Livereview: Aerosmith - Kiss
8. Oktober 2003, Cricket Pavillion Phoenix Arizona USA
By Chris C.

Mit den zwei Rock-Giganten Aerosmith und Kiss war diesen Sommer und Herbst in den U.S.A. ein cooles, kaum zu übertreffendes Package unterwegs. Klar organisierten wir unseren Trip so, dass wir eine Show miterleben konnten. Wir erreichten Phoenix einen Tag vor dem Konzert. Obwohl ich schon mehrmals in der Hauptstadt Arizonas war, hatte ich logischerweise keine Ahnung, wo sich das relativ neue Open Air-Stadion befindet. An einer Tankstelle erfuhren wir den genauen Standort und bekamen zudem die Information, dass sich dort auch eine Ticketverkaufsstelle befindet. Nach einer circa 30-minütigen Autofahrt an den westlichen Stadtrand, erreichten wir den Cricket Pavillion. Ein äusserst freundlicher (langhaariger!) Angestellter erklärte uns, dass der Ticketschalter nur am Tag des Konzertes geöffnet sei, sich aber ganz in der Nähe, in einem Einkaufszentrum, ein Ticket-Master Schalter befindet. An besagter Vorverkaufsstelle konnten wir wählen zwischen Sitzplätzen für 125 Dollar (!) und Stehplätzen für 49.50 Dollar. Wir entschieden uns dann für die billigere Variante.

Der offizielle Konzertbeginn war auf 19.00 Uhr angesetzt. Wir erreichten um 18.00 Uhr den riesigen Parkplatz, direkt vor dem Stadion, wo wir nochmals 10 Dollar abdrücken mussten, aber durch die Top-Organisation schon wenige Minuten später im Stadion standen. Ebenfalls herausragend war die umfangreiche Infrastruktur, mit genügend Toiletten und Verpflegungsständen, die ein Anstehen erübrigten. Einzig vor dem riesigen Merchandising-Stand bildeten sich Schlangen. Nach einem kurzen Blick darauf hakten wir dieses Thema für uns jedoch ab. Pro Band waren zwar circa 20 verschiedene Shirts erhältlich, die Preise mit 35 bis 50 Dollar allerdings ziemlich überrissen. Das Stadion selber besteht aus einer gigantischen Bühne, das Gelände davor steigt kontinuierlich nach hinten an, was auch für die hintersten Zuschauer einen guten Blick auf die Bühne ermöglicht. Die vordere Hälfte besteht aus überdachten Sitzplätzen, die Hintere aus Stehplätzen.

Um Punkt 19.00 Uhr begann das Spektakel. Eine Nu-Metal Band betrat die Bühne. Den Zuschauerreaktionen nach zu urteilen war es wahrscheinlich eine ziemlich bekannte Truppe, die auch ganz ordentlich abdrückte. Mit dem Wissen, was uns noch erwarten würde, war mir das aber ziemlich egal. Nach einer halben Stunde war dieser Teil schliesslich glücklicherweise vorbei. Und nun stellte sich die Frage, welche der zwei legendären Bands die Bretter zuerst betreten würden.


