Dass die Tour von Paradise Lost mit HIM sehr viele Leute anziehen
würde, dürfte wohl so ziemlich allen klar gewesen sein. Dass die
Tickets allerdings dermassen schnell weg waren und auch auf den
Band-Pages der entsprechende Eintrag ‚sold out’ bei den
Show-Einträgen zu lesen war, damit hatten wohl die wenigsten
Interessenten gerechnet. Sehr viele Leute fragten vor dem X-Tra nach
Tickets, und nachdem man sich durch Berge von Abfall gewühlt und die
nicht immer kulanten Sicherheitsleute hinter sich gelassen hatte,
stand man vor der Qual der Wahl: Bei der Garderobe oder den WCs
anstehen, extrem überteuertes Merchandising erstehen, sich zu all
den Leuten in die Menge begeben (inklusive vielen Mamis und Papis
der teilweise verdammt jungen Hörerschaft, die definitiv nur wegen
HIM gekommen waren und sehr wahrscheinlich keine Ahnung hatten, dass
es diese ohne den Support-Act gar nicht geben würde), oder sich auf
dem Balkon mehr oder minder gemütlich niederlassen. Letzteres schien
definitiv die beste Wahl zu sein (trotz betrunkenen und unhöflichen
Mitmenschen), und dann ging es ziemlich pünktlich auch schon los…
Paradise Lost
Ohne grossen Firlefanz und mit recht dezenter Lightshow starteten
die Briten ihren Auftritt mit „The Enemy“, und eines muss man gleich
vorneweg sagen: Auch wenn Nick Holmes immer mal wieder Probleme mit
seiner Stimme und dem Treffen von Tönen gehabt haben mag, so war er
an diesem Abend sehr gut bei Stimme, was der Atmosphäre definitiv
einen deutlichen Schub gegeben hat. Greg Mackintosh zu seiner
rechten Seite schien den Auftritt sichtlich zu geniessen, immer
wieder liess er seine Matte kreisen und poste hin und wieder total
locker mit seiner Gitarre, Steve Edmondson und Aaron Aedy
flankierten die linke Seite des Sängers und trieben sich in ihrer
gewohnt souverän-gekonnten Art an, während Jeff Singer hinter der
Schiessbude die Felle verdrosch und leider beinahe kaum zu sehen
war. Nick schien ziemlich gut drauf gewesen zu sein, fragte das
Publikum immer wieder in seiner gewohnt britisch-trockenen Art, in
welcher Stimmung die Leute wären (was von den mehrheitlichen
Metalheads klar mit Klatschen, Pfeifen und Rufen beantwortet wurde)
und gab leider ziemlich unverständliche, da zu leise gemurmelte
Kommentare von sich. Wie üblich sang er teilweise andere Textstücke
oder dichtete einfach spontan neue Zeilen hinzu, was vor allem beim
letzten Song „Say Just Words“ für einiges Schmunzeln meinerseits
gesorgt hat. Generell hat man gemerkt, dass die Puste mit den
letzten Songs ziemlich drauf gegangen war, beim vorletzten Stück „The
Last Time“ gingen gewisse Textstücke komplett verloren, und eben
auch beim letzten Lied ging die Stimme beim Wechsel von der Strophe
zum Refrain deutlich in den Keller. Macht aber im Prinzip gar
nichts, denn Paradise Lost hatten ihr Publikum im Griff und man
merkte deutlich, dass sie die neu gewonnene Aufmerksamkeit mehr als
nur zu schätzen wussten. Die Setlist beinhaltete kaum
Überraschungen, und ein wenig zu meinem Bedauern kamen mehrheitlich
neue Stücke zum Zuge, vor allem „In Requiem“ sowie „Symbol Of Life“
waren die bevorzugten Alben, dazu zwei Stücke vom „One Second“-Album
und eines aus der „Draconian Times“-Ära. Die Auswahl hätte besser
sein können, aber in Anbetracht der doch relativ kurzen Spielzeit
(knapp eine Stunde) war nichts anderes zu erwarten gewesen. Ein
guter Auftritt mit erstarkten Vocals, gekonnt, nicht zwingend
überraschend… dennoch: Jede nachfolgende Band hätte mit extrem
verschärften Konditionen rechnen müssen, und es war eigentlich schon
im Voraus klar, dass der heimliche Main Act im Vorprogramm gespielt
hatte.
