Livereview: Kiss - The Dead Daisies

10. Juni 2015, Zürich – Hallenstadion
By Rockslave – All Pics by Tinu, ausser die von The Dead Daisies by Rockslave
Fast genau vor zwei Jahren gastierte „The hottest band in the world“ zum Album «Monster» im Hallenstadion und heute Abend stand die "40th Anniversary-Tour" auf dem Programm. Das bedeutet natürlich, dass die «Sonic Boom»-Tour davor auch schon wieder fünf Jahre her ist. Da sieht man einmal wieder, wie schnell doch die Zeit vergeht. Damals gab es eine Firma namens Simfy, die im Prinzip sowas wie ein Vorläufer von Spotify war und unter dem Branding „Simfy Live“ das eben gehörte Konzert zur Hälfte auf einen USB-Stick kopierte. Nach dessen Erwerb (für CHF 35.-) erhielt man den Code zum Herunterladen des Rests. Dieser Dienst existierte jedoch nicht so lange und aktuell befindet sich die Firma im Status der Liquidation! Tja Leute, die Welt bleibt nicht stehen, das Leben geht weiter und…, KISS sind immer noch da! Allerdings mussten die erfolgsverwöhnten Amerikaner zur Kenntnis nehmen, dass das Interesse in der Schweiz mit gerade mal knapp 7‘000 Fans offenbar deutlich am Abnehmen ist. Nichtsdestotrotz lieferten Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer eine astreine Rock-Show ab, die vom überraschend guten Support The Dead Daisies zusätzlich veredelt wurde.

The Dead Daisies

Über Facebook wurde im Vorfeld die Nachricht verbreitet, dass die Support-Band von KISS bereits um 19.45 Uhr zu Spielen beginnen würde. Somit war ich bemüht, ja nicht zu spät in Zürich anzukommen. In der Halle drin und gemütlich auf einem der Presseplätze sitzend, erfuhr ich dann zunächst mal, dass es Tinu und allen anderen akkreditierten Fotographen nicht erlaubt wurde, Fotos vom Support-Act aus dem Pit heraus zu machen. Das soll verstehen wer will, aber mit meinem 20-fach Zoom liessen mit der kleinen Canon sich dennoch ein paar gute Shots von meinem Standort aus machen. Das war sicher nicht auf dem Mist der Band gewachsen, die schliesslich doch erst um circa 19.55 Uhr auf die Bühne kam und dafür aber gleich ziemlich kernig loslegte. „Die toten Margeriten“ wurden vor gut zwei Jahren gegründet und waren mitunter bald für namhafte Headliner wie ZZ Top, Def Leppard, Aerosmith oder jetzt eben KISS unterwegs. Eigentlich sind The Dead Daisies gar keine richtige Band, sondern vielmehr ein musikalisches Kollektiv, das jedoch fast ausschliesslich aus namhaften Musikern besteht. Ob die aktuelle Besetzung mit John Corabi (Union, Ex-Mötley Crüe), Dizzy Reed (Ex-Guns n‘ Roses), Richard Fortus (Guns n‘ Roses), David Lowy (Red Phoenix/Mink), Marco Mendoza (Ex-Ted Nugent, Ex-Whitesnake, Thin Lizzy) und Tommy Clufetos (Black Sabbath/Ozzy Osbourne) länger anhalten wird, steht noch in den Sternen. Das erst kürzlich erschienene zweite Album «Revolución» wurde, bis auf Tommy (auf der Scheibe spielten Jackie Barnes und Brian Tichy), von dieser Besetzung eingespielt. Was studiomässig schon killt, kam auf der Bühne sogar noch eine Spur besser. Warum dann aber neben den Album-Covers «Evil» (Howlin‘ Wolf) und «Midnight Moses» (The Sensational Alex Harvey Band) zum Beispiel auch noch «Hush» (Joe South) als weiterer Cover auftauchte, fand ich in Anbetracht der geilen Songs, die man sonst noch in der Hinterhand gehabt hätte, etwas seltsam wie schade zugleich. Nicht dass es etwa mies klang oder so, im Gegenteil! Mit einer furiosen Version des uralten Beatles-Klassikers «Helter Skelter» (den weder Mötley Crüe noch Guns n‘ Roses jeweils auch nur annähernd so geil interpretierten) legten The Dead Daisies zum Schluss sogar noch kräftig einen drauf, ich konnte es kaum fassen. Das immerhin schön nach vorne aufgerückte Publikum antizipierte erfreulich und nach gut 45 Minuten Spielzeit waren sich die meisten Leute einig, eine der besseren Vorgruppen der letzten Jahre, ja überhaupt gesehen zu haben. Es dürfte mit Sicherheit nicht mehr lange dauern und dann kann man die Allstar-Truppe als Top-Headliner abfeiern, wetten?!

