Eine der grundlegenden Regeln einer Konzertreise: Jeder Tag ohne
Konzert kostet. Finanziell gesehen sollte also an jedem Abend eine
Show gespielt werden können. Auch an Sonntagen, trotz der Gefahr vor
einem etwas verkaterten Publikum zu stehen. Nicke Andersson,
ehemaliger Main-Man der grandiosen Schweden-Rocker The Hellacopters,
weiss das natürlich und so kehrte er mit Imperial State Electric,
seiner seit 2008 aktiven und nicht minder spritzigen
Nachfolge-Truppe, im Berner ISC ein mit der Mission, den Sonntag in
einen Freitag zu verwandeln. Die Waffen dazu: melodischer 70's Glam
Rock, wie man ihn auf der aktuellen Scheibe «Pop War» dieses Jahr in
Perfektion kredenzt hatte. Und auch wenn es Andersson und seinen
tapferen Soldaten nicht gelang, den Umstand zu vertreiben, dass am
nächsten Tag wieder früh aufgestanden werden musste, so knallte er
den rund 70 angepilgerten Fans eine ordentliche Salve Rock'n'Roll
entgegenschiessen. Doch nicht nur die Schweden-Armee, sondern auch
die norwegische Vorhut Smoke Mohawk überzeugte.
Smoke Mohawk
Kaum angekommen, da stehen Smoke Mohawk auch schon auf der Bühne.
Nicht nur in der Schweiz, sondern eigentlich überall, vielleicht
sogar in ihrer Heimat Norwegen löst dieser Name noch unwissendes
Schulterzucken aus, auch wenn mit Trommler Danny Young und Klampfer
Rolf Yngve Uggen zwei Ex-Gluecifer-Rocker mit an Bord sind. Passend
zum leicht psychedelischen 70's Rock des Quintetts steht letzterer
ziemlich vernebelt auf der Bühne herum, haut dabei aber überraschend
treffsicher und virtuos in die Saiten. Und nicht nur Uggen, die
ganze Band spielt energiegeladen und tight auf. Zwar wäre Fronter
Thomas Feldberg ein Stimmwunder zu nennen weitaus übertrieben, durch
seine beherzte Performance (und durch seine Fransen-Wildleder-Hose)
locker wieder wett. Smoke Mohawks eigentlicher Trumpf aber sind ihre
Songs: Zwischen Glam Rock, frühem Punk und Psychedelic mäandern
Nummern wie der furios lostretende Opener «Murder Attempt», das
stampfende «Hunting Ground» oder «Inspector Holmes» und zititieren
dabei altbekannte Helden wie den frühen Alice Cooper, natürlich Kiss
oder Blue Öyster Cult. Assoziationen an Letztere weckt vor allem
Tastenmann Magic Magnus, welcher nicht nur die obligate Hammond
gurgeln, sondern auch die einen oder anderen spacigen Synthies
erklingen lässt, was dem ganzen zusammen mit den spontanen
Jam-Einlagen aller Musiker zusätzliche Attraktivität verleiht. Tolle
Songs, tolle Performance – dass da das Publikum nicht mehr ins
Zucken geriet musste an der Sonntagabend-Stimmung liegen. Im Auge
behalten muss und will man Smoke Mohawk nach dieser Show auf jeden
Fall.
Setlist:
«Murder Attempt» - «Inspector Holmes» - «Hunting Grounds» - «VCR
King» - «Sophia» - «Squaw Woman» - «Midnight Rollin'» - «Outskirts»
- «Crazy Horses» - «Reefer & Rent»
Imperial State Electric
Die rund 70 Anwesenden warteten an diesem Abend aber freilich auf
jemand anderen. Als Imperial State Electric mit «Uh Huh», dem
treibenden Opener ihres aktuellen und schlicht grossartigen
Silberlings «Pop War» loslegten, war zwar immer noch Sonntag und
damit nicht gerade die exzessivste Stimmung unterwegs, aber wen
kümmerte das schon. Dirigiert von Nicke Andersson (Ex-Hellacopters),
wurde zu Nummern des selbstbetitelten Erstlings ebenso mitgesungen
und getanzt wie zum schon erwähnten Zweitling. «Lord Knows I Know
that it Ain't right», «Monarchy Madness» oder «Sheltered in the
Ground», bei dieser Truppe ist auch wirklich jeder einzelne Song
eine kleine Gute-Laune-Pille. Zumindest, wenn man süffigen Glam Rock
mag, denn auch wenn das Quartett live einen Zacken ruppiger zulangt
als auf Scheibe, so blieb doch alles immer noch poppig geschmeidig.
Während musikalisch also auf hohem Niveau der Eingängigkeit gefrönt
wurde, legten sich die Schweden posing-technisch umso mehr ins Zeug
und nicht nur Nicke's obligatorische Soldatenmütze, sondern die
ganze in schwarz gekleidete Truppe machte mit energischen Gesten und
zum Feiern auffordernden Ansagen den Eindruck, dass die Mission
Rock'n'Roll-Party auf keinen Fall scheitern durfte. Ja, Andersson
gab durchwegs den Riff-General, war sich aber gleichzeitig nicht zu
schade, bei «Rock Science», der zum gleichnamigen Brettspiel, eine
Art Trivial Pursuit für Rocker, kreierten Single, den Posten am
Mikro seinem Saiten-Kumpan Tobias Egge zu überlassen. Dieser
meisterte die Aufgabe mit Bravour und klang dabei verblüffend nach
Paul Stanley von Kiss, sodass auch diese eher unbekanntere
Mid-Tempo-Hymne ordentlich bejubelt wurde. Setzte man bei
vergangenen Shows des Öfteren auf die Geheimwaffe «Covers»,
konzentrierte man sich dieses Mal fast ausschliesslich auf das
eigene Material. Aber nur fast: Mit «Leave my Kitten alone»
gab es
eine aufgekratzte Version des schon von den Beatles verwertenden Rock'n'Roll-Standards. Dazu machten spontan wirkende Einlagen wie
ein Doppeldrum-Solo von Thomas Erikkson mit dem schon erwähnten
Smoke-Mohawk-Mann Danny Young und noch ausgedehnter später mit Nicke
Andersson oder das flotte Abrocken aller Musiker vor der Bühne im
Publikum selbst deutlich, wie sehr die Herren selbst das, was sie
tun, lieben. Spielfreude gepaart mit guten Songs und instrumentalen
Fähigkeiten, da kann halt einfach nichts schief gehen und so hatten
allerspätestens zu den kreischenden Gitarrensalven von «Narrow Line»
alle ihr zweites (oder drittes, oder viertes) Bier in der Hand und
vergessen, dass am nächsten Tag wieder die Arbeitswoche beginnen
würde. Dazu noch das surf-punkige «I'll let You down» und der
Smasher «Throwing Stones» vom Debüt und beendet war eine gelungene
Rock-Revue, die exzessiv oder ekstatisch zu nenne zwar übertrieben
wäre, gute Laune aber ebenso verbreitete wie die nachdenkliche
Frage, warum solche Bands in unserer Gesellschaft immer noch vor
nicht einmal hundert Leuten spielen müssen. Sonntag hin oder her,
solche Bands muss man sich einfach geben.
Setlist:
«Uh Huh» - «Lord Knows I Know that it Ain't right» - «Monarchy
Madness» - «Redemption's gone» - «Deride and Conquer» - «Sheltered
in the Ground» - «Deja Vu» - «Rock Science» - «Leave my Kitten alone»
- «Can't Seem to Shake it off my Mind» - «Narrow Line» - «I'll let
You down» - «Throwing Stones»
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