Livereview: Jon Oliva's Pain - Nostradameus - Dionysus
03. April 2007, Pratteln Z7
By Kissi
"Der Gott des Weines, ein wahnsinniger Prophet und der nicht minder irre Bergkönig gehen zusammen auf eine Reise quer durch die Welt." - Was klingt wie der Beginn einer antiken Sage oder einem Volksmärchens ist in Tat und Wahrheit nichts anderes, als eine der unzähligen hochkarätigen Metal-Touren dieses Frühlings, welche auf ihrem Weg durch Europa auch im heimischen Pratteln, genauer gesagt im Schweizer Metal-Mekka, dem Z7, Halt machte. Angeführt durch keinen Geringeren als Metal-Schwergewicht (im wahrsten Sinne des Wortes) Jon Oliva, Mastermind der legendären US-Metaller Savatage, brachten so seine Kappelle Jon Oliva's Pain und die beiden schwedischen Truppen Nostradameus und Dionysus die Bühne mit melodiösem Power Metal zum Beben, wobei dieses Beben erst beim Main-Act wirklich als positiv gewertet werden konnte, überzeugten die beiden Support-Bands doch nicht wirklich. Dass an diesem Abend dennoch keiner mit einem schalen Nachgeschmack nach Hause ging, dafür sorgte der "Mountain King" dafür allemal, sei es mit seiner unglaublich eindrücklichen Bühnenpräsenz, seinen ebenso sympathischen Mitmusikern oder einer Setlist, die jedem Savatage-Fan das Wasser in die Augen treiben konnte. Bevor wir uns aber in den Details der mitreissenden Show des Dickwanst verlieren widmen wir uns zuerst den beiden Leerläufern.

Dionysus
Konnten mich die schwedischen Musikanten um ihren deutschen Frontmann Olaf Hayer mit ihrem 04er Zweitling "Anima Mundi" noch ziemlich günstig stimmen, so überzeugte das Ende 2006 veröffentlichte dritte Album "Fairytales & Reality" schon nicht mehr so gewaltig. Noch weniger positiv trat der Fünfer dann aber an diesem Abend in Erscheinung, trotz der klugen Entscheidung, die schon erwähnte "Anima Mundi"-Schiblette mehr als die aktuelle zu berücksichtigen, von deren der Opener "Illusion of Life" stammte. Dabei fiel das Quintett nicht nur ihrer eher bewegungsarmen Performance zum Opfer, sondern liess auch musikalisch einiges vermissen. Zu unsauber, zu unprofessionell wirkte die Truppe trotz augenscheinlicher technischer Fähigkeiten, sei es in Form der an Luca Turilli (Rhapsody of Fire) erinnernden Gitarrensoli des optisch eher an Axel Rudi Pell (wasserstoffblonde Haarpracht und schwarzes Hemd zu weisser Gitarre) Klampfers Johnny Ölin oder durch die variable Stimme des in ein Holzfällerhemd gekleideten Hayers, der mit seinen Screams doch noch den einen oder anderen Pluspunkt holen konnte. Der negativen Eindrücke nicht genug wurde das Ganze dann auch noch von einer spärlichen Lightshow und eher matschigem Sound begleitet, welcher dann Melodic Metal Perlen wie "Divine", dem schnellen "Bringer of War" oder dem ohrwurmigen "Heart is Crying" doch nicht jeden Charme nehmen konnte. Dass ein solch durchwachsener Auftritt vom Publikum nach dem abschliessenden "March for Freedom" lediglich mit Höflichkeitsapplaus quittiert wurde, verwunderte also nicht wirklich.

