Ronnie James Dio, Tony Iommi, Geezer Butler und Vinny Appice - es
gilt, einen Moment inne zu halten, nur um sich die Namen auf der
Zunge zergehen zu lassen. Die legendäre Black Sabbath-Besetzung
‚Mark II’, welche verantwortlich für Meilensteine wie „Heaven And
Hell“, „Mob Rules“ und „Dehumanizer“ ist, nach 15 Jahren wieder
vereint; es war die vielleicht vielbeachtetste Wiederauferstehung
des Metals im Jahre 2007, was in einer Zeit, in welcher Reunions und
Comebacks zum täglichen Geschäft im Musikbusiness (und mit
Kufenprinzessin Lambiel und Brummbrumm-Schumi auch im Sport)
gehören, schon etwas heissen will.
Vor zwei Jahren startete man unter dem neuen Namen Heaven & Hell zu
einer ausgedehnten Welttournee, welche als nichts anderes als einen
Siegeszug bezeichnet werden kann. So führte eines zum anderen, und
im Frühling dieses Jahres bretterte er dann ins Haus, „The Devil You
Know“, der vierte, tonnenschwere Tonbrocken des kongenialen Duos
Iommi/Dio. Dass zu einem neuen Album eine ausgewachsene Tour gehört,
wissen die beiden Ikonen der verzerrten Gitarrenmusik natürlich,
zelebrierten die Herren doch schon Heavy Metal, bevor es diese
Bezeichnung überhaupt gab. So begab man sich auch anno 2009 also
wieder auf grosse Konzertreise, und was wäre eine Welttournee denn,
würde man nicht auch mindestens einmal in der kleinen, aber reichen
Schweiz gastieren? Klein, aber reich, das galt dann wohl auch als
Motto für den Abend: Erkennbar unter ‚ausverkauft’ zeigte sich das
Zürcher Volkshaus doch in der lauen Juni-Nacht, was wohl nicht
zuletzt an den unverschämten Eintrittspreisen von fast 70 Eiern lag
- ohne Support-Act, wohlverstanden. Damit wäre das Gemecker dann
aber schon weitestgehend abgehakt, denn der Rezensent kann sich ab
dieser Stelle nicht erwehren, einen (fast) lupenreinen Lobgesang auf
Iommi und seine Mannen anzustimmen.
Heaven & Hell
Das Licht ging aus, und auch wenn wie schon erwähnt das Volkshaus
zwar gut, aber bei weitem nicht voll besetzt war, erklangen sogleich
die ersten ungeduldigen Chöre. Dabei schrie man mal nach Dio, dann
wieder nach Iommi, Sabbath und letztlich auch mal nach Heaven &
Hell. Bei solchen Namen wäre ein Bandname ja eigentlich wirklich
nicht nötig. Mit dem sphärischen Intro „E5150“, welches seit
spätestens 1982 wohl jede Show dieses Sabbath-Line Ups eröffnete,
begann dann das metallische Spektakel mit antikem Jahrgang. „Mob
Rules“, „Children Of The Sea“ und „I“ - fantastischer hätte man ins
Set nicht starten können. Und auch nicht lauter: Nicht nur, dass
Muskelprotz und Prügelmeister Vinny Appice sein einer Kugel
gleichendes Rundum-Drum beinahe auseinandertrommelte, nein, auch
alles andere war laut wie Sau. Insbesondere, wenn Mr. Metal Iommi
persönlich zu seinen kreischenden Soli ansetzte, steigerte sich der
Dezibelpegel ins Unermessliche, und, obwohl keine Belege dafür
existieren, mit ziemlicher Sicherheit über die in der Schweiz
tolerierten 100dB. Es schien fast schon, als müsse der in schwarzes
Leder gehüllte Brite klarmachen, wer denn eben diese Musik, die wir
alle lieben, vor fast 40 Jahren erfunden hatte. Dass sowohl Iommi
als auch sein tieftönender Weggefährte Geezer Butler während der
ganzen Show sich kaum vom Fleck bewegten, war abzusehen und störte
deswegen auch kaum.
