Jon Oliva-Konzerte sind immer etwas Besonderes, denn wer die
Inbrunst und Spielfreude des singenden Keyboarders und seiner
Begleitband je einmal erlebt hat, wird das musikalische
Schwergewicht immer wieder sehen wollen. Umso erstaunlicher deshalb,
dass mit geschätzten 300 Leuten nur Wenige ins Z7 gepilgert waren.
Hoffen wir, dass es am Montag und am Ferienbeginn lag, und nicht
etwa am «Hall Of The Mountain King»-Album, welches Jon Oliva in
seiner ganzen Länge spielen wollte. Der Savatage-Klassiker feiert
dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Aber auch auf andere Hits
musste das Publikum nicht verzichten. Abgerundet wurde der Abend
durch die spannenden Kingcrow und die eher langweiligen Max Pie.
Aber wer will schon Vorbands, wenn der Mountain King persönlich zu
einer Audienz einlädt?
Kingcrow
Die Italiener Kingcrow durften als Erste versuchen, das Jon
Oliva-Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Das gelang mit einer
erfrischenden Duftmarke. Denn Kingcrow präsentierten sich als
progressive Metalband, die das Wort progressiv noch wörtlich nimmt.
Die gespielten Lieder bauten sich meist langsam von ruhig und
zerbrechlich in wahre Heavy Metal-Monster auf. Dazwischen gab es
immer wieder schnelle, unerwartete Wechsel mit folkigem Anstrich.
Sänger Diego Marchesi überzeugte nicht nur mit einer unermüdlichen
Bühnenpräsenz, sondern ebenfalls mit seiner starken Stimme. Zudem
entlockte er den Zuhörern immer wieder ein Klatschen, Hey-Rufe oder
gereckte Fäuste. Ihr "dreamtheaterischer" Einfluss kam nur kurz
zum Vorschein, als sie beim Instrumental für einige Takte einen
Auszug aus dem Göttersong «Voices» zitierten. Die Spielfreude war
trotz fast leerer Halle spür- und sichtbar. Gelingt es Kingcrow
zukünftig in ihrem eigenem Stil noch mehr Abwechslung rein zu bringen
(respektive weg vom sinnbildlichen Frieden zum Krieg zu ziehen),
werden sich den Italienern viele Türen öffnen. Die Qualität stimmt
bereits, was auch die Jon Oliva-Fans freudig zur Kenntnis nahmen.
Max Pie
Herrschte bei den Italienern noch eitler Sonnenschein, schlich sich
bei den Belgiern Max Pie schon nach kurzer Zeit Langeweile ein. Ihr
zwar engagiert gespielter, leicht teutonischer Heavy Metal klang zu
unspektakulär, zu wenig inspiriert, ja gerade zu anödend, als dass
man länger der Band zuschauen und zuhören wollte. Sänger Tony, der
weisshaarige Bassist Oli und der Gitarrist Damien wirkten für sich
motiviert, trugen ihre Musik aber jeweils als drei einzelne
One-Man-Shows vor. Ein Miteinander war kaum zu spüren, weder
innerhalb der Band noch in Verbindung zum Publikum. Bei dieser
Kombination aus schlechten Songs und übler Bühnen-präsenz blieb für
mich nur noch die Flucht nach draussen, wo der Sound zwar leiser,
aber dennoch nicht spannender wirkte. Nach ein paar Gesprächen und
zig konsternierten Blicken in Richtung Bühne beendeten dann auch Max
Pie ihr Set. Der mässige Applaus veranschaulichte die "Qualität" der Band,
die zwar spiel-technisch nicht schlecht war, song-writerisch und von
der Performance her aber nichts reissen konnte.
Jon Oliva's Pain
Was nun folgte, verdient den Titel eines historischen Highlights.
Dies besonders, wenn man wie ich, Jon Oliva eine halbe Woche später
nochmals mit derselben Playlist am Bang Your Head!!! erleben durfte.
