Fast genau vor zwei Jahren gastierte „The hottest band in
the world“ zum Album «Monster» im Hallenstadion und heute Abend
stand die "40th Anniversary-Tour" auf dem Programm. Das bedeutet
natürlich, dass die «Sonic Boom»-Tour davor auch schon wieder fünf
Jahre her ist. Da sieht man einmal wieder, wie schnell doch die Zeit
vergeht. Damals gab es eine Firma namens Simfy, die im Prinzip sowas
wie ein Vorläufer von Spotify war und unter dem Branding „Simfy
Live“ das eben gehörte Konzert zur Hälfte auf einen USB-Stick
kopierte. Nach dessen Erwerb (für CHF 35.-) erhielt man den Code zum
Herunterladen des Rests. Dieser Dienst existierte jedoch nicht so
lange und aktuell befindet sich die Firma im Status der Liquidation!
Tja Leute, die Welt bleibt nicht stehen, das Leben geht weiter und…,
KISS sind immer noch da! Allerdings mussten die erfolgsverwöhnten
Amerikaner zur Kenntnis nehmen, dass das Interesse in der Schweiz
mit gerade mal knapp 7‘000 Fans offenbar deutlich am Abnehmen ist.
Nichtsdestotrotz lieferten Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer
und Eric Singer eine astreine Rock-Show ab, die vom überraschend
guten Support The Dead Daisies zusätzlich veredelt wurde.
The
Dead Daisies
Über Facebook wurde im Vorfeld die Nachricht verbreitet, dass die
Support-Band von KISS bereits um 19.45 Uhr zu Spielen beginnen
würde. Somit war ich bemüht, ja nicht zu spät in Zürich anzukommen.
In der Halle drin und gemütlich auf einem der Presseplätze sitzend,
erfuhr ich dann zunächst mal, dass es Tinu und allen anderen
akkreditierten Fotographen nicht erlaubt wurde, Fotos vom
Support-Act aus dem Pit heraus zu machen. Das soll verstehen wer
will, aber mit meinem 20-fach Zoom liessen mit der kleinen Canon
sich dennoch ein paar gute Shots von meinem Standort aus machen. Das
war sicher nicht auf dem Mist der Band gewachsen, die schliesslich
doch erst um circa 19.55 Uhr auf die Bühne kam und dafür aber gleich
ziemlich kernig loslegte. „Die toten Margeriten“ wurden vor gut zwei
Jahren gegründet und waren mitunter bald für namhafte Headliner wie
ZZ Top, Def Leppard, Aerosmith oder jetzt eben KISS unterwegs.
Eigentlich sind The Dead Daisies gar keine richtige Band, sondern
vielmehr ein musikalisches Kollektiv, das jedoch fast
ausschliesslich aus namhaften Musikern besteht. Ob die aktuelle
Besetzung mit John Corabi (Union, Ex-Mötley
Crüe),
Dizzy Reed (Ex-Guns n‘ Roses), Richard Fortus (Guns n‘ Roses), David
Lowy (Red Phoenix/Mink), Marco Mendoza (Ex-Ted Nugent,
Ex-Whitesnake, Thin Lizzy) und Tommy Clufetos (Black Sabbath/Ozzy
Osbourne) länger anhalten wird, steht noch in den Sternen. Das erst
kürzlich erschienene zweite Album «Revolución» wurde, bis auf Tommy
(auf der Scheibe spielten Jackie Barnes und Brian Tichy), von dieser
Besetzung eingespielt. Was studiomässig schon killt, kam auf der
Bühne sogar noch eine Spur besser. Warum dann aber neben den
Album-Covers «Evil» (Howlin‘ Wolf) und «Midnight Moses» (The
Sensational Alex Harvey Band) zum Beispiel auch noch «Hush» (Joe
South) als weiterer Cover auftauchte, fand ich in Anbetracht der
geilen Songs, die man sonst noch in der Hinterhand gehabt hätte,
etwas seltsam wie schade zugleich. Nicht dass es etwa mies klang
oder so, im Gegenteil! Mit einer furiosen Version des uralten
Beatles-Klassikers «Helter Skelter» (den weder Mötley Crüe noch Guns
n‘ Roses jeweils auch nur annähernd so geil interpretierten) legten
The Dead Daisies zum Schluss sogar noch kräftig einen drauf, ich
konnte es kaum fassen. Das immerhin schön nach vorne aufgerückte
Publikum antizipierte erfreulich und nach gut 45 Minuten Spielzeit
waren sich die meisten Leute einig, eine der besseren Vorgruppen der
letzten Jahre, ja überhaupt gesehen zu haben. Es dürfte mit
Sicherheit nicht mehr lange dauern und dann kann man die
Allstar-Truppe als Top-Headliner abfeiern, wetten?!