Setliste: «Mexico» - «Evil (Howlin’ Wolf Cover)» - «Midnight Moses (The Sensational Alex Harvey Band Cover)» - «Looking For The One» - «Devil Out Of Time» - «Make the Best Of It» - «Hush (Joe South Cover)» - «Lock'n'Load» - «With You and I» - «Face I Love» - «Helter Skelter (The Beatles Cover)».

KISS
Was will man gross über den immer noch grössten Rock’n’Roll Zirkus der Welt berichten?! Vier Dekaden in diesem Geschäft präsent und insgesamt sehr erfolgreich zu sein, wird kaum wem mehr, wenn denn überhaupt noch, gelingen. Diese Zeiten sind definitiv vorbei und selbst eine im Moment sehr angesagte Stadion-Band wie Muse wird dies nicht schaffen. KISS gehören längst zu den Rock-Dinos und haben Millionen von Fans über Generationen hinweg unterhalten wie glücklich gemacht. Der mittlerweile bald vor zwanzig Jahren gefällte Entscheid, die lange Zeit für total unmöglich gehaltene Demaskierung wieder rückgängig zu machen, war wohl überlegt. Ohne diesen medienwirksamen Coup wären nur die Erinnerungen an früher geblieben und das Interesse der jüngeren Fans garantiert nicht mehr generiert worden. Dass heuer „nur“ vergleichsweise magere 7‘000 Besucher ins Hallenstadion gekommen sind, dürfte weniger auf grundsätzliches Desinteresse zurück zu führen sein, alsdass vielmehr schon seit etlichen Jahren spürbar zu viele Bands unterwegs sind und Konzerte geben. Wer sich zudem die saftigen Ticket-Preise der Gegenwart anschaut, dürfte das nachvollziehen können. Da kann so ein Abend für einen „normalen“ Fan, der sich nebst dem Ticket, der Verpflegung und der Anreise mit dem ÖV auch noch ein Tour-Shirt sowie eine CD vom Merchstand krallt, locker mal CHF 200.- kosten! Ohne ÖV macht das Ganze immer noch etwa CHF 150.- und das kann und will nicht mehr jeder wiederholt stemmen. Sowas interessiert die Rockstars natürlich wenig bis gar nicht und wer sowas Exklusives wie bei KISS geboten bekommt, muss dafür halt auch entsprechend seinen Beitrag leisten. Dass die Amerikaner sich in Sachen Show noch nie haben lumpen lassen, garantierte auch heute Abend beste Unterhaltung. Die Lichtelemente der «Monster»-Tour waren allerdings deutlich opulenter, aber deswegen war es nicht „weniger hell“ als das letzte Mal. Genau so wenig fehlten diverse Feuerwerks-Knaller, die vor allem zu Beginn in rauen Mengen abgefeuert wurden, wie auch die üblichen Feuerlanzen und massig Trockeneis dazu. Die eingesetzten Laser-Effekte waren hingegen eher durchschnittlich, dafür schob der Sound noch ordentlich vor sich her. Obwohl «Detroit Rock City» ein Ur-Klassiker ist, gefiel mir der vorletzte Tour-Opener «Modern Day Delilah» bedeutend besser. Dazu fehlten natürlich weitere Hämmer wie «Say Yeah», «Firehouse», «Crazy Crazy Nights» oder «I Stole Your Love», einer meiner absoluten Lieblingssongs der 70er. Anyway, man kann es bei so einem immensen Backkatalog eh nie allen recht machen und darum gehört das in die Kategorie „Jammern auf hohem Niveau“.

