einhauchen konnte.
Die nicht wenigen Besucher des Kiffs deuteten unmissverständlich an,
dass es selbst in der kleinen Schweiz einige Fans gibt, die sich
diesen Auftritt um keinen Preis der Welt hätten entgehen lassen
wollen. Und so enterten die nicht mehr ganz so jungen Musiker die
Bühne und zündeten sogleich ein Thrash-Feuerwerk der Extraklasse,
das sich gewaschen hatte. Man merkte den Klassenunterschied zu
Contorsion nicht in eklatanter Art und Weise, aber dennoch deutlich.
Der Druck, der auf der Bühne erzeugt und in die Menge geschleudert
wurde, war immens! Auf den stilistischen Spuren und Pfaden von
Exodus spielten sich die nicht mehr ganz so taufrischen Jungs in
einen wahren Rausch und lieferten dem teils pogenden Mob eine
exzellente Show ab. So und nicht anders muss zeitgemässer Thrash mit
ruhmreicher Vergangenheit vorgetragen werden! Wenn man dann auch
noch superbes, neues Material in Form des hoch gelobten «The
Evolution Of Chaos» Albums mit im Gepäck hat, kann ja eigentlich
nichts mehr schief gehen. Dieser Meinung waren am Schluss ziemlich
oder fast alle Besucher, die diesen heftigen 90 Minuten nur
Positives abgewinnen konnten. Vor allem die tolle Abstimmung aller
Musiker untereinander und die daraus resultierende, kompakte
Soundwalze liessen keinen Stein auf dem anderen..., einfach genial!
Wer indes meinte, das thrashiges Geknüppel nicht hochstehend sein
kann, wurde heute Abend klar eines Besseren belehrt! Thrash 'til
death!! (rsl)
Setliste: «Intro» - «Dying Season» - «Control By Chaos» - Fade Away»
- «Mercy Is No Virtue» - «Goblin's Blade» - «Opiate Of The Masses» -
«Arrows Of Agony» - «Bloodkult» - «Death By Hanging» -- «Open The
Grave/Into» - «Hypnotized».
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