Livereview: Khaøs – Fueled By Grace

30. April 2015, Wetzikon – Hall Of Fame
By Rockslave
Als im letzten Herbst der erste Longplayer heraus kam, nahm noch kaum jemand Notiz von der Zürcher Band Khaøs. Gut einen Monat später konnten wir fast die ganze Band (ohne den Live-Gitarristen Antonio Princiotta) in der Sendung „Ohrbar Rocklounge“ von Kanal-K zum Interview begrüssen. Natürlich auch mit dabei war der Frontmann Chandler Mogel, der zu Promo-Zwecken extra aus New York in die Schweiz geflogen war. Somit wären wir dann bereits bei den Details der Gruppe angelangt, die in der Tat einen amerikanischen Sänger angeln konnte. Das ist bemerkenswert, zumal so eine Konstellation eher Seltenheitswert besitzt. Die Sache nahm im Sommer 2012 ihren Anfang, als Gitarrist und Songwriter Mark Rossi im Studio von Ralf Munkes eine EP aufnehmen wollte. Er brachte nur die Songs, respektive Ideen, aber keine Musiker mit. Die wurden erst im Nachhinein gesucht und Chandler war letztlich eine Empfehlung von Ralf. Der New Yorker leiht seine Stimme bekanntlich auch einer anderen Combo namens Outloud, und als diese gerade in Griechenland unterwegs waren, erhielt er (Chandler) die Demo-Songs, war von Anfang an begeistert und teilte mit, dass er dabei sei!

Fueled By Grace

Die Vorband des heutigen Konzertabends in der Hall Of Fame war mir zuvor nicht bekannt, aber den Gitarristen erkannte ich dann vor Ort sehr wohl. Das war nämlich Mack Schildknecht, der sonst für die Schweizer Hardrock Band China, nebst Claudio Matteo, ebenfalls in die Saiten greift. Soweit so gut, Fueled By Grace stellen somit Macks eigene Gruppe dar. Die musikalische Ausrichtung konnte ich im Vorfeld nur erahnen, aber es würde definitiv nicht zum Beispiel Thrash Metal sein. Vielmehr kam einfach gute, handgemachte wie vielseitige Rockmusik daher. Das Ganze war dann allerdings nicht wirklich hart, aber die Soli von Herrn Schildknecht liessen sich angenehm anhören wie ansehen. Frontmann Chahid „Stubi“ Stuber, der sich mal bei „The Voice Of Switzerland versuchte, dort aber nicht weiter kam, gab sich publikumsnah, was mit Ansagen auf Schweizerdeutsch zusätzlich aufgewertet wurde. Obwohl sich nicht gerade massig Zuschauer vor der Bühne tummelten, wurden diese aufgefordert, ruhig noch ein paar Schritte weiter in Richtung der Bühne aufzurücken. Dem wurde darauf mehr oder weniger, jedoch zögerlich, Folge geleistet. Dies kümmerte Fueled By Grace freilich wenig und so zog das Quartett seinen Set, ohne mit der Wimper zu zucken, spielfreudig durch. Trotzdem wurde ich persönlich bis fast am Schluss kaum warm mit dieser Mucke. Da fehlte mir einfach das berühmtberüchtigte Stückchen „Dreck“, das dem sonst grundsätzlich ansprechenden Sound noch etwas mehr Pfeffer verleihen könnte. Möglicherweise fehlt live ein Rhythmus-Gitarrist, denn wenn man den heute Abend auch gespielten Song «Dad’s Track» in der Studioversion mit übereinander gelegten Gitarrenspuren hört, dann vermisste ich genau das auf der kleinen Bühne der „Hall Of Fame“. Nichtsdestotrotz merkte man den Jungs, die sich stilistisch nicht einengen lassen wollen und sich darum auf Einflüsse aus den Bereichen Country, Blues, Soul, Funk bis hin zu Classic Rock berufen, an, dass sie gut miteinander harmonieren und Spass an dem haben, was sie machen. Im Speziellen fiel mir Drummer Alain Ackermann auf, der technisch saumässig gut und beim Kurz-Solo ungeheuer filigran wie gleichzeitig arschtight aufspielte. Das Debüt-Album ist noch in der Mache und wird mit Sicherheit einen Grossteil der unten stehenden Setliste beinhalten. Die Bilanz nach einer guten Stunde Spielzeit war unter dem Strich musikalisch wie handwerklich absolut ok, aber ich höre Mack dezidiert lieber mit China und dort entsprechend heftiger.

