Das Datum dieses edlen Billings war schon eine Weile vorher
bekannt geworden, und so war die Freude darauf nicht kleiner, als
zumindest Judas Priest auch beim diesjährigen „Sweden Rock Festival“
anfangs des Monats Juni als einer der grossen Headliner neben Iron
Maiden und Ozzy Osbourne feststanden. Das Schweizer Hallenkonzert
der laufenden «Firepower»-Tour besass aber gegenüber der
Openair-Variante dennoch einen Vorteil, zumindest was den Sound
angeht. Da es in Schweden allerdings hammermässig daher kam, stiegen
die Erwartungen in der Heimat noch zusätzlich an. Das beinhaltete
zudem die kleine Hoffnung, dass der Set womöglich leicht abweicht,
was er, ausser der Songreihenfolge vor den Zugaben, schliesslich
doch nicht tat. Im Vorprogramm standen Megadeth als Special Guest,
die in den letzten Jahren, auch albummässig, eher zugelegt denn
abgebaut haben, vor allem «Dystopia» (2016). Das Outdoor-Konzert vom
Z7 im letzten August ist auf jeden Fall noch in bester Erinnerung
geblieben, und somit war für diesen metallischen Leckerbissen alles
Nötige angerichtet. Da das Konzert schon um 19:30 Uhr begann, gab es
noch reichlich Platz vor der Bühne.
Megadeth
Obwohl sich Obermacker Dave Mustaine und seine Jungs offiziell nach
wie vor auf der «Dystopia»-Tour befanden, respektive auch selber als
Headliner Konzerte gaben, wie unter anderem zwei Tage und vier Tage
später in Italien, stand beim gekürzten CH-Support-Set für die
Oberpriester bei vier (sonst sechs) Songs immer noch das eine Album
im Zentrum: «Rust In Peace»! Das Hammer-Teil von 1990 hat bald drei
Dekaden auf dem Buckel, aber der Opener «Hangar 18» sprang einen
gleich wie ein junges Raubtier an. Wie damals Saiten-Ass Marty
Friedman, brachte sich Zweitklampfer Kiko Loureiro umgehend ins
Zusammenspiel mit Dave ein. Der Übergang zum galoppierenden
«Dystopia»-Track «The Threat Is Real» zeigte danach
unmissver-ständlich auf, dass Megadeth immer noch voll im Saft
stehen. Das gilt weniger für die Vocals von Mr. Mustaine, die
erstens schon immer so waren, wenn auch deutlich kräftiger in
jüngeren Jahren, und zweitens mag man den Gesang halt oder eben
nicht. Zumindest ist hier über die bisherige Karriere Konstanz
gegeben. Diese bestand auch in Sachen Härte, die heute Abend
ausgepackt wurde. Beim rasanten «Take No Prisoners» hatte ich mehr
als einmal ein paar „Déjà-vus“ in die gute alte Zeit der 80er/90er.
Spätestens beim Alltime-Klassiker «Symphony Of Destruction» war dann
klar, wo der Unterschied zu guten und mittelmässigen Bands liegt.
Leider gab es bei diesem Auftritt nichts vom
«Youthanasia»-Longplayer,
nicht mal «A Tout Le Monde». Dafür sah man „Rattlehead“, das
offizielle Megadeth-Maskottchen (wie Eddie bei Iron Maiden) beim
gleichnamigen Song kurz über die Bühne stapfen. Das mittlerweile
zahlreicher gewordene Publikum war in der Zwischenzeit in beste
Stimmung versetzt worden, aber mit «Holy Wars...The Punishment Due»
schloss sich einerseits der «Rust In Peace» Kreis zum Opener und
andererseits war die eine Stunde Spielzeit leider viel schnell
vorbei. Dave Mustaine ging, nachdem er sich bei den Fans überaus
herzlich für den Zuspruch bedankte, als Letzter von der Bühne, und
ich habe den sonst eher introvertierten bis teils mürrisch wirkenden
Musiker selten so demütig wie an diesem Abend gesehen. Für dieses
Verhalten gibt es einen treffenden Begriff: Altersmilde! Besser spät
als nie kann man dazu nur sagen. Hoffentlich werden Megadeth die
Schweiz bald wieder als Headliner beehren.
Setliste: «Prince
Of Darkness (Intro)» - «Hangar 18» - «The Threat Is Real» - «The
Conjuring» - «Take No Prisoners» - «My Last Words» - «Tornado Of
Souls» - «Dystopia» - «Symphony Of Destruction» - «Peace Sells» -
«Rattlehead» - «Holy Wars...The Punishment Due».
