Hinter die Logik des Ebullition zu kommen, scheint als
Aussenstehender fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein - Auf der
einen Seite stehen fast sämtliche Veranstalter der Schweiz, die sich
darum bemühen, ihre Events zeitig zu starten, um dem Besucher eine
einfache Heimreise zu ermöglichen, auf der anderen Seite steht das
Ebullition - Konzerte beginnen selten vor 23 Uhr, Headliner werden
demnach kaum vor Mitternacht auf der Bühne gesichtet. Andere Regeln,
andere Dimension: Das alterwürdige Theater, in dessen Räumlichkeiten
sich der Verein Ebullition eingenistet hat, strahlt sowieso einen
ganz eigentümlichen Glanz aus. Mit Impure Wilhelmina und When Icarus
Falls auf der Speisekarte stand der Abend klar unter der Flagge der
Romands - Nicht nur, dass beide Bands aus französisch-sprachigen
Teilen der Schweiz kommen, auch ihre Musik spricht eher diese
Regionen an. Post-Rock und Post-Hardcore ist in der Welschschweiz
mit Bands wie Kehlvin, Berserk for Tea Time und Konsorten bereits
mehr als verwurzelt, während die Deutschschweiz immer noch stark
hinterher hinkt - Unhold und ihre wenigen Weggefähren machen da aber
die qualitative Ausnahme. Wenn dann noch die späte Uhrzeit zu der
Ausgangslage hinzugerechnet wird, so lässt sich schnell erklären,
weswegen ich wohl der einzige Deutschschweizer am Start war…
When Icarus Falls aus Lausanne haben sich dem flächigen Sound
Richtung Isis, Neurosis und Konsorten verschrieben, und begannen das
Konzert dann auch äusserst andächtig. In minimalste Beleuchtung
getaucht, begannen sie unter dem noch beachtlichen Geräuschepegel
des anwesenden Publikums ihre Songs aufzubauen. Während sich Drummer
Xavier den ganzen Gig durch nur selten wirklich gehen liess, aber
sich daneben mit simplen Grooves und Synthie-Einlagen beschäftigte,
türmten die beiden Klampfer massive Akkord- und Echo-Wände auf, um
die Sänger Diego seine oftmals geflüsterten Linien tanzen liess.
Songs wie 'Black Tree', 'Over The Frozen Seas' und das verstörende 'They
Created Lies…' gewährten dabei Einblicke in das noch schlummernde
Potential der Band, kamen live aber etwas scheu daher. Der magere
Drum-Sound, einige Spielfehler der Klampfer, und nicht zuletzt das
doch etwas aufgesetzte Gehabe von Diego, verpassten der ansonsten
wirklich mehr als soliden Performance einen etwas schalen
Beigeschmack. When Icarus Falls haben klar noch einen langen Weg vor
sich, aber mit der richtigen Optimierungs-Arbeit dürfte das Projekt
mehr als gelingen.
Impure Wilhelmina sind da schon ein paar Schritte weiter,
ihre erste Scheibe erschien bereits 1996 - Eine Zeit, in der der
Post-Hardcore offiziell wohl noch nicht mal als geboren galt. Der
langen Geschichte der Band entsprechend dauerte es geschlagene zehn
Jahre, bis dann auch das aktuelle Line-Up am Start war. Mittlerweile
sind allerdings auch illustre Mitglieder wie etwa Klampfer Christian
Valleise (Ebenfalls bei den Genfern von Knut aktiv) mit von der
Partie. Die aktuelle Scheibe 'Prayers And Arsons' wurde Ende 2008
veröffentlicht, ich hatte dabei das Glück, eine limitierte
wunderschöne rote Vinyl-Edition abzugreifen. Mit dem neuen Material
sowie Smashern der vorhergehenden acht Scheiben im Gepäck machten
sich Impure Wilhelmina dann auch recht spät daran, dem verharrenden
Publikum zu zeigen, wo der Sludge-Hammer hängt. Vom ersten Ton an
war klar, welches Niveau das Quartett mittlerweile an den Tag legt -
Sänger / Gitarrist und Chefdenker Michael Schindl peitschte die Band
unentwegt von Song zu Song, ohne dabei auch nur eine Note
auszulassen - Ihm stand Gift und Galle förmlich ins Gesicht
geschrieben. Basser Didier Baertschiger agierte am
introvertiertesten, aber mehr Action hätte die Band auch nicht
wirklich nötig gehabt, die Songs sprachen klar für sich. Der grösste
Teil des Publikums zeigte sich von Beginn weg restlos begeistert -
lediglich ein kleiner Teil Metalheads die's mit der Stil-Treue etwas
zu genau nahmen, konnten dem Sound nix abgewinnen, und machten sich
nach anfänglichen Bang-Versuchen relativ schnell vom Acker. Da ich
persönlich vor allem das aktuelle Werk kenne, sprachen mich diese
Stücke klar auch am stärksten an - Impure Wilhelmina liessen es sich
dabei aber nicht nehmen, Material von beinahe sämtlichen Releases in
die Instrumente zu prügeln. Die Licht-Show unterstützte die
Performance dabei optimal, und auch der Sound stimmte. Zurück blieb
nach etwas mehr als einer Stunde wie so oft zuvor schon das Gefühl,
eine Headliner-Performance der internationalen Güteklasse gesehen zu
haben - Auch wenn man es als Schweizer Band nach wie vor schwierig
hat, offiziell diesen 'Status' zu erreichen.
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