Livereview: Judas Priest - Iced Earth - Airbourne
25. Juni 2008, Huttwil Nationales Sportzentrum
By Rockslave (rsl) & Kissi (kis) - Pics by Rockslave
Soll einer noch sagen, dass das Jahr 2008 nicht als eines der konzertintensivsten in die Geschichte der Hartwurst-Szene eingehen wird. Nachdem zu Beginn des Monats das nationale Sportzentrum in Huttwil bereits im Fokus des Interesses lag («Rocksound Festival»), wird dem Ganzen (Teil 3 der ultimativen Schweizer Metal-Woche) quasi noch die Krone aufgesetzt! Und dies mit keiner geringeren Band als dem Inbegriff für Heavy Metal schlechthin: Judas Priest! Die Hohepriester der NWOBHM gastierten bei uns kurz vor dem »BYH!!! Festival» in Balingen (D), wo sie am zweiten Tag (28.6.08) auch als Headliner aufmarschiert sind. Mit dabei haben Rob Halford & Co. das brandneue Studio-Album «Nostradamus», über das im Vorfeld schon viel debattiert wie diskutiert wurde und wohl noch eine Weile weiter werden wird. Was die neue Setlist generell angeht, so wartete die aktuelle Tour mit ein paar Neuerungen auf, dazu mehr im Bericht. Im Schlepptau des Headliners waren zudem die wieder vereinten Iced Earth und die neuen Shooting Stars Airbourne, die drauf und dran sind, ihrem übermächtigen und grossen Bruder AC/DC mächtig in den Arsch zu treten! Metal Factory bekam überdies noch die Gelegenheit, mit Gitarrist K.K. Downing (Judas Priest) und Joel O'Keeffe (Airbourne) Interviews zu führen. Das volle Brett also! (rsl)

Airbourne
«Wir spielen jede Show so, als sei es unsere letzte!», erklärte Joel O'Keeffe am Nachmittag im Interview mit uns und nur einige Stunden später untermauerte der lockige Bandkopf von den australischen Senkrechtstartern Airbourne dieses Statement mit einer 45-minütigen Rockshow voller Energie und roher Echtheit. Nachdem man schon vor zwei Wochen als Opener von Status Quo in Frauenfeld auf die Bretter gegangen war, durfte man nun vor den Metalgods aufspielen und einem grossen Schweizer Publikum beweisen, dass das Quintett vom anderen Ende der Welt nicht umsonst als die neuen AC/DC gehandelt wird. Den Auftakt machte wie auch auf «Runnin' Wild» dem sackstarken Debüt «Stand Up For Rock'n'Roll» und das vor stilechter Kulisse, gebildet aus einem riesigen Banner mit dem Band-Schriftzug und den klassischen Marshall-Türmen. Zwar war Schreihals und Saitenpremier Joel O'Keeffe klar im Fokus der Aufmerksamkeit, doch auch die ihn flankierenden Aussies David Roads (g) und Justin Street (b) liessen sich in Sachen Spielfreude und Dynamik nichts anlasten und verausgabten sich nach allen Regeln der Rockkunst, vor allen Street, welcher sich mindestens mit gefühlten 10 Litern Wasser übergoss, bangte ununterbrochen was die Nackenwirbel hergaben, während Joel's Bruder Ryan O'Keeffe hinter den Drums einen auf Keith Moon machte und wie von Sinnen wirkte. Joel indes hatte während Songs wie «Hellfire» oder «Cheap Wine And Cheaper Women» Probleme mit einer seiner Gitarren, sodass neben der Band auch die Guitar-Crew von Airbourne ins Schwitzen kam und der Frontmann selbst Mühe hatte, seinen Unmut darüber zu verbergen. Dennoch bot der Fronter eine mehr als souveräne Performance, poste passend mit Jack Daniels («Too Much, Too Young, Too Fast»), sprang während «Fat City» rum wie ein Bekloppter und stieg während «Girls In Black» von der Bühne runter, um sein Solo mitten in den Zuschauern zu zocken. Ob nun die ungehobelte Direktheit der Band noch mit dem einen oder anderen Schliff versehen werden sollte, ist Geschmackssache. Sicher ist auf jeden Fall, dass es sich bei Airbourne um die nächste grosse Rock-Granate nach Wolfmother handelt und dass man nun schlicht nicht mehr darum herum kommt, die Jungs am 7. Dezember im Rohstofflager bei ihrem ersten Headliner-Gig in der Schweiz zu erleben! Don't miss them!! (kis)

