Es gibt sicher Combos, die wilder auf der Stage agieren oder
ihren Sound brachialer von der Bühne pfeffern, beziehungsweise das
Ganze intensiver verpacken. ABER!!! Keine andere Truppe hat ihre
Bühnenshow dermassen perfektioniert wie die vier Comic-Helden von
Kiss. Jeder Charakter hat seinen festen Part in der Show. Die
Präsentation wird durch unzählige Feuersäulen und Explosionen
untermauert, und dabei wird gerne auch mal mit einem Rak-Rohr eine
ganze Lichttraverse abgeschossen. Der Konfettiregen, das Blut- und
Feuer-spucken, das Fliegen an die Hallendecke oder auf eine kleine
Nebenbühne, wie auch das Zertrümmern einer Gitarre sind
Showeinlagen, die ganz einfach zur Darbietung der Amerikaner
gehören. Doch..., starten wir am Anfang dieser Story.
Die beginnt nämlich in einem 2'500 Seelendorf in der Schweiz. Nicht,
dass dies etwas Besonderes wäre, würde da nicht ein kleiner
Kiss-Maniac leben, der sich dermassen auf diesen 16. Mai freute,
dass er schon drei Tage vorher mit seinem Magen zu kämpfen hatte.
Ja, dieser kleine Fan fieberte mit. So sehr, dass er dabei ein
anderes Konzert sausen lassen musste. Lampenfieber nennt man das im
Fachjargon. So kam der 16. Mai 2010 immer näher, die Nervosität
stieg ins Unermessliche und plötzlich stand dieser Helvetier vor den
Toren des Hallenstadions. Es war ein Bild für die Götter:
Geschminkte Gesichter, die an die Kiss-Musiker erinnerten und teils
auch selber geschneiderte Bühnenklamotten belegten auf eindrückliche
Weise, dass heute Abend, DIE ultimative Rockshow über die Bretter
des Hallenstadions gehen sollte. (tin)
Taking Dawn
Zuerst dachte ich wirklich an einen schlechten, nein sogar sehr
schlechten Witz, als ich mitbekommen hatte, wer für KISS heute Abend
eröffnen sollte. Der letzte Auftritt auf Schweizer Boden im
Vorprogramm von Airbourne im
Volkshaus war nämlich, gelinde ausgedrückt, ein mittleres Desaster!
Eine top produzierte CD und wohl eine rechte Menge Kohle hinten
dran, machten das meiner Meinung nach überhaupt möglich, dass gerade
diese, junge Band aus Las Vegas für ihre Landsleute nun auch im
Hallenstadion aufmarschieren konnte. Ich befürchtete schon das
Schlimmste, was dann aber überrasch-enderweise nicht eintrat,
zumindest nicht in diesem Ausmass. Die vier Jungspunde, darunter ihr
etwas durchgeknallter Frontmann Chris Babbitt, stürmten wie erwartet
einem Feuerwehr-Einsatz gleich auf die Bühne. Was danach folgte, war
keine Offenbarung, aber immerhin spürbar besser als noch beim ersten
Mal. Die Songs waren zwar die gleichen soweit, will heissen halt
nicht sonderlich eingängig, aber heute Abend war der Sound besser,
weil opulenter und die Band wirkte insgesamt ziemlich locker. Er
dürfte auch an den verhältnismässig guten Reaktionen des Publikums
gelegen haben, dass Taking
Dawn
etwas Oberwasser kriegten. Dazu kam, dass Frontkasper Babbitt
diesmal keine gar so dicke Lippe à la Sebastian Bach riskierte und
darum für mich mindestens ein Quäntchen glaubwürdiger rüber kam.
