Den Briten wird nachgesagt, sie seien die “jungen Deep
Purple“, was natürlich Segen wie Fluch zugleich ist. Die Band um den
charismatischen Sänger Nathan James war in diesem Jahr ordentlich
auf Tour. Mehrfach in der Heimat, inklusive Irland und dann in
unseren Breitengraden zwischen Spanien und Finnland. Im Februar
waren sie zudem mit The Winery Dogs unterwegs und spielten am
13.02.2016 als Anheizer für das illustre Trio, sprich Richie Kotzen,
Billy Sheehan und Mike Portnoy. Im Herbst stiegen Inglorious dann
als Headliner auf die Bühne, und nachdem man am Vortag in Mailand
auftrat und eigentlich für den übernächsten Tag auf dem Weg nach
München war, wurde der ursprünglich vorgesehene Day-Off auf halber
Strecke in ein weiteres Konzert umgemünzt. Das war natürlich, obwohl
letztlich geplant, dennoch spontan wie erfreulich zugleich, und so
wurde die bereits für das tags darauf beginnende „Up In
Smoke“-Festival aufgebaute Infrastruktur einen Tag früher benutzt.
Konkret wurde das Konzert auf der überdachten Aussenbühne
abgehalten. Als Support-Act setzte die Schweizer Rockband Jack
Slamer aus Winterhur unerwartet weit mehr als nur überraschende
Akzente.
Jack Slamer
Diese Momente werden zunehmend rarer, und darum war es umso
erfreulicher, an diesem relativ kühlen Abend eine „neue“ Band kennen
zu lernen und eine einheimische dazu. Als die Musiker auf die Bühne
kamen, dachten sie aber zuerst wohl, sie stünden im falschen Film,
denn es stand mehr oder weniger eine einzige (!!) Person direkt vor
der Bühne, und insgesamt lümmelten da vielleicht knapp 20 Leutchen
irgendwo herum. Eine sehr groteske Situatuon und echt zum
Fremdschämen! Die Ursachen für sowas können natürlich viele Gründe
aufweisen, wie den Wochentag (Donnerstag), das beinahe wirkungslose
Bewerben des Gigs im Vorfeld (zum Beispiel auf Facebook) oder das
generelle Überangebot an Konzerten. Das Quintett um den
rastagelockten Frontmann Florian Ganz sprang im Sommer 2007 unter
dem Namen Jack Slamer erstmals aus den Startpflöcken und hat sich
primär dem Rock, Blues und Funk der 70er verschrieben. Durch
ungezählte Live-Auftritte wuchs die Band zu dem zusammen, was man
heute auf der Bühne geniessen kann. Das Debüt-Album «Noise From The
Neighbourhood» wurde im November 2012 veröffentlicht und so war es
absehbar, dass vermehrt
Songs
des offensichtlich mal im kommenden Jahr angedachten Zweitlings zum
Besten gegeben werden. Was mir neben gewissen Parallelen zu
Wolfmother, insbesondere zu Andrew Stockdales Gesang auffiel,
respektive bald einmal zusagte, war der geile Groove, den die Jungs
da aufs Parkett legten. Das eingespielte Kollektiv brillierte
musikalisch wie technisch und bewegte sich absolut auf Augenhöhe mit
weiteren Gruppen aus dieser Stil-Ecke. Dazu gehören zum Beispiel
auch Mother’s Cake und teilweise auch The Vintage Caravan, zumindest
vom Sound her. So gaben sich die Winterthurer Retro-Rocker vor circa
dreissig Nasen (!) gute fünfzig Minuten lang absolut keine Blösse
und machten beste Werbung in eigener Sache. Dazu gehörte meine
letztlich voll erfüllte Hoffnung auf das Vinyl des Debüts, das
gleich von allen Protagonisten unterzeichnet wurde. Die CD-Ausgabe
in der Cardbox wurde natürlich, neben der obligaten Setliste, ebenso
gekrallt. Ich bin überzeugt, dass auch die kommende Scheibe das
bereits erfreuliche Niveau wird halten können. Die schmissigen
Live-Versionen standen dabei für die eindrucksvolle Visitenkarte von
Jack Slamer, die ihren kompositorischen Zenit noch lange nicht
erreicht haben!
