Es war verdammt kalt an diesem Dienstagabend und stand man
nicht in der Halle, fror man sich förmlich die Eier ab. Das dachte
sich auch unser Held dieser Story. Ein alter Metal-Fan, der sich nach
langen Jahren endlich wieder in seine Lederkutte zwängte und seine
heimliche Liebe Iced Earth live sehen wollte. Mit den Ami-Boys wuchs
der Langhaarige auf. Diese Truppe sollte für ihn die Metal-Welt
retten, nachdem Iron Maiden sich in langweilige Alben verstrickten
und Judas Priest, seine Urliebe, auch nicht mehr alles so
zustande brachten, wie er sich dies wünschte. Es war der Song «Iced
Earth», der ihm einen warmen Herzstich versetzte und von diesem
Moment an nicht mehr losliess. Er liebte alles, was Jon Schaffer und
seine Jungs fabrizierten und huldigte am meisten den Alben mit Tim
«Ripper» Owens, der damals von Judas Priest den Weg zu Iced Earth
fand. Den neuen Sänger, Stu Block, findet unser Metal-Held sowieso
eine Granate, und so konnte ihn nichts mehr davon abhalten, sich die
«MTV Headbangers Ball»-Tour anzusehen. Auch wenn die drei Vorbands
dem Familienvater nur vom Hörensagen ein Begriff waren.
So stand der leicht gealterte Metal-Veteran im Z7. Lange war es
her, seit er diesen Schuppen besuchte. Einiges hatte sich verändert
und er erinnerte sich an die erste Show, die er hier von Iced Earth
sah, damals noch zusammen mit Nevermore. "Meine Güte, wie die Zeit
doch vergeht!", schoss es ihm durch den Kopf, als er sich die vielen
jungen Metalheads ansah. "Was zu Geier ist das denn?", war der
nächste Gedanke, als er die Jungs mit einem Horn an der Hose sah.
"Lassen die jetzt auch Wikinger in die Stube und hören die Metal?"
Es schien so einiges passiert zu sein in den letzten zehn Jahren,
in denen sich unser Held eher mit seiner Familie, denn mit Metal
beschäftigte. Klar, er kaufte sich nach wie vor Vinyl von seinen
Helden und war noch immer ein grosser Sammler von Bootlegs. Aber all
die Trends in seiner geliebten Musik, die wies er strikte und weit
von sich.
Unearth
Das Hallenlicht erlosch und das Inferno brach über unseren 80er
Helden zusammen. Die Amis von Unearth boten brüllenden, aggressiven
Metal. Neben den bangenden Matten von Sänger Trevor Phipps und
Bassist John "Slo" Maggard bewegten sich die beiden Gitarristen aber
kaum auf der Bühne. "Aha, das ist jetzt Metalcore", schoss es
unserem Fan durch den Kopf. Verzweifelt suchte er die
Bewegungsfreudigkeit bei der Truppe, sah in seinem Kopfkino, wie
damals Exodus in ihren Anfangstagen über die Bühne fegten und stellte
ernüchternd fest: "Unearth = ziemlich langweilig". Zumindest nach
drei Songs hatte es unser Banger gesehen, denn alleine Härte macht
noch lange keine guten Songs aus. Auch wenn Trevor ab und zu mit
cleanem Gesang auf sich aufmerksam machte, schlussendlich brüllte er
sich ziemlich unmotiviert die Seele aus dem Körper. Oder wenn die
vorderste Reihe, das Z7 füllte sich nur langsam, freudig mitbangte,
der Rest vom Publikum nahm Unearth kaum wahr. "Die sind echt
austauschbar", schoss es unserem Metaller durch die Gehirnstube und
Songs schreiben wie Slayer, Exodus, Megadeth, Testament oder Death
Angel können die Jungs echt nicht. Ob sich grundsätzlich der Booker
aber mit vier Bands einen Gefallen tat, war eine weitere Frage, die
sich unser Metal-Slave stellte, denn Unearth spielten in einer
relativ leeren Halle.
Kataklysm
Lange Rede, kurzer Sinn, bald war das Unearth-Übel fertig und
während sich in der kurzen Umbaupause unser Konzertbesucher umsah,
nahm er wahr, wie wahrscheinlich der Tourmanager fleissig
Backstagepässe an die Mädels verteilte. "Moment? Spielen heute noch
Manowar?" Zum Glück nicht, aber besser als Kataklysm wären sie
allemal gewesen. "Hey, das ist ja eine positive Power, verpackt in
derber Musik", dachte der Metalhead. Doch seine Vermutung blieb
nicht lange bestehen, denn schon nach wenigen Minuten stellte er ernüchternd
fest, dass das musikalische Abrisskommando dem Hörer kaum Zeit
zum Verschnaufen liess. Die Kanadier peitschten das Publikum unaufhörlich
auf und die Mosh-Pits wurden von Song zu Song aggressiver, sprich
wilder. Sänger Maurizio Iacono trieb die Anwesenden immer mehr an
und bedankte sich bei ihnen, dass sie diesen Dienstagabend zu einem
partytauglichen Samstagabend abänderten. "Are you with us?", wollte
der Schreihals wissen. Und ja, sie waren beim ihm und Kataklysm
entpuppten sich als heimlicher Co-Headliner an diesem Abend. "Könnt
ihr euch vorstellen, dass Kataklysm eine Show vor 20.00 Uhr spielen?