Einen ebenfalls besseren Abend schien auch Gitarrist Mikey Cross
erwischt zu haben, der souveräner und solider als noch im Frühling
spielte. Die Gesangseinlage von Bassist Andrew Cushing wurde
ebenfalls mit Applaus bedacht und bescherte dem US-Vierer somit ein
ganz ordentliches Feedback. Wirklich Stricke zerrissen wurden
während den knapp 30 Minuten Spielzeit auch heuer nicht, doch
immerhin hinterliessen die Anheizer einen besseren Eindruck. Wenn
das Ganze nun in Zukunft mit verbessertem Songwriting angegangen
wird, könnte die Jugendlichkeit zum Rettungsanker werden, sofern
Taking Dawn selbstkritisch genug sind und bald einmal erkennen, wo
weniger manchmal, oder wie in diesem Fall ganz sicher, mehr ist! Im
Wissen darum, dass die Halle mit Sicherheit nur Fans von KISS
beherbergte, kam der quirlige L.A.-Vierer noch ziemlich heil davon.
(rsl)
KISS
Auch wenn sich die Jungs von Taking Dawn abmühten und die Kiss-Fans
immer wieder anfeuerten, in der Halle warteten alle nur auf Gene «The
Demon» Simmons, Paul «The Starchild» Stanley, Tommy «The Spaceman»
Thayer und Eric «The Cat» Singer. Das Quartett startete sein Konzert
unter dem polternden Stampfen der legen-dären Plateauschuhe und der
Einspielung des neuen Videos von «Modern Day Delilah».
Beziehungsweise die allseits bekannte Stimme mit der berühmt-kultigen
Einleitung: «...allright Zurich. You wanna the best, and you got the
best. The hottest band in the world… KISS»! Der Vorhang fiel und die
beiden Gitarristen Paul und Tommy, plus Bassist Gene wurden auf
eine, sich hinter dem Schlagzeug in die Höhe und nach vorne
herabsenkenden Kleinbühne den Fans näher gebracht. Feuersalven
schossen links und rechts neben dem Drumriser in die Höhe und sofort
ging die Gitarrenfront in die Offensive. Gene züngelt mit seinem
Mörderteil von Zunge, das Tausende von Frauen beglückte und Paul
flirtete mit jedem Girl in den ersten Reihen. Was dem Sternenboy
schon beim Opener den ersten BH einbrachte. - Da hätte ich gerne mal
den Inhalt gesehen, der dazu gepasst hätte... - Tommy war der coole,
fast schon abwesend wirkende Saitenderwisch und Eric das
Timingwunder mit einer famosen Stick-Jongliershow. Damit alles für
die hinteren Reihen gut sichtbar blieb wurden links und rechts,
sowie über dem Schlagzeug grosse Videoleinwände positioniert. Dafür
musste der ansonsten hinter dem Drum funkelnde Kiss-Schriftzug vor
das Schlagzeug gestellt werden. Einer der ersten Höhepunkte folgte
mit «Firehouse». Viel Rauch, Sirenen und die Feuerspuckeinlage von
Gene gehören bei diesem Track, sollte es jemand noch nicht wissen,
zum guten Ton.
Wer
aber dachte, dass Kiss auf dieser Tour auf Nummer sicher gehen, der
sah sich getäuscht. So wurden «Crazy Crazy Nights», «Lick It Up» und
«God Gave Rockn Roll To You» in die Setliste eingebaut. Anstatt bei
«God Of Thunder» spuckte der Demon bei «I Love It Loud» Blut und
flog gegen die Hallendecke auf eine kleine Bühne über der
Lichttraverse. Bei seinem Basssolo und der Blut- spuckerei sah sich
das dämonisch wirkende Wesen Glockenläuten und hellem Licht von Oben
gegenüber, was der ganzen Show einen speziellen Touch verlieh.
Mister Charisma zuzusehen, wie er gegen die Decke fliegt und oben
sein furchteinflössendes «oh yeah» in die Menge brüllt, ist für die
Anwesenden gewaltiger Gänsehautfaktor. Als krönen-des Ende des
Gitarrensolo von Tommy (bei «Shock Me», spielte er sein
Saiteninstrument hinter dem Kopf, wie früher Jimi Hendrix) wurde
anstelle einer Rakete aus der Gitarre, gleich mit einem Rak Rohr von
Eric Singer mehrere Spots, nicht wie früher nur einem, abgeschossen.
