Livereview: Judas Priest - Annihilator
6.6.2004 Frauenfeld, Festhalle Rüegerholz
By Rockslave
Für viele der alten Fans (und alle anderen natürlich auch!) wurde es am heutigen Tag zur Gewissheit: Das, was lange Zeit niemand mehr für möglich gehalten hatte, war in der Schweiz spätestens nach dem Konzert Tatsache: Judas Priest standen doch tatsächlich wieder im klassischen Line-Up, zusammen mit dem zurückgekehrten Rob Halford, vereint auf der Bühne! Was wurden im Vorfeld für Spekulationen und ganze Abhandlungen dazu veröffentlicht. War es nun (nur) das Geld, was die Reunion möglich machte, der Druck der Fans oder einfach die Gewissheit, dass man nur so noch ein paar Jährchen dranhängen kann? Sei's drum..., das Geld spielte aber sicher eine wichtige Rolle, was in den aktuelleren Interviews auch gar nicht mehr bestritten wurde. Allerdings stehen jetzt die Aussagen der gleichen Herren zum Thema "Je wieder eine Reunion mit dem Metal God?" in der jüngeren Vergangenheit etwas quer in der Landschaft. Damit wird wohl auch dem letzten Fan klar, dass es eigentlich praktisch immer heissen müsste: Geht nicht, gibt's nicht! Aber was kümmert einen denn die Vergangenheit? Am heutigen Abend waren alle gekommen, um einfach einer der grössten Heavy Metal Band der Welt zu lauschen und Spass zu haben. Die älteren Fans dürften sich wohl die eine oder andere Träne verdrückt haben, während die Jüngeren, die Judas Priest heute Abend vielleicht gar das erste Mal in ihrem Leben sehen konnten, fortan stolz sein können, diese Legende überhaupt noch gesehen zu haben. Wer sich, wie ich damals, bei Queen 1986 in Zürich dachte, dass man ja noch sicher eine Gelegenheit bekomme, eines der nächsten Konzerte zu sehen, den bestraft womöglich das Leben. Bevor der heissersehnte Auftritt der Oberpriester aber stattfand, standen mit Annihilator die gleichen Anheizer wie 1991 auf der "Painkiller-Tour" auf der Bühne. Da ich der (falschen) Meinung war, dass das Konzert erst um 20.00 Uhr beginnt, polterte es bei meiner Ankunft kurz nach 19.00 Uhr bereits lautstark aus der Halle.

Annihilator
Das neue Album "All for you" ist ja erstaunlicherweise nicht gerade der Bringer geworden, was einigermassen überrascht, da diesmal alles aus der Feder von Main-Man Jeff Waters selber stammt. Dazu die ewigen Besetzungswechsel, die zusätzlich an der Substanz und Kontinuität der Band nag(t)en. Kein Wunder, geriet die Band in der letzten Zeit dadurch etwas ins Abseits. Gerade der neue Shouter Dave Padden wirkt (noch) nicht charismatisch genug und kann meines Erachtens seinem Vorgänger Joe Comeau in vielerlei Hinsicht das Wasser nicht reichen. Doch dieser ist nicht mehr in der Band und somit muss man mit dem Vorlieb nehmen, was man eben vorgesetzt bekommt. In der taghellen (!) Halle (die Sonne schien noch voll durch die Fenster herein!) befanden sich schon eine ordentliche Anzahl Leute, von denen die vorderen Reihen ihre Matten flott kreisen liessen. Der Sound hörte sich zwar total matschig sowie ziemlich undifferenziert an und erkennen konnte ich songmässig kaum was. Dave Padden wirkte zwar etwas souveräner als noch auf der letzten Tour, aber irgendwie fehlt einfach das Feuer von früher. Einer der Songs, den ich noch mitbekommen hatte, war "Set the world on fire", der allerdings gut ankam. Was zum Schluss nicht fehlen durfte, war natürlich der Klassiker "Alice in hell", bei dem Jeff Waters interessanterweise für die hohen Schrei-Parts einsprang, was deutlich aufzeigt, dass der neue Sänger nicht die ganze Bandbreite des heutigen Annihilator-Repertoires abdeckt. Obwohl nicht wirklich schlecht, habe ich diese Band aber schon in bedeutend besserer Verfassung erlebt. Bleibt zu hoffen, dass nun etwas Ruhe und Stabilität ins Line-Up kommt, wieder bessere Alben folgen und der Stern der Kult-Thrasher nicht plötzlich untergeht!

