"Der Gott des Weines, ein wahnsinniger
Prophet und der nicht minder irre Bergkönig gehen zusammen auf eine
Reise quer durch die Welt." - Was klingt wie der Beginn einer
antiken Sage oder einem Volksmärchens ist in Tat und Wahrheit nichts
anderes, als eine der unzähligen hochkarätigen Metal-Touren dieses
Frühlings, welche auf ihrem Weg durch Europa auch im heimischen
Pratteln, genauer gesagt im Schweizer Metal-Mekka, dem Z7, Halt
machte. Angeführt durch keinen Geringeren als Metal-Schwergewicht
(im wahrsten Sinne des Wortes) Jon Oliva, Mastermind der legendären
US-Metaller Savatage, brachten so seine Kappelle Jon Oliva's Pain
und die beiden schwedischen Truppen Nostradameus und Dionysus die
Bühne mit melodiösem Power Metal zum Beben, wobei dieses Beben erst
beim Main-Act wirklich als positiv gewertet werden konnte,
überzeugten die beiden Support-Bands doch nicht wirklich. Dass an
diesem Abend dennoch keiner mit einem schalen Nachgeschmack nach
Hause ging, dafür sorgte der "Mountain King" dafür allemal, sei es
mit seiner unglaublich eindrücklichen Bühnenpräsenz, seinen ebenso
sympathischen Mitmusikern oder einer Setlist, die jedem Savatage-Fan
das Wasser in die Augen treiben konnte. Bevor wir uns aber in den
Details der mitreissenden Show des Dickwanst verlieren widmen wir
uns zuerst den beiden Leerläufern.
Dionysus
Konnten mich die schwedischen Musikanten um ihren deutschen
Frontmann Olaf Hayer mit ihrem 04er Zweitling "Anima Mundi" noch
ziemlich günstig stimmen, so überzeugte das Ende 2006
veröffentlichte dritte Album "Fairytales & Reality" schon nicht mehr
so gewaltig. Noch weniger positiv trat der Fünfer dann aber an
diesem Abend in Erscheinung, trotz der klugen Entscheidung, die
schon erwähnte "Anima Mundi"-Schiblette mehr als die aktuelle zu
berücksichtigen, von deren der Opener "Illusion of Life" stammte.
Dabei fiel das Quintett nicht nur ihrer eher bewegungsarmen
Performance zum Opfer, sondern liess auch musikalisch einiges
vermissen. Zu unsauber, zu unprofessionell wirkte die Truppe trotz
augenscheinlicher technischer Fähigkeiten, sei es in Form der an
Luca Turilli (Rhapsody of Fire) erinnernden Gitarrensoli des optisch
eher an Axel Rudi Pell (wasserstoffblonde Haarpracht und schwarzes
Hemd zu weisser Gitarre) Klampfers Johnny Ölin oder durch die
variable Stimme des in ein Holzfällerhemd gekleideten Hayers, der
mit seinen Screams doch noch den einen oder anderen Pluspunkt holen
konnte. Der negativen Eindrücke nicht genug wurde das Ganze dann
auch noch von einer spärlichen Lightshow und eher matschigem Sound
begleitet, welcher dann Melodic Metal Perlen wie "Divine", dem
schnellen "Bringer of War" oder dem ohrwurmigen "Heart is Crying"
doch nicht jeden Charme nehmen konnte. Dass ein solch durchwachsener
Auftritt vom Publikum nach dem abschliessenden "March for Freedom"
lediglich mit Höflichkeitsapplaus quittiert wurde, verwunderte also
nicht wirklich.