Inglorious
Obwohl mir der Opener Jack Slamer sehr gut gefallen hatte, dauerte
es keine Minute, bis der Headliner den berühmten Unterschied
bezüglich dem Druck nach vorne unmissverständlich aufzeigte. Sänger
Nathan James hängte dabei sofort die Rampensau heraus und kündigte
vor nun keinen vier Dutzend Leutchen (!!) eine ganz spezielle
Setliste für das heutige „Day-Off“-Konzert an. Nebst fast allen
Songs des brillanten selbstbetitelten Debüt-Albums wurden nicht
weniger als vier ziemlich kultige Cover-Versionen gezockt, die
selbst mich, mittlerweile bekannt als allermeist unentwegt
nörgelnder Neurotiker zu diesem Thema allgemein, rundum
begeisterten! Als der hammergeile Album- und Konzertopener «Until I
Die» begann, rannte ich immer noch meinen Jack Slamer Unterschriften
nach. Was man hat, das hat man hiess die Devise! Kurz danach ging es
aber sofort vor die Bühne, dessen unbelegter Platz davor mir als
einzigem Pressevertreter perfekten Bewe-gungsraum verschaffte. Das
Licht war dann allerdings nicht immer sexy, vor allem zu Beginn
nicht, aber das kennt man ja mittlerweile zur Genüge. Da an so einem
Abend die 3-Song Regel für das Fotographieren vernünftigerweise
ausgesetzt wurde, gelangen dann doch noch ein paar coole Pix. Nach
«Breakaway», einem weiteren Album-Kracher erster Güte, folgte mit «I
Surrender» ein alter Rainbow-Klassiker (im Original von Russ
Ballard), der die Roots von Inglorious unweigerlich zur Schau
stellte. «High Flying Gypsy» liess derweil einen Schlenker in
Richtung Led Zeppelin
erkennen,
ehe das bluesige «Warning» zunächst die Verbindung zu den alten
Whitesnake herstellte, um anschliessend gleich Deep Purple und vor
allem Rainbow zu huldigen. Dass es mit dem Blues über eine gesamte
Liedlänge ebenso hinhaut, bewies das sackstarke «Holy Water», wo
Nathan seine ganze Klasse ausspielte, einfach nur grandios. Nach
diesem optimalen Einstieg war die Zeit nun reif für eine überaus
kultige Cover-Triplette, die es so gemäss eigenem Bekunden der Band
„nie mehr“ geben wird. Den Auftakt machte «Fool For Your Loving» von
Whitesnake, das den guten David Coverdale an dieser Stelle hätte
erblassen lassen. Mit dem Purple-Lunatic «Lay Down Stay Down» hatten
mich Inglorious vollends im Sack, und die töfte Interpretation von
Def Leppards Hit «Animal» passte zum Schluss des Jukebox-Modus
vorzüglich. Doch das war noch lange nicht alles, denn nach dem neuen
Song «Taking The Blame» zogen die Briten mit der hammergeilen
Halbballade «Bleed For You» nochmals alle Register. Wie gut das
Material des Debüts in der Tat ist, unterstrichen drei weitere
Top-Songs. Nach exakt 75 Minuten war leider Schicht im Schacht und
Inglorious verfügen, wie The Dead Daisies, über ein riesiges
Potenzial, das sich hoffentlich bald in einem weiteren Hammer-Album
niederschlagen wird. Zur erbärmlichen Zuschauermenge gibt es
abschliessend nur noch eines zu sagen: „selber schuld“!
Setliste: «Intro (The Who Song)» - «Until I Die» - «Breakaway» - «I
Surrender (Rainbow Cover)» - «High Flying Gypsy» - «Warning» - «Holy
Water» - «Fool For Your Loving (Whitesnake Cover)» - «Lay Down, Stay
Down (Deep Purple Cover)» - «Animal (Def Leppard Cover)» - «Taking
the Blame» - «Bleed For You» - «No Good For You» - «Girl Got a Gun»
- «Unaware» - «You're Mine».
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