Gab sich der Mountain King in Deutschland wortkarg, ging das Konzert
im Z7 schon eher als «A Story Tellers Night» durch. Denn Meister
Oliva erzählte immer wieder kleine Geschichten zu den einzelnen
Liedern und bedankte sich mehrmals beim Publikum, welches zwar nicht
in grosser Zahl, dafür unter der Woche gekommen war. "Es bedeutet mir
eine Menge", beteuerte Oliva mit einer Inbrunst, dass jedes Wort
einfach ehrlich gemeint sein hat müssen. Die spärlich besetzte Halle
bewirkte eine Intimität und Vertrautheit, ja gar Verschworenheit, welche
in Balingen niemals möglich gewesen ist. Jon Oliva wusste genau,
wonach das Publikum dürstete und startete das Konzert gleich mit dem
fulminanten Dreier «Gutter Ballet», «Edge Of Thorns» und «Sirens».
Mit «Power Of The Night» vom gleichnamigen 85er Frühwerk liess das
Hitfeuerwerk ein wenig nach. Es fand seinen Tiefpunkt, bei
«Festival» von der letzten Jon Oliva‘s Pain-Platte, welche ich nach
wie vor als sehr schwach betrachte. Auch an diesem Abend wurde ich
mit diesem Lied nicht warm. Umso toller, dass mit «Tonight He Grins
Again» ein weiterer starker Song folgte. "Ich spiele heute im ersten
Teil meine Lieblingslieder", verkündete Jon Oliva und liess gleich
darauf das für ihn ungewöhnliche, aber grossartige «Walk Upon The
Water» folgen.
Jon Oliva sang an diesem Abend seine Werke nicht nur. Er
interpretierte sie und änderte da mal spontan eine Phrase oder
hinkte bewusst dem Original hinterher. Er liess die Songs atmen und
gab ihnen eine unheimliche Präsenz, welche nur durch ehrliche
Leidenschaft zu erreichen war. Die Atmosphäre zwischen Oliva und dem
Publikum knisterte förmlich. Gerade auch dann, wenn der Mountain
King den Psychopathen spielte und mit seinen unglaublichen Schreien
die Halle erzittern liess. Weit entfernt von irgendwelchen hohlen
Phrasen stellte er begeistert
seine Band vor. Den plötzlich
verstorbenen Lead-Gitarristen Matt LaPorte ersetzte Tom McDyne,
welcher durch neuen Gitarristen Joe Diaz unterstützt wurde. "Der
nächste Song gehörte sowohl zu den Favoriten meines Bruders Criss
(Gitarrist, gestorben bei einem fremdverschuldeten Autounfall 1993)
wie auch unseres plötzlich verstorbenen Leadgitarristen Matt",
bezeugte Jon Oliva und spielte «Ghost In The Ruins» an. Um die
beiden Klampfer würdig zu ehren, folgte im Lied ein Jam mit zwei mal
zwei langen Gitarren-Soli. Soviel Spass die vier (zwei lebenden und
zwei verstorbenen) dabei hatten, so wenig aussagend und langweilig
waren sie allerdings für das Publikum. Aber man durfte sich ja dabei
auf das kommende Highlight freuen.
«Hall Of The Mountain King» ist das Album, welches für Savatage eine
grosse Bedeutung hat. Unter Druck gesetzt durch ihre Plattenfirma
hiess es damals «alles oder nichts». Dabei wurde Savatage der
Produzent Paul O'Neil zur Seite gestellt, mit dem die Amerikaner
nach und nach ihre ganz eigene Mischung aus Musical und Heavy Metal
entwickelten. Die erste rohe Version dieses Stils prägte dann auch
gleich das gemeinsame Album und brachte der Band die gewünschte
Aufmerksamkeit. Savatage durften also weiter existieren. Wieso das
so war, bewies gleich «24 hrs Ago», bei dem vor allem Gitarrist Joe
Diaz grosse Freude zeigte. Diese liess auch bei den restlichen Songs
nicht nach, welche in loser Reihenfolge gespielt wurden. Von den
eher unbekannten Perlen fielen dabei das schnelle «White Witch» und
das knackige «Legions» auf. Ist der Titelsong «Hall Of The Mountain
King» in der Mitte des Albums platziert, bildete das Lied im Z7 den
offiziellen, grandiosen Schluss des Abends. Jon Oliva's Pain
bestätigten sich dabei nochmals als würdige Verwalter des
Savatage-Erbes. Ganz vorbei war das Konzert aber noch nicht. «Believe»
sorgte wieder für die obligatorischen Gänsehaut-Momente. Mit dieser
Powerballade schlossen die Amerikaner einen denk-würdigen Konzertabend,
welcher definitiv noch lange nachhallen wird, und dies nicht nur
aufgrund der übermässigen Lautstärke.
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