Die amerikanische Hardrock Band, die Ende der 80er aus Giuffria
heraus entstand, hat seit damals bis zur Gegenwart nur eine
Konstante und die heisst James Christian (v). Der Rest des Lineups
trug im Verlauf der Jahre Namen wie Chuck Wright (b), Ken Mary (d)
und auch Tommy Aldridge (d). Am Anfang produziert von Kiss
Schlabberzunge Gene Simmons, tummelte man sich tatsächlich in den
Top 100 der US-Billboard-Charts. Weitere der frühen Alben wurden von
einer Vielzahl an bekannten Musikerkollegen unterstützt, darunter
auch Paul Stanley (Kiss), Doug Aldrich (Ex-Lion, Ex-Dio, Whitesnake)
und eben auch Fiona Flanagan. Dies war anfangs der 90er und 1992 war
dann erst mal Schluss. Die Reunion zehn Jahre später, begleitet von
ein paar Konzerten in den Staaten, war nur von kurzer Dauer und
eigentlich beginnt der zweite Teil der Geschichte von House Of Lords
mit dem Jahr 2006, als James Christian alle Songrechte erwerben
konnte, ein Deal mit Frontiers Records abgeschlossen wurde und
seither fünf starke Alben erschienen sind. Weil Christian letzten
Herbst die Diagnose Prostata Krebs erhielt, musste die Tour
verschoben werden. Als Support war eigentlich Fiona vorgesehen, die
jetzt zwar auch dabei war, aber nur als Special Guest und mit zwei
ihrer neuen Songs. Als zusätzlicher Gast schloss sich AOR-Ikone
Tommy Denander dem Tross an und stellte mit dem Schweden Vic Heart
einen talentierten Jüngling vor. Schliesslich wartete mit Sandalinas
eine weitere Überraschung auf, wenn auch eine ziemlich ernüchternde!
Tommy Denander / Vic Heart
Dass es überhaupt Support-Acts an diesem Abend zu sehen und hören
gab, war zunächst gar nicht selbstverständlich, denn die über Chef
Roxx weiter geleitete Nachfrage beim Veranstalter und entsprechende
Einträge bei Facebook vermittelten ein anderes Bild! Es hiess kurz
und knapp: keine Support-Band(s)! Gegen 19.30 Uhr in der Galery
angekommen, lärmte es allerdings schon ordentlich und meine
verdutzten bis halb aufgerissenen Augen erspähten Fiona auf der
Bühne, die gerade ihren Soundcheck abhielt. Ich hielt kurz inne und
hoffte schwer, dass ich jetzt nicht gerade was verpasst hatte. Doch
erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! So um 21.00 Uhr
herum betraten Tommy und Vic die Bühne und die meisten Leute fragten
sich dann wohl, was denn jetzt kommen möge. Vic trug eine
Akustik-Gitarre und Tommy kam mit seiner E-Guitar daher. Letzteren
erkannte ich zuerst gar nicht und so fragte ich mich dann, wer denn
wohl dieser sichtlich beleibte Mann sein möge. Wie dem auch sei,
spielten die zwei also alleine auf und Vic Heart empfahl sich dabei
als toller Sänger. Nach knapp einer Viertelstunde war die Einleitung
auch schon wieder vorbei! Das Ganze war denn auch eher als Appetizer
gedacht und konnte als Aufwärmrunde für die beiden anstehenden
Akustik-Sessions (zusammen mit Fiona!) aufgefasst werden. Obwohl der
Härtegrad des Gezeigten auf sehr kleinem Feuer rangierte, vermochte
das Opener-Duo das Publikum zu erfreuen. Wenn man sich allerdings
vor Augen hätte führen können, was "der Dicke" da alles schon in
seiner Karriere abgeliefert hat, wäre man vor Ehrfurcht auf die Knie
gegangen. Der Gitarrist und Producer ist nämlich ein absolutes
AOR-Ass und hat neben eigenen Bands wie Radioactive, AOR oder Sayit
auf nicht weniger als 500 Scheiben (!) mitgewirkt, unter anderem dem
HOL-Album «Cartesian Dreams» von 2009. Somit schloss sich der Kreis,
warum er in diesem Package mit dabei war. Mit ein paar töften Soli
deutete der Maestro immerhin mal an, was noch in ihm stecken würde.
Sandalinas
Als kurz darauf die nächsten Musiker die Bühne enterten, war
ziemlich schnell klar, dass das House Of Lords, sondern der
offizielle Toursupport Sandalinas waren! Und nun war meine
Verwirrung in Sachen Information und Kommunikation an diesem Tag,
respektive Abend perfekt! Der inzwischen sehr gut bevölkerten Galery
konnte das jedoch noch so recht sein, dass man für sein
Eintrittsgeld mehr Musik geboten bekam.
