«Scream For Me Switzerland!» befahl Frontjungfrau Bruce Dickinson
und die nicht ganz 10'000 Anwesenden gehorchten dem stimmgewaltigen
Briten bis aufs Blut, schrien nicht nur, sondern klatschten,
gröhlten, bangten und hüpften auch und das während fast 2 Stunden
ohne wirkliche Unterbrüche! Iron Maiden waren wieder einmal in der
Schweiz, genauer gesagt in der St. Jakobshalle zu Basel, und was das
NWOBHM-Flagschiff an diesem Abend vom Stapel liess, trieb nicht nur
mir, der gerade in Maiden-Short und -Shirt aus einem
Maiden-Kaffeebecher trinkt, die Tränen in die Augen. «Somewhere Back
In Time» lautete dabei das Tour-Motto und Maiden legten somit den
Fokus auf die triumphale Zeit mitte der 80er, als man mit
«Powerslave», «Somwhere In Time», «Seventh Son Of A Seventh Son» und
der Kult-Livescheibe «Live After Death» sowohl in Sachen Konzerte
wie auch Songwriting Meisterleistungen vollbracht hatte.
Entsprechend überwältigend waren dann auch Setlist und Show, sodass
Maiden ein weiteres Mal ihren Status als eine der grössten,
wichtigsten, überhaupt besten Metalbands der Welt verteidigten. Doch
auch eine solch metallische Meisterleistung rechtfertigte die
Wucher-Merchpreise (60.- ein T-Shirt, 30.- für einen
Schlüsselanhänger oder 170.- für ein Fussball-Trikot) nicht, auch
wenn das Zeug wegging wie warme Semmeln und der Rezensent selbst
einem «Powerslave»-Shirt nicht widerstehen konnte. Man ist halt
Fan...
Lauren Harris
Genauso ungerechtfertigt war daneben die Vorband an diesem Abend.
Wie auf der ganzen Tour und wie auch auf Maidens «A Matter Of Life
And Death»-Rundreise eröffnete Steve Harris weiblicher Spross Lauren
mit ihrer Kapelle den Abend und dies beileibe nicht
zufriedenstellend. Von Papa ganz beeinflusst begann Lauren dabei
ihren Auftritt mit dem UFO-Cover «Natural Thing», was stimmlich mal
schon überhaupt nicht passte. Zu hoch für ihre Stimme quietschte sich
die einzig optisch (lange Haare, hübscher Körperbau, Lederhosen)
ansprechende Miss Harris durch den Klassiker. Die tiefer gehaltenen
Nummern ihres eben erschienenen Debüts «Calm Before The Storm»
hingegen brachte sie ohne grössere Patzer durch. Das Material,
welches man irgendwo zwischen Pop-Rock à la Suzie Quatro und The
Donnas ansiedeln darf, bestätigte, dass der Apfel halt eben doch
manchmal weiter vom Stamm fällt als man will: Zu simpel, zu
uninspiriert, schlicht zu belanglos sind Nummern wie «Steal Your
Fire», «Get Over It» oder «Like It Or Not». Darunter schienen auch
die versierten Mitmusiker des Harris-Nachkommen zu leiden, die in
Sachen Performance aber ziemlich locker rangingen und in Sachen Stageacting beherzter und
professioneller rüberkamen als ihre
Frontfrau, die wohl nicht aufgepasst hatte, als ihr Vater ihr das
Geheimnis des Headbangens beibringen wollte. Allen voran Gitarrist
Richie schien bei den schnöden Straight-Rockern (oder besser
geschrieben -Poppern) völlig unterfordert zu sein und konnte es sich nicht
verkneifen, ein Lick nach dem anderen dazwischen zu spielen, was für das
Ganze auch nicht gerade dienlich war und gegen Ende sogar richtig
auf die Nerven ging, auch wenn der Klampfer wirklich talentiert zu
sein scheint. Mag Lauren Harris ihrer Abstammung und ihres Aussehens
wegen auch die Traumfrau so manchen Metallers sein; würde die Dame
nicht Harris heissen, dann würde sie und ihre Truppe wohl nicht
einmal in 500-Leute-Clubs auftreten, geschweige denn auf den Bühnen,
die ihre Abstammung sie entern lässt.
Iron Maiden
Wenigstens passte der Albumtitel «Calm Before The Storm», denn was
nun folgen würde, kann nicht besser beschrieben werden als ein Orkan.
