Für viele der
alten Fans (und alle anderen natürlich auch!) wurde es am heutigen Tag zur Gewissheit:
Das, was lange Zeit niemand mehr für möglich gehalten hatte, war in der Schweiz
spätestens nach dem Konzert Tatsache: Judas Priest standen doch tatsächlich wieder im
klassischen Line-Up, zusammen mit dem zurückgekehrten Rob Halford, vereint auf der
Bühne! Was wurden im Vorfeld für Spekulationen und ganze Abhandlungen dazu
veröffentlicht. War es nun (nur) das Geld, was die Reunion möglich machte, der Druck der
Fans oder einfach die Gewissheit, dass man nur so noch ein paar Jährchen dranhängen
kann? Sei's drum..., das Geld spielte aber sicher eine wichtige Rolle, was in den
aktuelleren Interviews auch gar nicht mehr bestritten wurde. Allerdings stehen jetzt die
Aussagen der gleichen Herren zum Thema "Je wieder eine Reunion mit dem Metal
God?" in der jüngeren Vergangenheit etwas quer in der Landschaft. Damit wird wohl
auch dem letzten Fan klar, dass es eigentlich praktisch immer heissen müsste: Geht nicht,
gibt's nicht! Aber was kümmert einen denn die Vergangenheit? Am heutigen Abend waren alle
gekommen, um einfach einer der grössten Heavy Metal Band der Welt zu lauschen und Spass
zu haben. Die älteren Fans dürften sich wohl die eine oder andere Träne verdrückt
haben, während die Jüngeren, die Judas Priest heute Abend vielleicht gar das erste Mal
in ihrem Leben sehen konnten, fortan stolz sein können, diese Legende überhaupt noch
gesehen zu haben. Wer sich, wie ich damals, bei Queen 1986 in Zürich dachte, dass man ja
noch sicher eine Gelegenheit bekomme, eines der nächsten Konzerte zu sehen, den bestraft
womöglich das Leben. Bevor der heissersehnte Auftritt der Oberpriester aber stattfand,
standen mit Annihilator die gleichen Anheizer wie 1991 auf der "Painkiller-Tour"
auf der Bühne. Da ich der (falschen) Meinung war, dass das Konzert erst um 20.00 Uhr
beginnt, polterte es bei meiner Ankunft kurz nach 19.00 Uhr bereits lautstark aus der
Halle.
Annihilator
Das neue Album "All for you" ist ja erstaunlicherweise nicht gerade der Bringer
geworden, was einigermassen überrascht, da diesmal alles aus der Feder von Main-Man Jeff
Waters selber stammt. Dazu die ewigen Besetzungswechsel, die zusätzlich an der Substanz
und Kontinuität der Band nag(t)en. Kein Wunder, geriet die Band in der letzten Zeit
dadurch etwas ins Abseits. Gerade der neue Shouter Dave Padden wirkt (noch)
nicht charismatisch genug und kann meines Erachtens seinem Vorgänger Joe Comeau in
vielerlei Hinsicht das Wasser nicht reichen. Doch dieser ist nicht mehr in der Band und
somit muss man mit dem Vorlieb nehmen, was man eben vorgesetzt bekommt. In der taghellen
(!) Halle (die Sonne schien noch voll durch die Fenster herein!) befanden sich schon eine
ordentliche Anzahl Leute, von denen die vorderen Reihen ihre Matten flott kreisen liessen.
Der Sound hörte sich zwar total matschig sowie ziemlich undifferenziert an und erkennen
konnte ich songmässig kaum was. Dave Padden wirkte zwar etwas souveräner als noch auf
der letzten Tour, aber irgendwie fehlt einfach das Feuer von früher. Einer der Songs, den
ich noch mitbekommen hatte, war "Set the world on fire", der allerdings gut
ankam. Was zum Schluss nicht fehlen durfte, war natürlich der Klassiker "Alice in
hell", bei dem Jeff Waters interessanterweise für die hohen Schrei-Parts einsprang,
was deutlich aufzeigt, dass der neue Sänger nicht die ganze Bandbreite des heutigen
Annihilator-Repertoires abdeckt. Obwohl nicht wirklich schlecht, habe ich diese Band aber
schon in bedeutend besserer Verfassung erlebt. Bleibt zu hoffen, dass nun etwas Ruhe und
Stabilität ins Line-Up kommt, wieder bessere Alben folgen und der Stern der Kult-Thrasher
nicht plötzlich untergeht!