Das ist viel zu früh für uns", plauderte Maurizio los und versprühte
mit seiner Art den farbigen, positiven Kontrast zur dunklen,
schnellen und brutalen Musik der Band. Für unseren Konzertgänger
blieb aber nach der Show kaum was hängen, ausser die pfeifenden
Ohren und das Bewusstsein, dass bei Kataklysm Melodie wohl ein Fremdwort
ist.
Ensiferum
Das Bild am Bühnenrand änderte sich. Wo vorhin noch nackte
Oberkörper im Rausch der Brutalität pogten, standen nun
Viking Folk Pagan-Freaks mit ihren Trinkhörnern und freuten sich
auf die metallene Polka der Finnen von Ensiferum. "Was ist denn
das?", fragte sich unser Iced Earth-Fan. Speed Metal? Ein
Blast-Speed-Abriss-Kommando? Eine gemütliche Polka-Runde oder ein
metallenes Folkfest mit einem Akkordeon? Und was sollen diese
schwarzen Striche unter den Augen? "Hallo, das hatten Tommy Lee und
Nikki Sixx von Mötley Crüe auch schon!" Ensiferum versetzten unserem
Freund einem kräftigen Kulturschock. Aber, so schien es, er war
der Einzige, der sich mit den Klängen dieser Hobbits nicht
anfreunden konnte. Die jungen Fans hatten grossen Gefallen an der
Truppe und unzählige Ensiferum-Shirts bewiesen, dass die Truppe
viele Anhänger hat. "Meine Güte, damals hatten wir Skyclad, die mit
einem Album
alles
gesagt haben, was man mit solcher Musik sagen muss, und interessiert
hat's keinen!», war der lapidare Kommentar unseres Besuchers, der
kaum mehr auf Jon Schaffner und seine Jungs warten konnte. Als dann
Bassist Sami Hinkka noch "growlte", hatte die Truppe auch den
letzten Bonuspunkt in Form der hübschen Akkordeonspielerin Netta
Skog verspielt. Okay, der Aggressionslevel war deutlich niedriger, als
bei Kataklysm, aber zumindest war es in den Pausen zwischen den
Liedern sehr ruhig im Publikum. Erstaunlicherweise erhallten nach
der Ensiferum-Show die ersten Zugabe-Rufe an diesem Abend.
Unser Banger musst sich zwar eingestehen, dass die Bühnenaction der
Finnen ebenso agil wie jene von Kataklysm war, aber die
musikalische Vielfalt überspannte seinen musikalischen Bogen zu
sehr.
Iced Earth So, es war nun an der
Zeit, dass die Amis von Iced Earth mit unserem Helden eine Zeitreise
antreten würden. Allerdings sickerte bald einmal durch, dass die
Herren Jon Schaffer, Stu Block, Bassist Luke Appleton, Trommler
Brent Smedly und Neugitarrist Jake Dreyer nicht länger als siebzig
Minuten spielen würden. Dies sollte aber der einzige Wermutstropfen
bleiben, denn ansonsten boten Iced Earth eine geschichtsträchtige
Show. Eröffnet wurde der Abend mit dem Opener des noch
nicht veröffentlichten neuen Albums «Incorruptible». «The Great
Heathen Army» machte schon verdammt Laune und liess den Bangfaktor
bei unserem Helden auf Hochtouren laufen. Mit «Burning Times» und
der damit verbundenen Dynamik war es endgültig um unseren Helden
geschehen. Mit Tränen in den Augen schaute er Brent zu, mit welcher
Dynamik, Präzision und Lockerheit er das Schlagzeug zusammendepperte
und war fasziniert von der nach wie vor ultrabrutalen Rhythmusarbeit
von Jon. Diese messerscharfen Riffs und diese unglaublichen
Harmonien, ja das konnte nur von einem Herrn Schaffer stammen. Als
wären die Metal-Götter auf der Erde gelandet und hätten in diesem Moment
das Z7 besucht. Und eines wurde für den Metal-Freak klar. Es gibt
für Iced Earth keinen besseren Trommler als Brent. Auch wenn Jon
Dette vielleicht auf der letzten Tour härter auf die Felle und
Becken schlug, aber diese Vermischung aus Dynamik und Feeling
zelebriert eben nur Brent. Mit «Plagues Of Babylon» und «Dystopia»
ging es weiter und die Stimmung stieg von Lied zu Lied. "Brother and
sister, how are you tonight", wollte Stu von den Anwesenden wissen.
