1999 waren die Amerikanischen Kult-Rocker das letzte Mal in
Europa, nachdem drei Jahre zuvor die Reunion im Original Line-Up
Simmons, Stanley, Frehley und Criss Tatsache wurde. Meine Wenigkeit
bekam dabei die erste und persönlich letzte Gelegenheit (da ich 1999
nicht am CH-Konzert war), die Ur-Besetzung doch noch wenigstens
einmal live zu erleben. Danach war das Thema Kiss ziemlich ad acta
gelegt und darum war die Freude gross, als zum 35-jährigen Jubiläum
die ersten Euro-Daten durchsickerten. Sollte es für die Schweiz auch
noch reichen? Ja!! Und zwar am 23. Juni machte der ganze Tross im
Zürcher Hallenstadion Halt! Das Konzert war zwar nicht ruck zuck
ausverkauft, aber das Interesse war erfreulicherweise gross genug,
dass die rund 13'000 zur Verfügung stehenden Plätze alle abgesetzt
werden konnten. Kiss, sold out in Zürich - Herz, was willst du mehr?
Generationen übergreifend bevölkerten ältere bis ganz junge Fans das
Hallenstadion, etliche davon mit geschminkten Gesichtern. Egal was
kommen sollte, es stand die Rock-Party des Jahres auf dem Programm.
Bevor diese allerdings richtig in Gang kam, versuchten Cinder Road
aus Baltimore (U.S.A) den Flächenbrand ziemlich erfolglos zu zünden.
Cinder Road
Von den anwesenden Leuten in der Halle hatte wohl kaum einer (mich
eingeschlossen) schon mal was von dieser Ami-Combo gehört! Somit
konnte man sich die Jungs erstmal unvoreingenommen zur holden Brust
nehmen. Auf dem Papier bewegte sich das US-Quintett etwa im Bereich
von Sunrise Avenue, nur mit dem Unterschied, dass die Finnischen
Chart-Breaker bei uns ziemlich erfolgreich sind. Nach wenigen
Minuten war dann aber abseh- und vor allem hörbar, dass Cinder Road,
die überdies verspätet auf die Bühne kamen, da noch einen weiten Weg
vor sich haben. Da lagen Welten zwischen der Optik, dem Auftreten
und der Musik, die dargeboten wurde. Einzelne Sound-Fetzen empfahlen
sich als verpoppte Light-Versionen von Skid Row, Poison oder Danger
Danger. In der zur Verfügung stehenden halben Stunde reihten sich
überwiegend ziemlich glatt polierte Poprock-Songs aneinander, die
dann auch noch mit teils viel zu braven Lümmel-Refrains vollends
abkackten! Was hatten sich Kiss oder besser deren Management dabei
gedacht? Wohl nicht viel, weil man ziemlich sicher auch ohne
Support-Act die Hallen vollgekriegt hätte. Bessere Alternativen
hätte es jedoch zuhauf gegeben, aber es durfte wahrscheinlich nicht
zu viel Gage kosten oder warum auch immer. Wenn ich zum Beispiel an
The Police denke, wo Starsailor als adäquater Support weitaus besser
aufgenommen wurden, gäbe es sicher andere Bands wie zum Beispiel Bon
Jovi, wo Cinder Road sicher besser hingepasst hätten. Sei's drum und
dass man letztendlich auf Anfrage hin unverständlicherweise nicht
mal Fotos machen durfte, setzte dem Ganzen noch die Krone auf.
Wenigstens wurden die Landsgenossen des Headliners nicht
ausgepfiffen, aber viel fehlte nicht dazu.
Kiss
Um 20.50 Uhr war es dann soweit! «Allright Zurich! You wanted the
best, you got the best: The hottest band in the world: KISS!! Der
grosse, schwarze Vorhang vor der Bühne fiel zu Boden und ein
ekstatischer Aufschrei aus 13'000 Kehlen wehte Gene Simmons (b),
Paul Stanley (g), Tommy Thayer (g) und Eric Singer (d) entgegen, als
diese (ohne Eric) von einem erhöhten Podest, eingehüllt in viel
Trockeneis und hellem Licht nach unten gefahren wurden. Die Bühne
war monströs, übersät mit Amp-Attrappen, das Schlagzeug in der Höhe
platziert und oben in der Mitte prangte das Band-Logo, wie man es
von früheren Tourneen her bestens kennt. Die Songs waren im
Wesentlichen die vom ersten Live-Album «Alive 1» und darum ging es
gleich los mit «Deuce» und «Strutter». Paul sang zumindest am Anfang
ganz passabel, Gene stakste in gewohnter Manier auf der Bühne rum
und riss seine berühmten Faxen, bei denen seine Mörder
Schlabber-Zunge wie immer die Hauptrolle spielte. Ace Frehley Ersatz
Tommy Thayer empfahl sich schon bald als der klar bessere Musiker
als sein berühmter Vorgänger und Drummer Eric Singer (spielte unter
anderem das Album «Revenge» von 1992 ein) ergänzt(e) das aktuelle
Line-Up bestens. Natürlich durften die legendären Ansagen von
Starchild Paul Stanley nicht fehlen und das ganze Hallenstadion
stieg von Anfang an voll rein. Die Reaktionen des Publikums wurden
immer besser und die Bühne wartete mit fettem Licht, üppig
eingesetztem Trockeneis und einem guten Sound auf. Wer die
Reihenfolge der Songs von «Alive 1» kannte, erwartete natürlich auch
«Firehouse», das aber am heutigen Abend leider nicht gespielt wurde.
