Livereview: Killswitch Engage - As I Lay Dying
12. August 2008, Rohstofflager Zürich
By El Muerte
Wer im Kopfrechnen ordentlich fit ist, und dabei seine Agenda einigermassen sauber führt, der wird's bemerkt haben: Der heutige Killswitch-Gig war der erste in der Schweiz im kompletten Line-Up seit der allerersten Tour zum Debüt-Album «Alive Or Just Breathing» vor fünf Jahren. Das Livedebüt auf schweizerischem Boden fand damals knapp nach dem Neuzugang von Fronter Howard Jones im Abart statt - 2003 kam die Band mit dem Nachfolgealbum «The End Of Heartache» ins Rohstofflager, doch Howard hatte eine Kehlkopfentzündung, der Event ging als folge davon ohne Headliner über die Bühne. Und zu guter letzt blieb der Gig im März 2007 in der gleichen Location ebensowenig vergessen: Howard war diesmal in den Startlöchern, bloss pausierte Bandkopf/-Zweitgitarrist/-Oberdödel Adam D. aufgrund einer Rückenoperation - vertreten wurde er vom Ex-Soilwork-Gitarrist und Exil-Schweden Peter Wichers. Aufgrund der aktuellen kompletten Konstellation schon mal ein Partygarant. Zudem liess die Band kurz vor der Tour verlauten, dass sie sich darauf nach einer Pause an ein neues Album machen wolle… Wenn also die Vorzeigeband des Metalcore schon mal vollzählig am Start ist, amtliche Vorbands mitbringt & die vorläufig letzte Tour zelebrieren will, dann hat die Metal Factory natürlich aufzumarschieren…

Cataract
Die Schweizer Metal-/Hardcore-Recken von Cataract eröffneten den Abend - und warfen zugleich ein grosses Fragezeichen auf: Obwohl ich aufgrund einer Verspätung nur noch den letzten Teil ihres Sets sah, war klar ersichtlich, dass die Band Mühe hatte, das Publikum zu motivieren… Zuschauer wie Musiker standen auf beiden Seiten des Bühnengrabens zwar gewillt, aber dennoch ersichtlich unmotiviert rum - Da habe ich schon bessere Aktion/Reaktion erlebt. Vielleicht könnte die lauwarme Reaktion des bereits überraschend gut gefüllten Rohstofflagers mit dem Fakt zusammenhängen, dass Cataract innerhalb eines halben Jahres bereits zum dritten Mal dort spielten. Einmal Plattentaufe und zwei mal als Opener von grossen Acts, das kann mit der Zeit dann doch etwas aufstossen. Oder aber das Publikum hat mittlerweile bemerkt, dass die Band aufgrund überraschend dominanten Selbstzitaten nicht mehr viel Identität in die Songs verpackt. So oder so, abgehen sieht anders aus. Geklatscht und gerufen wird amtlich, geballert ebenso - Aber eben, gute Metalshows besteht aus mehr
Zutaten.

As I Lay Dying
As I Lay Dying machten da schon einiges besser - Selbst ich als bekennender Nicht-Verehrer der Band muss ihnen einen gelungenen Gig attestieren. Zwar kann ich mit dem Hardcore- typischen Rumhüpfen auf der Bühne nicht viel anfangen, aber die sympathische Performance wusste zu überzeugen. Fronter Tim Lambesis konnte praktischerweise von Anfang an auf das mitsingfreudige Publikum zählen, und der Drummer übernahm den Grossteil der restlichen Überzeugungsarbeit mit seinem wuchtvollen Fellgegerbe gleich selber. Obwohl mir im nachhinein erzählt wurde, dass die Band mit dem Gig nicht an die sagenumwobene Qualität des vorhergehenden Konzertes im Z7 herankam, hinterliess sie bei mir aber definitiv einen äusserst einsatzkräftigen Eindruck. Songs wie «Through Struggle», «Forever», «94 Hours» und das Abschliessende «Confined» kamen beim Publikum restlos an, die Hitze im Saal überstieg klar die Schmerzgrenze und es gab ordentlich Körpergulasch. Obwohl die Band für eine wirkliche Headlinerposition klar noch etwas Abwechslung einbringen muss, liegen alle weiteren benötigten Faktoren bereits zum Greifen nahe. Nach 40 Minuten war gegen 21h40 bereits Schicht im Schacht, und ein nicht zu verachtender Teil des Publikums stellte eine mögliche Steigerung des bisher geleisteten in Frage…

Setlist: Through Struggle, Nothing Left, Forever, Within Destruction, Distance Is Darkness, Meaning In Tragedy, An Ocean Between Us, Sound Of Truth, 94 Hours, Confined