Iced Earth
Es war nichts anderes als absehbar, als sich Jon Schaffer letztes Jahr erneut der «Something Wicked»-Saga annahm und Matt Barlow plötzlich wieder von der Lust hinter dem Mikro zu stehen gepackt wurde (damals vorerst nur als Sänger der eher unbekannten Combo Pyramaze): Früher oder später würde er zurück kehren und Iced Earth die Stimme zurückgeben, mit welcher sie sich in die Herzen und CD-Regale der Metalwelt geballert hatten. Zwar hatte Tim «Ripper» Owens noch «Framing Armageddon», den ersten «Something Wicked»-Part, eingesungen, doch schon mit der Anfangs Juni veröffentlichten EP «I Walk Among You» war wieder zusammen, was nach der Meinung Vieler zusammen gehört und dies nun also auch live in der Schweiz. Dabei präsentierte sich die Bühne überraschend mager: Kein Backdrop, keine Specials, einfach nichts! Da stand ein Schlagzeug vor einem schwarzen Lacken und fertig. Zu «Vengeance Is Mine» wurde dann die Bühne geentert und sofort stellte Barlow (leider nun mit millimeterkurzem statt früherer Langhaar-Matte), dass er das Singen wie das Fronter sein noch nicht verlernt hatte. Seiner Sache ziemlich sicher wirkend und mit reichlich Freude an der Sache versuchte er das eher lahme Publikum (auch wenn einige Iced Earth-Shirts auszumachen waren) zum Mitsingen, -klatschen zu animieren, was ihm leider nur ansatzweise gelang. Grund dafür könnte nicht zuletzt der untergeschossige Sound gewesen sein. Die Gitarren, gerade jene von Leadklampfer Troy Seele, wurden von den Drumparts von Brent Smedley ins Unhörbare verbannt und auch die Riffs von Schaffer waren zeitweise nur mit Anstrengung wirklich hörbar. Dennoch muss man als Ripper-Fan, wie der Verfasser dieser Zeilen einer ist, eingestehen, dass Barlow seinen Part in gesanglicher Hinsicht verdammt gut macht, auch wenn man hin und wieder das Gefühl bekam, dass die eine oder andere Passage schon ziemlich an seinen Kräften zerrte. So oder so, auch Iced-Earth Songs aus der Ripper-Ära, namentlich «Declaration Day» («The Glorious Burden», 2004) und «Ten Thousand Strong» von «Framing Armageddon», meisterte der muskulöse Fronter ohne grössere Probleme und verlieh den Tracks halt schon ein bisschen mehr des klassischen Iced Earth-Flairs. Rund um ihn herum wehte hingegen eher ein laues Lüftchen: Schaffer zeigte sich wie immer bewegungsuntauglich, dafür das eine oder andere Mal in Banglaune und der Neue am Tieftöner, Freddie Vidales, zeigte sich zwar tight und spielfreudig, mitreissen konnte aber auch er das Publikum nicht. Erst gegen Ende des Sets und den dann dargebotenen Klassikern wie «The Coming Curse», «Melancholy (Holy Martyr)» (beide von «Something Wicked This Way Comes», 1998) und der abschliessenden Band-Hymne «Iced Earth» kam ein Hauch von Begeisterung im Publikum auf. Im Grunde also eine eher enttäuschende Darbietung, deren einziges Plus die souveräne Leistung von Mr. Barlow war, was ich als Ripper-Fan nur schweren Herzens zugeben kann. (kis)

Setlist: «Dark Saga» - «Vengeance Is Mine» - «Burning Times» - «Declaration Day» - «Violate» - «Pure Evil» - «Ten «Thousand Strong» - «Darcula» - «The Coming Curse» - «Melancholy» - «My Own Saviour» - «Iced Earth».

