Haben wir Iced Earth wirklich schon mal richtig schlecht
gesehen? Ich zumindest könnte mich nicht daran erinnern! Man kann
durchaus darüber philosophieren, wer denn nun der beste Sänger ist.
Matt Barlow, Tim Owens oder Stu Block. Diese nachtfüllenden
Diskussionen sind so alt, wie die Frage nach dem Ei oder dem Huhn.
Dass Stu eine sensationelle, sehr natürliche und sympathische
Performance abliefert und dabei mit einer Mörderstimme gesegnet ist,
sollte eigentlich alle Fragzeichen eliminieren. Somit war auch an
diesem Sonntagabend klar, dass die Amis um Bandleader Jon Schaffer
einen souveränen Gig abliefern werden. Bevor uns aber Iced Earth auf
gewohnt harte Art den Allerwertesten versohlten, standen Metaprism auf
der Bühne.
Metaprism
Die Engländer wurden 2012 gegründet und haben mit Theresa Smith eine
sehr starke Sängerin in den eigenen Reihen, die sich immer wieder
mit den bösartigen Growls von Joey Draper duellieren musste. – Man
fühlte sich dabei leicht an Amaranthe erinnert – Eine Mischung, die
auf den ersten Ton hin ziemlich speziell klingt, sich während des Konzertes
aber zu einer wahren Wunderwaffe entwickelte. Theresa machte
glücklicherweise auch nicht den Fehler, mit ihren Reizen vom
Wesentlichen abzulenken, sondern bot eine sehr natürliche, äussert
nette und dankbare Performance. Wer eine solche Stimme hat, muss
auch gar nicht davon ablenken! Musikalisch schippern Metaprism in
vielen Gewässern. War die Truppe zuerst eher auf der
Crossover/Core-Schiene, veränderte sich der Sound zunehmend in eine
leicht symphonische und metallene Richtung. Somit bot die Band für
jeden etwas, aber eben auch einiges, das vielleicht nicht jedem
mundete. Metaprism sind ein musikalischer Farbklecks, den man lieben
oder auf die Seite legen mag. ABER! Vielleicht muss man der Truppe aus
Bournemouth einfach auch nur mehr Beachtung schenken, dass man sie
ins Herz schliesst?!
Freedom Call Was bei
Metaprism schon für einen Lacher (für die einen) oder für ein
beschämtes Wegschauen (für die anderen) sorgte, war der mit einer
weissen Gesichtsmaske bedeckte Typ, der oben ohne mit einem Badetuch
bekleidet über die Bühne tänzelte. Mit seinem übergrossen, aus einem
weiteren Badetuch geformten Schwanz schlug er gerne auf die Becken
des Trommlers, oder die
Musiker
ein. Ein Tourabschluss(scherz), denn Metaprism und Freedom Call
verabschiedeten sich mit dem Z7-Konzert von dieser Iced Earth
Konzertreise, das nicht alle Besucher so lustig fanden. Anyway, die
Deutschen von Freedom Call änderten das musikalische Geschehen
blitzartig, und anstelle von modernen Grooves dominierte der
Happy Metal. Mit einem wie immer gut gelaunten Zeremonienmeister
(Sänger Chris Bay). Party pur war angesagt, da das Z7 für Freedom
Call immer ein gutes Pflaster ist. Die Doppel-Leads wussten ebenso
zu überzeugen, wie die hymnischen Chöre. "Das war ein klasse
Applaus! Können wir den nochmals hören? Wir haben uns richtig auf
euch gefreut. Ihr seht heute auch wieder saugut aus! Riechen tut ihr
auch gut", begrüsste Chris mit einem breiten Grinsen die Anwesenden
im Z7. "Wie ihr seht, ist heute Ramy nicht dabei. Er ist leider aus
zukünftigen Familiengründen verhindert, und wir wünschen ihm alles
Gute dabei! Wir haben einen Ersatztrommler und der kommt von
Masterplan", erklärte der singende Gitarrist. Einen Ramy zu ersetzen
ist aber etwas Sauschwieriges, und ganz ehrlich habe ich den mit
einem roten Bärtchen gesegnete Trommler extrem vermisst. Ansonsten
bot der Vierer aber die zu erwartende Leistung, hatte mit der schon
fast religiös/fanatisch anmutenden Einleitung zu «Metal Is For
Everyone» den Lacher auf seiner Seite und konnte das Publikum
bestens auf den bevorstehenden Headliner aufwärmen.
