Als mich Crown Kocher, seines Zeichens noch einziger
Überlebender der von ihm in den 80ern gegründeten Rock-Combo Killer,
vor einigen Monden mal zu sich nach Hause einlud und wir dabei von
den guten alten Zeiten und einer weiteren möglichen Zukunft der Band
sprachen, deutete noch nicht viel darauf hin, dass es mal zu
besagtem Anlass in Biberist gereicht. In den 2000ern gab es, nicht
zuletzt auch jubiläumsbedingt, ein paar spezielle Live-Auftritte.
Dann tauchten tatsächlich mal ein paar wenige neue Songs auf, die
den jeweiligen Set bereichern konnten. Viel mehr war es aber nicht,
und als sich das Lineup-Karussell wieder flott zu drehen begann,
glaubte eh kaum jemand daran, dass hier jemals wieder etwas
Nachhaltiges auf die Menschheit losgelassen werden kann. Doch
Dauersträfling Crown Kocher liess sich nicht unterkriegen und
trotzte letztlich allen physischen wie musicbusinessmässigen
Rückschlägen. Ein erneuter Besuch in Rock-City Luterbach verschaffte
mir dann die nationale Exklusivität, einiges dessen, was
schliesslich auf dem brandneuen Album «Screamagunn» gelandet ist,
als Erster meiner Zunft überhaupt zu Gehör zu kriegen. Der Rest ist
bereits Geschichte!
Killer (Pre-Story)
Anfangs Jahr meinte es das Schicksal nicht gut mit unserem lieben
Herr Kocher, denn das unerwartete Ableben von Duco Aeschbach, seines
langjährigen Freundes, AHV-Chaoten und Spezi der Band Kaktus, hätte
nicht sein müssen. Das Leben schrieb jedoch eine andere Geschichte,
und es war wohl schon etwas Schicksalhaftes mit dabei, dass nun der
Fokus ganz auf Killer gelegt wurde. Die finanzielle Situation wurde
bereits im letzten Jahr über ein Crowd-Funding in die richtigen
Bahnen gelenkt, sprich die für eine
professionelle Albumproduktion nötige Kohle war tatsächlich und zur
grossen Freude des ganzen Umfeldes zustande gekommen. Das
songmässige Frischfleisch stand weitgehend auch und das Line-Up
erhielt, nachdem man sich von Sänger Andy Lickford und der Bassistin
Emilia Meyer alias Emi Bassbabe getrennt hatte, die nötige
Frischzellenkur durch Mirko "Badbass" Buccio (ja, genau der, der
mitunter für Metal Factory allmonatlich hochstehende CD/LP-Rezis
beisteuert!) und den neuen Frontmann Patrick "Paddy" Strobel. Man
kann ja über das Casting-Format wie "The Voice of Germany" und
weltweit dutzende Landes-ableger denken was man will. Fakt ist auf
jeden Fall, dass sich dort nicht nur mindestens teilweise halbwegs
talentierte Leute präsentieren, sondern auch altge-diente wie
versierte, bisher aber grösstenteils kommerziell erfolglose Musiker
eine Plattform erhalten, um ihr Können in die Welt hinaus tragen zu
können. So kam es eines Tages, dass unser aller Crown mehr oder
weniger zufällig auf den Paddy stiess, respektive ihn singen hörte
und danach fast vom Stuhl fiel. Sollte es wirklich wahr werden, dass
endlich Ruhe und Kontinuität Einzug hält?! Wie man als Fan am
heutigen Abend und auf dem Weg nach Biberist bereits wusste, war dem
bekanntesten "Kantons-Sträfling in Freiheit" das Glück tatsächlich
hold und er konnte seinen absoluten Wunschkandidaten für die wohl
letzte Mission in Sachen Killer gewinnen, respektive verpflichten!
Killer (Concert)
Und so kam er immer näher, der grosse Moment der CD-Release Party
für «Screamgunn», das fünfte full lenght Album, nota bene 33 Jahre
nach «Young Blood»! Angerichtet wurde die Sause in der Event Hall
P9, einer ehemaligen Werkhalle der Papierfabrik in Biberist. Meine
Wenigkeit erhielt dann noch einen VIP-Pass, der nebst Getränken und
feinen Apéro-Häppchen einen separaten Aufenthaltsbereich bot. Diese
Annehm-lichkeit war natürlich eine angenehme Nebensache, aber das
Hauptaugenmerk galt dem Geschehen auf der Bühne, wo auf einem
Bildschirm die verbleibenden Minuten bis zum Beginn runter gezählt
wurden. So stieg die Spannung konti-nuierlich an, und nicht nur ich
war nun sehr gespannt, was mich und die anwesenden Fans gleich
erwarten würde. Ein unterschriebenes Exemplar der CD, die vom
Crowd-Funding her den Weg zu mir fand, wurde kurz vor dem Beginn des
Konzertes freudig begutachtet und gleich verstaut. Das, was dort
drauf ist, sollte schon bald in Gänze, sprich also alle zwölf Songs
des Albums (!), livehaftig präsentiert werden! Punkt 21:00 Uhr war
es dann endlich soweit für das nächste Kapitel von Killer! Links
postierte sich Badbass
Mirko
Buccio, flankiert von Crown Kocher. Hinten nahm Drummer Roberto
Antonucci den Platz hinter seinem Arbeitsgerät ein, während sich
rechts Peter Berger als zweiter Axeman bereit machte. Somit fehlte
noch einer: Paddy Strobel! Und der liess sich dann beim (Album-)
Opener «Dr. Screamgunn» nicht zweimal bitten! Auch wenn der Beginn
insgesamt noch etwas giftiger hätte ausfallen können, merkte man
bald, dass da endlich wieder eine Band als Ganzes ans Werk ging. Mit
«Gonna Be A Star» huldigten Killer offensichtlich «Shake Your
Foundations», einem bekannten Song ihrer Soundpaten AC/DC.
