Livereview: Inglorious - Jack Slamer

29. September 2016, Pratteln – Z7
By Rockslave
Den Briten wird nachgesagt, sie seien die “jungen Deep Purple“, was natürlich Segen wie Fluch zugleich ist. Die Band um den charismatischen Sänger Nathan James war in diesem Jahr ordentlich auf Tour. Mehrfach in der Heimat, inklusive Irland und dann in unseren Breitengraden zwischen Spanien und Finnland. Im Februar waren sie zudem mit The Winery Dogs unterwegs und spielten am 13.02.2016 als Anheizer für das illustre Trio, sprich Richie Kotzen, Billy Sheehan und Mike Portnoy. Im Herbst stiegen Inglorious dann als Headliner auf die Bühne, und nachdem man am Vortag in Mailand auftrat und eigentlich für den übernächsten Tag auf dem Weg nach München war, wurde der ursprünglich vorgesehene Day-Off auf halber Strecke in ein weiteres Konzert umgemünzt. Das war natürlich, obwohl letztlich geplant, dennoch spontan wie erfreulich zugleich, und so wurde die bereits für das tags darauf beginnende „Up In Smoke“-Festival aufgebaute Infrastruktur einen Tag früher benutzt. Konkret wurde das Konzert auf der überdachten Aussenbühne abgehalten. Als Support-Act setzte die Schweizer Rockband Jack Slamer aus Winterhur unerwartet weit mehr als nur überraschende Akzente.

Jack Slamer

Diese Momente werden zunehmend rarer, und darum war es umso erfreulicher, an diesem relativ kühlen Abend eine „neue“ Band kennen zu lernen und eine einheimische dazu. Als die Musiker auf die Bühne kamen, dachten sie aber zuerst wohl, sie stünden im falschen Film, denn es stand mehr oder weniger eine einzige (!!) Person direkt vor der Bühne, und insgesamt lümmelten da vielleicht knapp 20 Leutchen irgendwo herum. Eine sehr groteske Situatuon und echt zum Fremdschämen! Die Ursachen für sowas können natürlich viele Gründe aufweisen, wie den Wochentag (Donnerstag), das beinahe wirkungslose Bewerben des Gigs im Vorfeld (zum Beispiel auf Facebook) oder das generelle Überangebot an Konzerten. Das Quintett um den rastagelockten Frontmann Florian Ganz sprang im Sommer 2007 unter dem Namen Jack Slamer erstmals aus den Startpflöcken und hat sich primär dem Rock, Blues und Funk der 70er verschrieben. Durch ungezählte Live-Auftritte wuchs die Band zu dem zusammen, was man heute auf der Bühne geniessen kann. Das Debüt-Album «Noise From The Neighbourhood» wurde im November 2012 veröffentlicht und so war es absehbar, dass vermehrt Songs des offensichtlich mal im kommenden Jahr angedachten Zweitlings zum Besten gegeben werden. Was mir neben gewissen Parallelen zu Wolfmother, insbesondere zu Andrew Stockdales Gesang auffiel, respektive bald einmal zusagte, war der geile Groove, den die Jungs da aufs Parkett legten. Das eingespielte Kollektiv brillierte musikalisch wie technisch und bewegte sich absolut auf Augenhöhe mit weiteren Gruppen aus dieser Stil-Ecke. Dazu gehören zum Beispiel auch Mother’s Cake und teilweise auch The Vintage Caravan, zumindest vom Sound her. So gaben sich die Winterthurer Retro-Rocker vor circa dreissig Nasen (!) gute fünfzig Minuten lang absolut keine Blösse und machten beste Werbung in eigener Sache. Dazu gehörte meine letztlich voll erfüllte Hoffnung auf das Vinyl des Debüts, das gleich von allen Protagonisten unterzeichnet wurde. Die CD-Ausgabe in der Cardbox wurde natürlich, neben der obligaten Setliste, ebenso gekrallt. Ich bin überzeugt, dass auch die kommende Scheibe das bereits erfreuliche Niveau wird halten können. Die schmissigen Live-Versionen standen dabei für die eindrucksvolle Visitenkarte von Jack Slamer, die ihren kompositorischen Zenit noch lange nicht erreicht haben!