Setliste:
«Mexico» - «Evil (Howlin’ Wolf Cover)» - «Midnight Moses (The
Sensational Alex Harvey Band Cover)» - «Looking For The One» -
«Devil Out Of Time» - «Make the Best Of It» - «Hush (Joe South
Cover)» - «Lock'n'Load» - «With You and I» - «Face I Love» - «Helter
Skelter (The Beatles Cover)».
KISS Was
will man gross über den immer noch grössten Rock’n’Roll Zirkus der
Welt berichten?! Vier Dekaden in diesem Geschäft präsent und
insgesamt sehr erfolgreich zu sein, wird kaum wem mehr, wenn denn
überhaupt noch, gelingen. Diese Zeiten sind definitiv vorbei und
selbst eine im Moment sehr angesagte Stadion-Band wie Muse wird dies
nicht schaffen. KISS gehören längst zu den Rock-Dinos
und haben Millionen von Fans über Generationen hinweg unterhalten
wie glücklich gemacht. Der mittlerweile bald vor zwanzig Jahren
gefällte Entscheid, die lange Zeit für total unmöglich gehaltene
Demaskierung wieder rückgängig zu machen, war wohl überlegt. Ohne
diesen medienwirksamen Coup wären nur die Erinnerungen an früher
geblieben und das Interesse der jüngeren Fans garantiert nicht mehr
generiert worden. Dass heuer „nur“ vergleichsweise magere 7‘000
Besucher ins Hallenstadion gekommen sind, dürfte weniger auf
grundsätzliches Desinteresse zurück zu führen sein, alsdass vielmehr
schon seit etlichen Jahren spürbar zu viele Bands unterwegs sind und
Konzerte geben. Wer sich zudem die saftigen Ticket-Preise der
Gegenwart anschaut, dürfte das nachvollziehen können. Da kann so ein
Abend für einen „normalen“ Fan, der sich nebst dem Ticket, der
Verpflegung und der Anreise mit dem ÖV auch noch ein Tour-Shirt
sowie eine CD vom Merchstand krallt, locker mal CHF 200.- kosten!
Ohne ÖV macht das Ganze immer noch etwa CHF 150.- und das kann und
will nicht mehr jeder wiederholt stemmen. Sowas interessiert die
Rockstars natürlich wenig bis gar nicht und wer sowas Exklusives wie
bei
KISS geboten bekommt, muss dafür halt auch entsprechend seinen
Beitrag leisten. Dass die Amerikaner sich in Sachen Show noch nie
haben lumpen lassen, garantierte auch heute Abend beste
Unterhaltung. Die Lichtelemente der «Monster»-Tour waren allerdings
deutlich opulenter, aber deswegen war es nicht „weniger hell“ als
das letzte Mal. Genau so wenig fehlten diverse Feuerwerks-Knaller,
die vor allem zu Beginn in rauen Mengen abgefeuert wurden, wie auch
die üblichen Feuerlanzen und massig Trockeneis dazu. Die
eingesetzten Laser-Effekte waren hingegen eher durchschnittlich,
dafür schob der Sound noch ordentlich vor sich her. Obwohl «Detroit
Rock City» ein Ur-Klassiker ist, gefiel mir der vorletzte
Tour-Opener «Modern Day Delilah» bedeutend besser. Dazu fehlten
natürlich weitere Hämmer wie «Say Yeah», «Firehouse», «Crazy Crazy
Nights» oder «I Stole Your Love», einer meiner absoluten
Lieblingssongs der 70er. Anyway, man kann es bei so einem immensen
Backkatalog eh nie allen recht machen und darum gehört das in die
Kategorie „Jammern auf hohem Niveau“.
