In der Regel erscheint jeweilen zuerst ein neues Album, das
anschliessend mit einer Tour gewürdigt wird. Bei den eisernen Jungfrauen stimmt dies
dieses Jahr nicht ganz. Wie damals bei der Lancierung des "Ed Hunter" PC-Games
hat man (noch) keine neue Studio-Scheibe am Start ("Dance of death" folgt im
Herbst!), sondern tourt "einfach so"! Wirklich? Fast, denn eigentlich ist das
die "Give me Ed...'til I'm dead"-Tour zur letzten "Best Of"-Scheibe
und im Vorfeld von ein paar Festival-Auftritten und weiteren Konzerten in Europa ist heuer
(im Mai) noch die Doppel-DVD "Visions of the beast" mit allen (!) Video-Clips
und viel Zusatzmaterial erschienen. Aber im Grunde ist das alles sekundär, denn Iron
Maiden live sehen zu können, war und ist immer noch ein Leckerbissen für jeden
Metal-Maniac. Seit Flugkapitän Bruce Dickinson wieder an Bord ist, läuft es besser denn
je für die britischen Metal-Pioniere. Der inzwischen schon legendäre Auftritt bei
"Rock in Rio" 2001 hat gezeigt, dass Iron Maiden ihr Pulver offenbar noch nicht
verschossen haben. Mit "Brave new world" produzierte man zwar nicht den
Überhammer, aber dennoch ein überaus gutes Teil, das, und dies erachte ich als
entscheidend, viele neue und vor allem junge Fans bescherte. Damit erreichen Iron Maiden
heute praktisch drei Generationen. Ein Bild, das sich an diesem schönen Juni-Tag rund um
das Forum in Fribourg bestätigte. An die 9'000 Fans müssten es gewesen sein, die Zeuge
des bis dato besten (!), je in der Schweiz gespielten Konzertes wurden. Bevor es jedoch
soweit war, versuchten Murderdolls als Support den "Manson-Jüngern" unter dem
Publikum der Neuzeit einzuheizen.
Mit etwas Verspätung legten die Amis vor einer bereits respektablen Kulisse los und kamen
mir optisch wie eine Mischung der Hintermannschaft von Marilyn Manson und Slipknot ohne
Masken vor. Wer in die riesige Halle "hineinstolperte", fragte sich zu Beginn
wohl, ob das überhaupt was wird hier drin. Das schweizerische Dezibel-Limit sorgt seit
seiner Einführung für gelegentliche Unterbeschallung, aber hier im Forum kam es einen
wenigstens nicht so vor. Von dieser Band hatte ich bisher eigentlich nichts gehört,
sondern höchstens mal eine Anzeige in einem Metal-Heft gesehen. Das Dargebotene vermochte
mich nicht zu begeistern, zu eintönig kam der punkige Rocksound mit etwas
Düsterkomponente und dem eingleisigen Kreischgesang daher. Gerade der Gesang im
Speziellen nervte schon bald und zeigte auf, dass eine Band wie Children of Bodom das bei
ähnlicher Ausgangslage (vom Gesang her versteht sich!) weitaus besser löst. Auch der
Schlagzeuger hämmerte praktisch immer die gleichen Beats auf die Felle. Nichts desto
Trotz kam die bewegungsaktive Band mit ihrem Windmühlen-Banging in den vorderen paar
Reihen aber sehr gut an und erhielt ordentlichen Applaus für ihre Performance spendiert.
Ich mochte mir jedoch nicht mal die (bloss) gespielten 35 Minuten ganz anhören und verzog
mich deshalb wieder nach draussen in die Vorhalle, wo ich feststellte, dass immer noch
viele Leute anstanden und um Einlass begehrten.
Die Stimmung war durch das Band hinweg gut und die im Vorspann angesprochenen drei
Generationen von Konzertbesuchern waren unschwer auszumachen. Vor allem wurde deutlich,
dass Iron Maiden auch für Heavy Metal-Neulinge immer mehr an Bedeutung gewinnen. Für
unsereins der älteren Garde kaum vorstellbar, dass das erste Iron Maiden-Album junger
Fans vielfach "Brave new world" heissen dürfte. Der Aktualität wegen müsste
aber auch "Rock in Rio" zahlreich bei der Jugend vertreten sein und damit ist
der Brückenschlag zum Backkatalog der eisernen Jungfrauen gegeben. Überhaupt kam mir das
ganze Durcheinander vor der Halle, mit vollgestopften Parkplätzen und den sich bald
anhäufenden Abfallbergen, wie ein Festivalgelände vor (und nährte die Vorfreude auf das
anstehende "Bang Your Head-Festival" in Balingen zusätzlich!). Ein kurzer Blick
auf ein paar Nummernschilder zeigte an, dass Fans praktisch aus der ganzen Schweiz und
unseren angrenzenden Nachbarn den Weg nach Fribourg unter die Räder genommen hatten.