Judas Priest
Nach der mehr als überzeugenden Vorstellung der Kollegen von
Megadeth war es nun am Headliner, die entsprechende Antwort darauf
abzugeben. Kaum war «Firepower», das neue und überraschend stark
ausgefallene neue Studioalbum veröffentlicht, kam die
niederschmett-ernde Kunde zu Glenn Tiptons Parkinson-Erkrankung und
als Folge davon die Einschränkungen zur bevorstehenden Tour. Die
aktuelle Zustand von Glenn lasse nur noch gelegentliche Auftritte
für die jeweils drei letzten Songs im Set zu. Wo er nun effektiv
gefehlt hat, entzieht sich meiner Kenntnis, aber der noch
verbliebene Ur-Gitarrist war zumindest in Schweden dabei, und auch
am heutigen Abend sollten ihn die Fans in der Samsung Hall noch
frenetisch begrüssen können. Bis es jedoch soweit war, legten der
Metal God Rob Halford, Gitarrist Richie Faulkner, Bassist Ian Hill,
Drummer Scott Travis und Aushilfsgitarrist wie Producer Andy Sneap
(Hell) eine Heavy Metal Show der Extraklasse hin. Dabei durfte der
Titeltrack und Opener gleich beweisen, mit welcher Stärke Judas
Priest in der Ausgabe 2018 immer noch unterwegs sind. Mit der ersten
Klassiker-Triplette «Grinder», «Sinner» und «The Ripper» zeigte vor
allem Rob Halford, inzwischen bald 67-Jährig, was stimmlich noch in
ihm steckt. Bei «Sinner» wurden zum Beispiel
glasscheibenzerstörende
Screams raus gehauen, die sehr nahe an die Leistungen der 80er
anschliessen konnten! Das war in den 2000er-Jahren beileibe nicht
immer so, und welcher Jungbrunnen hier angezapft wurde, ist nicht
bekannt. Wer die Songs gut kennt und genau hinhört, wird allerdings
bald ein paar Details finden, wo Rob gewisse Gesangslinien
stimmband-schonender angeht, um dann aber bei seinem Markenzeichen,
den high pitch screams im richtigen Moment praktisch keine Abstriche
machen zu müssen. Selbst «Painkiller» als einer der gesanglich
herausforderndsten Tracks wurde, nach «Hell Bent…» noch auf dem
Motorrad sitzend, beeindruckend performt.
Der Tross an sich
wurde jedoch ohne Zweifel durch Leadgitarrist Richie Faulkner
gelenkt und auf Trab gehalten. Unentwegt bewegte er sich aktiv auf
der Bühne hin und her, nahm immer wieder andere Positionen und Posen
ein. Dazu heizte er die Fans mehrfach an, im Rhythmus
mitzuklatschen, während Andy Sneap banddienliche wie wuchtige
Rhythmus-Riffs beisteuerte. Ian Hill stand, wie gewohnt, posend vor
seinem Bassstack und lieferte zusammen mit Drummer Scott Travis das
uhrwerkmässige Rhythmusgerüst des legendären Priest-Sounds ab. Die
Setliste enthielt heuer ein paar Überraschungen, positive wie
negative. Das bezog sich natürlich nur darauf was gespielt,
respektive ausgelassen wurde. «Saints In Hell», «Night Comes Down»
und «Freewheel Burning» sorgten für sichtliche Freude,
während ich persönlich so Dinger wie «Victim Of Changes», «Beyond
The Realms Of Death» oder «Desert Plains» vermisste.
Nichtsdestotrotz lieferte die Band heute Abend wiederum sowas von
ab, dass alles andere unwichtig war. Cool war auch festzustellen,
dass die neuen Songs killen und dies nicht nur auf dem Tonträger.
Zur grossen Freude der Fans kam Glenn Tipton auch in Dübendorf für
den Zugabenteil auf die Bühne und wurde nicht nur von seinen
Bandmates herzlichst begrüsst. Der Anblick des sichtlich erkrankten
Musikers führte einem dann aber grausam real vor, wie schnell alles
vorbei sein kann, wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Es
dürfte somit wohl das letzte Mal gewesen sein, dass man Glenn live
mit Judas Priest hat spielen sehen. Nach 105 Minuten gab es somit
nur noch eines zu sagen: Weltklasse! Es wird sich dann nach der
«Firepower»-Tour eh zeigen, wie es weiter gehen wird, vor allem wer
den Platz neben Richie als festes Bandmitglied an der zweiten
E-Gitarre übernehmen wird. Bei all den zahlreich gespielten Shows
wird ausserdem sicher genug Material für eine spätere Live-Nachlese
vorliegen. Lassen wir uns also überraschen.
Setliste: «War
Pigs – Black Sabbath» - «Firepower Intro» - «Firepower» - «Grinder»
- «Sinner» - «The Ripper» - «Lightning Strike» - «Bloodstone» -
«Saints In Hell» - «Turbo Lover» - «Prelude (Intro)» - «Tyrant» -
«Night Comes Down» - «Freewheel Burning» - «Guardians (Intro)» -
«Rising From Ruins» - «You've Got Another Thing Comin'» - «Hell Bent
For Leather» - «Painkiller» -- «Metal Gods (mit Glenn Tipton)» -
«Breaking The Law (mit Glenn Tipton)» - «Living After Midnight (mit
Glenn Tipton)».
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