Nostradameus
Reichlich professioneller wirkten dagegen Nostradameus, wenigstens
was das Auftreten betraf. Mit einer schwarz-grünen Bühnendekoration,
welche an das Cover der aktuellen Platte "Pathway"
anlehnte,
im Gepäck und ihr stilechtes Leder-Nieten-Outfit gepellt beschworen
die fünf Skandinavier eine vielversprechende, etwas bedrohliche
Stimmung herauf, welche ihr Songmaterial nicht im Geringsten halten
konnte. Zu vertrackt, zu unübersichtlich präsentierten sich vor
allem die neuen Songs, so dass es dem Publikum sichtlich schwer
viel, sich von der an sich souveränen Show der Schweden anstecken zu
lassen, die auch handwerklich nichts anbrennen liessen. So gelang es
dem immer mal wieder an Queensryche's Geoff Tate erinnernden Sänger
Freddy Persson trotz unermüdlichem Anfeuern durch Klatschen,
Auffordern, Grimassen ziehen etc. nur selten, die nun auf rund 230
Nasen angestiegene Zuschauerschaft zum Mitmachen zu bringen - zu
schwache Songs lassen sich eben durch nichts kompensieren! Wie es
sein könnte, das zeigte sich während dem wohl besten Stück der
Nordmänner, dem Titeltrack der 2004 erschienenen Scheibe "Hellbound",
der doch den einen oder anderen Anwesenden zu verhaltenem
Kopfschütteln animierte, von den 20 Hardcore-Nostradameus-Fans,
welche permanent abgingen, in der ersten Reihe mal abgesehen. Der
Umstand, dass Nostradameus an diesem Abend nicht zum ersten Mal in
der Schweiz als Support unterwegs waren, bestätigte dann die Aussage
unseres geschätzten Rockslave nochmals, dass diese Truppe es wohl
leider nie über den Status der ewigen Vorgruppe hinausschaffen wird,
kriegen es die fünf Jungs doch auch nach der sechsten Scheibe immer
noch nicht hin, amtliche Nummern zu schreiben.
Jon Oliva's Pain
Waren die beiden B-Legisten dann endlich überstanden hiess es "Bühne
frei!" für eine wahre Legende. In warmes Licht gehüllt stampfte sie
daher, die tonnenschwere Metallegende Jon Oliva. Mit Savatage hatte
er einen intelligenten wie mitreissenden Rockklassiker nach dem
anderen produziert und auch mit seiner aktuellen Band Jon Oliva's
Pain lieferte der Fleischberg in Gestalt von "Maniacal Renderings"
vor einem halben Jahr einen Tonträger ab, der sich locker in diesen
Reigen einreihen lässt. Dass Oliva dabei die Klasse seiner Songs
auch live rüber zu bringen vermag, jenes stellte er schon an den
Metaldayz 2006 unter Beweis und so waren die Erwartungen des
Publikums, welches sich geschlossen an die Photograben-Gitter
drängte nicht minder gross. Und von den ersten Klängen des Sava-Hits
"Warriors" (von "Power of the Night", 1985) war allen klar: Diese
Erwartungen waren eindeutig nicht zu hoch gesteckt, Dauerheadbanging
war angesagt! So auch zum nicht weniger mitreissenden "Sirens",
welches der Mountain King noch stehend und mit wehendem Haar
(Ventilator) vortrug, bevor er sich zum starken Titeltrack der neuen
Scheibe "Maniacal Renderings" hinter sein Keyboard, auf sein
allseits bekanntes Stühlchen setzte, während seine tighte Band,
allen voran Gitarrist Matt LaPorte und Kevin Rothney, trotz der
alles
einnehmenden
Person Olivas nicht in den Hintergrund gedrängt wurden sondern mit
Posieren und charismatischem Auftreten ebenso zu überzeugen wussten
wie mit ihrem makellosen Spiel. Letzteres galt auch für den
wahnsinnig grinsenden (überhaupt hat Jon ja etwas von einem Irren an
sich) Oliva, der sowohl in stimmlichen, wie auch in pianotechnischen
Belangen nichts anbrennen liess und die alten Sava-Classics ebenso
fabelhaft wie die neuen Stücke intonierte. Nach einer Laudatio aufs