Inglorious
Obwohl mir der Opener Jack Slamer sehr gut gefallen hatte, dauerte es keine Minute, bis der Headliner den berühmten Unterschied bezüglich dem Druck nach vorne unmissverständlich aufzeigte. Sänger Nathan James hängte dabei sofort die Rampensau heraus und kündigte vor nun keinen vier Dutzend Leutchen (!!) eine ganz spezielle Setliste für das heutige „Day-Off“-Konzert an. Nebst fast allen Songs des brillanten selbstbetitelten Debüt-Albums wurden nicht weniger als vier ziemlich kultige Cover-Versionen gezockt, die selbst mich, mittlerweile bekannt als allermeist unentwegt nörgelnder Neurotiker zu diesem Thema allgemein, rundum begeisterten! Als der hammergeile Album- und Konzertopener «Until I Die» begann, rannte ich immer noch meinen Jack Slamer Unterschriften nach. Was man hat, das hat man hiess die Devise! Kurz danach ging es aber sofort vor die Bühne, dessen unbelegter Platz davor mir als einzigem Pressevertreter perfekten Bewe-gungsraum verschaffte. Das Licht war dann allerdings nicht immer sexy, vor allem zu Beginn nicht, aber das kennt man ja mittlerweile zur Genüge. Da an so einem Abend die 3-Song Regel für das Fotographieren vernünftigerweise ausgesetzt wurde, gelangen dann doch noch ein paar coole Pix. Nach «Breakaway», einem weiteren Album-Kracher erster Güte, folgte mit «I Surrender» ein alter Rainbow-Klassiker (im Original von Russ Ballard), der die Roots von Inglorious unweigerlich zur Schau stellte. «High Flying Gypsy» liess derweil einen Schlenker in Richtung Led Zeppelin erkennen, ehe das bluesige «Warning» zunächst die Verbindung zu den alten Whitesnake herstellte, um anschliessend gleich Deep Purple und vor allem Rainbow zu huldigen. Dass es mit dem Blues über eine gesamte Liedlänge ebenso hinhaut, bewies das sackstarke «Holy Water», wo Nathan seine ganze Klasse ausspielte, einfach nur grandios. Nach diesem optimalen Einstieg war die Zeit nun reif für eine überaus kultige Cover-Triplette, die es so gemäss eigenem Bekunden der Band „nie mehr“ geben wird. Den Auftakt machte «Fool For Your Loving» von Whitesnake, das den guten David Coverdale an dieser Stelle hätte erblassen lassen. Mit dem Purple-Lunatic «Lay Down Stay Down» hatten mich Inglorious vollends im Sack, und die töfte Interpretation von Def Leppards Hit «Animal» passte zum Schluss des Jukebox-Modus vorzüglich. Doch das war noch lange nicht alles, denn nach dem neuen Song «Taking The Blame» zogen die Briten mit der hammergeilen Halbballade «Bleed For You» nochmals alle Register. Wie gut das Material des Debüts in der Tat ist, unterstrichen drei weitere Top-Songs. Nach exakt 75 Minuten war leider Schicht im Schacht und Inglorious verfügen, wie The Dead Daisies, über ein riesiges Potenzial, das sich hoffentlich bald in einem weiteren Hammer-Album niederschlagen wird. Zur erbärmlichen Zuschauermenge gibt es abschliessend nur noch eines zu sagen: „selber schuld“!

Setliste: «Intro (The Who Song)» - «Until I Die» - «Breakaway» - «I Surrender (Rainbow Cover)» - «High Flying Gypsy» - «Warning» - «Holy Water» - «Fool For Your Loving (Whitesnake Cover)» - «Lay Down, Stay Down (Deep Purple Cover)» - «Animal (Def Leppard Cover)» - «Taking the Blame» - «Bleed For You» - «No Good For You» - «Girl Got a Gun» - «Unaware» - «You're Mine».