Wer im Kopfrechnen ordentlich fit ist, und dabei seine Agenda
einigermassen sauber führt, der wird's bemerkt haben: Der heutige
Killswitch-Gig war der erste in der Schweiz im kompletten Line-Up
seit der allerersten Tour zum Debüt-Album «Alive Or Just Breathing»
vor fünf Jahren. Das Livedebüt auf schweizerischem Boden fand damals
knapp nach dem Neuzugang von Fronter Howard Jones im Abart statt -
2003 kam die Band mit dem Nachfolgealbum «The End Of Heartache» ins
Rohstofflager, doch Howard hatte eine Kehlkopfentzündung, der Event
ging als folge davon ohne Headliner über die Bühne. Und zu guter
letzt blieb der Gig im März 2007 in der gleichen Location
ebensowenig vergessen: Howard war diesmal in den Startlöchern, bloss
pausierte Bandkopf/-Zweitgitarrist/-Oberdödel Adam D. aufgrund einer
Rückenoperation - vertreten wurde er vom Ex-Soilwork-Gitarrist und
Exil-Schweden Peter Wichers. Aufgrund der aktuellen kompletten
Konstellation schon mal ein Partygarant. Zudem liess die Band kurz
vor der Tour verlauten, dass sie sich darauf nach einer Pause an ein
neues Album machen wolle… Wenn also die Vorzeigeband des Metalcore
schon mal vollzählig am Start ist, amtliche Vorbands mitbringt & die
vorläufig letzte Tour zelebrieren will, dann hat die Metal Factory
natürlich aufzumarschieren…
Cataract
Die Schweizer Metal-/Hardcore-Recken von Cataract eröffneten den
Abend - und warfen zugleich ein grosses Fragezeichen auf: Obwohl ich
aufgrund einer Verspätung nur noch den letzten Teil ihres Sets sah,
war klar ersichtlich, dass die Band Mühe hatte, das Publikum zu
motivieren… Zuschauer wie Musiker standen auf beiden Seiten des
Bühnengrabens zwar gewillt, aber dennoch ersichtlich unmotiviert rum
- Da habe ich schon bessere Aktion/Reaktion erlebt. Vielleicht
könnte die lauwarme Reaktion des bereits überraschend gut gefüllten
Rohstofflagers mit dem Fakt zusammenhängen, dass Cataract innerhalb
eines halben Jahres bereits zum dritten Mal dort spielten. Einmal
Plattentaufe und zwei mal als Opener von grossen Acts, das kann mit
der Zeit dann doch etwas aufstossen. Oder aber das Publikum hat
mittlerweile bemerkt, dass die Band aufgrund überraschend dominanten
Selbstzitaten nicht mehr viel Identität in die Songs verpackt. So
oder so, abgehen sieht anders aus. Geklatscht und gerufen wird
amtlich, geballert ebenso - Aber eben, gute Metalshows besteht aus
mehr
Zutaten.
As I Lay Dying
As I Lay Dying machten da schon einiges besser - Selbst ich als
bekennender Nicht-Verehrer der Band muss ihnen einen gelungenen Gig
attestieren. Zwar kann ich mit dem Hardcore- typischen Rumhüpfen auf
der Bühne nicht viel anfangen, aber die sympathische Performance
wusste zu überzeugen. Fronter Tim Lambesis konnte praktischerweise
von Anfang an auf das mitsingfreudige Publikum zählen, und der
Drummer übernahm den Grossteil der restlichen Überzeugungsarbeit mit
seinem wuchtvollen Fellgegerbe gleich selber. Obwohl mir im
nachhinein erzählt wurde, dass die Band mit dem Gig nicht an die
sagenumwobene Qualität des vorhergehenden Konzertes im Z7 herankam,
hinterliess sie bei mir aber definitiv einen äusserst
einsatzkräftigen Eindruck. Songs wie «Through Struggle», «Forever»,
«94 Hours» und das Abschliessende «Confined» kamen beim Publikum
restlos an, die Hitze im Saal überstieg klar die Schmerzgrenze und
es gab ordentlich Körpergulasch. Obwohl die Band für eine wirkliche
Headlinerposition klar noch etwas Abwechslung einbringen muss,
liegen alle weiteren benötigten Faktoren bereits zum Greifen nahe.
Nach 40 Minuten war gegen 21h40 bereits Schicht im Schacht, und ein
nicht zu verachtender Teil des Publikums stellte eine mögliche
Steigerung des bisher geleisteten in Frage…
Setlist: Through Struggle, Nothing Left, Forever, Within Destruction,
Distance Is Darkness, Meaning In Tragedy, An Ocean Between Us, Sound
Of Truth, 94 Hours, Confined
Killswitch Engage
Doch wer Killswitch kennt, weiss, dass die Band selbst auf eine
solche grundlegende Frage den passenen Knüppel schwingt - Dabei
kommen im Endeffekt viele Faktoren zusammen, aber der offen zur
Schau gestellte quere Humor der Mucker gepaart mit einer sautighten
Performance von
Hitgranaten wird wohl das Fundament dazu gebildet
haben. Fakt ist, dass die Band das Publikum mal eben locker aus der
Hüfte auf ein noch höreres Niveau an Reaktion anpeitschen konnte -
Vom Opener «Daylight Dies» bis hin zum letzten bekannten Song «My
Last Serenade» wurde mitgesungen, geschrien, geschwitzt und getobt.
