Ich spüre ihn jetzt schon, den kalten Hauch in meinem Nacken.
Schweissperlen stehen mir auf der Stirn. Aber ich werde tapfer sein,
meine Ritterausrüstung anlegen und hoch erhobenen Hauptes in den
Kampf ziehen. Gut möglich, dass ich es mir mit dieser Review bei
einigen Helloween Anhängern verscherzen werde. Wo doch eigentlich
und grundsätzlich alles so perfekt gewesen ist an diesem Abend. Beim
Z7 hingen schon die Schilder an der Kasse: Heute ausverkauft! Und es
hatte noch genügend Leute vor dem Eingang, die da auch noch rein
wollten. Grosser Andrang also und in der Halle angekommen merkte man
schnell: Bummsvoll! Bomben Stimmung! Grundsätzlich keine grosse
Überraschung bei dem Line-Up. Alle, die also euphorisch vor allem
Helloween gefeiert hatten, konnten sich glücklich schätzen, denn
aufgrund einer Stimmbandentzündung von Andi Deris mussten Anfang
Februar einige Konzerte abgesagt werden. An diesem Abend zeigten
sich leider schon erste Spuren, auch bei allen anderen
Bandmitgliedern des Dreiergespanns...
Pink Cream 69
Andi Deris selbst war in den Jahren 1989 bis 1993 als Frontmann bei
den Pinkies tätig und spielte drei Alben ein, bevor er dann zu
Helloween wechselte. Damals war ich über die Neubesetzung am Gesang
sehr froh gewesen und habe auch dadurch die Band für mich entdeckt.
Der Brite David Readman stieg bei den Karlsruhern ein und überzeugt
mich bis heute besonders bei den live Konzerten mit seinem
kraftvollen Gesang und der sympathischen Erscheinung auf der Bühne.
Seine gesangliche Leistung konnte er über die Jahre hinweg steigern
und wirkte auch bei anderen Projekten ausserhalb Pink Cream 69 mit
(Voodoo Circle, D. Readman Solo, Place Vendome etc.) 2003 wurde die
Band um einen Gitarrist erweitert, der den an Fokale Dystonie
erkrankten Alfred Koffler unterstützt. Hut ab, dass dieser mit
voller Spielfreude und bester Laune sich dadurch nicht unter kriegen
lässt. Die Krankheit ist auch unter dem Namen «Musikerkrampf»
bekannt und es besteht die Gefahr einer lang anhaltenden
Muskelkontraktion. Die Atmosphäre auf der Bühne war gut und die
Jungs konnten das «Full House» anheizen. Mit Highlights wie «Keep
Your Eye On The Twistet» vom «Games People Play» Album oder «Shame»
aus der «Electrified» Scheibe und der fetzigen Darbietung des David
Readman war dies für mich ein gelungener Einstieg in den Abend.
Rockig! Spritzig! Guter Hard Rock Made in Germany!
Stratovarius
Und nochmals wurde es voller. Schulter an Schulter, Kopf an Kopf
versuchte ich mir ein lichtes, kleines Plätzchen zu ergattern.