Das tat der ausgelassenen Stimmung jedoch keinen Abbruch, im
Gegenteil. Je länger das Konzert dauerte, desto besser gefiel mir
unter anderem Tommy Thayer, der saugeil solierte und dabei optisch
nicht vom guten Ace zu unterscheiden war. Das traf dann auch auf das
eigentliche Solo zu, wo wiederum die feuerspeiende Gitarre zum
Einsatz kam. Die erste Hälfte des Sets beinhaltete nicht (mehr) so
geläufige Songs wie das raue «Parasite» oder das groovige «She» mit
gemeinsamen Vocals von Gene und Paul. Unvermittelt, aber nicht
unerwartet flog dann mal der erste BH auf die Bühne und auch ein
paar Damenhöschen liessen nicht lange auf sich warten. Paul
schnappte sich die Dinger behende und hängte die Wäschekollektion an
den Mic-Ständer. Welche Gerüche er dabei zur Nase führte, überlassen
wir Eurer Fantasie. Zu «100'000 Years» folgte dann noch ein mehr
oder weniger kurzweiliges Drum-Solo von Eric Singer, dessen
Arbeitsgerät dazu noch weiter in die Höhe gehievt wurde.
Die ansich abgelutschten und bestens bekannten Sing-a-long Spielchen
trafen derweil voll den Nerv des Publikums, sodass der Lärmpegel
eigentlich (fast) nie abflaute. Obwohl man ja von Paul Stanley
weiss, dass er mittlerweile künstliche Hüftgelenke in der Gegend rum
trägt, schränkte dieser Umstand seine Beweglichkeit kaum bis gar
nicht ein. Unser Starchild hüpfte da manchmal im Zeug rum wie ein
junges Rehlein. Kiss zelebrierten, trotz ein paar stimmlichen
Abstrichen, die perfekte Rock-Show und die bekannteren Songs standen
ja erst noch bevor. «Cold Gin» machte da quasi den Anfang und
spätestens ab «Rock'n'Roll All Nite», nachdem mangelnde
Textkenntnisse bei Black Diamond fast ungewohnt für etwas Ruhe in
der Halle sorgten, legte die Band noch ein paar Briketts nach. «Shout
It Loud» und vor allem «Lick It Up» gerieten unheimlich gut, ehe
dann Flattermann Gene Simmons seinen legendären Solo-Auftritt
hinlegte. Dazu gehörte das Unheil herauf beschwörende Donner-Grollen
seines Instrumentes und die sattsam bekannte Kunstblut
Spuck-Geschichte. Hammermässig fiel die Reaktion des Zürcher
Publikums zur Flugeinlage von Gene aus, als dieser sich, an Seilen
im entsprechenden Korsett befestigt, ziemlich schnell auf einem
Podest auf Höhe der Lichtshow-Masten hinstellen liess. Von dort oben
dirigierte er die tobende Halle zu «I Love It Loud», wo ich
gefühlsmässig unweigerlich die ähnliche Szenerie von Rio de Janeiro
aus dem Jahre 1982 vor Augen hatte, als dort sage und schreibe
147'000 Fans zu diesem Classic aus den 80ern komplett ausrasteten.
So muss das sein Leute! Was nützt es, wenn brillante Musiker gute
Songs interpretieren, die aber das Publikum nicht erreichen, sprich
die entsprechenden Emotionen erzeugen können? Da lobe ich mir so
einen Abend mit Kiss, die die Bude echt gerockt haben! Dabei spielte
es keine so grosse Rolle, dass Paul bei «I Was Made For Loving You»
einige krasse Misstöne von sich gab. Er holte diese Kohlen bei «Love
Gun», mitten in der Halle singend und spielend, locker wieder aus
dem Feuer. Am Schluss zählt(e) einzig und allein der Spass am
Konzert und die supertolle
Stimmung! Mehr braucht es nicht und es
bleibt abzuwarten, ob die vielbejubelte Ansage von Mr. Stanley, dass
Kiss auch 2009 Europa wieder beackern werden, wirklich in Erfüllung
gehen wird. Geschäftstüchig wie sie sind, gab es am Merch-Stand
bereits ein Konzert der laufenden Tour (Berlin, 9.6.08) als
schmuckes Digipak für moderate 39 Franken zu kaufen. Insgesamt
sollen 14 Konzerte für diese Reihe aufgezeichnet worden sein, wovon
Zürich offensichtlich nicht dazu gehört, leider! Schade eigentlich,
denn heute Abend war während gut zwei Stunden echt was los im
Hallenstadion, und damit ist nicht nur der pyrotechnische
Lichtzauber gemeint! See you next year in Switzerland again guys!!
Setlist: «Deuce» - «Strutter» - «Go To Choose» - «Hotter Than Hell»
- «Nothin' To Lose» - «C'mon And Love Me» - «Parasite» - «She» -
«100'000 Years» - «Cold Gin» - «Let Me Go Rock'n'Roll» - «Black
Diamond» - «Rock'n'Roll All Nite» - «Shout It Out Loud» - «Lick It
Up» - «I Love It Loud» - «I Was Made For Loving You» - «Love Gun» -
«Detroit Rock City».
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