Fronthühne Howard Jones hielt sich grundsätzlich etwas zurück und
überliess das Parkett seinem spielfreudigen Gitarristen Adam D., der
mit allerhand skurrilem Humor die Lacher auf seine Seite zog… Von
verrenkten Bodybuilderposen über Sportübungen bis hin zum
Gitarrenablecken und der Aufführung von «Kampfformationen» mit
Instrumenten und Mitmusikern war alles dabei und miteinander
verwoben. Dass der Mann mit Unterstützung von Lead-Klampfer Joel
Stroetzel zudem noch ordentliche Backingvocals ablieferte, ging
dabei fast im allgemeinen Chaos unter. Drummer Justin Foley gab im
ganzen Trubel den ruhende Pol der Band - Der Mann dominierte mit
seinem präzisen und groovenden Spiel klar die Mucke, konnte aber vor
allem noch mit seinem mächtigen Fischer-Bart auftrumpfen. Eigentlich
kein Attribut, aber bei Killswitch werden halt selbst optische
Komponente in bares Schwermetall umgemünzt. Weil Ambibands aufgrund
der aktuellen Tendenz sogar in der Headliner–Position nach knapp
einer Stunde ihre Pflichten als erfüllt betrachten, verliessen
Killswitch Engage dann nach etwa 65 Minuten die Bühne, doch
logischerweise holte das Publikum sie für eine Handvoll Zugaben
zurück. «Daylight Dies» machte dabei den Auftakt, richtig fett kam
dann aber der Titelsong der letzten Platte, «End Of Heartache»: Das
Publikum schmetterte jede Zeile inbrünstig richtung Bühne, und
Howard überliess ihm dabei grosszügig das Mikrofon. Zu guter letzt
dann noch eine amtliche Überraschung: Killswitch intonierten als
zweite Zugabe den Dio-Klassiker «Holy Diver», der für eine
Kerrang-Compilation aufgenommen wurde, und für den es auch einen
irrwitzigen Clip gibt. Obwohl sehr schnell klar wurde, dass dieser
Song dem grössten Teil des Publikums in der Originalen- wie auch der
Coverversion bishin unbekannt war, wurde noch mal ordentlich
hingelangt. Adam und Joel demonstrierten in diesem Song ebenfalls
ihre bisher etwas untergegangenen Solistenkünste und schreddeten
noch weiter, als die Band mit dem Song schon lange fertig war -
Diese Mannschaft hat offensichtlich mehr Metal in den Adern
fliessen, als so manche der aktuell ganz angesagten. Gut möglich,
dass die Absurdität zwischendurch etwas von der Mucke ablenkt, aber
solange sie nicht Dragonforce-Dimensionen annimmt, lässt sich meiner
Ansicht nach gut damit leben.
Setlist: Daylight Dies, Unbroken, Take This Oath, Arms Of Sorrow,
Breathe Life, This Fire, Rose Of Sharyn, My Heart Still Beats Your
Name, Fixation On The Darkness, My Curse, Bid Farewell, Life To
Lifeless, This Is Absolution, The End Of Heartache, My Last
Serenade, Holy Diver
Zu guter Letzt möchte ich noch gerne ein kleines Wörtchen an die so
genannten «Slamdancer» richten - ihr wisst schon, die
Hardcore-Kiddies die die Fäuste & Füsse im Pit fliegen lassen, und
sich dabei ganz gross vorkommen: Kinder, lasst den Scheiss endlich
sein. Ihr wollt zwar möglichst cool und eigenständig wirken, kopiert
dabei aber ausgerechnet den hinterletzten Bullshit aus Amerika. Muss
das sein? Ich habe während des Killswitch-Gigs einige Fäuste in den
Rücken gekriegt, mich bei euch beschwert, und ihr zeigt mir dann
'nen Vogel… sensationelle Reaktion, wirklich. Ein Pit ist dazu da,
ordentlich die Sau rauszulassen. Was die Metaller aber von euch
unterscheidet, ist der Wille, auch auf die umliegenden Leute sorge
zu tragen. Wenn einer hinfällt, dann wird ihm aufgeholfen. Wenns mal
etwas rauer zu- und hergeht, wird das nach dem Gig mit 'nem Bier
geregelt. Wir verteilen keine Fusstritte, verspüren keine Lust, die
Fäuste fliegen zu lassen… im direkten Vergleich könnte man uns
wahrscheinlich glatt als sozial durchgehen lassen. Und was tut ihr?
Steht in der Ecke, post wie die ganz bösen & schiebt dabei um noch
bedrohlicher auszusehen die geballten Fäuste unter die Bizeps - Echt
jetzt, ich geh' wegen der guten Stimmung an eine Killswitch-Show,
nicht um so 'nen Scheiss zu erdulden. In dem Moment, in dem ihr
Höflichkeit entwickelt & die soziale Ader ein bisschen walten lässt,
werdet ihr genau das auch von uns erwarten können. Aber vorher: FUCK
OFF!
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