Livereview: Kiss - Cinder Road
23. Juni 2008, Zürich Hallenstadion
By Rockslave
1999 waren die Amerikanischen Kult-Rocker das letzte Mal in Europa, nachdem drei Jahre zuvor die Reunion im Original Line-Up Simmons, Stanley, Frehley und Criss Tatsache wurde. Meine Wenigkeit bekam dabei die erste und persönlich letzte Gelegenheit (da ich 1999 nicht am CH-Konzert war), die Ur-Besetzung doch noch wenigstens einmal live zu erleben. Danach war das Thema Kiss ziemlich ad acta gelegt und darum war die Freude gross, als zum 35-jährigen Jubiläum die ersten Euro-Daten durchsickerten. Sollte es für die Schweiz auch noch reichen? Ja!! Und zwar am 23. Juni machte der ganze Tross im Zürcher Hallenstadion Halt! Das Konzert war zwar nicht ruck zuck ausverkauft, aber das Interesse war erfreulicherweise gross genug, dass die rund 13'000 zur Verfügung stehenden Plätze alle abgesetzt werden konnten. Kiss, sold out in Zürich - Herz, was willst du mehr? Generationen übergreifend bevölkerten ältere bis ganz junge Fans das Hallenstadion, etliche davon mit geschminkten Gesichtern. Egal was kommen sollte, es stand die Rock-Party des Jahres auf dem Programm. Bevor diese allerdings richtig in Gang kam, versuchten Cinder Road aus Baltimore (U.S.A) den Flächenbrand ziemlich erfolglos zu zünden.

Cinder Road
Von den anwesenden Leuten in der Halle hatte wohl kaum einer (mich eingeschlossen) schon mal was von dieser Ami-Combo gehört! Somit konnte man sich die Jungs erstmal unvoreingenommen zur holden Brust nehmen. Auf dem Papier bewegte sich das US-Quintett etwa im Bereich von Sunrise Avenue, nur mit dem Unterschied, dass die Finnischen Chart-Breaker bei uns ziemlich erfolgreich sind. Nach wenigen Minuten war dann aber abseh- und vor allem hörbar, dass Cinder Road, die überdies verspätet auf die Bühne kamen, da noch einen weiten Weg vor sich haben. Da lagen Welten zwischen der Optik, dem Auftreten und der Musik, die dargeboten wurde. Einzelne Sound-Fetzen empfahlen sich als verpoppte Light-Versionen von Skid Row, Poison oder Danger Danger. In der zur Verfügung stehenden halben Stunde reihten sich überwiegend ziemlich glatt polierte Poprock-Songs aneinander, die dann auch noch mit teils viel zu braven Lümmel-Refrains vollends abkackten! Was hatten sich Kiss oder besser deren Management dabei gedacht? Wohl nicht viel, weil man ziemlich sicher auch ohne Support-Act die Hallen vollgekriegt hätte. Bessere Alternativen hätte es jedoch zuhauf gegeben, aber es durfte wahrscheinlich nicht zu viel Gage kosten oder warum auch immer. Wenn ich zum Beispiel an The Police denke, wo Starsailor als adäquater Support weitaus besser aufgenommen wurden, gäbe es sicher andere Bands wie zum Beispiel Bon Jovi, wo Cinder Road sicher besser hingepasst hätten. Sei's drum und dass man letztendlich auf Anfrage hin unverständlicherweise nicht mal Fotos machen durfte, setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Wenigstens wurden die Landsgenossen des Headliners nicht ausgepfiffen, aber viel fehlte nicht dazu.

Kiss
Um 20.50 Uhr war es dann soweit! «Allright Zurich! You wanted the best, you got the best: The hottest band in the world: KISS!! Der grosse, schwarze Vorhang vor der Bühne fiel zu Boden und ein ekstatischer Aufschrei aus 13'000 Kehlen wehte Gene Simmons (b), Paul Stanley (g), Tommy Thayer (g) und Eric Singer (d) entgegen, als diese (ohne Eric) von einem erhöhten Podest, eingehüllt in viel Trockeneis und hellem Licht nach unten gefahren wurden. Die Bühne war monströs, übersät mit Amp-Attrappen, das Schlagzeug in der Höhe platziert und oben in der Mitte prangte das Band-Logo, wie man es von früheren Tourneen her bestens kennt. Die Songs waren im Wesentlichen die vom ersten Live-Album «Alive 1» und darum ging es gleich los mit «Deuce» und «Strutter». Paul sang zumindest am Anfang ganz passabel, Gene stakste in gewohnter Manier auf der Bühne rum und riss seine berühmten Faxen, bei denen seine Mörder Schlabber-Zunge wie immer die Hauptrolle spielte. Ace Frehley Ersatz Tommy Thayer empfahl sich schon bald als der klar bessere Musiker als sein berühmter Vorgänger und Drummer Eric Singer (spielte unter anderem das Album «Revenge» von 1992 ein) ergänzt(e) das aktuelle Line-Up bestens. Natürlich durften die legendären Ansagen von Starchild Paul Stanley nicht fehlen und das ganze Hallenstadion stieg von Anfang an voll rein. Die Reaktionen des Publikums wurden immer besser und die Bühne wartete mit fettem Licht, üppig eingesetztem Trockeneis und einem guten Sound auf. Wer die Reihenfolge der Songs von «Alive 1» kannte, erwartete natürlich auch «Firehouse», das aber am heutigen Abend leider nicht gespielt wurde. Das tat der ausgelassenen Stimmung jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Je länger das Konzert dauerte, desto besser gefiel mir unter anderem Tommy Thayer, der saugeil solierte und dabei optisch nicht vom guten Ace zu unterscheiden war. Das traf dann auch auf das eigentliche Solo zu, wo wiederum die feuerspeiende Gitarre zum Einsatz kam. Die erste Hälfte des Sets beinhaltete nicht (mehr) so geläufige Songs wie das raue «Parasite» oder das groovige «She» mit gemeinsamen Vocals von Gene und Paul. Unvermittelt, aber nicht unerwartet flog dann mal der erste BH auf die Bühne und auch ein paar Damenhöschen liessen nicht lange auf sich warten. Paul schnappte sich die Dinger behende und hängte die Wäschekollektion an den Mic-Ständer. Welche Gerüche er dabei zur Nase führte, überlassen wir Eurer Fantasie. Zu «100'000 Years» folgte dann noch ein mehr oder weniger kurzweiliges Drum-Solo von Eric Singer, dessen Arbeitsgerät dazu noch weiter in die Höhe gehievt wurde.