Judas Priest
Es lag schon eine gewisse Spannung und Erwartungshaltung in der Luft. Die ganze Medienschlacht der letzten Monate und die Frage, ob es der Metal God noch bringt oder nicht, beherrschten die Gazetten und Internet-Foren. Auch wenn da jemand anderer Meinung sein sollte, aber der eher bescheidenere Erfolg von Judas Priest in den letzten Jahren hatte seinen Ursprung nicht in der Person von Tim "Ripper" Owens, denn der machte seine Sache eigentlich mehr als gut. Wenn aber das Songwriting nur mässig ausfällt, muss man sich die entsprechende Kritik halt gefallen lassen. Dazu kamen dann noch die zum Teil erbärmlichen Solo-Auftritte von Rob Halford in unseren Breitengraden, die viel Kredit in der Fangunst verspielt hatten. Der zum Beispiel (vor allem kommunikativ) völlig missratene Auftritt in Balingen 2002 war noch lange danach einige Zeilen und Diskussionen wert. Um 20.20 Uhr war dann die Zeit der Fragen und Spekulationen aber definitiv vorbei! "The Priest is definelitely back"! Das bestens bekannte Intro namens "Hellion" entlockte den gut 3000 oder wohl auch etwas mehr anwesenden Fans mehrheitlich urschreimässige Reaktionen und schon nur das erzeugte gleich eine mächtige Gänsehaut. Stimmungsmässig versaute die immer noch taghelle Halle zwar die Lichteffekte zu Beginn, aber alles starrte gebannt auf den Metal God, der die ersten Textzeilen von "Electric eye" und "Metal Gods" recht gut rüberbrachte. Die ungestüme und jugendliche Energie von Tim Owens konnte er nicht wett machen, aber man merkte schon bald, dass hier wieder eine Einheit auf der Bühne stand. Das gewisse "Etwas" war wieder deutlich spürbar und nahm laufend zu. Dazu kam, dass sich Halford nun wirklich offen mit dem Publikum austauschte und, so wirkte es zumindest auf mich, damit sofort punkten konnte. Vergessen waren die peinlichen Teleprompter-Posen an Ort und Stelle. Gut..., ganz ohne ging es auch an diesem Abend nicht, aber wer nicht genau hinsah, bemerkte dies jedoch kaum bis gar nicht. Die Set-Liste bestand natürlich praktisch nur aus einem Classix nach dem anderen. "The sentinel" wie auch "Turbo lover" klangen prächtig und in der Halle nahm der Lautstärke-Pegel der Fans laufend zu. Rob Halford bedankte sich artig für den entgegen brandenden Applaus und schien diese Sekunden des (neuerlichen) Triumphes sichtlich zu geniessen. Kaum zu glauben! Ein wirkliches Highlight war eine Hammer-Version von "Diamonds and rust", die ich bisher wohl noch nie besser gehörte hatte, genial! Auch der anschliessende Sing-a-long mit den Fans fiel lautstark aus. Mittlerweile kam doch so etwas wie Dämmerung in die Halle und so konnte sich die Light-Show zunehmend besser in Szene setzen. Und dann kam er natürlich..., der Prüfstein schlechthin: "Painkiller"! Ich würde auf einer Skala von eins bis zehn hierzu etwa acht Punkte ziehen. Gleichzeitig denke ich, dass man diesen Song zu Gunsten einem der anderen, ja zahlreich vorhandenen Klassiker, auch ruhig mal weglassen könnte, aber da scheiden sich wohl die Geister. Das bisher Gezeigte konnte sich jedoch mehr als sehen und hören lassen. Die gute Stimmung in der Halle hielt bis zum Schluss an und nebst dem Muss-Song "Living after midnight" geriet vor allem "You've got another thing coming" zum bärenstarken Finale! Kurz darauf war dann nach etwas mehr als 93 Minuten leider schon Schicht im Schacht. Insgesamt war ich von diesem Auftritt grundsätzlich positiv überrascht, auch wenn nicht mehr ganz alles, so wie früher halt noch, locker vom Hocker kam. Der Sound in der Halle wurde soweit ordentlich abgemischt und einmal mehr bewies Drummer Scott Travis eindrücklich, wer hier den Rhythmus in dieser Band diktiert. Der tobende Mob gab nach dem letzten Ton erfreulicherweise noch eine ganze Weile nicht auf, aber der Einsatz sollte leider nicht von Erfolg in Form einer weiteren Zugabe gekrönt sein. Trotzdem, unter dem Strich fiel die Bilanz für die meisten Fans erfreulich und positiv aus. Jetzt, das heisst danach, muss nun als Erstes zwingend ein neues "Super-Album" her, sonst werden die altgedienten Metal-Veteranen schneller wieder vom Fenster weg sein, als ihnen lieb ist! Aber wie heisst es doch bei Primal Fear zutreffend: "Metal is forever!"

Set-Liste: "Hellion/Electric eye", "Metal Gods", "Heading out to the highway", "The ripper", "A touch of evil, "The sentinel", "Turbo lover", "Victim of changes", "Diamonds and rust", "Breakin' the law", "Beyond the realms of death", "The green Manalishi (with the two pronged crown)", "Painkiller" - Zugaben: "Hell bent for leather", "Living after midnight", "United", You've got another thing coming".