Selbst ein Ford Transit aus England befand sich im Wagenpark! Sie alle sollten ihr Kommen
nicht bereuen, denn als das Licht in der Halle ausging und der Headliner gleich mit
"The number ot the beast" loslegte, gab es kein Halten mehr. Die Bühne sah
diesmal weitaus abgespeckter aus als die Jahre zuvor, als noch Pomp und
Feuer eine Maiden-Show kennzeichneten. Anstatt mit viel elektronischem und digitalen
Aufwand zu arbeiten, wurden zum Beispiel laufend riesige, stoffartige Hintergrundbilder
mit dem entsprechendem Eddie-Thema ausgetauscht. Das Licht war dennoch üppig und die
übergrosse, mit gleissendhellem Licht ausgestattete "666", die zum Opener
mitten in der Bühne thronte, dürfte religiösen Moralaposteln glatt den Atem geraubt
haben. Die Band präsentierte sich agil von der ersten Sekunde an, obwohl sich ihre Posen
und Gebärden über die Jahre hinweg kaum verändert haben. Die Gitarrenfront wirkte
gefestigt und jeder kriegte seine Solo-Parts ab. Schön auch zu sehen, dass Janick Gers
nach der Rückkehr von Adrian Smith in der Band verbleiben konnte. Ich kann mir das
heutige Line-Up ohne die drei Saiten-Maniacs schlichtweg nicht mehr vorstellen. Bruce
Dickinson stieg relativ gut ins Set ein, offenbarte aber bei "The trooper"
leichte Schwächen, die sich jedoch von Song zu Song immer mehr verflüchtigten. Die
Stimmung in der Halle war grandios, wenn nicht phantastisch, was Schweizer Verhältnisse
angeht. Ich habe nun seit 1980 in der Schweiz eine ganze Menge Bands gesehen und gehört,
aber jetzt bekam ich echt eine Gänsehaut. Jeder Song, unter denen sich endlich auch
wieder mal alte Klassiker wie "Die with your boots on", "Revelations"
oder "Hallowed be thy name" befanden, wurde frenetisch abgefeiert. Kein
Vergleich zum letzten Auftritt im Hallenstadion in Zürich, denn jetzt ging die Post
wirklich (oder endlich!) voll ab. Mit "(The world's) wildest dream" wurde gar
ein neuer Song des kommenden Album's gespielt, der im Bereich des aktuellen Songwritings
angesiedelt ist und vom Aufbau her etwas an "The wicker man" erinnerte.
Zumindest ging das Teil voll nach vorne los und dürfte sich schon auf der nächsten Tour
in die Set-Liste eingeschlichen haben, wetten? Maskottchen Eddie gab sich als "King
Eddie" bei "The clansman" die Ehre und sorgte für ohrenbetäubenden Lärm.
Bruce steigerte sich sichtlich und überhaupt war die ganze Band ob der Reaktionen vor
ihnen ziemlich platt und erfreut zugleich. Der singende Flugkapitän legte dabei noch
Briketts nach und wetterte gegen die grassierende Pop-Kultur. Dafür erntete er natürlich
tausendfaches Lob und Zustimmung. Eine Hand voll ausgewählter Fans, unter ihnen diesmal
einige ganz junge, durften traditionsgemäss beim Refrain von "Heaven can wait"
auf der Bühne kurz mitträllern. "Komisch" nur, dass da bei jedem Schweizer
Konzert ein bestimmtes Gesicht mit Brille immer wieder auftaucht! - (Greez to fuckin'
EXLNT LX!) - Nach einer megageilen Version von "Fear of the dark" und dem
obligaten "Iron Maiden" war danach erst mal Schluss. Klaro wurden die Helden des
Abends nochmals auf die Bühne zurückgeschrien und pusteten als Zugaben weitere drei
Songs in die völlig entfesselte Meute. Viel (Trockeneis-) Rauch, Wind und Licht boten
dabei eine überzeugende Alternative zu den bisherigen Pyro-Exzessen. Mit "Run to the
hills" waren gute zwei Stunden leider bereits (und viel zu schnell!) wieder vorüber
und Bruce Dickinson verabschiedete sich im Namen der ganzen Band mit den Worten:
"Schweiz", das ist das beste Konzert, das Iron Maiden hier überhaupt gespielt
haben!" Dem habe ich nichts mehr beizufügen und jeder, der das verpasst hat, wird
hoffentlich (in der Schweiz) nochmals die Gelegenheit bekommen, eine der besten Heavy
Metal-Bands überhaupt erst- oder nochmals geniessen zu können! Up the irons!!
Set-Liste: "The number of the beast", "The trooper", "Die with
your boots on", "Revelations", "Hallowed be thy name", "22
Acacia avenue", "(The world's) wildest dream", "The wicker man",
"Brave new world", "The clansman", "The clairvoyant",
"Heaven can wait", "Fear of the dark", "Iron Maiden",
"Bring your daughter to the slaughter", "2 minutes to midnight",
"Run to the hills".
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