Soll einer noch sagen, dass das Jahr 2008 nicht als eines der
konzertintensivsten in die Geschichte der Hartwurst-Szene eingehen
wird. Nachdem zu Beginn des Monats das nationale Sportzentrum in
Huttwil bereits im Fokus des Interesses lag («Rocksound Festival»),
wird dem Ganzen (Teil 3 der ultimativen Schweizer Metal-Woche) quasi
noch die Krone aufgesetzt! Und dies mit keiner geringeren Band als
dem Inbegriff für Heavy Metal schlechthin: Judas Priest! Die
Hohepriester der NWOBHM gastierten bei uns kurz vor dem »BYH!!!
Festival» in Balingen (D), wo sie am zweiten Tag (28.6.08) auch als
Headliner aufmarschiert sind. Mit dabei haben Rob Halford & Co. das
brandneue Studio-Album «Nostradamus», über das im Vorfeld schon viel
debattiert wie diskutiert wurde und wohl noch eine Weile weiter
werden wird. Was die neue Setlist generell angeht, so wartete die
aktuelle Tour mit ein paar Neuerungen auf, dazu mehr im Bericht. Im
Schlepptau des Headliners waren zudem die wieder vereinten Iced
Earth und die neuen Shooting Stars Airbourne, die drauf und dran
sind, ihrem übermächtigen und grossen Bruder AC/DC mächtig in den
Arsch zu treten! Metal Factory bekam überdies noch die Gelegenheit,
mit Gitarrist K.K. Downing (Judas Priest) und Joel O'Keeffe (Airbourne)
Interviews zu führen. Das volle Brett also! (rsl)
Airbourne
«Wir spielen jede Show so, als sei es unsere letzte!», erklärte Joel
O'Keeffe am Nachmittag im Interview mit uns und nur einige Stunden
später untermauerte der lockige Bandkopf von den australischen
Senkrechtstartern Airbourne dieses Statement mit einer 45-minütigen
Rockshow voller Energie und roher Echtheit. Nachdem man schon vor
zwei Wochen als Opener von Status Quo in Frauenfeld auf die Bretter
gegangen war, durfte man nun vor den Metalgods aufspielen und einem
grossen Schweizer Publikum beweisen, dass das Quintett vom anderen
Ende der Welt nicht umsonst als die neuen AC/DC gehandelt wird. Den
Auftakt machte wie auch auf «Runnin' Wild» dem sackstarken Debüt
«Stand Up For Rock'n'Roll» und das vor stilechter Kulisse, gebildet
aus einem riesigen Banner mit dem Band-Schriftzug und den
klassischen Marshall-Türmen. Zwar war Schreihals und Saitenpremier
Joel O'Keeffe klar im Fokus der Aufmerksamkeit, doch auch die ihn
flankierenden Aussies David Roads (g) und Justin Street (b) liessen
sich in Sachen Spielfreude und Dynamik nichts anlasten und
verausgabten sich nach allen Regeln der Rockkunst, vor allen Street,
welcher sich mindestens mit gefühlten 10 Litern Wasser übergoss,
bangte ununterbrochen was die Nackenwirbel hergaben, während Joel's
Bruder Ryan O'Keeffe hinter den Drums einen auf Keith Moon machte
und wie von Sinnen wirkte. Joel indes hatte während
Songs wie «Hellfire»
oder «Cheap Wine And Cheaper Women» Probleme mit einer seiner
Gitarren, sodass neben der Band auch die Guitar-Crew von Airbourne
ins Schwitzen kam und der Frontmann selbst Mühe hatte, seinen Unmut
darüber zu verbergen. Dennoch bot der Fronter eine mehr als
souveräne Performance, poste passend mit Jack Daniels («Too Much,
Too Young, Too Fast»), sprang während «Fat City» rum wie ein
Bekloppter und stieg während «Girls In Black» von der Bühne runter,
um sein Solo mitten in den Zuschauern zu zocken. Ob nun die
ungehobelte Direktheit der Band noch mit dem einen oder anderen
Schliff versehen werden sollte, ist Geschmackssache. Sicher ist auf
jeden Fall, dass es sich bei Airbourne um die nächste grosse
Rock-Granate nach Wolfmother handelt und dass man nun schlicht nicht
mehr darum herum kommt, die Jungs am 7. Dezember im Rohstofflager
bei ihrem ersten Headliner-Gig in der Schweiz zu erleben! Don't miss
them!! (kis)
Iced Earth
Es war nichts anderes als absehbar, als sich Jon Schaffer letztes
Jahr erneut der «Something Wicked»-Saga annahm und Matt Barlow
plötzlich wieder von der Lust hinter dem Mikro zu stehen gepackt
wurde (damals vorerst nur als Sänger der eher unbekannten Combo