Nostradameus
Reichlich professioneller wirkten dagegen Nostradameus, wenigstens was das Auftreten betraf. Mit einer schwarz-grünen Bühnendekoration, welche an das Cover der aktuellen Platte "Pathway" anlehnte, im Gepäck und ihr stilechtes Leder-Nieten-Outfit gepellt beschworen die fünf Skandinavier eine vielversprechende, etwas bedrohliche Stimmung herauf, welche ihr Songmaterial nicht im Geringsten halten konnte. Zu vertrackt, zu unübersichtlich präsentierten sich vor allem die neuen Songs, so dass es dem Publikum sichtlich schwer viel, sich von der an sich souveränen Show der Schweden anstecken zu lassen, die auch handwerklich nichts anbrennen liessen. So gelang es dem immer mal wieder an Queensryche's Geoff Tate erinnernden Sänger Freddy Persson trotz unermüdlichem Anfeuern durch Klatschen, Auffordern, Grimassen ziehen etc. nur selten, die nun auf rund 230 Nasen angestiegene Zuschauerschaft zum Mitmachen zu bringen - zu schwache Songs lassen sich eben durch nichts kompensieren! Wie es sein könnte, das zeigte sich während dem wohl besten Stück der Nordmänner, dem Titeltrack der 2004 erschienenen Scheibe "Hellbound", der doch den einen oder anderen Anwesenden zu verhaltenem Kopfschütteln animierte, von den 20 Hardcore-Nostradameus-Fans, welche permanent abgingen, in der ersten Reihe mal abgesehen. Der Umstand, dass Nostradameus an diesem Abend nicht zum ersten Mal in der Schweiz als Support unterwegs waren, bestätigte dann die Aussage unseres geschätzten Rockslave nochmals, dass diese Truppe es wohl leider nie über den Status der ewigen Vorgruppe hinausschaffen wird, kriegen es die fünf Jungs doch auch nach der sechsten Scheibe immer noch nicht hin, amtliche Nummern zu schreiben.

Jon Oliva's Pain
Waren die beiden B-Legisten dann endlich überstanden hiess es "Bühne frei!" für eine wahre Legende. In warmes Licht gehüllt stampfte sie daher, die tonnenschwere Metallegende Jon Oliva. Mit Savatage hatte er einen intelligenten wie mitreissenden Rockklassiker nach dem anderen produziert und auch mit seiner aktuellen Band Jon Oliva's Pain lieferte der Fleischberg in Gestalt von "Maniacal Renderings" vor einem halben Jahr einen Tonträger ab, der sich locker in diesen Reigen einreihen lässt. Dass Oliva dabei die Klasse seiner Songs auch live rüber zu bringen vermag, jenes stellte er schon an den Metaldayz 2006 unter Beweis und so waren die Erwartungen des Publikums, welches sich geschlossen an die Photograben-Gitter drängte nicht minder gross. Und von den ersten Klängen des Sava-Hits "Warriors" (von "Power of the Night", 1985) war allen klar: Diese Erwartungen waren eindeutig nicht zu hoch gesteckt, Dauerheadbanging war angesagt! So auch zum nicht weniger mitreissenden "Sirens", welches der Mountain King noch stehend und mit wehendem Haar (Ventilator) vortrug, bevor er sich zum starken Titeltrack der neuen Scheibe "Maniacal Renderings" hinter sein Keyboard, auf sein allseits bekanntes Stühlchen setzte, während seine tighte Band, allen voran Gitarrist Matt LaPorte und Kevin Rothney, trotz der alles einnehmenden Person Olivas nicht in den Hintergrund gedrängt wurden sondern mit Posieren und charismatischem Auftreten ebenso zu überzeugen wussten wie mit ihrem makellosen Spiel. Letzteres galt auch für den wahnsinnig grinsenden (überhaupt hat Jon ja etwas von einem Irren an sich) Oliva, der sowohl in stimmlichen, wie auch in pianotechnischen Belangen nichts anbrennen liess und die alten Sava-Classics ebenso fabelhaft wie die neuen Stücke intonierte. Nach