Setliste: «Overcome» - «She» - «Dad’s Track» - «Addicted» - «Sarah» - «The End» - «Summerbird» - «The Rising» - «Fight» -- «Desire».


Khaøs
Da ich im Vorfeld das neue Album «Risen» schon ein paar Mal am Ohr hatte, wusste ich was kommt, aber noch nicht mit welcher Intensität der wuchtige Studio-Sound auf die Bühne übertragen werden konnte. Im Gegensatz zur Vorgruppe standen hier nun zwei Gitarristen auf der Matte und das hörte man sofort. Die Live-Verstärkung mit Antonio Princiotta (übrigens der Bruder von Doro-Klampfer Luca Princiotta) ergänzte das virtuose Spiel von Mainman Mark Rossi ungemein. Des Weiteren agierte mit Nic Angileri (b) und Trevor Franklin (d) eine exzellente Rhythm-Section und das berühmte Tüpfelchen auf dem „i“ war eben Chandler Mogel. Besser hätte man diese Kombination nicht bilden können, denn seine Stimme passt perfekt zu diesem opulenten wie melodiösen Rocksound, dem teilweise ein leicht moderner Touch anhaftet. Vibes der härteren Nickelback gehen mir dabei auch nicht aus dem Sinn und vor allem die Balance der laut/leise Parts innerhalb der Songs ist stets hoch wie melodiös. Das zeichnet den charakteristischen Sound von Khaøs aus, der natürlich bei aller Lieblichkeit immer noch viel zu hart für das Mainstream-Radio ist. Doch das ist gut so, denn wenn man sich mal die Soundwand des Album-Openers «After The Silence» oder zum Beispiel das Brett von «Crisis Factor» anhört, wo gar Disturbed anklingen, dann wird klar, dass dies so nur in den entsprechenden Rock- und Metal-Sendungen gespielt wird. Doch dagegen gibt es ja eigentlich ein probates Mittel, nennt sich Ballade und findet sich auf «Risen» jedoch nur in der halbballadesken Ausführung bei «Exalted», «Hung The Moon» und «As Far As We Go». Somit sieht es wirklich schlecht für den reinen Mainstream aus, doch auf den sind Khaøs eh nicht aus. Vielmehr soll es rocken und das tat es beim erst zweiten Gig dieser Formation reichlich. Da passte einfach alles und das gefiel auch den leider viel zu spärlich aufmarschierten Fans, dessen Anzahl deutlich unter 100 Nasen war. Ein Typ davon ging sogar völlig in der Musik auf und bangte sich unmittelbar vor der Bühne fast den Schädel vom Hals runter! Bei «Ride The Chain Theme» gewährte die Band ihrem Sänger eine kurze Verschnaufpause und legte ein instrumentales Müsterchen der solistischen Fähigkeiten aufs Parkett, ehe es danach wieder mit Power und Pepp weiter ging. Je länger Khaøs spielten, desto mehr malte ich mir in Gedanken aus, wie dieser fette Sound wohl auf einer grossen Festival-Bühne, zum Beispiel beim Sweden Rock, klingen würde. Dass es dies täte, steht ausser Frage, nur bleibt die Frage, wie diese tolle Band in der Zukunft wahr genommen wird. Da das öffentliche Radio hier keine Hilfestellung bietet, bleibt das Ganze etwas im Untergrund hängen, aber ich bin überzeugt, dass wir von dieser Gruppe noch einiges hören und sehen werden. Solange sich Mogel Chandler mit den Begehrlichkeiten von Outloud zurecht findet, geht auch die Geschichte von Khaøs weiter und versinkt dann eben nicht im „Chaos“. Verdient hätten sie es alleweil und mal sehen, wie dereinst ein weiteres Album klingen wird und die Musikszene hoffentlich ein weiteres Mal aufhorchen lässt. Nach gut achtzig durchgespielten Minuten war schliesslich ohne das übliche Zugabegebaren Schicht im Schacht, und die überzeugende Darbietung konnte dem professionellen Studio-Eindruck von «Risen» locker das Wasser reichen, was keine Selbstverständlichkeit ist!

Setliste: «Intro» - «Distress Signal» - «Hated» - «After The Silence» - «Exalted» - «Crisis Factory» - «Reason To Die» - «Ride The Chain Theme (mit Soli)» - «Imagined Danger» - «As Far As We Go» - «The Breathing Room» - «Static Windows» - «End Of Daze» - «Perfect Future».