Setlist
Freedom Call: «Union Of The Strong», «United Alliance», «Freedom
Call», «Hammer Of The Gods», «Master Of Light», «Warriors», «Land Of
Light», «Metal Is For Everyone»
Iced Earth
Die Amis stiegen mit dem neuen Track «Great Heathen Army» ein und
zeigten sofort wer der Chef im Ring ist. Mit einer unglaublichen
Präzision an den Gitarren (Jon Schaffer und Jake Dreyer) schnitten Iced
Earth feinsäuberlich kleine Linien in das Gemäuer des Z7. Vielleicht
ist das Gitarrenduo von Judas Priest noch eine Spur filigraner, aber
was die Rhythmusarbeit von Jon und Jake anbelangt, gibt es in der
heutigen Zeit keine vergleichbare Truppe. – Man kann Jon als den
Malcom Young des Metals bezeichnen! – Ohne grosse Pause stiegen Sänger
Stu und seine Mannschaft mit dem übermächtigen «Burning Times» in
die nächste Nummer ein. Alleine der Drumpart von Brent Smedley – und
nein es gibt keinen anderen Trommler für Iced Earth, er ist die
perfekte Wahl! – riss weitere Löcher in die Grundmauern des
Konzertsaals. Durch den Titeltrack des vorletzten Werkes «Dystopia»
wurde der Eröffnungsdreier abgeschlossen. Mit einem zufriedenen
Lächeln nahm Mister Schaffer den grossen Applaus zu Kenntnis, um das
weitere Geschehen getrost Stu zu überlassen. Interessanterweise
sprach der Shouter an diesem Abend weniger mit dem Publikum als
auch schon. Trotzdem bedankte er sich bei den «brothers and sisters
of Metal» für das Erscheinen an diesem Abend und wusste, dass der
Metal "still alive" ist. Mister Block krönte seine hervorragende
Performance mit unglaublichen Screams. Wo andere Sänger nach Luft
japsen, haut er nochmals einen fetten Schrei raus und genoss
den Applaus sichtlich. Mit Jake an der Gitarre hat der Fünfer einen
extrem geilen Ersatz für Troy
Seele
in die Band geholt. Auch wenn Jake noch ein bisschen introvertiert
wirkt wenn er zu seinen Sololäufen ansetzt, spürt man das Tier in
seinen Adern. Bassist Luke Appleton war wie immer ein Aktivposten,
der genau wusste, wann er sich präsentieren musste und wann nicht.
In dieser Konstellation sind Iced Earth kaum zu schlagen. Dies auf
eine sehr sympathische Art, die weit weg von irgendwelchen
Starallüren ist.
Mit «I Died For You» hat der Fünfer einer
von vielen Hits in der Hinterhand. Genau hier liegt aber auch das
ganz grosse Problem begraben. Iced Earth haben in den vergangenen dreissig
Jahren so viele Klassiker geschrieben, dass schon lange kein Platz
mehr für alle in der Setliste ist. Dass von den beiden vorherigen
Studio-Alben «Dystopia» und «Plagues Of Babylon» gerade ein Song
gespielt wurde, spricht einerseits für die Qualität des neuen Werkes
«Incorruptible» (daraus wurden sechs Lieder gespielt!), trägt
andererseits aber auch den Wermutstropfen, dass Tracks wie «V»,
«Boilling Point», «Cthulhu», «If I Could See You» oder «Peacemaker»
auf der Strecke bleiben. Ganz zu schweigen vom eigentlichen
Schlusspunkt in Form von «Iced Earth», der erneut in der Setliste
fehlte. Dafür spielte der Fünfer mit «Prophecy», «Birth Of The
Wicked» und «The Coming Curse» die «Something Wicked This Way
Comes»-Trilogie. Ein erhabener Moment, wie auch «Last December» vom
«Burnt Offerings»-Werk.
Mit Propellerbanging (Stu), der dreier Gitarren-Posing-Front am
Bühnenrand und einer unglaublichen Spielfreude verging die Zeit wie
im Flug. Unter die Haut ging auch der herzliche Dank von Jon an Stu
und sein Dabeisein bei Iced Earth, kurz bevor Mister Schaffer einmal
mehr «Stormrider» sang. Dies war auch die Einleitung zur Frühphase
der Band, welche mit den beiden weiteren «Night Of The
Stormrider»-Perlen «Angels Holocaust» (was für eine Wucht, Energie,
Urgewalt und Präzision) und «Travel In Stygian» ergänzt wurde. Und
als ob dies nicht schon genug gewesen wäre, schossen Iced Earth noch
«Clear The Way» aus den Saiten, das fast zehn Minuten lange Opus
der neusten Scheibe, um dann mit «Watching Over Me», mit
fantastischen Fangesängen (!!!), ein Konzert zu beenden, das schon
jetzt zu den Highlights dieses noch sehr jungen Konzertjahres
gehört. Auch wenn der Gig am letztjährigen Sweden Rock Festival (in
der Kürze liegt die Würze) nicht ganz erreicht wurde, sind Iced Earth
auf diesem Level sehr schwer zu schlagen und eine bilden eine
unglaubliche Macht. Die Jungs haben erneut die Türe zum Metal-Olymp
weit aufgeschlagen und stehen schon mit mehr als nur einem Bein bei
den ganz grossen Helden wie Iron Maiden oder Judas Priest.
Setlist Iced Earth: «Great Heathen Army», «Burning Times»,
«Dystopia», «Black Flag», «Seven Headed Whore», «I Died For You»,
«Vengeance Is Mine», «Brothers», «Last December», «Raven Wing»,
«Prophecy», «Birth Of The Wicked», «The Coming Curse», «Stormrider»,
«Angels Holocaust», «Travel In Stygian» - «Clear The Way (December
13th 1862)», «Watching Over Me», «Ghost Dance (Awaken The Ancestors)
- Outro»
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