Allerdings sind das Roots, die nicht einfach anbiedernd
wiedergegeben werden. Das war früher schon so, einfach mit dem
Unterschied, dass Ur-Sänger Mark Broman alias Markus Brönnimann eine
ziemlich schneidende Gesangsstimme besass, die später von Andy
Lickford in dessen Geist weitergetragen wurde. Wie das alte Material
mit Paddy klingt, lüftete «Crazy Daisy» nach der kurzen Pause, die
nach den ersten sechs neuen Songs eingeschoben wurde. Davor
befeuerte Feuer-Indianer Zarkus noch den Song «Rock The Fire» mit
einigen bemerkenswerten Einlagen auf der Bühne. Bevor Paddy,
zusammen mit seinen neuen Bandkumpels, der Vergangenheit huldigen
konnte, gab es erstmal für das Publikum eine faustdicke
Überraschung, denn auf einmal wurden neben Crown Kocher noch die
Ur-Members Many Maurer (g), Beat Kofmehl (b) und Ali Allemann (d)
auf die Bühne gebeten.
Satte 38 Jahre (!!!) nach dem Release der legendären Debüt-LP
«Ladykiller» (1981) wurde den stolzen Protagonisten eine goldene LP
für 25'000 verkaufte Einheiten überreicht! Leider fehlte Frontsirene
"Brö", aber auch so teilte das begeisterte Publikum die sichtliche
Freude der Musiker. Zahlreiche Fotos wurden von diesem freudigen
Ereignis geschossen, inklusive den aktuellen Members von Killer.
Diese enterten danach wieder geschlossen den Ort des Geschehens, und
nachdem Paddy die durchgeknallte Daisy mit Bravour interpretierte,
verlieh der Baden-Württenberger aus Singen auch «Midnight Highway
Rider» seine eigene Note. Spätestens jetzt realisierte auch der
Hinterletzte, dass hiermit ein perfekter Brückenschlag zwischen der
Vergangenheit und der noch unmittelbar anstehenden Zukunft vollzogen
wurde. Paddy fühlte sich absolut wohl in seiner Haut, und dies
übertrug sich auch auf seine Mitstreiter. Wie oft erhielten die
Songs in der Live-Performance einen zusätzlichen Härte-Kick, der
ordentlich Drive entwickelte. Dies galt auch für Badbass Mirko, der
nach dem Ablegen seiner Sonnenbrille mit den extra eingesetzten
Marilyn Manson
Linsen
den Stage-Zombie mimte und den Kollegen teilweise fast die Show
stahl. So gelangten einige Zuschauer, vorab der ersten Reihe, zu
einem Plektrum von Mr. Buccio, der jedoch nicht nur durch seine
Faxen auffiel, sondern in erster Linie seinem Buddy Roberto
Antonuccio an den Drums pumpende Bassläufe zuschanzte. Die Stimmung
im ordentlich belegten P9 steigerte sich laufend und je länger das
Ganze andauerte, desto mehr kristallisierte es sich heraus: Killer
are back, stronger than ever! Mit der einzigen Ballade «Hold You»
gedachte vor allem der übrig gebliebene "AHV-Chaot" Crown Kocher
seines Kumpels Duco Aeschbach, der heute Abend bestimmt auch sehr
stolz gewesen wäre. Ohne Zugaben konnte sich das Solothurner Rock
Ur-Gestein, verstärkt mit süddeutscher Gesangs-Power, natürlich
nicht vom Acker machen. Mit «Never Touch A Tiger» und «Come Along»
folgten dann zwei weitere oldschool Classics, die durch Paddy
Strobel zu neuen Vibes gelangten. Mit «Rock And Roll», also dem
Song, durch den Crown bei «The Voice of Germany» überhaupt auf Paddy
stiess und den Anfang einer kaum mehr geglaubten Reise auslöste,
schloss den symbolischen Kreis. Unter dem Strich reifte die
Erkenntnis, dass nun in der Tat spannende Zeiten für Killer anstehen
und man mit «Screamgunn» bestens dafür gerüstet ist. Einziger
Wermutstropfen des heutigen Abends war für einige Fans allerdings
das Ausbleiben des Kult-Songs «Ladykiller», aber der wird im
kommenden Set bestimmt noch Einzug finden, wetten?!
Setliste:
«Dr. Screamgunn» - «Gonna Be A Star» - «Guitar Hero» - «Rock The
Fire» - «Mr. Superman» - «Love Handles» -- P A U S E -- «Crazy
Daisy» - «Midnight Highway Rider» - «Kings Of Rock» - «Rock Hasn't
Enough From Me» - «See The Light» - «Hold You» - «Sugardaddy Boogie»
- «Girls In Leather» -- «Never Touch A Tiger» - «Come Along» - «Rock
And Roll (Led Zeppelin Cover)».
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