Pyramaze): Früher oder später würde er zurück kehren und Iced Earth
die Stimme zurückgeben, mit welcher sie sich in die Herzen und
CD-Regale der Metalwelt geballert hatten. Zwar hatte Tim «Ripper»
Owens noch «Framing Armageddon», den ersten «Something Wicked»-Part,
eingesungen, doch schon mit der Anfangs Juni veröffentlichten EP «I
Walk Among You» war wieder zusammen, was nach der Meinung Vieler
zusammen gehört und dies nun also auch live in der Schweiz. Dabei
präsentierte sich die Bühne überraschend mager: Kein Backdrop, keine
Specials, einfach nichts! Da stand ein Schlagzeug vor einem
schwarzen Lacken und fertig. Zu «Vengeance Is Mine» wurde dann die
Bühne geentert und sofort stellte Barlow (leider nun mit
millimeterkurzem statt früherer Langhaar-Matte), dass er das Singen
wie das Fronter sein noch nicht verlernt hatte. Seiner Sache
ziemlich sicher wirkend und mit reichlich Freude an der Sache
versuchte er das eher lahme Publikum (auch wenn einige Iced
Earth-Shirts auszumachen waren) zum Mitsingen, -klatschen zu
animieren, was ihm leider nur ansatzweise gelang. Grund dafür könnte
nicht zuletzt der untergeschossige Sound gewesen sein. Die Gitarren,
gerade jene von Leadklampfer Troy Seele, wurden von den Drumparts
von Brent Smedley ins Unhörbare verbannt und auch die Riffs von
Schaffer waren zeitweise nur mit Anstrengung wirklich hörbar.
Dennoch muss man als Ripper-Fan, wie der Verfasser dieser Zeilen
einer ist, eingestehen, dass Barlow seinen Part in gesanglicher
Hinsicht verdammt gut macht, auch wenn man hin und wieder das Gefühl
bekam, dass die eine oder andere Passage schon ziemlich an seinen
Kräften zerrte. So oder so, auch Iced-Earth
Songs aus der Ripper-Ära,
namentlich «Declaration Day» («The Glorious Burden», 2004) und «Ten
Thousand Strong» von «Framing Armageddon», meisterte der muskulöse
Fronter ohne grössere Probleme und verlieh den Tracks halt schon ein
bisschen mehr des klassischen Iced Earth-Flairs. Rund um ihn herum
wehte hingegen eher ein laues Lüftchen: Schaffer zeigte sich wie
immer bewegungsuntauglich, dafür das eine oder andere Mal in
Banglaune und der Neue am Tieftöner, Freddie Vidales, zeigte sich
zwar tight und spielfreudig, mitreissen konnte aber auch er das
Publikum nicht. Erst gegen Ende des Sets und den dann dargebotenen
Klassikern wie «The Coming Curse», «Melancholy (Holy Martyr)» (beide
von «Something Wicked This Way Comes», 1998) und der abschliessenden
Band-Hymne «Iced Earth» kam ein Hauch von Begeisterung im Publikum
auf. Im Grunde also eine eher enttäuschende Darbietung, deren
einziges Plus die souveräne Leistung von Mr. Barlow war, was ich als
Ripper-Fan nur schweren Herzens zugeben kann. (kis)
Setlist: «Dark Saga» - «Vengeance Is Mine» - «Burning Times» - «Declaration
Day» - «Violate» - «Pure Evil» - «Ten «Thousand Strong» - «Darcula»
- «The Coming Curse» - «Melancholy» - «My Own Saviour» - «Iced
Earth».
Judas Priest
Nachdem mir K.K. Downing im Interview zu verstehen gab, dass (der
nun bärtige) Rob Halford seine Leistung schon bringen werde, war die
Erwartungshaltung entsprechend noch grösser. Der letzte Auftritt der
NWOBH-Legende in Frauenfeld ist schon mehr als wieder vier Jahre
her! Damals lief noch alles unter dem Banner der Reunion mit einer
leckeren "Best of"-Setlist. Im Jahr darauf folgte mit "Angel Of Retribution" das erste "echte" Reunion-Album und eine Tour dazu, die
leider nicht in die Schweiz führte! Die Zeit bis zur Gegenwart
verbrachten die Oberpriester unter anderem damit, sich den Wunsch
eines Konzept-Albums zu erfüllen, das bekanntlich den Namen
«Nostradamus» trägt und inhaltlich von Michel de Nostredame (1503 -
1566) inspiriert ist, der im 16. Jahrhundert (und mitunter bis
heute) mit seinen Prophezeiungen für Aufmerksamkeit und/oder Aufruhr
sorgte. Judas Priest haben daraus ein richtiges Epos geschaffen, das
den Platz von gleich zwei Tonträgern, sprich CDs beansprucht.