Was in den letzten Jahren jedoch immer wieder für Gesprächsstoff
gesorgt hat, ist der jeweilige Zustand von Paul Stanleys
Stimmbändern. Ähnlich wie bei David Coverdale (Whitesnake, Ex-Deep
Purple), gab es hierzu stets Licht und Schatten. Heute Abend
präsentierte sich Starchild Paul im Rahmen seiner Möglichkeiten ganz
ordentlich, aber wer die originalen Gesangslinien kennt, merkte
sofort, wo was fehlte oder deutlich tiefer wie mit erhöhter
Unterstützung der Kollegen performt wurde. Sonst war aber alles im
gewohnten und erwarteten Rahmen, sprich massiges Posen (auch für die
Fotographen, die gerade mal während nur den ersten zwei Songs Bilder
machen durften!), gemeinsames Riffen wie separate Soli von Tommy,
Eric und Gene. Letzterer flog nach dem berühmten Bass-Solo,
inklusive dem Kunstblut-Gesudel und den verdrehten Augen, wieder
hoch zur Hallendecke und gab dort natürlich den «God Of Thunder» zum
Besten. Auch wenn die Lücken unter den anwesenden Fans nicht zu
übersehen waren, entwickelte sich dennoch eine gute Stimmung, die
aber zwangsläufig weit weg von austickender Ekstase war.
Nichtsdestotrotz vermochte die Show von heute Abend mit zunehmender
Dauer immer besser zu gefallen und das jeweilige Level konnte bis am
Schluss
gehalten werden. Die ansonsten ausufernden Ansagen von Paul blieben
in einem normalen Rahmen und der „Flug“ hin zum kleinen Podest in
der Mitte der Halle mündete einmal mehr im oldschooligen Evergreen
«Love Gun». Nach einer sackstarken Version von «Black Diamond»
gingen die Protagonisten schliesslich ein erstes Mal von der Bühne
runter. Die erste Zugabe mit «Shout It Out Loud» liess darauf nicht
lange auf sich warten und der früher in unseren Breitengraden sehr
populäre Disco-Smasher «I Was Made for Lovin' You» durfte
selbstverständlich keinesfalls fehlen. Gerade hier zog sich der gute
Paul ganz passabel aus der Affäre und sparte sich die letzte Tages-,
respektive Nachtenergie für den Schluss auf, wo die Party zu «Rock
And Roll All Nite» unter Hinzunahme eines massiven
Glitzerpapier-Regens üppig gezündet wurde. Was für die Aufräum- und
Putzkolonne nachher mit Sicherheit einen Mehraufwand verursachte,
liess das Publikum ein letztes Mal diese nach wie vor einzigartige
Rock-Show in vollen Zügen geniessen. Leider geht dann jeweils nach
dem Ende des Konzertes umgehend das Licht im Innern der Halle an und
wenige Minuten später lichteten sich die Ränge rasch. Draussen im
Foyer begegnete man dafür noch zahlreichen Die-Hard Fans, die sich
wie ihre Idole eingekleidet und natürlich ebenso aufwändig bis
originalgetreu geschminkt waren.
Interessant war auch die Tatsache, dass offenbar ein guter Teil
der jüngeren Fans soeben die allererste Show von KISS miterlebt
hatte. Ein ratsamer bis mitunter weiser Entscheid, denn man weiss
aktuell nie, ob das nicht die letzte Gelegenheit dazu war. Mit einer
Spielzeit von 100 Minuten lag man dabei gerade knapp in dem Bereich,
wo sich der Begriff „value for money“ noch rechtfertigen lässt. Will
sagen, dass frühere Shows der amerikanischen Rock-Ikone jeweils
locker länger als zwei Stunden gedauert haben. Nichtsdestotrotz
haben KISS amtlich abgeliefert und kommen hoffentlich wieder!
Setliste: «Intro & Speech» - «Detroit Rock City» - «Deuce» -
«Psycho Circus» - «Creatures Of The Night» - «I Love It Loud» - «War
Machine» - «Do You Love Me» - «Hell Or Hallelujah» - «Guitar and
Drum Solos» - «Calling Dr. Love» - «Lick It Up» - «Bass Solo» - «God
Of Thunder» - «Cold Gin» - «Love Gun» - «Black Diamond» -- «Shout It
Out Loud» - «I Was Made for Lovin' You» - «Rock And Roll All Nite» -
«God Gave Rock'n'Roll To You II (Outro)».
|
|