Ein Orkan an Professionalität, Spielfreude, Elan und Perfektion, sei
es visuell oder in Sachen Sound. Als «Doctor Doctor» der schon
erwähnten UFO, seit Jahren der letzte Track ab Band vor einem Maiden-Gig, aus Richtung der noch in schwarz gehüllte Bühne dröhnte
meldete sich schon die erste Gänsehaut an und als darauf gleich die
«Powerslave»- bzw. «Life After Death»-Alben einleitende
Churchill-Rede («Churchill's Speech») folgte, stand jedes Häärchen
von der Haut ab. Der Vorhang fiel und mit einem Knall, namentlich «Aces
High», hatte sich die St. Jakobshalle in ein Tollhaus verwandelt,
welches erst wieder Minuten nach dem finalen «Hallowed Be Thy Name»
ruhig gestellt werden würde. Dass unfehlbare Nummern wie «Two
Minutes Two Midnight», «The Trooper» oder «Wasted Years» dabei schon
seit Jahrzehnten immer wieder in der Setlist der eisernen Jungfrauen
auftauchen, kratzt dabei keinen, nicht zuletzt, da nicht nur die
Ohren, sondern auch das Auge bedient wurde und dies so
überschwänglich wie schon lange nicht mehr. Neben obligatorischen
Einlagen wie Bruce's Soldatenverkleidung während «The Trooper» oder
den riesigen, gezeichneten Backdrops und der zwar simpel aussehenden,
dafür umso mehr wirkenden Lightshow waren es vor allem die
fulminanten Pyros, bei welchen sich Maiden nicht lumpen liessen und
die tonnenweise in die Luft geballert wurden (natürlich den
Möglichkeiten der Halle entsprechend). Waren es nun gleissend
höllische Flammenwände («Number Of The Beast» - gigantische
Stimmung, bei welcher der Gehörnte höchstpersönlich aus dem Boden
stieg) oder auch kleine Zuckerstöcke auf, neben oder oberhalb der
Bühne wie etwa bei «Can I Play With Madness» oder auch «Rime Of The
Ancient Mariner». Dieses über 10 Minuten dauernde Epos von
«Powerslave» war dann auch eines der Highlights dieser nur aus
Highlights bestehenden Show: Von der sowieso in Ägypten-Optik
gehaltenen Bühne umrahmt, sorgte ein mit 3D-Effekten angereichertes Schiffswrack-Backdrop für
die richtige Atmosphäre. Davor
gestikulierte Bruce Dickinson, wie seit Jahren immer noch in
stimmlicher Bestform, theatralisch in Umhang und umgeben von
perfekten Lichtspielen. Ein Epos für die Ewigkeit, welches gerne
wieder mal dargeboten werden dürfte, gerade, wenn Maiden in solcher
Form aufspielen. Wie zu erwarten sass jedes Lick, jeder Lauf, jede
Bewegung der Truppe, wobei gerade Klampfenkaspar Janick Gers weniger
als sonst den Hampelmann machte, dafür Dave Murray umso mehr an
Präsenz gewann im Gegensatz zu Adrian Smith, der sich wie gewohnt
eher zurückhielt, dafür aber die Saiten tanzen liess. Nach
«Powerslave» (natürlich auch riesig) wurden zu «Heaven Can Wait»
Fans auf die Bühne geholt, die die Chor-Passagen des «Somewhere In
Time»-Klassikers mitintonieren durften. Zwar altbekannt, aber immer
wieder unterhaltsam anzusehen. Nicht minder bekannt, dafür umso
frenetischer abgefeiert, wurde der finale Triple-Schachzug der
eisernen Jungfrauen: Zuerst das unkaputtbare «Run To The Hills»,
dann «Fear Of The Dark», einziger Song dieses Abends, der nach «Seventh
Son Of A Seventh Son» veröffentlicht wurde und halt doch
unverzichtbar ist (Steve Harris scheint aus den Reaktionen auf das
Weglassen während der «Eddie Rips Up The World»-Tour 05» gelernt zu
haben), und dann noch «Iron Maiden», zu welchem der Mumien-Eddie
seine bandagierten Klauen über Nicko McBrain's Schiessbude wedelte –
da fehlen einem zum Beschreiben schon fast die Worte, ein Problem,
welches Mr. Dickinson nicht zu haben schien, laberte er doch mehr
als üblich zwischen den Songs. So auch unter anderem, dass jeder
Anwesende das nächste Mal doch einfach 2 Freunde mitnehmen solle,
dann könne man anstatt in der Halle («private atmosphere» – O-Ton
Bruce) einfach im Fussballstadion nebenan rocken. Kleine
Verhältnisse für die NWOBHM-Legende hin oder her, nach nur wenigen
Minuten stand das Sextett wieder auf der Bühne, um unserem Rockslave
und wohl auch vielen anderen mit «Moonchild» (dem sträflich
unterbewerteten Opener von «Seventh Son Of A Seventh Son») schier
die Hosen nass zu machen. Von der selben Scheibe, bzw. von selbem
Kaliber inszenierte man das epische «The Clairvoyant» und das schon
erwähnte Finale in Form von «Hallowed Be Thy Name» zerbarst noch den
letzten intakten Nackenmuskel, zerstörte inklusive Cyborg-Eddie und
Mini-Feuerwerk den letzten Zweifel, dass man gerade die wohl beste
Show des Jahres hatte erleben dürfen. Maiden 2008, die auf Maiden
vor 20 Jahren machen: der beste Beweis dafür, dass die eisernen
Jungfrauen nichts von ihrem Glanz und ihrer Genialität verloren
haben. Man ist halt Fan – nach diesem Abend wäre alles andere
reine Idiotie.
Setlist Iron Maiden:
«Aces High» – «Two Minutes To Midnight» – «Revelations» – «The
Trooper» – «Wasted Years» «The Number Of The Beast» – «Can I Play
With Madness?» – «Rime Of The Ancient Mariner» «Powerslave» «Heaven
Can Wait» – «Run To The Hills» – «Fear Of The Dark» – «Iron Maiden»
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«Moonchild» – «The Clairvoyant» – «Hallowed Be Thy Name»
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