Die Alte Börse in Zürich war mir bis anhin eine völlig unbekannte
Konzert-Location. Aufgrund des zentral in der Nähe des Sihlquais
gelegenen Standortes stellte sich die Anfahrt aufgrund der
'Baustelle Zürich' als äusserst kompliziert heraus - Ich wäre
wirklich extremst froh, wenn GPS-Systeme in Zukunft Baustellen
erkennen und Alternativ-Routen planen könnten. Nichtsdestotrotz
kriegten wir die Anreise dennoch pünktlich hin, und stellten uns
knapp nach der Türöffnung in die ordentlich angewachsene Schlange
rund ums Gebäude. Am Eingang gab's dann das erste
Augenbrauenhochziehen: Laut Info-Schild befand sich der Konzert-Saal
im vierten-Stock des Gebäudes. Na meinetwegen, einmal mit Schwung
die gefühlten 500 Stufen hochgehechtet, und da war er dann: Der wohl
am höchsten eingerichtete Konzertsaal von Zürich. Über eine
überraschend grosse Fläche breitete sich ein zuerst unüberschaubares
Wirrwarr an Gängen und Räumen aus, die für alle möglichen Zwecke wie
Bar, Toiletten, Merch-Raum und Eingangsbereich genutzt wurden. Zwar
kam das ganze etwas steril rüber, aber mit ein wenig Engagement
könnte dieser Club tatsächlich eine Menge Charme verbeiten.
Outcry Collective
Kurz nach unserem Eintreffen stieg dann mit Outcry Collective die
Überraschung des Abends auf die Bühne. Die Band hatte offensichtlich
einfach Spass daran, die anwesenden 50 Nasen zu rocken, und
schmetterte ohne grosse Gefühlsdusselei ihre an eine Mixtur aus
Refused und Down erinnernde Mucke in die Runde. Während der Drummer
sein kleines Kit nach allen Regeln der Kunst verhaute, stieg Fronter
Steve Sitkowski gleich beim ersten Song auf die Barrikade, und liess
es sich auch nicht nehmen, den direkten Kontakt mit dem Publikum zu
suchen. Die anwesenden Leute waren von der frischen Attitüde schnell
angetan, und spendeten der Band nach jedem Song kräftigeren Applaus.
Der Band blieb zwar knappe dreissig Minuten für die Show, davon
wurde aber fast jede Sekunde effektvoll eingesetzt - In der
Kombination mit Shirts für 12.- Franken also klar ein netter
Mittelfinger an all die dicken Hosen da draussen.
Warship
Dermassen positiv überrascht machte ich mich daran, Warship auf mich
wirken zu lassen - Auch hier eine komplett unbekannte Band, die nur
darauf wartete, ihre Mucke auf die mittlerweile auf etwa 90 Besucher
angewachsene Meute loszulassen. Die Band setzte im direkten
Vergleich zu Outcry Collective auf etwas komplexere Strukturen,
während sich ihr Sänger zwischendurch auch noch an ein kleines
Drumset setzte, um den Songs einen tribal-mässigen Touch zugeben.
Der Gig startete auch hier überraschend fett, aber Warship
vermochten leider 'nur' auf der Instrumentalen Ebene zu überzeugen.
Während die Songs oftmals schwierig zu verfolgen waren, fehlten dem
Fronter klar die passenden Stimmbänder. Die Band gab dennoch zwar
alles, aber für einen erneuten Achtungserfolg war die
Ausgangssituation dann doch etwas zu wiedrig.
All That Remains
Mit All That Remains stieg dann der erste wirklich bekannte Act des
Abends auf die Bühne der Alten Börse. Das Publikum war mittlerweile
auf gut 200 Nasen angewachsen, und drängte während des ersten Songs
urplötzlich Richtung Bühne - erst in diesem Moment wurden die
Kapazitäten der Location klar ersichtlich. Zwar fiel durch einige
Luken im Dach immernoch etwas Tageslicht in den Saal, ansonsten
konnten All That Remains aber als erste Band des Abends auf die
volle Lichtshow setzen. Die Band gab sich von Beginn weg extremst
tight und routiniert, ob der technischen Versiertheit musste
allerdings die Show ein wenig leiden - Mit Ausnahme von Fronter Phil
Labonte blieb der bewegungstechnische Ausdruck über die vollen 50
Minuten extremst limitiert. Der Qualität der Performance vermochte
dies jedoch nix entgegenzusetzten, die Band schien noch einmal eine
Runde weiter gewachsen zu sein: Sämtliche Instrumente wurden
überraschend filigran bedient, während Phil mit seinen dynamischen
und breitgefächerten Vocalstilistiken unnachlässig für Höhepunkte
sorgte. Das Publikum dankte es der Band mit ordentlich Bewegung und
Euphorie, während der Pit selber unter'm Strich dann doch noch etwas
auf Sparflamme köchelte. Als am Ende der Show dann noch der Überhit
'This Calling' ausgepackt wurde, stand wie so oft vor Killswitch die
Frage 'Kann das überhaupt noch getoppt werden?' im Raum…
Killswitch Engage
Die Antwort darauf lieferten Killswitch Engage nach einer ca.
