An Karfreitag feiern die, die daran glauben, dass ein Typ namens
Jesus an ein Kreuz genagelt wurde und dann das Zeitliche segnete.
Die andern feiern einfach so, zum Beispiel an einem guten Konzert.
Kaum eine Rockband passt dabei besser zu Ostern als King's X. Das
Trio aus Texas begeistert seine Fans seit beinahe 25 Jahre nämlich
nicht nur mit progressivem Groove Rock, sondern auch mit
nachdenklichen und kritischen Texten über Glaube, Gott und Hoffnung.
So sind Alben und Konzerte von King's X seit jeher nicht einfach nur
erfüllt von guter Musik, sondern auch von einer unvergleichlichen
Wohlfühl-Stimmung, vor allem bedingt durch die soulig warme Stimme
von Fronter und Bassist Doug Pinnick.
Nicht erstaunlich war es also, dass die Stimmung im Kiff, wo King's
X am Karfreitag ihr einziges Schweizer Konzert auf der aktuellen
Tour bestritten, an einen waschechten Südstaaten-Gottesdienst erinnerte.
Anstatt jedoch dem Herren mit dem Rauschebart dort oben hinter den
Wolken zu huldigen, gab es ein lautes „Hallelujah“ für aufs
Wesentliche reduzierte Rockmusik, die zum Headbangen genauso
anstiftet wie zum Mitsingen und Tanzen, ein „Hallelujah“ auf eine
musikalische Dreifaltigkeit, genannt King's X, die wie zu erwarten
auch in Aarau ihre Einzigartigkeit bewies und viel gute Laune
verströmte. Weniger fröhlich stimmte da der verfrühte Beginn der
Vorband.
Klone
Nicht immer will man die Vorband sehen. Man vertreibt sich die Zeit
mit Bier oder Zigarette oder findet sich sogar erst auf die
Hauptband am Veranstaltungsort ein. Trotzdem: Überall
hinzuschreiben, dass der Support-Act, in diesem Fall die Franzosen
Klone, um 20 Uhr beginnen würden, dann aber eine volle halbe Stunde
früher beginnen, geht nicht in Ordnung. Vor allem, wenn sie auch
noch wirklich gut wären. Düsterer, moderner Prog Rock, rhythmisch
vertrackt und trotzdem irgendwie zugänglich spielen die Franzosen
und stossen bei dem trotz verfrühtem Start schon zahlreich
anwesenden Publikum auf interessierte, wenn auch noch etwas
verhaltene Ohren. Stoische Zuschauer hin oder her, der Fünfer gab
auf der Bühne alles, lassen sich mit selbst mitgebrachten
Gegenlichtstrahlern zu schemenhaften Umrissen beleuchten und
insbesondere Sänger Yann Ligner, der mit seiner kernigen Stimme hin
und wieder an Disturbed's David Draiman erinnert, scheint seinen
Spass an der Sache zu haben, sodass er gegen Ende sogar ins Publikum
steigt, um dort noch die letzten Lungenreserven rauszuschreien.
Klone mögen einen ganzen Zacken moderner und düsterer klingen als
King's X, passen mit ihrem rhythmisch vertrackten Post Rock, der
ausufernde Frickelorgiasten links liegen lässt, trotzdem gut zum
Abend und so kann man nur bedauern, so wie ich, 25 Minuten des
40-minütigen Gigs verpasst zu haben.
King's X
King's X hingegen halten sich an die Running Order. Pünktlich um
21.45 Uhr erlöschen die Lichter und die «Groove Machine» beginnt mit
dem gleichnamigen Song sofort auf Hochtouren zu laufen. Und sofort
ist auch das Kiff erfüllt von der ausgelassenen Wohlfühl-Stimmung,
welche nur King's X hervorrufen können und die auch bei «The Train»,
dem Opener des 1996 veröffentlichten Albums «Ear Candy», nicht
abnimmt. Dabei herrschen sowohl optisch wie musikalisch Gegensätze
auf der Bühne: Links hat sich der schlacksige Doug Pinnick mit Hemd
und Hut in Schale geworfen und sein Tieftöner, der knackig und
druckvoll aus den Boxen dröhnt, hängt beinahe an den Knien unten.