Der Sänger animierte das Publikum in bester Bruce Dickinson Manier
(Iron Maiden) und liess es Gitarrenharmonien mitsingen. "Do you have
singing forces?", erkundigte sich Mister Block und machte mal kurz
Warmsingübungen («Mi-mi-miiii») mit den Anwesenden.
Gerührt
von einer solchen Vorstellung freute sich unser Besucher ob der
sehr agilen Performance von Luke, und auch Jake schien eine gute Wahl
zu sein, denn das neuste Bandmitglied solierte sehr souverän und bot auf
seiner ersten Iced Earth-Konzertreise eine tolle Show. Ja, irgendwie
erinnerte sich unser Metaller an die «Something Wicked This Way
Comes»-Shows, als Larry Tarnowski seine schwindelerregenden Solos
spielte. Mit fünf Lieder vom «Dark Saga»-Album und jeweils drei von
«Something Wicked This Way Comes» und «Dystopia» punkteten die
Amerikaner auf der ganzen Linie. Und haute Stu so markerschütternde
Schreie wie bei «Cthulhu» raus, überströmte nicht nur den beinharten
Iced Earth-Fan eine Ganzköpergänsehaut. Mister Block hat sich seit
seinem Einstieg 2011 zum perfekten Shouter und Performer gemausert.
Er war ständig in Bewegung und liess nie locker, um das Publikum
noch mehr zu animieren. Hört man sich den Set an, ist es nach wie
vor unglaublich, wie Jon es immer wieder schafft Songs zu schreiben,
bei der Härte mit Geschwindigkeit und Melodien verbunden werden und
dabei Breaks wie Tempowechsel immer wieder eingebaut werden. Ob sich
dann eine steigernde Nummer wie «I Died For You», das gewaltige
«Cthulhu», das mitreissende «The Hunter», der majestätische Chor bei
«V» oder die Hymnen «Burning Times» und «Slave To The Dark» mit
seinem Maiden-artigen Mitsingpart gespielt werden. Iced Earth
machten einfach Laune! "You guys are absolutely amazing! We have a
few more songs! Have you more energy?", aber sicher hatten wir die!
"Brothers and sisters, thank you for coming out!", bedankte sich
Stu nicht nur bei unserem Banger, sondern bei allen Anwesenden, die
das Z7 mit zunehmender Spielzeit teils leider schon frühzeitig
verliessen. Da war es wieder, das Problem, dass man Iced Earth nicht
mit den anderen Truppen auf Tour schicken darf, weil a) zu viele
Bands spielten und b) die Fanschichten zu unterschiedlich sind.
Dies hinderte Jon aber nicht daran, Brent zu erwähnen, der vor knapp
zwanzig Jahren seinen ersten Gig im Z7 absolvierte, dass Iced Earth
gerade im Studio waren und im Mai 2017 ein neues Album
veröffentlichen wird. Bevor aber «Incorruptible» erscheint,
erfreuten sich die Anwesenden an der Rifforgie von «Pure Evil». "Was
für ein Riff, was für eine Gitarreneinleitung, was für ein
einzigartiger Song", schoss es unserem Besucher durch den Kopf. Hier
zeigte Jon wieder einmal, was für eine geile Lead-Stimme der
Rhythmusgitarrist hat. "We have one more song. Thank you very much
deep from my metal heart! But I think, we come back really quickly,
like tomorrow", grinste Stu ins Mikrofon und erinnerte alle daran,
dass am kommenden Abend die gleiche Konstellation nochmals das Z7
unsicher machen wird. Mit «Watching Over Me» und nicht wie sonst
immer mit «Iced Earth» beschloss das Quintett diesen Abend nach in der Tat nach siebzig
Minuten. Für unseren Banger eine kleine Katastrophe, dass nach etwas
mehr als einer Stunde schon alles vorbei sein sollte. ABER, er
wusste, Kataklysm hin, Ensiferum her, auch ohne Unearth würde er
sich die nächste Iced Earth-Show wieder ansehen, weil er einfach
weiss, dass er von seinen Helden noch nie enttäuscht wurde.
Mit einem breiten Grinsen zog es unseren Iced Earth-Freak in die
Kälte, und während er den Weg zu seinem Auto unter die Füsse nah,
summte er noch immer die Melodien von «Burning Times», «V», «Iced
Earth» und «If I Could See You», um dann voller Freude die Live-CD
«Live In Ancient Kourion» in seinem Fahrzeug zu zelebrieren…
Setliste: «The Great Heathen Army» - «Burning Times»,
«Plagues Of Babylon» - «Dystopia» - «I Died For You» - «Vengeance Is
Mine» - «Cthulhu» - «Dark Saga» - «V» - «Slave To The Dark» - «My Own
Savior» - «The Hunter» - «Boiling Point» - «Pure Evil» - «Watching Over
Me».
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