30-Minütigen Umbaupause gleich selber: Aber klar doch! Denn die Band
vereint nicht nur mal eben alle Stärken von All That Remains,
sondern schmeckt das Ganze noch mit einer fetten Portion
Durchgeknalltheit, wilder Energie, und einer ganzen Liste an
Hitgranaten ab. Zwar stieg die Band wie schon letztes Mal im
Rohstofflager mit dem etwas quer groovenden Song 'A Bid Farewell' in
die Show ein, ansonsten wüsste ich aber überhaupt nicht, was ich
ihnen vorwerfen könnte: Drummer Justin Foley trieb das restliche
Quartett unnachgiebig an, während Gitarrist Joel und Bassist Mike
mit ganzem Körpereinsatz dabei waren, Fronter Howard Jones den etwas
ruhenden Pol gab, und Gitarrist Adam nach wie vor das Zentrum des
Geschehens bildete. Ansagen wie 'Hello, we're Killswitch Engage, and
we're here to drink all your beer and to sniff all your girlfriends
a-h*les' gehörten dabei zum Standartvokabular, desweiteren widmete
er einen Song dem besten Körperteil der Mädels da draussen, dem 'Wizzard's
Sleeve' (O-Ton), und wurde nicht müde, dazwischen wie von Hornissen
gestochen auf der ganzen Bühne rumzurennen. Dass die Band dazwischen
dem Publikum unablässig Übersongs wie 'Rose Of Sharyn', 'The Last
Serenade', 'In The Arms Of Sorrow', oder 'Life To Lifeless' in die
Gehörgänge ballerte, versteht sich von selbst. War die Stimmung bei
All That Remains bereits mehr aus ausgelassen, so kochte sie bei KSE
von Beginn weg komplett über - Der Pit verwandelte sich in eine gut
gelaunte Meute an Akrobaten, während der Rest des Saals Zeile für
Zeile mitsang. Höhepunkt war dabei wie schon so oft zuvor die
Überhymne 'The End Of Heartache', die fast sämtliche Besucher der
Band aus vollen Kehlen entgegenschmetterte. Zwar kassierte ich zur
Wall Of Death bei 'Rose Of Sharyn' eine hübsche Faust auf's Ohr,
ansonsten hielten sich die Aggressionen aber erfreulicherweise in
Grenzen - Würden Killswitch Engage etwas seriösere Shows bieten,
wäre es wohl bei weitem nicht die gleiche Situation. Irgendwann nach
knapp 70 Minuten war dann auch der Zugabeteil vorbei, und obwohl die
Band wohl von der Bühne steigen wollte, begann das Publikum nach dem
Dio-Cover 'Holy Diver' zu schreien - ein Wunsch, der zuerst von Adam
mit dem Anfangs-Riff und darauf von der sichtlich überrschten Band
mit dem restlichen Song quittiert wurde. Schön zu sehen, dass sich
die Band für sowas nicht zu schade ist.
Setlist: A Bid Farewell, Darkness Falls, Fixation On The Darkness,
Still Beats Your Name, Take This Oath, Life To Lifeless, Starting
Over, Rose of Sharyn, This is Absolution, Arms of Sorrow, My Last
Serenade, My Curse, The End Of Heartache, Holy Diver
Übrig bleibt unter'm Strich die Gewissheit, dass Killswitch Engage
nach wie vor beinahe im Alleingang die Speerspitze des Metalcore
verkörpern, und dies wohl noch eine Weile tun werden - Bleibt
abzuwarten, in welche Richtung die neue Scheibe schlägt. Die Alte
Börse selber hatte diesen Einstieg in die Metalwelt unterdessen
wirklich gut überstanden, wobei der Sound generell dann doch
ziemlich höhenlastig und aggressiv daher kam. In wie fern der
anwesende Ex-Celtic Fröstler Martin Eric Ain bei der Organisation
die Finger drin hatte, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Und zu guter Letzt noch ein überraschendes Statement von Outcry
Collective, die am Ende des Abends bereitwillig am Merch-Stand
Auskunft gaben: Scheinbar war der Gig in Zürich der bestbesuchte der
ganzen Tour… Geht da etwa ein Wandel durch den Metalcore?
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