Auf der rechten Seite hingegen wirkt Ty Tabor mit seiner Klampfe,
derer er zärtlich streichend Licks und Riffs entlockt, T-Shirt und
Turnschuhen wie immer etwas verloren, wobei er seinem Grinsen
zufolge doch ordentlich Spass hat. In der Mitte von beiden: Jerry
Gaskill, der trommelt, als gäbe es kein morgen und sich kaum um
etwas anderes zu scheren scheint.
So unterschiedlich diese drei Charaktere im Auftreten und Spielen
auch sein mögen, zusammen bringen sie jeden Saal zum Kochen, z.B.
mit Bandklassikern wie «What is this?», «Complain» oder «Black
Flag». Doch auch neueres Material der Sorte «Alright» und «Pray» vom
letzten regulären Studioalbum «XV», welches nun auch schon wieder
über zwei Jahre auf dem Buckel hat. Über nichts
konnte man sich also
beklagen, weder über den Sound, der knackig und wie zu erwarten mit
reichlich Bass daherkam, noch über das Publikum, das euphorisch und
bunt gemischt (vom Progrocker, über den Soul-Fan bis zum Grunger war
alles vertreten) lobpreisten. Hätte man meinen können, doch Doug
Pinnick hatte alles andere als seine Freude an dem fürs Kiff
typischen, exzessiven Nebelmaschinen-Einsatz und stutzte deswegen
kurzerhand die Verantwortlichen zusammen, bevor er mit «In the new
Age», «Pillow» und dem grossartig mächtigen «Dogman» wieder munter
weiter machte und es auch nicht lassen konnte, Hemd und Shirt
auszuziehen, um oben ohne Klassiker wie die Mitsing-Nummer «Go Tell
Somebody» und das einfühlsam schöne «Summerland» zu servieren.
Die Rollen waren also klar verteilt: Pinnick übernahm die
Kommunikation mit dem Publikum, das Tänzeln und mit seinem
verzerrten Bass, der gleich aus vier Verstärkern dröhnte, das
Grooven, Ty Tabor, wie immer mit blauer Sonnenbrille, die
träumerischen Melodien und Gaskill sorgte dafür, dass alles
zusammenhielt. So war es nicht weiter verwunderlich, dass nach «Born
to be Loved» noch nicht Schluss sein konnte und King's X mit «Goldilox»
und dem obligatorischen, bei jedem Konzert zu einer wahren
Mitsing-Orgie ausufernden «Over my Head» noch einmal nachlegen
durften/mussten. Und um danach mit einem richtigen Knaller aufhören
zu können, wurde danach noch das rabiate «Visions» nachgeschoben.
Laut Mythos kam der Unglücksjunge namens Jesus, nachdem er am
Karfreitag ans Kreuz genagelt wurde, wieder ins Leben zurück und
zwar drei Tage später. Keiner, aber auch gar keiner hätte es sich
entgehen lassen, wenn King's X am Montag eine Reprise gegeben
hätten. Leider blieb dies nur Wunschdenken und es ist zu vermuten,
dass es wieder ein, zwei Jahre dauern wird, bis sich das texanische
Trio in die Schweiz bemühen wird. Umso heftiger sollten sich also
diejenigen in den Hintern beissen, die dieses wohltuende
Rock'n'Roll-Hohelied verpasst haben.
Setlist King's X: «Groove Machine» - «The Train» - «What is this?» -
«Complain» - «Black Flag» - «Alright» - «In the new Age» - «Pillow»
- «Pray» - «Dogman» - «Go Tell Somebody» - «Summerland» - «We Were
Born to Be Loved»
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«Goldilox» - «Over my Head» - «Visions»
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