einer Laudatio aufs Z7 ("no such great place in the US!") folgte dann das erste, wenn nicht das Highlight des Sets, nämlich ein grosszügiges, aus sieben (!!!) Tracks bestehendes und ca. eine halbe Stunde dauerndes Medley der Rock-Oper "Streets" aus dem Jahre 1991. Ob der Titeltrack, das markerschütternde "Jesus Saves", nach welchem sich der Meister seine erste mit verbotenen Kräutern angereicherte Rauchware anzündet, das überwältigend gesungene "Tonight He Grins again", dem ebenso starken "NYC", gefolgt von "Ghost in the Ruins" und dem kaputten "Agony and Ecstasy" und dem mitreissenden, wunderschönen "Somewhere in Time / Believe", die ganze Palette an unerschütterlichen Hymnen, welche diese Platte bietet, werden zum Besten gegeben und das Publikum dreht dementsprechend komplett durch, headbangt, spielt Luftgitarre und singt aus Leibeskräften mit; es gibt kein Halten mehr! Wahnsinn, welche Intensität Oliva ganz ohne Bühnendeko und minimalistischer Lightshow hier heraufbeschwört! Hier lebt er weiter, der Geist von Jons verstorbenem Bruder Criss, dessen Ideen auch das Fundament der neuen Songs wie "Through the Eyes of the King ausmachen", welches nun an der Reihe ist und sich stilistisch, wie qualitativ perfekt anschliesst. Bevor es dann mit dem melancholischen "Timeless Flght" (ebenfalls von "Maniacal Renderings" weitergeht wird Tüte Nummer 2 angezündet, wobei sich der, dank diabolischem Grinsen, nun wirklich psychisch labil scheinende Oliva die Finger verbrennt. "All Time" vom Erstling JOP's, "'Tage Mahal" betitelt er darauf als sein ganz persönlicher Tribut an Freddy Mercury, was die dramatisch bombastischen Piano-Einlagen erklärt. Langsam schienen danach die beiden THC-Stengel zu wirken, erzählte der schwitzende Fronter doch folgende Geschichte, wie er einst am Sonntag Morgen, nach einer durchzechten Nacht und nach Pot riechend von der Türklingel geweckt worden sei, darauf die Türe geöffnet habe, während im Hintergrund Black Sabbath lief. Ein Mann vom Paketdienst sei davor gestanden, in den Händen eine Sendung an ihn - Erhabe noch nie in seinem Leben einen Mann so schnell rennen gesehen, in Lichtgeschwindigkeit sei der Mann die Auffahrt hinunter gerannt und nie wieder gekommen... Nach dem dritten Song über das philosophische Thema der Zeit, "End Times" und einem kräftigen Schluck Whisky ("to kill the pain") war dann die Zeit reif für eine weitere, abschliessende Packung Klassiker: "Gutter Ballet" trieb die Anwesenden und deren Nacken an die Grenzen der Belastbarkeit und als zum Abschluss dann noch "Mountain King", eingeleitet durch das allseits bekannte Piano-Intro, für welches Jon wie immer mehrere Anläufe benötigte durch die Boxen donnerte, war der Metal-Overkill perfekt, Publikum wie Musiker erschöpft und die Gewissheit vorhanden, dass in Form von Jon Oliva's Pain das Erbe Savatages nicht besser verwaltet werden könnte! Hoffen wir, dass Mr. Oliva trotz seines exzessiven Lebensstils so schnell und so oft wie möglich zurück kommen möge in die Schweiz, mit ebenso vielen Sava-Hits und ebenso vielen neuen, exzellenten Songs wie an diesem Abend. Savatage = Jon Oliva!

Setlist Jon Oliva's Pain:
"Warriors" - "Sirens" - "Maniacal Renderings" - "Maniacal Renderings" - "Streets" - "Jesus Saves" - "Tonight He Grins Again / Strange Reality" - "New York City Don't Mean Nothing" - "Ghost in the Ruins" - "Agony and Ecstasy" - "Somewhere in Time / Believe" - Eyes of the King" - "Timeless Flight" - "All the Time" - "End Times" - "Gutter Ballet" - "Mountain King"