Killswitch Engage
Doch wer Killswitch kennt, weiss, dass die Band selbst auf eine solche grundlegende Frage den passenen Knüppel schwingt - Dabei kommen im Endeffekt viele Faktoren zusammen, aber der offen zur Schau gestellte quere Humor der Mucker gepaart mit einer sautighten Performance von Hitgranaten wird wohl das Fundament dazu gebildet haben. Fakt ist, dass die Band das Publikum mal eben locker aus der Hüfte auf ein noch höreres Niveau an Reaktion anpeitschen konnte - Vom Opener «Daylight Dies» bis hin zum letzten bekannten Song «My Last Serenade» wurde mitgesungen, geschrien, geschwitzt und getobt. Fronthühne Howard Jones hielt sich grundsätzlich etwas zurück und überliess das Parkett seinem spielfreudigen Gitarristen Adam D., der mit allerhand skurrilem Humor die Lacher auf seine Seite zog… Von verrenkten Bodybuilderposen über Sportübungen bis hin zum Gitarrenablecken und der Aufführung von «Kampfformationen» mit Instrumenten und Mitmusikern war alles dabei und miteinander verwoben. Dass der Mann mit Unterstützung von Lead-Klampfer Joel Stroetzel zudem noch ordentliche Backingvocals ablieferte, ging dabei fast im allgemeinen Chaos unter. Drummer Justin Foley gab im ganzen Trubel den ruhende Pol der Band - Der Mann dominierte mit seinem präzisen und groovenden Spiel klar die Mucke, konnte aber vor allem noch mit seinem mächtigen Fischer-Bart auftrumpfen. Eigentlich kein Attribut, aber bei Killswitch werden halt selbst optische Komponente in bares Schwermetall umgemünzt. Weil Ambibands aufgrund der aktuellen Tendenz sogar in der Headliner–Position nach knapp einer Stunde ihre Pflichten als erfüllt betrachten, verliessen Killswitch Engage dann nach etwa 65 Minuten die Bühne, doch logischerweise holte das Publikum sie für eine Handvoll Zugaben zurück. «Daylight Dies» machte dabei den Auftakt, richtig fett kam dann aber der Titelsong der letzten Platte, «End Of Heartache»: Das Publikum schmetterte jede Zeile inbrünstig richtung Bühne, und Howard überliess ihm dabei grosszügig das Mikrofon. Zu guter letzt dann noch eine amtliche Überraschung: Killswitch intonierten als zweite Zugabe den Dio-Klassiker «Holy Diver», der für eine Kerrang-Compilation aufgenommen wurde, und für den es auch einen irrwitzigen Clip gibt. Obwohl sehr schnell klar wurde, dass dieser Song dem grössten Teil des Publikums in der Originalen- wie auch der Coverversion bishin unbekannt war, wurde noch mal ordentlich hingelangt. Adam und Joel demonstrierten in diesem Song ebenfalls ihre bisher etwas untergegangenen Solistenkünste und schreddeten noch weiter, als die Band mit dem Song schon lange fertig war - Diese Mannschaft hat offensichtlich mehr Metal in den Adern fliessen, als so manche der aktuell ganz angesagten. Gut möglich, dass die Absurdität zwischendurch etwas von der Mucke ablenkt, aber solange sie nicht Dragonforce-Dimensionen annimmt, lässt sich meiner Ansicht nach gut damit leben.

Setlist: Daylight Dies, Unbroken, Take This Oath, Arms Of Sorrow, Breathe Life, This Fire, Rose Of Sharyn, My Heart Still Beats Your Name, Fixation On The Darkness, My Curse, Bid Farewell, Life To Lifeless, This Is Absolution, The End Of Heartache, My Last Serenade, Holy Diver

Zu guter Letzt möchte ich noch gerne ein kleines Wörtchen an die so genannten «Slamdancer» richten - ihr wisst schon, die Hardcore-Kiddies die die Fäuste & Füsse im Pit fliegen lassen, und sich dabei ganz gross vorkommen: Kinder, lasst den Scheiss endlich sein. Ihr wollt zwar möglichst cool und eigenständig wirken, kopiert dabei aber ausgerechnet den hinterletzten Bullshit aus Amerika. Muss das sein? Ich habe während des Killswitch-Gigs einige Fäuste in den Rücken gekriegt, mich bei euch beschwert, und ihr zeigt mir dann 'nen Vogel… sensationelle Reaktion, wirklich. Ein Pit ist dazu da, ordentlich die Sau rauszulassen. Was die Metaller aber von euch unterscheidet, ist der Wille, auch auf die umliegenden Leute sorge zu tragen. Wenn einer hinfällt, dann wird ihm aufgeholfen. Wenns mal etwas rauer zu- und hergeht, wird das nach dem Gig mit 'nem Bier geregelt. Wir verteilen keine Fusstritte, verspüren keine Lust, die Fäuste fliegen zu lassen… im direkten Vergleich könnte man uns wahrscheinlich glatt als sozial durchgehen lassen. Und was tut ihr? Steht in der Ecke, post wie die ganz bösen & schiebt dabei um noch bedrohlicher auszusehen die geballten Fäuste unter die Bizeps - Echt jetzt, ich geh' wegen der guten Stimmung an eine Killswitch-Show, nicht um so 'nen Scheiss zu erdulden. In dem Moment, in dem ihr Höflichkeit entwickelt & die soziale Ader ein bisschen walten lässt, werdet ihr genau das auch von uns erwarten können. Aber vorher: FUCK OFF!