Die Raketen aus der Gitarre von Tommy fehlten trotzdem nicht...
Ebenso wenig wie die grellen roten Feuersäulen beim Mitsingpart von
«100'000 Years» und der dazugehörenden Frage von Wackel-Po Paul
«...do you feel allright?». Die famose Lichtshow untermalte jeden
Song perfekt. Die Pyros den jeweiligen Track ebenso. Da gehören die
Knaller zu jedem Trommelwirbel beim Ende von «Love Gun» ebenso dazu
wie auch das komplette Abfeuern aus allen Rohren bei «Detroit Rock
City» und dem fliegenden Drumriser. Nach diesem Klassiker war dann
mal der offizielle Teil beendet. Schon da war allen klar, es gibt
nichts Vergleichbares auf dieser Welt. Kiss sind die ultimative und
uneinholbare Macht auf der Bühne. Keine andere Truppe bringt es
fertig Songs und Show dermassen kompakt zu vermischen wie die
Horror-Rocker.
Keiner wollte nach Hause gehen. Weder unser Held aus dem 2'500
Seelendorf, noch die anderen Fans aus der fast ausverkauften Halle.
Der Aufforderung von Paul, dass Publikum soll ihn nach mehr bitten;
«...please Sir, can we have more…» wurde gerne und lautstark Folge
geleistet. Was darauf das Quartett bei «Lick It Up» an Feuersäulen
verbrateten, liess alle Anwesenden die Hitze spüren und die
Masterminds Stanley und Simmons flambieren sprichwörtlich die
Zürcher Konzerstätte. Das grosse Finale wurde eingeläutet. Begleitet
von einem bis in die hinterste Reihe und Ränge klatschenden
Händemeer, funkelte einmal mehr der Glitzerregen bei «Shout It Out
Loud», bei dem erneut zu Vorschein kam, dass die Jungs ihre
Chorgesänge noch immer bestens vortragen können. Der Flug von Paul
zur kleinen Bühne beim Mischpult wurde nur durch einen
Unverbesserlichen unterbrochen, welcher Paul immer wieder mit seinem
Laserlight nervte. Pauls Worte dazu: «wenn du das nochmals machst,
reisse ich dir den Arsch bis zu deinem Maul auf...». Die Halle
tobte! Als zweitletztes Lied wurde «God Gave Rockn Roll To You» dem
verstorbenen Trommler Eric Carr gewidmet, der auf den kleinen
Bildschirmen links und rechts neben dem Schlagzeug mit verschiedenen
Bildern präsentierte wurde. Das Finale «Rock And Roll All Nite»
beendete dann nach über 2 ¼ Stunden das Konzert der Konzerte. Jeder
und jede liefen glücklich aus dem Stadion raus, kauften sich noch
ein Poster, ein Shirt oder einen USB-Stick dieses Konzertabends.
Auch unser Bürger aus dem verschlafenen Nest. Seine Nervosität löste
sich schon beim Fallen des Vorhangs. Er ist glücklich, wie auch
seine Familie, die ihn bei diesem Event begleitete. Endlich konnte
er seinen Lieben zeigen, warum er so auf diese Band steht. Die
beiden Kinder verstehen ihren Papa. Seine Frau, wenn sie ehrlich
ist, auch... (tin)
Setliste Kiss: «Modern Day Delilah» - «Cold Gin» - «Let Me Go Rock
And Roll» - «Firehouse» - «Say Yeah» - «Deuce» - «Crazy Crazy Nights»
- «Calling Dr. Love» - «Shock Me (Eric and Tommy jamming together)»
- «Im An Animal» - «100'000 Years» - «I Love It Loud (Gene spits
blood and flies)» - «Love Gun» - «Black Diamond» - «Detroit Rock
City» - «Lick It Up» - «Shout It Out Load» - «I Was Made For Lovin
You (Paul flies to mini stage)» - «God Gave Rockn Roll To You» -
«Rock And Roll All Nite».
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