Die ansich abgelutschten und bestens bekannten Sing-a-long Spielchen trafen derweil voll den Nerv des Publikums, sodass der Lärmpegel eigentlich (fast) nie abflaute. Obwohl man ja von Paul Stanley weiss, dass er mittlerweile künstliche Hüftgelenke in der Gegend rum trägt, schränkte dieser Umstand seine Beweglichkeit kaum bis gar nicht ein. Unser Starchild hüpfte da manchmal im Zeug rum wie ein junges Rehlein. Kiss zelebrierten, trotz ein paar stimmlichen Abstrichen, die perfekte Rock-Show und die bekannteren Songs standen ja erst noch bevor. «Cold Gin» machte da quasi den Anfang und spätestens ab «Rock'n'Roll All Nite», nachdem mangelnde Textkenntnisse bei Black Diamond fast ungewohnt für etwas Ruhe in der Halle sorgten, legte die Band noch ein paar Briketts nach. «Shout It Loud» und vor allem «Lick It Up» gerieten unheimlich gut, ehe dann Flattermann Gene Simmons seinen legendären Solo-Auftritt hinlegte. Dazu gehörte das Unheil herauf beschwörende Donner-Grollen seines Instrumentes und die sattsam bekannte Kunstblut Spuck-Geschichte. Hammermässig fiel die Reaktion des Zürcher Publikums zur Flugeinlage von Gene aus, als dieser sich, an Seilen im entsprechenden Korsett befestigt, ziemlich schnell auf einem Podest auf Höhe der Lichtshow-Masten hinstellen liess. Von dort oben dirigierte er die tobende Halle zu «I Love It Loud», wo ich gefühlsmässig unweigerlich die ähnliche Szenerie von Rio de Janeiro aus dem Jahre 1982 vor Augen hatte, als dort sage und schreibe 147'000 Fans zu diesem Classic aus den 80ern komplett ausrasteten. So muss das sein Leute! Was nützt es, wenn brillante Musiker gute Songs interpretieren, die aber das Publikum nicht erreichen, sprich die entsprechenden Emotionen erzeugen können? Da lobe ich mir so einen Abend mit Kiss, die die Bude echt gerockt haben! Dabei spielte es keine so grosse Rolle, dass Paul bei «I Was Made For Loving You» einige krasse Misstöne von sich gab. Er holte diese Kohlen bei «Love Gun», mitten in der Halle singend und spielend, locker wieder aus dem Feuer. Am Schluss zählt(e) einzig und allein der Spass am Konzert und die supertolle Stimmung! Mehr braucht es nicht und es bleibt abzuwarten, ob die vielbejubelte Ansage von Mr. Stanley, dass Kiss auch 2009 Europa wieder beackern werden, wirklich in Erfüllung gehen wird. Geschäftstüchig wie sie sind, gab es am Merch-Stand bereits ein Konzert der laufenden Tour (Berlin, 9.6.08) als schmuckes Digipak für moderate 39 Franken zu kaufen. Insgesamt sollen 14 Konzerte für diese Reihe aufgezeichnet worden sein, wovon Zürich offensichtlich nicht dazu gehört, leider! Schade eigentlich, denn heute Abend war während gut zwei Stunden echt was los im Hallenstadion, und damit ist nicht nur der pyrotechnische Lichtzauber gemeint! See you next year in Switzerland again guys!!


Setlist: «Deuce» - «Strutter» - «Go To Choose» - «Hotter Than Hell» - «Nothin' To Lose» - «C'mon And Love Me» - «Parasite» - «She» - «100'000 Years» - «Cold Gin» - «Let Me Go Rock'n'Roll» - «Black Diamond» - «Rock'n'Roll All Nite» - «Shout It Out Loud» - «Lick It Up» - «I Love It Loud» - «I Was Made For Loving You» - «Love Gun» - «Detroit Rock City».