Gitarrist wie Namensgeber
und in dem Fall Mainman Jordi Sandalinas brachte allerdings ein
verändertes Lineup mit, denn am Schlagzeug sass ziemlich sicher
nicht Alvaro Svanerö und auch am Bass schien nicht Mats Rendlert zu
spielen. Dazu kam ein zusätzlicher Rhythmus-Gitarrist, der auf den
ersten Blick wie der Kollege von Jordi's Soloauftritten mit der
Akustik-Gitarre zu sein schien. Auf dem Papier ist Seńor Sandalinas
in seiner Heimat Spanien kein Unbekannter und hat schon einige
Erfolge einfahren können. Dazu kommt auch die Mitarbeit von
Szene-Grössen wie Andy LaRocque (King Diamond), der das Debüt «Living
On The Edge» von 2005 produzierte und Chris Caffery (Ex-Savatage,
TSO) sowie Derek Sherinian (Ex-Dream Theater, Black Country
Communion), die dann alle zusammen auf dem Nachfolgealbum «Fly To
The Sun» (2008) mitwirkten. Das klingt soweit alles gut, aber keine
Ahnung, was der liebe Jordi an diesem Abend intus hatte oder auch
nicht, doch ich stand direkt vor ihm und hörte von Anfang an, was
der für einen Quark zusammen spielte! Sowas Mieses hatte ich ehrlich
gesagt schon lange nicht mehr gehört und darum bin ich jetzt in der
Nachlese extrem erstaunt, was der Spanier eigentlich für einen
Leistungsausweis hat. Davon hörte das Pratteler Publikum heute Abend
kaum was und wäre da nicht der alte Haudegen Rick Altzi von At Vance
und der mir leider nicht bekannte Drummer gewesen (der exzellent
aufspielte!), würde gar nichts zu Buche stehen! Die Songs an sich
wären nicht mal schlecht gewesen und dann und wann klang es mal (mit
vom Band eingespielten Keyboards) nach alten Whitesnake oder Dio mit
einem powermetallischen Überzug. Die Ballade «As The Rain Falls»
oder auch der geile Rocker «No Matter What» liessen zumindest
erahnen, dass die Band es eigentlich schon drauf hat. Doch sobald
Jordi Sandalinas anfing zu solieren, sank das Niveau merklich und es
klang wirklich dilettantisch! Dazu muss (hinten weg) ein
grottenschlechter wie leider an dieser Stelle bekannter "Galery-Sound"
geherrscht haben, und darum passte die Reaktion von Z7-Boss Norbert
bestens ins Gesamtbild, als dieser nach etwa 40 Minuten Spielzeit
zur Bühne hin ging und dem etwas verdutzten Rick Altzi das allseits
bekannte "mach zackig Schluss Junge" Zeichen (ausgestreckte Hand
quer zwischen Kinn und Gurgel durch) machte. Wenn man sich aber die
Musik von Sandalinas auf jeden Fall auf Tonkonserve anhört, ja
anhören muss, dann hat sich die Vorband heute Abend in der Schweiz
ziemlich schlecht verkauft. Ein Auftritt zum Vergessen und die
Bestätigung dazu sollte der Headliner schon bald abliefern!
Setliste: «All Along The Everglades» - «Double Cross» - «If It
Wasn't For You» - «The Wrong Side Of Me» - «As The Rain Falls» - «Shadows
In The Rain» - «Ring Of Fire» - «No Matter What» - «Living On The
Edge».
House Of Lords
Was lange währt, wird bekanntlich gut und nachdem die
Hartwurst-Szene im letzten Herbst mit der betrüblichen Nachricht von
James Christian's Krebserkrankung das Schlimmste wegbeten musste,
ist erfreulicherweise wieder Land in Sicht! Obwohl im Gesicht noch
deutlich von der Behandlung gezeichnet, schien James guten Mutes und
nahm gleich mal 'ne Halbliter-Pulle Rotwein inklusive Glas mit auf
die Bühne. Meine Wenigkeit und ein gewisser Thomas Wildi freuten
sich derweil nicht nur auf den Special Guest Fiona Flanagan, denn
für mich stand die Konzertpremiere von House Of Lords an! Den
Vorgänger Giuffra kannte ich von früher, aber das war es dann auch
gleich wieder, und die Nachfolge-Band war ebenso kaum im CD-Player
vertreten. Erst Frontiers Records mit deren offensivem Verhalten in
Sachen Signing von neuen wie altgedienten Bands aus der Melodic- und
Hardrock-Ecke brachten 2006 die Truppe mit «World Upside Down»
wieder ins Bewusstsein zurück. Alles was danach kam, bis hin zum
letztjährigen Langeisen «Big Money», brachte besten Genre-Stoff
hervor und kann keinesfalls stiefmütterlich behandelt oder gar
ignoriert werden. Die aktuelle Lineup mit James Christian (v), Jimi
Bell (g) , BJ Zampa (d) und "Neuzugang" Chris McCarvill (b) gehört
mit Sicherheit zu einer der bisher stärksten Formationen in der
ganzen Bandgeschichte. Dass dem wirklich so ist, war schon nach dem
knackigen Opener «Sahara» klar und in der Folge zündeten die Amis
ein wahres Hardrock-Feuer vom Feinsten, das keinerlei Wünsche offen
liess. Dazu trug ein
wesentlich besserer Sound als zuvor bei und den
Rest besorgten geile Songs, die von einer total aufeinander
abgestimmten Band mit viel Schmackes und Spielfreude pur vorgetragen
wurden. Der Gesang von James war stets kraftvoll wie
leidenschaftlich und die Instrumental-Abteilung, allen voran
Gitarrist Jimi Bell, liess den zuvor an gleicher Stelle ziemlich
ungelenk agierenden Kollegen steinalt aussehen. Der Linkshänder
gehört zu der Sorte von Gitarristen, die keinen Rhythmus-Sidekick
brauchen, um die Soundlöcher zu füllen. Untermauert wird das Ganze
durch die taffe Rhythmusmaschine BJ Zampa, der vom jüngsten
Bandmember Chris McCarvill die nötigen Bässe kriegt. Immer wieder
nippte James an seinem Weinglas rum, was vornehmlich als "Schmierung
der Stimmbänder" verbucht werden konnte.