Zentrum der Aufmerksamkeit schien sowieso ein anderer: Mit seinen
über 60 Jahren vermochte es Ronnie James Dio, der kleine, immer
runzliger bzw. knochiger werdende Mann mit der immer noch grossen
Stimme, nämlich immer noch, das Publikum dramatisch gestikulierend
in seinen Bann zu ziehen. Unterstützt wurde er dabei von einer
imposanten Licht- und Bühnenshow: Von einem die ganze Rückwand
überspannenden Backdrop im Metallplatten- und Nietenlook prangte
über der Schiessbude von Appice ein Bildschirm, auf welchem mal
mehr, mal weniger schaurige Videos und Bilder die epischen Songs von
Heaven & Hell richtig in Szene setzten, dazu natürlich die stimmende
Beleuchtung. So auch bei „Bible Black“, der Single des neuen Götter-
bzw. Teufelswerks „The Devil You Know“. Die Bühne in blutrotes Licht
getaucht, peitschten Dämonen Sklaven aus, während der Fürst der
Finsternis dem Volkshaus leibhaftig die Zähne bzw. die
Riesenschlange in seinem Mund entgegenfletschte. Ohne weiteres
konnte sich der Song so in den Reigen alter Klassiker einreihen.
Anders verhielt es sich mit da mit dem nachfolgenden „Time Machine“.
Es ist ja löblich, dass das Quartett sich getraute, auch einen
weniger bekannten Track ins Set einzubauen, doch musste es gerade
diese Nummer sein? Man könnte behaupten, dass Dio und Iommi zusammen
nie einen schlechten Song geschrieben haben, doch auch dann noch ist
„Time Machine“ von „Dehumanizer“ die wohl langweiligste und
unbedeutendste Nummer der ganzen Bandgeschichte, der damit
einhergehende Stimmungsabfall bestätigte dies.
Beim darauf folgenden Drumsolo Appices, welches zwar die
beeidruckende Energie dieses Herren zeigte, verhielt es sich nicht
anders, obwohl auch hier höftlich applaudiert wurde. Mit „Fear“, dem
Opener der neuen Platte und „Falling Off The Edge Of The World“
(Gänsehaut pur!) kriegten Heaven & Hell dann aber wieder die Kurve,
und, als hätte es diesen kleinen Dämpfer nie gegeben, feierten die
etwa 1000 Anwesenden wieder munter weiter. Wie sollte man sich der
Magie dieser Nummern voller schwerfälliger Epik auch erwehren? „Follow
The Tears“, der dritte Track von „The Devil You Know“, machte dabei
keine Ausnahme. Dass „Die Young“ danach vollends abdrehen liess, war
vorauszusehen, genauso wie die Mitsing-Chöre während der Metalhymne
schlechthin, „Heaven And Hell“. Beinahe wäre es dem wirklich
enthusiastischen Publikum gelungen, an die unmenschliche Lautstärke
von Iommis Sologitarre heranzukommen. Als das alte Vierergespann
nach einer kurzen Pause dann mit „Country Girl“ von „Mob Rules“
den
Zugabenteil eröffnete, staunte wohl nicht nur ich nicht schlecht,
gab man damit doch eine schon fast vergessene Rockperle zum Besten.
Mit dem fliessenden Übergang zu „Neon Knights“ aber ging dann alles
wieder seinen gewohnten Gang. Doch als der vielleicht schnellste Sabbath-Song überhaupt sein Ende gefunden hatte und Iommi, Dio und
Co. sich ans Verbeugen und Plektren ins Publikum Schmeissen machten,
realisierte man erst, dass nun schon Schicht im Schacht war.
Klar, die vier Herren sind auch nicht mehr die Jüngsten und haben
mit Ausnahme von Appice alle schon eine 6 vorne dran stehen, aber
dennoch: Wo bleiben „Voodoo“, „The Sign Of The Southern Cross“,
„After All“ oder auch neue Nummern wie „Atom & Evil“ oder „Eating
The Cannibals“? Und was ist mit den Songs, die man als Bonus aufs
Best Of-Album schmiss, was ja erst Anlass dieser Reunion war? Noch
einmal ärgerte man sich über das verzichtbare „Time Machine“, doch
angesichts der hervorragenden Leistung, um nicht zu vergessen auch
die Stimmakrobatik Dios, der zwar nicht mehr so hoch wie früher,
aber immer noch eindrücklich sang, verschmerzte man diese
Leerstellen ohne Weiteres. Nicht zuletzt konnte man sich nämlich
ziemlich sicher sein, dass Heaven & Hell nicht allzu schnell den
Löffel abgegeben würden, zeigten sich doch an diesem Abend wirklich
keine Abnutzungserscheinungen geschweige denn Altersschwäche.
Setlist:
„E5150“ – „The Mob Rules“ – „Children Of The Sea“ – „I“ – „Bible
Black“ – „Time Machine“ - Vinny Appice-Drum Solo – „Fear“ – „Falling
Off The Edge Of The World“ – „Follow The Tears“ – „Die Young“ – „Heaven
And Hell“ - - -
„Country Girl“ - „Neon Knights“
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