Relativ üppig sah auch das Bühnenbild aus, zumindest das, was in
Huttwil Platz fand. Den Auftakt nach dem Intro machte mit «Prophecy»
gleich eine Neukomposition, die zu "flotteren" Nummern auf der neuen
Scheibe gehört. Die optisch gut gefüllte Halle (ausverkauft war der
Anlass jedoch nicht!) antizipierte spätestens bei «Metal Gods», wo
der Metal God himself die Meute freundlich (!) begrüsste und
überhaupt wie verwandelt schien. Keine Spur mehr von unnahbarem
Gehabe, was ja bereits in Frauenfeld eigentlich kein Thema mehr war,
heute Abend aber besonders positiv auffiel. «Eat Me Alive» von «Defenders
Of The Faith» markierte dann die erste Überraschung des Abends,
weitere sollten noch folgen. Die restlichen Metal-Warriors agierten
in gewohnt effektiver Weise, das Licht war gut und der Sound auch
ganz ok.
Die Stimmung entwickelte sich laufend und die Fans fanden
Gefallen an Setlist-Neulingen wie «Between The Hammer And The Anvil»
und «Devil's Child». Der berühmte Zapfen ging dann aber bei «Breaking
The Law» ab, einem Monster-Classic der Briten. Auch «Hell Patrol»
geriet richtig gut, während «Death», der zweite «Nostradamus» Song
des Abends, sich ziemlich zäh gebärdete und die Zuschauerreaktionen
entsprechend gedämpfter ausfielen. Die-Hard Fans von Slayer dürften
sich danach bei «Dissident Aggressor» verdutzt die Augen gerieben
haben..., tja Leute..., das Original stammt tatsächlich von Judas "Fuckin'
Priest" und hat mehr als drei Dekaden auf dem Buckel! Das letzte
Album «Angel Of Retribution» wird indes bloss mit der Ballade
«Angel» berücksichtigt, wo Halford jedoch eindrücklich beweist, wo
er seine jetzigen wie zukünftigen Stärken hat, die so auch zu einem
grossen Teil auf «Nostradamus» ihre Spuren hinterlassen haben. Einer
der Höhepunkte des Abends war mit Sicherheit «Rock Hard, Ride Free»,
das lautstark mitgesungen wurde. Mein Favorit war allerdings klar «Sinner»,
das den Umständen entsprechend sehr gut performt wurde. Dazu nahm
ich ausnahmsweise sogar die Ohrenstöpsel raus und bangte mein edles
Haupt in hellster Verzückung! Derart richtig vorgewärmt, gab's
danach gleich noch «Painkiller» oben drauf. Obwohl Judas Priest (dem
gealterten Kollegen Rob zuliebe) diesen zugegebenermassen
bedeutsamen Song dennoch endlich streichen sollten (wie Deep Purple,
die Ian Gillan schon länger nicht mehr «Child In Time» zumuten),
klang der Nackenbrecher so gut wie lange nicht mehr! Somit ging der
erste Part zu Ende. Der dreiteilige Zugabenblock bestand
schliesslich aus weiteren Perlen der ruhmreichen Vergangenheit,
wobei «Hell Bent For Leather» (wo Rob Halford jeweils mit einer
Harley auf die Bühne fährt) und vor allem «You've Got Another Thing
Coming» nochmals voll punkten können. Dies führte aber auch zur
Gewissheit, dass mit «Victim's Of Changes» einer der geilsten Songs
überhaupt "geopfert" wurde. Da konnte nicht mal die laut bejubelte
Einlage mit der Schweizer Fahne daran was ändern. Und ich wage zu
behaupten, dass wohl nicht wenige Leute in der Halle noch «Living
After Midnight» auf der Rechnung hatten. Die Band kam aber nicht
mehr, das Licht in der Halle ging nach guten 100 Minuten wieder an
und die meisten Kommentare zum Konzert fielen trotzdem und zurecht
positiv aus. (rsl)
Setlist: «Intro/Dawn Of Creation» - «Prophecy» - «Metal Gods» - «Eat
Me Alive» - «Between Hammer And The Anvil» - «Devil's Child» - «Breaking
The Law» - «Hell Patrol» - «Death» - «Dissident Aggressor» - «Angel»
- «The Hellion/Electric Eye» - «Rock Hard, Ride Free» - «Sinner» - «Painkiller»
-- «Hell Bent For Leather» - «The Green Manalishi (With The
Two-Pronged Crown)» - «You've Got Another Thing Coming».
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