Etwa in der Mitte des regulären Sets war es dann soweit, als der
angetraute Ehemann von Robin Beck (die ja unlängst am «Rock Meets
Classic» in Sursee und Zürich ihre Visitenkarte hinterliess) deren
beste Freundin ankündigte: Fiona Flanagan! Sie hatte im letzten
Herbst nach satten 20 Jahren Pause mit «Unbroken» eine neue, tolle
Scheibe heraus gebracht, die produktionstechnisch, Ihr ahnt es, aus
der Feder von James Christian stammte. Darum lag es nahe, dass Fiona
einen kurzen Gastauftritt einschieben konnte. Viel lieber hätten wir
sie natürlich als vollwertigen Support-Act gesehen, aber das war
heuer halt nicht vorgesehen. Sie war jedoch beim HOL-Tross mit
dabei, weil sie ja zusammen mit dem Duo Denander/Heart (siehe oben)
noch zwei Akustik-Sets vor sich hatte. Und dann kam sie (zusammen
mit Tommy Denander, der anstelle von Jimi Bell spielte), eine Frau
von mittlerweile auch schon 50 Jahren, die aber locker zehn Jahre
jünger aussah. Als erster Song kam der Opener «Loved Along The Way»,
der sich bekanntlich wie eine alte Schote von Aldo Nova anhört.
Fiona konnte hierzu ihre prägnante Stimme nicht ganz entfalten,
respektive man hatte das Gefühl, dass sie ein kleinwenig auf der
Bremse stand. Für meine Begriffe waren aber ihre wohl noch "kalten
Stimmbänder" dafür verantwortlich, denn «Shadows Of The Night» hörte
sich bereits einen Tick besser an. So kurz der Auftritt auch war,
der Kultfaktor für meinen Kollegen Tom und mich konnte grösser nicht
sein! Fiona live..., und das erst noch hier in der Schweiz, hätte
ich mir angesichts der bisherigen Geschichte nie erträumen können.
Was sie beim im letzten Herbst geführten Skype-Interview darüber
hinaus alles zu sagen hatte, wird Euch nicht vorenthalten und
demnächst bei Metal Factory nach zu lesen sein. Die Amerikanerin,
die in jungen Jahren mal bei der Kult-Serie «Miami Vice» ein
Stelldichein gab, genoss sichtlich jede Minute und bedankte sich
herzlich beim artig applaudierenden Publikum. Der Rest des Abends
gehörte dann wieder dem Headliner, der nochmals voll vom Leder zog,
inklusive weitgehend kurzweiliger Soli der Herren Zampa und Bell.
Wer beim Anblick von «Rock
Bottom» (UFO) und «Slip Of The Tongue»
(Whitesnake) auf der unten stehenden Setliste an zwei
Cover-Versionen denkt, liegt falsch! Obwohl Ersterer natürlich
starke Assoziationen hervor ruft, ist es ja nicht verboten, zu
eigener Musik einen bestehenden Titel zu verwenden, zumal diese zwei
Songs ihren Namensvettern qualitativ in Nichts nachstanden. «One
Foot In The Dark» als letzte Zugabe beendete nach guten 90 Minuten
ein sackstarkes Konzert, das das nächste Mal vor hoffentlich
deutlich mehr Leuten abgehalten werden kann.
Setliste: «Sahara» - «I Don't Wanna Wait All Night» - «Big Money» -
«Come To My Kingdom» - «S.O.S.» - «In America» - «Love Don't Lie
(Stan Bush cover)» - «Cartesian Dreams» - «Blood» - «Loved Along The
Way (Fiona)» - «Shadows Of The Night (Fiona)» - «I'm Free, These Are
The Times» - «Drumagogery (Drum Solo)» - «One Man Down» - «Rock
Bottom» - «I Wanna Be Loved» - «Pleasure Palace» - «Slip Of The
Tongue» -- «One Foot In The Dark».
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