Was in den letzten Jahren jedoch immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt hat, ist der jeweilige Zustand von Paul Stanleys Stimmbändern. Ähnlich wie bei David Coverdale (Whitesnake, Ex-Deep Purple), gab es hierzu stets Licht und Schatten. Heute Abend präsentierte sich Starchild Paul im Rahmen seiner Möglichkeiten ganz ordentlich, aber wer die originalen Gesangslinien kennt, merkte sofort, wo was fehlte oder deutlich tiefer wie mit erhöhter Unterstützung der Kollegen performt wurde. Sonst war aber alles im gewohnten und erwarteten Rahmen, sprich massiges Posen (auch für die Fotographen, die gerade mal während nur den ersten zwei Songs Bilder machen durften!), gemeinsames Riffen wie separate Soli von Tommy, Eric und Gene. Letzterer flog nach dem berühmten Bass-Solo, inklusive dem Kunstblut-Gesudel und den verdrehten Augen, wieder hoch zur Hallendecke und gab dort natürlich den «God Of Thunder» zum Besten. Auch wenn die Lücken unter den anwesenden Fans nicht zu übersehen waren, entwickelte sich dennoch eine gute Stimmung, die aber zwangsläufig weit weg von austickender Ekstase war. Nichtsdestotrotz vermochte die Show von heute Abend mit zunehmender Dauer immer besser zu gefallen und das jeweilige Level konnte bis am Schluss gehalten werden. Die ansonsten ausufernden Ansagen von Paul blieben in einem normalen Rahmen und der „Flug“ hin zum kleinen Podest in der Mitte der Halle mündete einmal mehr im oldschooligen Evergreen «Love Gun». Nach einer sackstarken Version von «Black Diamond» gingen die Protagonisten schliesslich ein erstes Mal von der Bühne runter. Die erste Zugabe mit «Shout It Out Loud» liess darauf nicht lange auf sich warten und der früher in unseren Breitengraden sehr populäre Disco-Smasher «I Was Made for Lovin' You» durfte selbstverständlich keinesfalls fehlen. Gerade hier zog sich der gute Paul ganz passabel aus der Affäre und sparte sich die letzte Tages-, respektive Nachtenergie für den Schluss auf, wo die Party zu «Rock And Roll All Nite» unter Hinzunahme eines massiven Glitzerpapier-Regens üppig gezündet wurde. Was für die Aufräum- und Putzkolonne nachher mit Sicherheit einen Mehraufwand verursachte, liess das Publikum ein letztes Mal diese nach wie vor einzigartige Rock-Show in vollen Zügen geniessen. Leider geht dann jeweils nach dem Ende des Konzertes umgehend das Licht im Innern der Halle an und wenige Minuten später lichteten sich die Ränge rasch. Draussen im Foyer begegnete man dafür noch zahlreichen Die-Hard Fans, die sich wie ihre Idole eingekleidet und natürlich ebenso aufwändig bis originalgetreu geschminkt waren.



Interessant war auch die Tatsache, dass offenbar ein guter Teil der jüngeren Fans soeben die allererste Show von KISS miterlebt hatte. Ein ratsamer bis mitunter weiser Entscheid, denn man weiss aktuell nie, ob das nicht die letzte Gelegenheit dazu war. Mit einer Spielzeit von 100 Minuten lag man dabei gerade knapp in dem Bereich, wo sich der Begriff „value for money“ noch rechtfertigen lässt. Will sagen, dass frühere Shows der amerikanischen Rock-Ikone jeweils locker länger als zwei Stunden gedauert haben. Nichtsdestotrotz haben KISS amtlich abgeliefert und kommen hoffentlich wieder!

Setliste: «Intro & Speech» - «Detroit Rock City» - «Deuce» - «Psycho Circus» - «Creatures Of The Night» - «I Love It Loud» - «War Machine» - «Do You Love Me» - «Hell Or Hallelujah» - «Guitar and Drum Solos» - «Calling Dr. Love» - «Lick It Up» - «Bass Solo» - «God Of Thunder» - «Cold Gin» - «Love Gun» - «Black Diamond» -- «Shout It Out Loud» - «I Was Made for Lovin' You» - «Rock And Roll All Nite» - «God Gave Rock'n'Roll To You II (Outro)».