Setlist: The Enemy, Ash & Debris, Mystify, No Celebration, Erased,
Requiem, Unreachable, One Second, The Last Time, Say Just Words
Him
Man musste kein Hellseher zu sein, um diese Szene bereits im Voraus
zu erahnen: kreischende Teenies, in Ohnmacht fallende Mädchen und
etwas unsicher wirkende Eltern hatten sich in Zürich eingefunden, um
sich die Finnen von HIM anzuschauen. Von Metal Factory waren drei
Leute anwesend, die das Geschehen vom Balkon aus beobachteten, auf
den sich mehrheitlich die Eltern zurück gezogen hatten, um ihre
Sprösslinge im Auge zu behalten. Und wann immer ein Mädchen in
Ohnmacht fiel, richteten sich gleich mehrere besorgte Augenpaare auf
die Unglückliche - Satire pur! Wie die Show war? Nun ja, bei HIM ist
das immer so eine Sache für sich. Mikko Viljami Lindström, besser
bekannt als Lilly Lazer, war so gut wie eh und je, leistete tolle
Arbeit an der Gitarre und sorgte dafür, dass etwas Bewegung ins Bild
kam. Sein Kumpel Ville Valo jedoch stand die meiste Zeit nur total
unmotiviert am Mikro, leierte teils nur Bruchstücke der Lyrics statt
ganze Sätze herunter und rauchte eine nach der anderen. Zwar machte
das Gerücht die Runde, dass Ville gerade erst krank gewesen war,
doch werden sich gestandene Konzertgänger wohl kaum mit diesem
Argument beschwichtigen lassen. Am Konzert vor vier Jahren war es
nämlich auch nicht viel anders - leider! Man muss der Band jedoch
eingestehen, dass ein paar Songs ganz annehmbar dargebracht wurden,
wie zum Besipiel "Right Here In My Arms", "Wings Of A Butterfly"
oder "Buried Alive By Love". Doch die akzeptable Qualität dieser
paar Stücke erlitt dadurch tiefe Wunden, dass Ville zwischen den
Songs teilweise unverständliche Sätze ins Mikro nuschelte. Sogar das
ehrwürdige "Wicked Game" mutierte mit jeder Zeile mehr und mehr zur
Katastrophe - Chris Isaak würde sich die Haare raufen! Die
vorwiegend minderjährigen Zuschauerinnen schien das nicht zu stören,
denn bei "Join Me" und "Funeral Of Hearts" war das penetrante
Gekreische dermassen laut, dass Elvis sich vor Neid wahrscheinlich
im Grabe umgedreht hat. Trotz des begeisterten Publikums muss etwas
gesagt werden: Man muss kein Hirsch sein, um Teenie-Girlies schwer
zu beeindrucken, da die meisten von ihnen sicher am ersten
HIM-Konzert ihres Lebens waren und nur schon froh waren, ihren Ville
endlich live zu erleben. Konzertkritiker und volljährige Fans jedoch
kann man mit einer dermassen langweiligen und unmotivierten
Darbeitung kaum beeindrucken. Dies gilt vor allem in Anbetracht der
Tatsache, dass Ville bereits an anderen Konzerten gezeigt hat, dass
er ja eigentlich ganz anders könnte, wenn er nur wollte. Viele Fans
werden sich womöglich darüber einig sein, dass man sich HIM besser
per CD gibt, denn in dieser Form stimmt an der Musik einfach alles.
Ansonsten bleibt nur noch zu sagen: Ville Valium - die
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