Judas Priest
Es lag schon eine gewisse Spannung und Erwartungshaltung in der Luft. Die ganze
Medienschlacht der letzten Monate und die Frage, ob es der Metal God noch bringt oder
nicht, beherrschten die Gazetten und Internet-Foren. Auch wenn da jemand anderer Meinung
sein sollte, aber der eher bescheidenere Erfolg von Judas Priest in den letzten Jahren
hatte seinen Ursprung nicht in der Person von Tim "Ripper" Owens, denn der
machte seine Sache eigentlich mehr als gut. Wenn aber das Songwriting nur mässig
ausfällt, muss man sich die entsprechende Kritik halt gefallen lassen. Dazu kamen dann
noch die zum Teil erbärmlichen Solo-Auftritte von Rob Halford in unseren Breitengraden,
die viel Kredit in der Fangunst verspielt hatten. Der zum Beispiel (vor allem
kommunikativ) völlig missratene Auftritt in Balingen 2002 war noch lange danach einige
Zeilen und Diskussionen wert. Um 20.20 Uhr war dann die Zeit der Fragen und Spekulationen
aber definitiv vorbei! "The Priest is definelitely back"! Das bestens bekannte
Intro namens "Hellion" entlockte den gut 3000 oder wohl auch etwas mehr
anwesenden Fans mehrheitlich urschreimässige Reaktionen und schon nur das erzeugte gleich
eine mächtige Gänsehaut. Stimmungsmässig versaute die immer noch taghelle Halle zwar
die Lichteffekte zu Beginn, aber alles starrte gebannt auf den Metal God, der die ersten
Textzeilen von "Electric eye" und "Metal Gods" recht gut
rüberbrachte. Die ungestüme und jugendliche Energie von Tim Owens konnte er nicht wett
machen, aber man merkte schon bald, dass hier wieder eine Einheit auf der
Bühne stand. Das gewisse "Etwas" war wieder deutlich spürbar und nahm laufend
zu. Dazu kam, dass sich Halford nun wirklich offen mit dem Publikum austauschte und, so
wirkte es zumindest auf mich, damit sofort punkten konnte. Vergessen waren die peinlichen
Teleprompter-Posen an Ort und Stelle. Gut..., ganz ohne ging es auch an diesem Abend
nicht, aber wer nicht genau hinsah, bemerkte dies jedoch kaum bis gar nicht. Die Set-Liste
bestand natürlich praktisch nur aus einem Classix nach dem anderen. "The
sentinel" wie auch "Turbo lover" klangen prächtig und in der Halle nahm
der Lautstärke-Pegel der Fans laufend zu. Rob Halford bedankte sich artig für den
entgegen brandenden Applaus und schien diese Sekunden des (neuerlichen) Triumphes
sichtlich zu geniessen. Kaum zu glauben! Ein wirkliches Highlight war eine Hammer-Version
von "Diamonds and rust", die ich bisher wohl noch nie besser gehörte hatte,
genial! Auch der anschliessende Sing-a-long mit den Fans fiel lautstark aus. Mittlerweile
kam doch so etwas wie Dämmerung in die Halle und so konnte sich die Light-Show zunehmend
besser in Szene setzen. Und dann kam er natürlich..., der Prüfstein schlechthin:
"Painkiller"! Ich würde auf einer Skala von eins bis zehn hierzu etwa acht
Punkte ziehen. Gleichzeitig denke ich, dass man diesen Song zu Gunsten einem der anderen,
ja zahlreich vorhandenen Klassiker, auch ruhig mal weglassen könnte, aber da scheiden
sich wohl die Geister. Das bisher Gezeigte konnte sich jedoch mehr als sehen und hören
lassen. Die gute Stimmung in der Halle hielt bis zum Schluss an und nebst dem Muss-Song
"Living after midnight" geriet vor allem "You've got another thing
coming" zum bärenstarken Finale! Kurz darauf war dann nach etwas mehr als 93 Minuten
leider schon Schicht im Schacht. Insgesamt war ich von diesem Auftritt grundsätzlich positiv überrascht, auch wenn nicht mehr ganz
alles, so wie früher halt noch, locker vom Hocker kam. Der Sound in der Halle wurde
soweit ordentlich abgemischt und einmal mehr bewies Drummer Scott Travis eindrücklich,
wer hier den Rhythmus in dieser Band diktiert. Der tobende Mob gab nach dem letzten Ton
erfreulicherweise noch eine ganze Weile nicht auf, aber der Einsatz sollte leider nicht
von Erfolg in Form einer weiteren Zugabe gekrönt sein. Trotzdem, unter dem Strich fiel
die Bilanz für die meisten Fans erfreulich und positiv aus. Jetzt, das heisst danach,
muss nun als Erstes zwingend ein neues "Super-Album" her, sonst werden die
altgedienten Metal-Veteranen schneller wieder vom Fenster weg sein, als ihnen lieb ist!
Aber wie heisst es doch bei Primal Fear zutreffend: "Metal is forever!"
Set-Liste: "Hellion/Electric eye", "Metal Gods", "Heading out to
the highway", "The ripper", "A touch of evil, "The
sentinel", "Turbo lover", "Victim of changes", "Diamonds and
rust", "Breakin' the law", "Beyond the realms of death",
"The green Manalishi (with the two pronged crown)", "Painkiller" -
Zugaben: "Hell bent for leather", "Living after midnight",
"United", You've got another thing coming".
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