Vor einem Vierteljahrhundert, also
1988, kriegte ich eine CD in die Finger, die mir auf Anhieb sehr
gefiel, nämlich «From Over Yonder» von Zed Yago! Die grundsätzlich
schleppend rockende Mucke setzte sich bald in meinen Gehörgängen fest
und das lag letztlich auch an der überragenden Gesangsstimme von Jutta
Weinhold. Zudem erahnte kaum jemand, dass die in Hamburg wohnhafte
Sängerin mit Jahrgang 1947 damals also schon über vierzig Jahre alt
war! Das wiederum verwundert aber nicht, wenn aus der Biographie hervor
geht, dass Jutta in den 70ern zum Ensemble des weltberühmten Musicals
«Hair» gehörte! Die metallische Phase Ende der 80er war dann aber
leider nur von kurzer Dauer und Konzerte fanden lediglich in
Deutschland und England statt. Nach weiteren Versuchen mit Velvet Viper
und zuletzt unter ihrem Namen Weinhold war dann ab 1993 erst mal
Schicht im Schacht. Die an sich sehr gute Comeback-Scheibe «From Heaven
Through The World To Hell» (2004) fand leider ebenso nicht die
verdiente Beachtung, wie auch die letzten zwei Scheiben von 2006
(«Below The Line») und 2010 («Read Between The Lines»). Letztere
leitete zudem eine Abkehr vom früher zelebrierten Dramatic Metal in
Richtung Hardrock ein. Satte 37 Jahre nach ihrem letzten Besuch in der
Schweiz (mit Udo Lindenberg), fand in der Galery ein denkwürdiges
Konzert statt, an dem ich keinesfalls fehlen durfte!
Wicked Plan
Als Support des heutigen Abends wurde die Schweizer Band Wicked Plan
aus Büren an der Aare verpflichtet, die stilistisch zumindest teilweise
nicht mal so weit vom Headliner weg war. Als Bassist fungierte übrigens
Kollege Erol Dupovac, den ich bisher eher als Knöpfchendreher denn als
Musiker in der Wahrnehmung hatte. Kern der Band ist das (auch private)
Paar Dan Keller (g) und Natali Keller (v), das auch zu den
Gründungsmitgliedern von Wicked Plan gehört. Ergänzt wird das Berner
Quintett durch den zweiten Gitarristen Christof Schafer und den jungen
Schlagzeuger Philipp Rytz. Optisch legte sich Mainman Keller mit
entsprechender Lederkluft voll rockstarmässig ins Zeug und liess schon
bald seine technische Klasse aufblitzen. Die öffentlich genannten
Einflüsse von Metallica, Megadeth, Dio, Bruce Dickinson, Yngwie
Malmsteen hörte ich live allerdings nicht auf Anhieb heraus, auf der
ersten Studio-Scheibe «Becoming God» hingegen eher noch. Frontfrau
Natali verfügte dabei über eine reine, kräftige Stimme, die jedoch noch
etwas mehr melodische Varianz, wie zum Beispiel beim nicht gespielten
«Where My Heart Me Leads» vertragen könnte, da überwiegend stets mit
voller Kraft und teilweise ordentlich Vibrato performt wurde. Das
hinterliess zumindest bei mir einige Stirnrunzeln, die aber beinahe
alle wieder durch die sympathische und herzliche wie spontan wirkende
Art von Madame Keller abgebaut werden konnten. Warum sie sich
allerdings beim einen
oder anderen Solo von Dan an die Seite zwischen zwei Amps verkrümelte
oder sich einfach auf eine Art Thron-Sessel auf der Bühne setzte, fand
ich etwas komisch und eigentlich unnötig. Obwohl die Galery zwar nicht
übermässig viel Platz zu Verfügung stellt, wirkten Wicked Plan
insgesamt viel zu hüftlahm. Vor allem Bassist Erol sollte
bewegungsmässig noch einen gehörigen Zacken zulegen. Die Band wie auch
das Publikum fanden aber Spass aneinander und mit der Zugabe «Slaves Of
Pyramids» schälten sich dann die Einflüsse von Metallica doch noch
heraus. Nach einer guten Dreiviertelstunde bedankte sich die Vorguppe
explizit bei Jutta Weinhold für den ermö-glichten Auftritt und räumte
daraufhin das Feld.
Setliste: «Living On The Other Side» - «Story Of A War» - «Queen Of
Nile» - «Guitar Solo» - «Becoming God» - «Not Alone» - «Ghost Rider» --
«Slave Of Pyramids».