Fehlanzeige! Erst recht anstrengend wurde es dann, als sich die
grossen Jungs vor mir aufbäumten und ich ständig auf Zehenspitzen von
rechts nach links hin und her tippeln musste, um
wenigstens ab und
an die Bühne zu Gesicht zu bekommen. Zusätzlich zwängten sich im
Minutentakt ununterbrochen Leute an mir vorbei und streiften
Körperteile, die man hier nicht beim Namen nennen kann. Machte mich
fast ein wenig aggressiv. Na ja, das nur so nebenbei. Licht aus und
da sind sie – Stratovarius auch ohne Mastermind Timo Tolkki
unschlagbar, wie wir ja mittlerweile alle wissen. Dies hat man
bereits 2009 mit der Veröffentlichung von «Polaris» bewiesen und mit
«Elysium» setzt man gerade nochmals einen
drauf. Knapp ein Jahr ist es nun her, seit sie das letzte Mal im Z7
zu Besuch gewesen sind. Spannend wie es doch immer wieder weiter
geht, obwohl man denkt, jetzt ist alles vorbei. Das Leben zeigt
einem immer wieder neue Möglichkeiten und Wege auf, man muss dies
nur erkennen. Stratovarius gehen ihren Weg, auch ohne den Herrn
Tolkki. Ich denke das schönste Ereignis des ganzen Abends war es
gewesen, Jörg Michael am Schlagzeug zu sehen. Als er die Bühne
betrat wurde er mit Grölen und Schreien willkommen geheissen. Dass
er so schnell wieder die Schlagstöcke schwingen würde, hat wohl
niemand erwartet. Der an Krebs erkrankte Schlagzeuger war sichtlich
froh, an diesem Abend mit dabei sein zu können. Die Auswahl der Songs
war bunt gemischt: «Hunting High And Low» vom «Infinite»-Album,
«Winter Skies» aus «Polaris»-Zeiten und «Darkest Hours» vom aktuellen
Album «Elysium», um meine Favoriten beim Namen zu nennen. Ein paar
zusätzliche Titel aus der gerade erschienenem Scheibe wären schon
schön gewesen, aber sonst: ein geglückter Auftritt trotz
angeschlagener Stimme.
Helloween
Nun ja, Helloween. Ich muss sagen, ich kam mir vor wie ein
Fremdkörper. Emotional hat es mich wenig bis gar nicht berührt.
Hauptsächlich war ich ja wegen Pink Cream 69 und Stratovarius
gekommen. Keine Frage: Helloween gehören zu den erfolgreichsten Bands
aus Deutschland. Sie konnten sich über viele Jahre hinweg recht weit
oben halten, bzw. konnten auch in schwierigen Zeiten sich nimmer
wieder aufrappeln und mehrmals den Globus rauf und runter, von
rechts nach links touren. Ob jung oder alt – die Fans in Pratteln
waren begeistert und auch wenn Andi die Stimme bereits schon an
diesem Abend aufgrund einer Erkältung nicht ganz oben halten konnte, war
die Atmosphäre wirklich top. Helloween hatten ihr Publikum fest im
Griff und dieses unterstützte den kränkelnden Andi am Gesang
heldenhaft. Er entschuldigte sich mehrmals für den eingefangenen
Virus, der sich nun schon auf alle drei Bands ausgebreitet hatte, wie
er mehrmals erzählte. Sicher darf man so eine Erkältung nicht
unterschätzen, jedoch hat die Performance auf mich recht einstudiert
gewirkt und mich würde es nicht wundern, wenn die gleichen Sprüche
und Einlagen auch bei den anderen Shows 1:1 genau so geboten werden.
Für mich ist Andi Deris glitschig wie ein Aal. Der Auftritt hat
alles gebracht, was man haben muss als Helloween Anhänger: Ein
Schlagzeug-Solo wie schnelle, druckvolle
Gitarrenriffs, ein Medley aus
den Songs «Keeper Of The Seven Keys / King For A 1000 Years / Halloween»,
eine ausgewogene Setliste, aber auch einen Andi Deris, der mit
abgedroschenen, immer wiederkehrenden Floskeln das Publikum antreibt.
Ich bin heute noch auf der Suche nach dem Funken, der bei mir nicht
rüber gesprungen ist. Beim letzten Song der Zugaben, «Dr. Stein», holte
man eine Hand voll Fans auf die Bühne, die als Dr. Stein verkleidet
zwischen den Musikern hin und her tänzelten und aufblasbare Kürbisse
ins Publikum warfen, was noch ganz unterhaltsam gewesen ist.
Setliste: «Are You Metal» - «Eagle Fly Free» - «March Of Time» - «Where The
Sinners Go» - «World Of Fantasy» - «I'm Alive, Forever And One (Neverland)»
- «A Handful Of Pain «Keeper Of The Seven Keys/King For A 1000 Years/Halloween»
- «I Want Out» - «Ride The Sky» - «Future World» - «Dr. Stein».
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