Z7 ("no such great place in the US!") folgte dann das erste, wenn
nicht das Highlight des Sets, nämlich ein grosszügiges, aus sieben
(!!!) Tracks bestehendes und ca. eine halbe Stunde dauerndes Medley
der Rock-Oper "Streets" aus dem Jahre 1991. Ob der Titeltrack, das
markerschütternde "Jesus Saves", nach welchem sich der Meister seine
erste mit verbotenen Kräutern angereicherte Rauchware anzündet, das
überwältigend gesungene "Tonight He Grins again", dem ebenso starken
"NYC", gefolgt von "Ghost in the Ruins" und dem kaputten "Agony and
Ecstasy" und dem mitreissenden, wunderschönen "Somewhere in Time /
Believe", die ganze Palette an unerschütterlichen Hymnen, welche
diese Platte bietet, werden zum Besten gegeben und das Publikum
dreht dementsprechend komplett durch, headbangt, spielt Luftgitarre
und singt aus Leibeskräften mit; es gibt kein Halten mehr! Wahnsinn,
welche Intensität Oliva ganz ohne Bühnendeko und minimalistischer
Lightshow hier heraufbeschwört! Hier lebt er weiter, der Geist von
Jons verstorbenem Bruder Criss, dessen Ideen auch das Fundament der
neuen Songs wie "Through the Eyes of the King ausmachen", welches
nun an der Reihe ist und sich stilistisch, wie qualitativ perfekt
anschliesst. Bevor es dann mit dem melancholischen "Timeless Flght"
(ebenfalls von "Maniacal Renderings" weitergeht wird Tüte Nummer 2
angezündet, wobei sich der, dank diabolischem Grinsen, nun wirklich
psychisch labil scheinende Oliva die Finger verbrennt. "All Time"
vom Erstling JOP's, "'Tage Mahal" betitelt er darauf als sein ganz
persönlicher Tribut an Freddy
Mercury, was die dramatisch bombastischen Piano-Einlagen erklärt.
Langsam schienen danach die beiden THC-Stengel zu wirken, erzählte
der schwitzende Fronter doch folgende Geschichte, wie er einst am
Sonntag Morgen, nach einer durchzechten Nacht und nach Pot riechend
von der Türklingel geweckt worden sei, darauf die Türe geöffnet
habe, während im Hintergrund Black Sabbath lief. Ein Mann vom
Paketdienst sei davor gestanden, in den Händen eine Sendung an ihn -
Erhabe noch nie in seinem Leben einen Mann so schnell rennen
gesehen, in Lichtgeschwindigkeit sei der Mann die Auffahrt hinunter
gerannt und nie wieder gekommen... Nach dem dritten Song über das
philosophische Thema der Zeit, "End Times" und einem kräftigen
Schluck Whisky ("to kill the pain") war dann die Zeit reif für eine
weitere, abschliessende Packung Klassiker: "Gutter Ballet" trieb die
Anwesenden und deren Nacken an die Grenzen der Belastbarkeit und als
zum Abschluss dann noch "Mountain King", eingeleitet durch das
allseits bekannte Piano-Intro, für welches Jon wie immer mehrere
Anläufe benötigte durch die Boxen donnerte, war der Metal-Overkill
perfekt, Publikum wie Musiker erschöpft und die Gewissheit
vorhanden, dass in Form von Jon Oliva's Pain das Erbe Savatages
nicht besser verwaltet werden könnte! Hoffen wir, dass Mr. Oliva
trotz seines exzessiven Lebensstils so schnell und so oft wie
möglich zurück kommen möge in die Schweiz, mit ebenso vielen
Sava-Hits und ebenso vielen neuen, exzellenten Songs wie an diesem
Abend. Savatage = Jon Oliva!
Setlist Jon Oliva's Pain:
"Warriors" - "Sirens" - "Maniacal Renderings" - "Maniacal Renderings"
- "Streets" - "Jesus Saves" - "Tonight He Grins Again / Strange
Reality" - "New York City Don't Mean Nothing" - "Ghost in the Ruins"
- "Agony and Ecstasy" - "Somewhere in Time / Believe" - Eyes of the
King" - "Timeless Flight" - "All the Time" - "End Times" - "Gutter
Ballet" - "Mountain King"
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