Judas Priest
Nachdem mir K.K. Downing im Interview zu verstehen gab, dass (der nun bärtige) Rob Halford seine Leistung schon bringen werde, war die Erwartungshaltung entsprechend noch grösser. Der letzte Auftritt der NWOBH-Legende in Frauenfeld ist schon mehr als wieder vier Jahre her! Damals lief noch alles unter dem Banner der Reunion mit einer leckeren "Best of"-Setlist. Im Jahr darauf folgte mit "Angel Of Retribution" das erste "echte" Reunion-Album und eine Tour dazu, die leider nicht in die Schweiz führte! Die Zeit bis zur Gegenwart verbrachten die Oberpriester unter anderem damit, sich den Wunsch eines Konzept-Albums zu erfüllen, das bekanntlich den Namen «Nostradamus» trägt und inhaltlich von Michel de Nostredame (1503 - 1566) inspiriert ist, der im 16. Jahrhundert (und mitunter bis heute) mit seinen Prophezeiungen für Aufmerksamkeit und/oder Aufruhr sorgte. Judas Priest haben daraus ein richtiges Epos geschaffen, das den Platz von gleich zwei Tonträgern, sprich CDs beansprucht. Relativ üppig sah auch das Bühnenbild aus, zumindest das, was in Huttwil Platz fand. Den Auftakt nach dem Intro machte mit «Prophecy» gleich eine Neukomposition, die zu "flotteren" Nummern auf der neuen Scheibe gehört. Die optisch gut gefüllte Halle (ausverkauft war der Anlass jedoch nicht!) antizipierte spätestens bei «Metal Gods», wo der Metal God himself die Meute freundlich (!) begrüsste und überhaupt wie verwandelt schien. Keine Spur mehr von unnahbarem Gehabe, was ja bereits in Frauenfeld eigentlich kein Thema mehr war, heute Abend aber besonders positiv auffiel. «Eat Me Alive» von «Defenders Of The Faith» markierte dann die erste Überraschung des Abends, weitere sollten noch folgen. Die restlichen Metal-Warriors agierten in gewohnt effektiver Weise, das Licht war gut und der Sound auch ganz ok. Die Stimmung entwickelte sich laufend und die Fans fanden Gefallen an Setlist-Neulingen wie «Between The Hammer And The Anvil» und «Devil's Child». Der berühmte Zapfen ging dann aber bei «Breaking The Law» ab, einem Monster-Classic der Briten. Auch «Hell Patrol» geriet richtig gut, während «Death», der zweite «Nostradamus» Song des Abends, sich ziemlich zäh gebärdete und die Zuschauerreaktionen entsprechend gedämpfter ausfielen. Die-Hard Fans von Slayer dürften sich danach bei «Dissident Aggressor» verdutzt die Augen gerieben haben..., tja Leute..., das Original stammt tatsächlich von Judas "Fuckin' Priest" und hat mehr als drei Dekaden auf dem Buckel! Das letzte Album «Angel Of Retribution» wird indes bloss mit der Ballade «Angel» berücksichtigt, wo Halford jedoch eindrücklich beweist, wo er seine jetzigen wie zukünftigen Stärken hat, die so auch zu einem grossen Teil auf «Nostradamus» ihre Spuren hinterlassen haben. Einer der Höhepunkte des Abends war mit Sicherheit «Rock Hard, Ride Free», das lautstark mitgesungen wurde. Mein Favorit war allerdings klar «Sinner», das den Umständen entsprechend sehr gut performt wurde. Dazu nahm ich ausnahmsweise sogar die Ohrenstöpsel raus und bangte mein edles Haupt in hellster Verzückung! Derart richtig vorgewärmt, gab's danach gleich noch «Painkiller» oben drauf. Obwohl Judas Priest (dem gealterten Kollegen Rob zuliebe) diesen zugegebenermassen bedeutsamen Song dennoch endlich streichen sollten (wie Deep Purple, die Ian Gillan schon länger nicht mehr «Child In Time» zumuten), klang der Nackenbrecher so gut wie lange nicht mehr! Somit ging der erste Part zu Ende. Der dreiteilige Zugabenblock bestand schliesslich aus weiteren Perlen der ruhmreichen Vergangenheit, wobei «Hell Bent For Leather» (wo Rob Halford jeweils mit einer Harley auf die Bühne fährt) und vor allem «You've Got Another Thing Coming» nochmals voll punkten können. Dies führte aber auch zur Gewissheit, dass mit «Victim's Of Changes» einer der geilsten Songs überhaupt "geopfert" wurde. Da konnte nicht mal die laut bejubelte Einlage mit der Schweizer Fahne daran was ändern. Und ich wage zu behaupten, dass wohl nicht wenige Leute in der Halle noch «Living After Midnight» auf der Rechnung hatten. Die Band kam aber nicht mehr, das Licht in der Halle ging nach guten 100 Minuten wieder an und die meisten Kommentare zum Konzert fielen trotzdem und zurecht positiv aus. (rsl)

Setlist: «Intro/Dawn Of Creation» - «Prophecy» - «Metal Gods» - «Eat Me Alive» - «Between Hammer And The Anvil» - «Devil's Child» - «Breaking The Law» - «Hell Patrol» - «Death» - «Dissident Aggressor» - «Angel» - «The Hellion/Electric Eye» - «Rock Hard, Ride Free» - «Sinner» - «Painkiller» -- «Hell Bent For Leather» - «The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)» - «You've Got Another Thing Coming».