Jutta Weinhold Band
Auch wenn das bei mir aus gegebenem, sprich altersbedingtem Anlass
immer seltener vorkommt, hatte sich heute Abend bei mir eine richtig
fette Vorfreude auf das Konzert des Headliners eingestellt. Ich hoffte
nach dem Bekanntwerden von einigen Konzerten in Deutschland inbrünstig,
dass es auch zu einem Schweizer Gastspiel gereicht und plötzlich war es
dann Tatsache! Jutta Weinhold und ihre neue Band hatten kurz
vor meinem allerersten „Sweden Rock“-Besuch einen fix gebuchten Gig bei
uns. Dass die Wahl dabei auf die Galery fiel, war beileibe nicht
schlecht, da der Rahmen für die vorneweg nicht allzu gross zu
erwartende Resonanz letztlich genau richtig war. Immerhin fanden doch
etwa knapp fünfzig Leute den Weg nach Pratteln und sie sollten dies
schon bald keine Sekunde lang bereuen. Mich nahm es dabei natürlich in
erster Linie wunder, wie die mittlerweile bald 65-jährige Sängerin (!)
stimmlich auf der „The Return Of The Flying Dutchmen Tour 2013“
abschneidet. Das zweite Fragezeichen galt der Setliste und im
Speziellen, ob da «Stay The Course», mein erklärter Lieblingssong von
Zed Yago, auch drauf stehen würde. Ein kurzer prüfender, ja fast
bangender Blick auf den Bühnenboden klärte diese Frage dann ziemlich
schnell auf und war, da leider nichts davon zu sehen war, der einzige
wie gleichzeitig verschmerzbare Mini-Dämpfer des ganzen Konzertes.
Vielmehr dominierte die Freude darüber, dass der Zahn der Zeit wohl im
Gesicht der Wahl-Hamburgerin seine Spuren, aber nicht an der
Gesangsstimme hinterlassen hatte. Spätestens ab «Merlin» erfasste mich
eine Dauer-Gänsehaut vom Feinsten! Die Setliste war gespickt mit dem
Besten aus der Zeit von 1988 bis und mit 1994, das heisst Musik ab den
ersten zwei Zed Yago und nachfolgenden beiden Velvet Viper-Scheiben,
sowie der ersten Jutta Weinhold Solo-Scheibe. Getragen von ihrer
tighten Band, bestehend aus Norbert Kujus (g), Rainer Schefe (g),
Wolfgang Schönfeld (b) und Colo (d) zelebrierte die bestens gelaunte Frohnatur
eine Reise zurück zu den Anfängen des Dramatic Metal, den man heute
kaum bis gar nicht mehr einer anderen Gruppe so zuordnen kann.
Trotz der businessmässigen Schicksals-schläge und insgesamt viel zu
dürftigem Erfolg, hatte sich die gebürtige Mainzerin nicht, respektive
nie wirklich lang anhaltend gehen lassen und der jahrelange Verzicht
auf Drogen wie Alkohol beschert ihr nun so zu sagen den dritten
Frühling, den sie mit viel Herzblut und Spielfreude bestreitet. Diese
positiven Vibes übertrugen sich alsbald auf die Besucher, die sich ob
dem Gezeigten mehrheitlich begeistert zeigten. «Highland Queen»
beschloss nach gut fünfzig Minuten den ersten Teil des Sets mit
hymnischer Ausstrahlung und die Band wie die Fans gleichermassen,
nutzten den Unterbruch für einen Schwatz, eine Zigarette und/oder das
Ordern eines Getränkes an der Bar. Nach etwa zwanzig Minuten waren
Jutta und ihre Jungs wieder ready und mit dem quasi zweiten Opener
«United Pirate Kingdom» folgte die nächste Tranche des immer kultiger
werdenden Auftrittes. Der fette Groove der Musik hat bis heute nichts
von seinem Reiz eingebüsst, und veredelt durch die tadellos agierende
Shouterin, wurde den alten Schoten neues wenn nicht ewiges Leben
eingehaucht. Obwohl das ganze Konzert eigentlich eine sichtliche
Aneinanderreihung von lauter Genre-Hits war, legte das grandiose und
epische « Rocking For The Nation» nochmals ein paar zusätzliche
Briketts nach. Meine Wenigkeit schrie sich zu diesem Rock-Monster,
angereichert mit unüberhörbaren Accept-Vibes, die Stimmbänder beinahe
wund. Dass das Ganze noch in gepflegtes Headbangen und ein paar
Air-Guitar-Einlagen überging, versteht sich von selbst. Zum Schluss
wurden zum «Black Bone Song» zuerst alle Jungs zum Mitsingen auf die
Bühne gebeten und bei der Zugabe «Rebel Ladies» durften entsprechend
die Girls ran und sorgten für einen würdigen Abschluss dieses
unver-gesslichen Abends. Jutta Weinhold hatte sichtlich Freude an den
Reaktionen und betonte, dass sie und ihre Band bereit seien, um weiter
zu rocken und das so oft, wie es geht. Dies bekräftigte die
bodenständige Persönlichkeit auch beim später nachfolgenden Interview,
das unbearbeitet fast 45 Minuten dauerte. Nach dem gemeinsamen Foto,
den ergänzten noch fehlenden CDs (die letzten zwei Weinhold-Scheiben)
und einer persönlichen Widmung auf dem legendären Debüt, verabschiedete
ich einen bemerkenswerten Künstler und Menschen, der mir einen rundum
gelungenen Konzert-Abend geschenkt hat. Hoffentlich bald wieder!
Setliste: «Intro» - «Zed Yago» - «The Beacon Light» - «Merlin» -
«Revenge» - «Modern Knights» - «Master Of The Ring» - «Queen And
Priest» - «Highland Queen» - Pause - «United Pirate Kingdom» - «The
Spell From Over Yonder» - «The Pale Man» - «Rocking For The Nation» -
«Fear Of Death» - «Horsewoman» - «Intro/Black Bone Song» -- «Rebel
Ladies».
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