Kiss

Um 20.00 Uhr ertönten die berühmten Worte: "You wanted the best, you got the best, the hottest band in the world: KISS!" Gleich darauf erklangen die ersten Töne von "Detroit rock city", der Vorhang fiel nach unten und gab den Blick auf die Bühne frei. In der Mitte thronte Peter Criss hinter seinem Drumkit, auf einem ungefähr zwei Meter hohen Podest. Dahinter befand sich ein riesiges Kiss-Logo, bestehend aus Dutzenden von Glühbirnen. Links und rechts des Schlagzeugs war eine dreistufige Treppe aus circa 150'000 Boxen aufgebaut. Auf diesen Stufen wurden bei praktisch jedem Song Unmengen an Feuerwerk abgeschossen. Gene Simmons und Paul Stanley befanden sich in Höchstform und beeindruckten mit einer coolen Bühnenperformance. Es folgten darauf die Songs "Deuce", "Shout it out loud" und "Let me go". Gene und Paul wechselten sich dabei an den Lead-Vocals jeweils ab. Als Nächstes war "Lick it up" an der Reihe, mitunter der einzige Song aus der unmaskierten Zeit und damit der "jüngste" Titel des ganzen Konzertes. Nach "Firehouse" glänzte Gene mit seiner Feuerspuck-Show. "I love it loud" und "I want you" folgten, und dann war wieder Gene mit seiner Blutspuck-Einlage an der Reihe, sensationell! Er "flog" auf ein Podest, weit über der Bühne und sang dort "God of thunder". "100'000 years" und "Black diamond" markierten dann schon die letzten Songs des regulären Sets. Nach einem, in den Staaten üblichen, sehr kurzen Unterbruch, betrat Peter Criss die Bühne, sang seine Hammerballade "Beth" und verteilte dabei rote Rosen an weibliche Konzertbesucher. Als letzte Titel wurden "Love gun" und "Rock'n'Roll all nite" gespielt und nach bereits 75 Minuten war der Auftritt zu Ende. Nebst der kurzen Spielzeit und dementsprechendem Fehlen diverser Hits, war der Auftritt von Ace Frehley-Ersatz Tommy Thayer eine weitere Enttäuschung. Das lag aber nicht am Gitarristen selber, denn der brachte seine Parts hervorragend rüber, sondern daran, dass er kontinuierlich im Schatten von Gene und Paul stand. Dementsprechend fehlten die Songs, die sonst Ace gesungen hat und klar auch, dass auf das Solo mit der brennenden Les Paul verzichtet werden musste. Schade, denn eine grosse Persönlichkeit, wie sie Ace Frehley zweifellos ist, kann unmöglich ersetzt werden.


Aerosmith

Nach einer halbstündigen Umbauphase fiel der Vorhang zum zweiten Mal und Aerosmith legten los. Genau so agil wie Kiss begannen Steven Tyler, Joe Perry und ihre Mitstreiter ihren Auftritt mit "Mama Kin". Im Gegensatz zu Kiss war der Bühnenaufbau auf ein Minimum reduziert und bestand lediglich aus einer normalen Backline mit ungefähr zehn Gitarren- und Bassverstärkern. Direkt davor war das nur wenig erhöhte Schlagzeug platziert. Die nächsten Songs, die gespielt wurden, waren "Love in an elevator", "Toys in the attic", "Let the music do the talking", "Pink", "Jaded" und "Crazy". Die Musiker, allen voran die "Toxic Twins", benützten einen Steg, der weit ins Publikum herausreichte. Fast die Hälfte der Zeit standen Steven und Joe brüderlich vereint zuvorderst auf dem Steg und wirkten mehr wie zwei heisse, junge Rock'n'Roller, denn als alternde Rockstars. Beim nächsten Titel übernahm Joe Perry die Leadvocals, während Steven sich zum Schlagzeug zurückzog und dazu Mundharmonika spielte. Es ging weiter mit einem Song (Schande über mich), den ich beim besten Willen nicht erkannte. "Dream on", "Livin' on the edge" und "Same old song and dance" folgten. Jetzt ging Steven über den Steg wieder ins Publikum hinaus und sang "Cryin'". Er beugte sich, auf der Bühne kniend, zu einer Zuschauerin nieder, die ihn plötzlich umarmte und zu sich zog. Nur mit Mühe konnte sich der quirlige Sänger auf der Bühne halten und schaffte es trotzdem irgendwie, das Mic in der Nähe des Gesichtes zu halten und trotzdem weitersingen zu können. Kurze Zeit später erreichten die Security-Leute das "Päärchen" und konnten Steve wieder aus der Umklammerung befreien. Bei "Walk this way", dem letzten Song vor der Zugabe, sprintete Steven, der völlig aufgedreht war, an den Bühnenrand, packte ein Seil und schwang sich Tarzan-mässig ins Publikum. Er musste von seinen Rowdies an den Beinen wieder zurück auf die Bühne gezerrt werden! Als Zugabe folgte zuletzt noch "Sweet emotion" und nach nur 80 Minuten verliessen die Luftschmiede die Bühne definitiv. Wie auch Kiss enttäuschten Aerosmith lediglich durch die (zu) kurze Spielzeit und liessen als Folge dessen noch viele ihrer grossen Hits vermissen.

Unter dem Strich wird uns aber eine der grössten und besten Rockshows, die wir jemals sahen, in bester Erinnerung bleiben. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Gerüchte stimmen und Kiss, sowie Aerosmith nächstes Jahr nach Europa übersetzen!